Bach: h-Moll Messe BWV 232

  • Hallo Taminos,


    ich denke, ich muß nicht groß erklären, welche Bedeutung die h-moll Messe Bachs in der Musikgeschichte hat (allerdings wurde erst in neuerer Zeit klar, dass Bach die Messe nicht wahllos aus alten resten zusammengestückelt hat, sondern planvoll und geschickt Teile als Ganzes zusammengefügt hat - über Jahrzehnte hinweg).
    Von Aufführungen zu Zeiten Bachs ist selber nichts bekannt - die erste Aufführung in Berlin erfolgte 1835 und wurde als barockes Gegenstück zu Beethovens Missa Solemnis betrachtet.
    Der Schweizer (Musik)Verleger und Komponist Hans Georg Nägeli bezeichnete 1818 die h-moll Messe gar als größtes Kunstwerk aller Zeiten und Völker.
    Wie sieht es bei euch aus: teilt ihr diese Meinung (vielleicht nicht gar so überschwenglich) oder ist's ein Stück unter vielen (guten) von Bach?
    Und welche Empfehlungen könnt ihr aussprechen? Ich halte mich einmal dezent zurück und gebe meine Lieblingsaufnahmen etwas später durch.


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • Hallo Uwe, mit solchen Euphemismen wie "größtes Kunstwerk aller Zeiten" bin ich sehr vorsichtig, denn wer bitte verfertigt die "Elle", um den Maßstab dafür zu definineren ? Ich sehe die Hmollmesse duchaus als ein "Kind ihrer Zeit" und die Absicht Bachs war, mit der Widmung an den
    sächsischen Kurfürsten und polnischen König August, genannt "Der Starke",Kapellmeister "von Hause aus" zu werden, will sagen, ein Titel, der nichts weiter bedeutet, sich aber als Druckmittel gegenüber dem Leipziger Rat, Bachs Dienstherren, ganz gewiss gut machte !
    Von der "Missa brevis" bis zur fertigen Hmollmese war es ein weiter Weg. Heute sind wir zieimlich sicher, daß zumindest Teile davon zu Lebzeiten Bachs in der Dresdener Hofkirche unter Bachs Freund Jan Dismas Zelenka, der Bach ganz sicher auch bei der Gestaltung dieser sehr "katholischen" Messe beriet, erklungen sind. Darüber, wie solche
    Aufführungen in Dresden solistisch und chorisch besetzt waren, sind wir relativ gut informiert. Auf gar keinen Fall darf man sich die Aufführung im Stile und Gehabe eines Karl Richter oder Günther Ramin vorstellen, wo ein Riesenchor mit Solisten verbunden wurde, die in den Opernwerken Richard Wagners beser aufgehoben wären als bei Bach !
    Aus der Fülle des vorhandenen Materials möchte ich 2 Aufnahmen herausgreifen, welche, durchaus verschieden angelegt, die musikalischen
    Strukturen der Komposition nachvollziehbar zur Geltung kommen lassen:



    Karajans Aufnahme aus dem Jahr 1971 "donnert" nicht zu sehr, die Solisten sind hervorragend, mit Ausnahme Peter Schreiers, den ich persönlich nicht mag... Aber dafür wird man mit Gundula Janowitz reich entschädigt ! Die Chöre sind wuchtig, aber nicht überdimensional.


    Konrad Jünghänels Aufnahme ist auf dem neusten rezeptionellen Stand was die Interpretation angeht, das Klangbild ist, wie bei Cantus Cölln gewohnt, transparent aber nicht dünn ! Als SACD über eine adaequate Anlage abgespielt ist diese Einspielung überwältigend !


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo Taminos,


    hier noch schnell zum Tagesausklang meine Favoriten:


    Die (neuere) Herreweghe-Aufnahme mit Scholl/Pregardien: sehr strahlend, exquisite Sänger...



    Gardiner mit seiner sehr (gewohnten) energischen/energetischen Sichtweise...



    ...und Otto Klemperer, der natürlich eine ganz andere Art des Vortrages präsentiert, groß, majestätisch, aber nicht weniger faszinierend...



    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • Zu der Ausführung zu Bachs H-Moll Messe und und dem Zitat vom
    Schweizer (Musik)Verleger und Komponist Hans Georg Nägeli, daß die h-moll Messe gar als größtes Kunstwerk aller Zeiten und Völker zu be-
    trachten sei, kann ich nur zustimmen.


