Man wird die Inszenierung, die gestern im Leipzigeropernhaus zu sehen war, sicher im "Tamino Jargon" als Regietheater light bezeichnen müssen.
Mir, der ich ein erklärter Gegner des Regietheaters bin, hat die Inszenierung, das will ich vorweg sagen, gleichwohl sehr gut gefallen.
Ich habe mich ausgezeichnet unterhalten.
Dies mag daran liegen, dass bis auf einige Ausnahmen (z.B. die einrollenden Kinderwagen am Ende des Stücks) die Regie ohne alberne Mätzchen oder die gängigen Versatzstücke des Regietheaters (weder Nazis noch eine Aktentasche kamen vor) auskam. Außerdem ist das Stück als Kunstmärchen ohnehin zeitlos und nicht auf einen bestimmten historischen Hintergrund fixiert.
Das Publikum war denn allgemein auch begeistert (bis auf einige Trottel, die sich nicht entblödeten, noch kaum dass der letzte Ton verklungen war, ein lautes Buh in den noch schweigenden Saal zu blöken).
Insgesamt: großes Theater. Die neben mir sitzende ältere Dame brachte es auf den Punkt, als sie am Ende der zweiten Pause vor dem dritten Akt zu mir sagte: schade das es gleich schon wieder vorbei ist.
Entgegen dem, was man sonst inzwischen in Leipzig gewohnt ist, wurde hier opulentes Ausstattungstheater gezeigt. Sowohl die Bühnentechnik, als auch die Bühnenbildner konnten endlich einmal zeigen, was das Haus in dieser Hinsicht zu leisten im Stande ist. Die problematischen Verwandlungsszenen des Stückes wurden souverän und mit beeindruckenden Bildern, Kulissen gemeistert.
Besonders hervorzuheben, Opulenz allein macht ja noch keine gute Regie, auch wenn sie dem Publikum gefällt, ist jedoch die ausgezeichnete Personenführung des Regisseurs. Da wurden in der Interaktion der Protagonisten die Konflikte und die sie bewegenden Motive analog zum Text und zur Musik völlig plausibel.
GMD Schirmer hatte an dem Abend auch sein Orchesterim Griff. Gewackelt hat da , insbesondere auch in oft anfälligen den Blechbläsern, diesmal nichts. Das Gewandhausorchester war in Bestform. Sowohl die zarten lyrischen Stellen als auch die wogenden Orchestermassen kamen in faszinierender Präzision aus dem Orchestergraben. Zu Recht erhielten der Dirigent und sein Orchester am Ende der Vorstellung tosenden Applaus.
Auch bei der Besetzung hat Leipzig diesmal keine Kompromisse gemacht. Die fünf Hauptpartien, selbst in weit größeren Häusern problematisch zu besetzen, waren ausnahmslos hervorragend vertreten.
Doris Soffel als Amme, etwas über ihren Zenit hinaus, aber kraftvoll und dramatisch, eine großartige Sängerdarstellerin. (Nebenbei: In Körpersprache Kostüm und Requisite - Koffer - erinnerte ihre Figur sehr stark an den Leipziger Rheingold Loge)
Jennifer Wilson als Färberin sang kraftvoll und ohne hörbare Angestrengtheit die schwere Partie, hatte einige scharfe Höhen, die aber durchaus der Situation und Rolle angemessen waren.
Thomas J. Mayer: Ein Barak der Extraklassige mit samtigem strömenden Bariton.
Burkhard Fritz als Kaiser mit lyrischem Tenor.
Star des Abends (neben Mayer) war für mich Simone Schneider als Kaiserin. Ein seltenes Beispiel, dass auch ein kräftiger, dramatischer Sopran, der sich gegen Strauss Klangmassen behaupten muss, zu weichem und lyrischen Gesang fähig sein kann.
Auch die Nebenrollen sehr gut besetzt; insbes. Pursio hat mich hier weit mehr überzeugt denn als Wotan.
Alle Sänger sangen ausnahmslos mit hervorragender Wortverständlichkeit.
Fazit: Ein sehr unterhaltsamer Opernabend auf hohem künstlerischen Niveau. So kann Leipzig durchaus wieder in der Oberliga der Opernhäuser mitspielen.