Sir David Willcocks — Legendärer Chorleiter und Dirigent aus England


  • Sir David Willcocks, CBE, MC


    Kurzvita:


    Sir David Valentine Willcocks, CBE, MC (geboren am 30. Dezember 1919 in Newquay, Cornwall), ist ein britischer Dirigent, Chorleiter, Organist und Komponist.


    Nach einem musikalischen Training als Chorknabe an der Westminster Abbey zwischen 1929 und 1934 studierte Willcocks zunächst Orgel am berühmten King's College in Cambridge.


    Seine Studien wurden durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, wo er in der British Army diente. Als Second Lieutenant gehörte er ab 1941 der Duke of Cornwall's Light Infantery an. 1944 verdiente er sich als temporärer Captain das Military Cross (MC).


    Nach dem Kriege war er Organist und Chorleiter an der Kathedrale von Salisbury (1947—1950), später an der Kathedrale von Worcester (1950—1957). Zwischen 1957 und 1974 fungierte er als vielleicht berühmtester Musikdirektor des Orchesters und Chores des King's College, Cambridge.


    Unter seiner Leitung führte der King's College Choir u. a. Brittens "War Requiem" 1963 in Perugia, Mailand und Venedig auf und machte Tourneen nach Japan, Hongkong, Portugal und in die Niederlande.


    1960 wurde Willcocks zudem Musikdirektor des Bach Choir in London.


    1971 wurde er zum Commander of the Order of the British Empire (CBE) ernannt, 1977 schließlich zum Knight Bachelor, was ihn zur Führung des Titels "Sir" berechtigt.


    Nach seiner Zeit am King's College wurde Willcocks Direktor des Royal College of Music in London.


    Er bekam Ehrungen der Universitäten von Bradford, Bristol, Exeter, Leicester und Sussex sowie des Royal College of Music, vom Luther College (Iowa), St. Olaf College (Minnesota), von der Rowan University und vom Westminister Choir College (New Jersey) sowie von den kanadischen Universitäten Trinity College, Toronto, und Victoria B.C.


    Sir David Willcocks ist Präsident des City of Bath Bach Choir und des Exeter Festival Chorus sowie emeritierter Musikdirektor des King's College Choir und Ehrenmitglied des King's College, Cambridge.


    Aufnahmen:


    Willcocks machte zahlreiche Aufnahmen mit dem Bach Choir, dem English Chamber Orchestra, der Academy of St Martin in the Fiels, dem Jacques Orchestra, dem Philharmonia Orchestra, dem London Symphony Orchestra wie auch mit dem Choir of the King's College, Cambridge.


    Eine der herausragendsten Einspielungen, die Sir David Willcocks vorgelegt hat, ist sein "Messiah":



    Ferner erwähnenswert:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Willcocks war vermutlich der "Stabwedler" bei der Matthäuspassion, für die offiziell Harnoncourt als Leiter verantwortlich zeichnet. Willcocks war der Chorleiter des beteiligten King's College Chores und meines Wissens hat damals (1970) Harnoncourt noch vom Cello aus "geleitet". Das geht vielleicht bei den Brandenburgischen Konzerten, aber Einsätze für einen Doppelchor kann er so nicht geben...


    Unter Willcocks entstand Ende der 1960er auch eine von bislang nur zwei Gesamtaufnahmen von Händels "Chandos Anthems". Das nehme ich jedenfalls an, denn nur 6 der 11 Stücke waren auf CD erhältlich und sind längst wieder vergriffen; ich gehe aber davon aus, dass alle auf LPs herauskamen. Außerdem gibt es ca. 3 Aufnahmen der Coronation Anthems (eine bei Decca, eine bei EMI und die neueste bei Brilliant mit einem holländischen Knabenchor), sowie die Cäcilienode und "L'allegro..." (letztere kenne ich aber nicht).