    Bei meinem letzten Konzertbesuch während der Ludwigsburger Festspiele am 29.8.2004 führte J.E.Gardiner mit dem English Baroque Soloists & Monteverdi Choir Bachs H-Moll Messe auf. Eine sehr beeindruckende und Gänsehaut erzeugende Vorstellung durch J.E.Gardiner. Zu erwähnen ist die Schlichtheit und barocke Eleganz dieser Aufführungspraxis, im Gegensatz zu einem Karl Richter.

    Dieses Bachsche-Werk beeindruckt mich immer wieder durch seine
    tiefgreifende Frömmigkeit und Musik. Für mich eines der größten
    und schönsten Werke der Musikgeschichte.
    Viele Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Reklov schrieb:


    Zitat

    Eine sehr beeindruckende und Gänsehaut erzeugende Vorstellung durch J.E.Gardiner. Zu erwähnen ist die Schlichtheit und barocke Eleganz dieser Aufführungspraxis, im Gegensatz zu einem Karl Richter.


    Ich denke, es ist wenig ergiebig, die Aufführungspraxis Gardiners mit der Karl Richters zu vergleichen. Gardiners "schlanker" Ansatz folgt den musikwissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangen 40 Jahre; der Ansatz Richters ist aus einer Musiktradition entstanden, die mit Mendelssohns Wiederentdeckung (und Aufführung!) der großen Bach-Werke 1829 begann und im ganzen weiteren 19.Jahrhundert
    stilprägend wurde. Wirklich bedeutende Kustwerke haben immer mehr als nur EINEN Aspekt der Rezeption. Die Arien, die z.b. Kathleen Ferrier
    um 1950 aus Händel-Oratorien und der Bachschen "Matthäus-Passion" aufgenommen hat, sprechen allen ästhetischen Erkenntnissen vom Wesen der barocken Musik Hohn und sind TROTZDEM Meilensteine
    der Aufführungsgeschichte dieser Werke und werden auch in Zukunft nichts von ihrer Gültigkeit einbüssen. Und "elegant" im Sinne von rokokohaft-oberflöchlich wollte Bach gewiss nicht sein...

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • BigBerlinBaer,
    Zitat: Ich denke, es ist wenig ergiebig, die Aufführungspraxis Gardiners mit der Karl Richters zu vergleichen. Gardiners "schlanker" Ansatz folgt den musikwissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen 40 Jahre.


    Hierzu möchte ich noch bemerken, die Aufführungspraxis eines Karl
    Richters nicht in Abrede zu stellen. Mir gefallen beide Aufführungsformen,zumal ein Karl Richter aufgrund seiner sächsischen
    Herkunft und dortigen musikalischen Ausbildung die Aufführungsmethodik (großer Chor und Orchester), bevorzugte.
    Ich war von der Darbietung des J.E. Gardiners so begeistert und angenehm überrascht, in welch vielfältiger Form Bachsche Werke
    interpretiert werden können.
    Ich denke hier auch besonders an die Aufführung der h-moll Messe
    als Gedenkkonzert durch den Thomsakantor Georg Christoph Biller vom 28.7.2000 in der
    Thomaskirche zu Leipzig zum 250. Todesjahr von Bach.Besetzung des
    Chores in Bach'scher Tradition mit Knabenstimmen.......... etc.
    Eine wunderschöne und gelungene Aufführung .

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zu dem Thema Bachs h-moll Messe möchte ich unbedingt noch auf eine weitere DVD hinweisen:


    J.S.Bach H-Moll Messe aus der Thomaskirche zum Bachjahr 2000
    In beeindruckender Weise und einer genialer Aufführungspraxis an historische Stätte gelang es dem Gewandhausorchester und dem Thomanerchor unter der Leitung vom Thomaskantor Georg Christoph Biller die "Bachsche Tradition" und Aufführung mit einem Knabenchor in seinem Sinne fortzusetzen.
    Die zum Bachjahr 2000 aufgenommene DVD -in der so wunderschönen restaurierten Thomaskirche- besticht durch Schlichtheit und zu
    Herzen gehender wunderschönen Aufführung.
    Das sehr gut eingestimmte Gewandhausorchester und die hervorragenden Gesangssolisten vermitteln ein Hörgenuss höchster Qualitätsansprüche.Eine rundum gelungene DVD die jedem Bachkenner
    sehr zu empfehlen ist.




    .

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

    Einmal editiert, zuletzt von reklov29 ()

  • Zitat

    Das sehr gut eingestimmte Gewandhausorchester und die hervorragenden Gesangssolisten vermitteln ein Hörgenuss höchster Qualitätsansprüche.Eine rundum gelungene DVD die jedem Bachkenner
    sehr zu empfehlen ist.


    War das die, die seinerzeit im Fernsehen gesendet wurde? Fand ich wenig aufregend, um nicht zu sagen: langweilig.


    Gruss,


    Hendrik

  • RealHendrik schrieb:


    Zitat

    War das die, die seinerzeit im Fernsehen gesendet wurde? Fand ich wenig aufregend, um nicht zu sagen: langweilig.


    Es WAR die besagte Aufzeichnung und ich muß bestätigen, daß die mich ebenfalls nicht von Hocker gerissen hatte. Es war der Versuch, an Ramin und Richter anzuknüpfen, allerdings ohne die Aura, die beide Dirigenten hatten, auch nur annähernd zu erreichen. In Anbetracht aller Erkenntnisse, die man über Bachs Werk in den letzten 50 Jahren neu gewonnen hat, ist so eine Aufführung nichts weiter, als eine retrospektive Nabelschau. Nicht einmal der Ort der Einspielung, die Leipziger Thomaskirche, ist "authentisch", denn Bach schnitt sein Werk explizit auf die komplizierten akustischen Verhältnisse der Dresdener Hofkirche zu, wo das Werk (wohl in Teilen zumindest) durch Bachs Freund und Kollegen Jan Dismas Zelenka aufgeführt wurde.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)


  • RealHendrik
    Zitat:
    War das die, die seinerzeit im Fernsehen gesendet wurde? Fand ich wenig aufregend, um nicht zu sagen: langweilig.


    BigBerlinBaer
    Zitat:
    Es WAR die besagte Aufzeichnung und ich muß bestätigen, daß die mich ebenfalls nicht von Hocker gerissen hatte.

    Gerne hätte ich von den obigen Foren gewußt, ob Sie die erwähnte DVD im Besitz haben, oder nur die
    Fernsehsendung gesehen haben. Die Fernsehsendung habe ich nicht sehen können!!!!............

    Aus meiner Sicht finde ich die DVD als gelungen und kann die obigen Ausführungen zum Teil nicht nachvollziehen!!!
    Sicherlich läßt sich über Musik-Interpretationen streiten, zumal jeder seinen persönichen Geschmack einer entsprechenden Stilrichtung nachgeht. Mir gefällt einmal mehr die Leipziger Aufführungspraxis und kommt meinem Musikempfinden entsprechend entgegen.
    So ganz falsch kann meine Einstellung zu dieser DVD nicht sein, zumal zahlreiche Rezensenten
    diese DVD im Internet ebenfalls p o s i t i v bewertet haben.

    Die Aussage: die " Musikaufführung l a n g w e i l i g empfunden zu haben" und sie hat mich nicht vom Hocker gerissen

    entspricht sicherlich nicht dem Bach'schen Empfindungen um eines seiner größten Werke, die je die
    Musikgeschichte hervorgebracht hat.


    Nun habe ich sicherlich für reichlich Diskussionstoff für das Forum gesorgt, aber so soll es ja auch sein,
    f r e i e Meinungsäußerung im Tamino Klassikforum ist ausdrücklich erwünscht!!!!!!!----------------------
    oder?????...................


    herzliche Grüße
    aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • wenn es sich um DIESE DVD handelt, ja, ich habe sie in meinem Besitz:



    Warum ich diese Interpretation für nicht weiter bemerkenswert halte, habe ich deutlich an dem, was man darauf hören kann und gemessen an den heutigen musikwissenschaftlichen Kenntnissen formuliert.
    Unabhänge davon zitiere ich hier noch eine Kritik zu besagter Aufnahme
    aus "Klassik heute", die im Wesentlichen mit etwas ausführlicheren Formulierungen das zur Sprache bringt, was ich um der gebotenen Kürze willen, in wenige Sätze verpackt habe:


    Norbert Rüdell von "Klassik heute" schrieb am 01.07.2001:


    Zitat

    Biller besteigt den Olymp Bachscher Vokalmusik mit Wattestäbchen. Ob das die zaghafte Betätigung der Orchesterregister im Kyrie mit zerfasertem Baßfundament und müden Violinstimmen oder die wenig kernigen Chorstimmen betrifft - alles fließt vorbei, ohne ein konturenscharfes Bild zu hinterlassen. Der Kosmos, den Bach bereits beim signalhaften h-Moll-Akkord bis zum Fis-Dur-eleison spannt, wird buchstabiert, aber nicht zur metaphysischen Klammer gespannt. Die abgehackten Phrasierungen in den Violonen und später auch im Chor (Tr. 4, ab 0'25), die wohl den Eindruck eines informierten historistischen Standards machen sollen, sowie unprofilierte Holzbläser ergeben im Kyrie kein dramaturgisches Ganzes. Im flott musizierten Gloria vermißt man den geballten Glaubensjubel. Den Knabenstimmen fehlt jene Leucht- und Spannkraft, wie sie die Thomaner spätestens seit Straube und Ramin ausgezeichnet hat. Auch das Laudamus te schleicht mehr dahin als daß es bekennender Lobgesang wäre, kurzum, dieses Live-Dokument der Festaufführung zum 250. Todestag Bachs aus der Thomaskirche droht ständig der Belanglosigkeit anheimzufallen. Norbert Rüdell

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    Ohne mich jetz in die laufende Diskussion einmengenzu wollen, ich hab ein bisschen recherchiert und bin auf fogenden Text bei Musica Sacra gestoßen:



    So gesehen, muß man alle ein wenig anders beurteilen.
    Wenn ich recht verstanden habe, so ist dem Interviewten, der geistliche Inhalt, die "eigentliche" Botschaft wichtiger als
    aufführungstechnische Fragen, bzw solche der historischen
    Genauigkeit. Eigentlich sind wir ja dann wieder dort vo wir vor
    einigen Jahren waren.
    Wie wurde Karajans Aufnahme der H mol messe doch einst gelobt, wie verdammt wurde sie einige Jahre später.


    Inwieweit das Zukunft hat oder nicht, inwieweit das anstrebenswert ist oder nicht vermag ich nicht zu sagen.


    Alles in allem
    Eine Geschmacksfrage.


    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfred schrieb:


    Zitat

    Wenn ich recht verstanden habe, so ist dem Interviewten, der geistliche Inhalt, die "eigentliche" Botschaft wichtiger


    Ja aber genau das ist der Punkt, auf den es ankommt, Alfred !
    Bachs geistliche (und geistige) Dimensionen vermitteln sich eben bei dieser Aufnahme nicht ! Die Vorbilder Straube und Ramin werden zwar "beschworen" aber die Transfiguration findet nicht statt ! Die Schlange erhebt ihr Haupt nicht, sondern bleibt brav im Körbchen !
    Die Karajan-Aufnahme war ein bedeutendes Zeit-Dokument und Würde und Größe der Komposition sind wunderbar herausgearbeitet, Herrn Billers Einspielung jedoch ist entbehrlich, weil sie dem Anspruch, den sie , lt. Aussage des Dirigenten an sich selber stellt, nicht gerecht wird.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat von Alfred:


    Biller im Originalwortlaut:
    Ich wünsche mir, dass wir von der Ideologisierung der Bach-Interpretation (und auch der Sicht von Bach) wegkommen.


    Genau so sind meine Interpretationen zu der erwähnten DVD vom Thomaskantor G. C. Biller zu verstehen.
    Muß alles sehr profissionell dargeboten werden? Kommt es nicht auch vielfältig auf den geistigen Inhalt an.
    Sicherlich waren die Zeiten eines Straube und Ramin von der Aufführungsqualität Bach'scher Werke mit
    einem höheren Qualitätsanspruch behaftet.


    So kann ich Biller nur zustimmen,
    das im Rahmen des Interview die Aussage steht, daß der geistliche Inhalt, die "eigentliche" Botschaft wichtiger sei. Ein Biller wird ebenso Versucht sein, sein ganzes Können und musizieren diesem Werk zuzuordnen, was sicherlich nicht immer allen Ansprüchen genügen mag!!!


    Wie wurde zu seinen Lebzeiten ein Karl Richter von seinen Kritikern förmlcih zerrissen. Opernhaftes
    Getue...... etc, von anderen Kritikern überschwenglich gelobt.......!!!


    Eine gelungene Textpassage aus akademie-orpheus in der Zusammenfassung "Bach-Rezeption" im Internet nachzulesen: "Bach überfordert viele"


    Andererseits verfallen viele Interpreten und (vor allem) die Musikwissenschaftler der Verführung, die rein intellektuelle Dimension seiner Musik auszuleben. Struktur, Gesetz, Analyse, Rationalität und Mechanik beherrschen dann den Interpretationsstil. Diese “sachliche” Deutung war als Gegenbewegung zum “romantischen” Bach gewiss notwendig. Leider ernten wir gerade heute deren Früchte, so daß viele moderne Aufnahmen durch ihre kalte Mechanik und übertriebene Perfektheit dem Ohr verschlossen bleiben.


    Ebenso ist die Aussage von Maasaki Suzuki
    zu verstehen: wer von „Geschmack“ oder „Gefühl“ spricht, so meint er keineswegs eine subjektiv-willkürliche Auffassung, sondern vielmehr eine musikalische Annäherung, die aufgrund profunder Kenntnisse hinsichtlich Stil, Spieltechnik usw. eine tief empfundene „Botschaft“ in den Bach-Kantaten zu v e r m i t t e l n v e r s u c h t .


    Herzliche Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Liebe Mitstreiter,




    ich verstehe gar nicht, warum man sich mit solchen Aufnahmen noch beschäftigt ? Es gibt doch einige hervorragende Wiedergaben der h-moll Messe, die alles falsche Pathos meiden, ob nun Gardiner, Frans Brüggen, Gustav Leonhardt, Rene Jacobs oder cantus cölln, ein wenig abfallend Parrott,obwohl durch die sehr kleine Besetzung wunderbar durchhörbar.
    Mein stärkstes Erlebnis war eine live-Aufführung unter Thomas Hengelbrock ( es gibt auch eine CD von ihm). Geradezu unglaublich, wie er seinen B. Neumann-Chor führt und den lateinischen Text lebendig werden läßt.


    Seit ich diese Interpreten hörte, würde ich die Massenveranstaltungen mit 120 und mehr Sängern nicht mehr anhören.
    Die Großartigkeit dieser Musik ändert nichts daran, dass es sich nicht um Mahler handelt. Sie wird nicht " größer" durch große Ensembles. Der Chorist bei diesem Werk nun einmal der wichtigste Teil. Gerade wenn man Parrott oder cantus cölln hört, komme Aspekte zu Tage, die " Soprangeschwader" von großen Rundfunk-oder Opernchören sonst niederwalzen.
    Eine Lanze für den " Original-Klang" Bach (man beachte die Anführungszeichen)

  • Hallo sagitt,
    erst einmal herzlich willkommen im Tamino Klassikforum!
    ___________________________________________________________________
    Dein Zitat:
    Mein stärkstes Erlebnis war eine live-Aufführung unter Thomas Hengelbrock ( es gibt auch eine CD von ihm). Geradezu unglaublich, wie er seinen B. Neumann-Chor führt und den lateinischen Text lebendig werden läßt.
    ___________________________________________________________________
    Obige Aufnahme kenne ich leider nicht.


    Als Gegenstück dazu möchte ich Dir einmal Sir J.E. Gardiner rezensieren:


    Im August 2004 erlebte ich die Aufführung unter J.E. Gardiner mit dem Monteverdi-Choir sowie den
    English Baroque Soloists LIVE im Forum von Ludwigsburg. Ein gigantisches Erlebnis unter einem überragenden Dirigat Gardiners und seinem absoluten Spitzenchor und Orchester.........


    Gardiner ist es im Laufe der Zeit gelungen, mit diesen Musikern sowie dem 1964 gegründeten Monteverdi Choir Interpretationsgeschichte im Bereich der historischen Aufführungspraxis zu schreiben


    Seinem Bestreben folgend erzeugen die Instrumentalisten zusammen mit dem kleinen Chor einen weich fließenden Klangkörper, ohne Ecken und Kanten. Extreme Dynamik oder gar Brüche werden nicht zugelassen. Selbst die Übergänge zwischen den einzelnen Nummern sind so kurz gehalten, dass sie fast ineinander fließen. Die einzelnen Stimmen des zwanzigköpfigen Chors, aus dem auch die Solisten nach und nach für die Soloparts hervortreten, sind einheitlich in ihrer Färbung, präzise und schlank in der Stimmführung.
    Hervorzuheben die Traversflöte (Rachel Beckett) und die Oboi d"amore (Michael Niesemann, Molly Marsh) mit einem wunderschönen Klang.
    Innig und zu Herzen gehendem Spiel, liefert sich die Erste Violine (Alison Bury) einen wahren Verzierungswettstreit mit Sopranistin Angharad Gruffydd Jones. Fein ausgewogen auch das Naturhorn (Susan Dent) mit Michael Bundy (Bass).


    Besondere Beachtung verdienen Mark Chambers (Countertenor) und Clare Wilkinson (Sopran und Alt). Mark Chambers kristallklarer Alt hat die Verspieltheit und Unbekümmertheit einer Knabenstimme. Und aus welchen Sphären Clare Wilkinson die Töne holt, bleibt ein wunderbares Rätsel.


    Beachtenswert ist die musikalische und spirituelle Einheit, wenn man bedenkt, woher das Werk stammt, daß es mehrere verschiedene Kompositionsstile enthält und zu Bachs tiefgreifendster und schönster Musik gehört.


    Dieses Werk aufzuführen und dabei das Gefühl für seine großartige Konstruktion zu bewahren, aber auf der anderen Seite die beachtlichen musikalischen Details hervorzubringen, ist eine Herausforderung, der die meisten Chöre, Orchester und Dirigenten nicht gewachsen sind.


    Der Magier in schwarzem Samt und ohne Zauberstab (Gardiner dirigiert ohne Dirigierstock) vollführte
    ohne Abstriche ein in sich geschlossene Darbietung, die seines Gleichen sucht!
    Ein betörend schönes Konzert.
    Begründeter frenetischer Beifall und Standing Ovations für eine exellente Aufführung, die Geschichte
    geschrieben hat.


    J.E. Gardiner ist für mich einer der größten Bach-Interpreten der Neuzeit der auch von seinem
    Naturell her genau weiß, wie große Bachwerke zur Vertonung und entsprechend innigen, zu Herzen gehenden Darbietungsform umzusetzen sind..................


    Herzliche Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hi reklov 29,


    Gardiner hat mit seinem Monteverdi-choir einen der besten Chöre der Welt und die h-moll-Messe ist nun einmal letztlich ein Chor-Stück. Ich erlebte ihn einmal beim Bremer Musikfest mit den Motetten. Unglaublich, wie er quasi mit dem kleinen Finger sein Ensemble zu Höchstleistungen befeuert. Ich weiß nicht, ob er die h-moll Messe im Rahmen der Bach pilgramige neu aufgenommen, die alte Aufnahme von 1985 wurde ja hochgelobt und gehört auch nach zwanzig Jahren mit in die erste Reihe, auch wenn ich " wärmere" Versionen bevorzuge, mit Frans Brüggen oder Gustav Leonhardt oder eben Hengelbrock. Die h-moll Messe ist ja keinesfalls nur kalte Pracht des Kompositionskönnens von Bach, man denke an das agnus Dei ( welcher altus kann das singen wie ein Christa Ludig, Micheal Chance bei Gardiner nicht, obwohl ich seine Stimme sehr schätze).
    Für mich ist die h-moll-Messe ein ultimatives Werk- ich habe sie mehrfach mitgesungen und stehe immer wieder staunend vor der Größe dieses Kosmos.


    Schöne Grüße aus Bremen sendet


    Sagitt

  • Zitat sagitt:
    Ich weiß nicht, ob er die h-moll Messe im Rahmen der Bach pilgramige neu aufgenommen....
    ______________________________________________________________________


    Gardiner hat zwar während seiner Pilgrimage Bach Cantata 2000 die H-Moll Messe aufgeführt, eine
    Aufnahme ist nach meinem heutigen Kenntnisstand nicht im Handel.


    Seine Einspielung von 1985 (etwas zurückhaltend und im Volumen dünn vorgetragen) hatte im Gegensatz dazu in seinem LIVE-Konzert in Ludwigsburg ein ganz anderes Format.Angefangen vom Blech, hervorragend, bis zum stimmlichen Volumen eine ganz andere Darbietungsform und Interpretation.
    Mittlerweile liegen ca. 20. Jahre dazwischen.
    Wie antwortete Karl Richter auf eine Frage:"Warum sein Weihnachtsoratorium in
    jedem Jahr anders klingt" -- Ich verspüre immer wieder ein neues Empfinden, das Werk anders zu inter-
    pretieren und klingen zu lassen--...............!!!!


    Grüße aus Spenge
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Ich schätze die Klemperer-Aufnahme aus dem Jahr 1968 sehr. Klemperer hat (wie bei fast allen seinen mir bekannten Aufnahmen, wie z.B. Mahler, Bruckner und Wagner) einen angenehm unprätentiösen, intelligenten und "unromantischen" Zugang zu dem Werk. Klanglich-interpretatorisch und von der Artikulation her bewegt er sich in gewohnten Bahnen, die Sänger, allen voran Nicolai Gedda und Hermann Prey, mit Abstrichen auch die etwas zu dramatische Janet Baker, sind sehr gut, der Chor für heutige Ohren gewöhnungsbedürftig. Aber die intelektuelle Durchdringung ist imO unübertroffen! Ohne Schwülst und falsches Pathos, aber ernsthaft, mal schlicht, mal auch mit der richtigen Größe, stets aufgeklärt und wahrhaftig macht sich Klemperer an die Realisierung der Partitur.


    Ganz anders Harnoncourt in seiner Aufnahme aus dem Jahr 1986 mit dem Concentus musicus Wien und einem nicht so überzeugenden Sängerensemble (Angela Maria Blasi, Delores Ziegler, Robert Holl...). Er geht die Sache wesentlich pragmatischer und nüchterner an, man spürt die Erfahrung aus der Einspielung zahlreicher Bachkantaten in dieser Zeit und sein Bestreben, die Bach-Interpretation zu entstauben, wobei die Klangrede-Theorie manchmal doch etwas papieren raschelt. Klanglich weniger präzise und opulent wie in seinen späteren Bach-Aufnahmen (z. B. in der großartigen Matthäus-Passion aus dem Jahr 2001) finde ich auch die geistig-emotionale Durchdringung im direkten Vergleich zu Klemperer letztlich nicht so überzeugend.


    Harnoncourt hat in der Bach-Interpretation sicherlich Meilensteine gesetzt, doch zu voller Größe ist er imO erst in den letzten Jahren aufgelaufen. Gerade am Beispiel der Matthäus-Passion (siehe den entsprechenden thread) zeigt sich dies besonders eindrucksvoll. Live kann ich dies auch anhand einer Johannes-Passion mit dem Concentus musicus Wien und dem Arnold Schoenberg Chor bestätigen, die ich vor einigen Jahren in Wien gehört habe. Diese Aufführung beeindruckte nicht nur durch die das handwerkliche hinter sich lassende klanglich-musikalische Vollkommenheit, sondern vor allem durch die fast kontemplative Erhabenheit der Interpretation, die meines Erachtens von niemand anderem erreicht wird und wurde, auch nicht von Richter, der für mich leider etwas zu schwülstig und pathetisch ist.

  • Meine Lieblingsaufnahme stammt von Herreweghe.

    nur schade, daß der Alt ein Mann ist - und wenn er noch so schön und gut singt...!


    nicht ganz so gut gefällt mir Koopmanns Aufnahme


    Karajans Aufnahme von 1973/74 habe ich auch, finde ich gleichermaßen "interressant" und abstossend, kann man eigentlich kaum noch hören, aber das ein oder andere klingt vereinzelt doch spannend. Die namhaften Solisten vollbringen auch keine Wunder.
    Richard Osbornes Karajanbiographie ist zu entnehmen, daß Karajan mit der Aufnahme sehr unzufrieden gewesen sei!

    (ich verstehe nicht, warum die DG diese Aufnahme in der "2CD-Serie" wiederveröffentlich hat (diese Serie hat ja einen recht guten Ruf), wo die Aufnahme parallel noch in der Galleria-Edition zu haben ist.)


    Gruß, Markus

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  • Zitat

    (ich verstehe nicht, warum die DG diese Aufnahme in der "2CD-Serie" wiederveröffentlich hat (diese Serie hat ja einen recht guten Ruf), wo die Aufnahme parallel noch in der Galleria-Edition zu haben ist.)


    Vielleicht, weil die Aufnahme im aktuellen Galleria-Katalog nicht mehr vorkommt?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo!
    Ich besitze diese Aufnahme

    und bin damit sehr zufrieden! (ich hoffe, damit löse ich nicht wieder diese Richter-Diskussion aus, dafür gibts den Richter-thread)
    Die oben diskutierte 2000 im Fernsehen gesendete Aufführung hat mir ebenfalls nicht gefallen. Allgemein finde ich die Messe mit Knabenchor weniger eindrucksvoll. (ich hoffe, ich kriege hier keinen Ärger mit Thomanern)
    Im WOM ist derzeit diese Aufnahme

    (Jochum, BR-Orchester und -Chor) im Angebot. Kennt sie jemand und kann mir an- oder abraten sie zu kaufen?
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Sagitt meint:


    Trotz des wunderschönen Agnus dei und der wunderbaren Sopran/Alt Duette ist die h-moll Messe ein Chorwerk,gefürchtet von jedem Laienchor -berechtigt-.Wenn man heute eine Aufnahme kauft, ist man mit der Fülle der Profi-Chöre konfrontiert, die natürlich ausgefeilter singen als dies je ein Laien-Chor könnte- was Wunder. Der Münchener Bach-Chor war kein Profichor.


    Welcher dieser Chöre singt schön professioneller als der Monteverdi-choir, der nederlands kamerkor, der Rias-Kammerchor und wie die Profi-Ensembles alle heißen ?


    Es kommt hinzu, dass Chormassen ( 120 Sänger und mehr) ein Bach-Werk kaputt machen.


    Also kommen doch eigentlich nur Aufnahmen von Gardiner, Brüggen, Herreweghe,Jacobs u.ä. in Betracht ?


  • Da bin ich übrigens drauf.... :O :O 8o =) (erste Reihe..rötlichblonde, ETWAS längere Haare, ziemlich vergrämter, ernster Blick :])


    Aber jetzt zur h-Moll, und das ist wirklich, meiner Meinung nach, das großartigste Werk überhaupt---
    kennt ihr da das "et exspecto"? Und darin dieses "venturi seculi amen", das ist so genial!
    Das müsst ihr euch jetzt sofort anhören!

  • Zitat

    Original von Max Thomaner


    Da bin ich übrigens drauf.... :O :O 8o =) (erste Reihe..rötlichblonde, ETWAS längere Haare, ziemlich vergrämter, ernster Blick :])


    Links oder rechts hätte uns schon gereicht...! :P :D :D



    Gruß, Peter.

  • Zitat

    Original von Max Thomaner
    also, vom kantor aus eher links.
    Neben so einem Hellblonden.
    Aber dsa hätte NICHT GEREICHT, weil da EINIGE stehen! (links!)


    Hallo Max,


    ich habe es als Scherz geäußert, da deine Beschreibung gut zum Cover passte.
    Also nichts für ungut. ;)




    Gruß, Peter.

  • Hallo Max,
    Zitat:
    Da bin ich übrigens drauf.... (erste Reihe..rötlichblonde, ETWAS längere Haare, ziemlich vergrämter, ernster Blick )
    ............................................................


    Dann werde ich die DVD mir einmal besonders zu Gemüte führen und Dich zu entdecken versuchen.


    Wirst Du bei dem Konzertbesuch im Januar 2006 in der Oetkerhalle in Bielefeld auch dabei sein?
    Die Vorankündigung hat es bereits gegeben.


    Einen Vorgeschmack und Eindruck kannst Du auf diese schöne Konzerthalle
    hier nehmen.



    Grüsse nach Leipzig
    reklov 29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo Max,
    Zitat:
    @reklov: Ja, ich muss wohl kommen... und kommst du??
    --------------------------------------------------------------------


    Das ist für mich selbstverständlich, daß ich das Konzert besuche. Vor dem Konzert können wir uns
    vorher noch per PN abstimmen.


    Grüsse nach Leipzig
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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