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Es ist wieder einmal Joseph II., der an einen hochverdienten Dirigenten erinnert, und damit wohl auch bestrebt ist, diesen etwas der Vergessenheit zu entreißen, ein Dirigent, um den es sehr ruhig geworden ist, der aber vor allem als Chorleiter des berühmten KING´S COLLEGE CHOIR CAMBRIDGE, den er von 1957 - 1973 leitete, weltbekannt wurde, vor allem auf seinen Tourneen in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und Afrika: SIR DAVID WILLCOCKS. Joseph II. hat bereits alle wichtigen biographischen Daten nachgezeichnet. Zu erwähnen wäre noch die Erstaufführung von MAURICE DURUFLE´s Requiem, sowie die Uraufführung von JULIUS HARRISON´s Requiem 1952 durch ihn und seinem Chor. SIR DAVID WILLCOCKS war auch ein ausgezeichneter Organist und wurde 1957 Hauptorganist in Cambridge als Nachfolger von BORIS ORD.


    Von den zahlreichen Schallplatteneinspielungen möchte ich ganz besonders seine DECCA-Einspielung von HÄNDEL's Cäcilien-Ode herausstellen, eine ganz fantastische Aufnahme mit dem CHOR DES KING's COLLEGE CAMBRIDGE, und der ACADEMY OF ST.-MARTIN-IN-THE-FIELD; mit RICHARD ADENEY, Flöte, KENNETH HEATH , Violoncello, ROBERT SPENCER, Laute,
    RALPH IZEN, Trompete, ANDREW DAVIS, Cembalo, JOHN WELLS, Orgel, und insbesondere den ganz vorzüglichen Gesangssolisten: APRIL CANTELO, wohl eine der schönsten englischen Sopranstimmen des 20. Jahrhunderts, übrigens ehemalige Gattiin von SIR COLIN DAVIS, mit herrlich kultivierter Diktion und Stimme - ein Ohrenschmaus, sie in dieser Aufnahme zu hören - und dem nicht minder überzeugenden IAN PATRIDGE, Tenor.


    Bekannt wurde SIR DAVID WILLCOCKS auch durch seine Aufnahmen der BACH-Kantaten, insbesondere Nr. 12, 13, 14 und 16 mit seinem KINGS's COLLEGE CHOIR und mit dem verstärkten LEONHARDT-CONSORT auf Originalinstrumenten.


    Gerne möchte ich hoffen, daß sich SIR DAVID WILLCOCKS noch guter Gesundheit erfreut. Er ist heute 94 Jahre alt, und am 30. 12. 2014 wird dem schon vielfach Geehrten und Ausgezeichneten dann sicher eine große Geburtstagsfeier bevorstehen. Hoffentlich liest er unsere anerkennenden Beiträge in diesem Forum.


    Viele Grüße
    wok

  • Diese ausgezeichnete Box, in der auch die Nelsonmesse zu finden ist, habe ich seit vielen Jahren in meiner Sammlung. Vor einigen Jahren durfte ich die Nelsonmesse mit aufführen und habe u. a. mit dieser Aufnahme geübt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Schön, dass Sir David Willcocks hier im Forum Erwähnung findet. Englisches Repertoire wurde bisher nicht nicht genannt.


    Hier eine Neuauflage mit Einspielungen des King's College Choir aus den Jahren 1959 bis 1961 mit Chorwerken aus der Tudor-Zeit, die beim Label alto erschienen sind:



    Orlando Gibbons: This is the Record of John;Hymns and Songs for the Church (Song 1); Te Deum & Jubilate Deo
    John Taverner: Kyrie "Le Roy"; Messe "The Western Wynde"; Dum Transisset Sabbatum I; Christe Jesu, pastor bone; Mater Christi Sanctissima



    William Byrd: Mass for 5 Voices, The Great Service; Ave verum Corpus, Magnificat, Nunc dimitis
    Orlando Gibbons: See, see, the Word is incarnate; Glorious and powerful God; I Will Magnify Thee



    Komponiert und Bearbeitungen erstellt hat der Chorleiter ebenfalls. Auf dieser CD sind einige Chorwerke, neben denen anderer Komponisten zu finden. (Label prory)


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Das tut mir sehr leid, ich habe die von ihm dirigierten Werke immer gerne gehört. Andererseits hat er sicherlich ein an erfüllender und erfüllter Musik reiches Leben hinter sich.


    R. I. P.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    (von Johannes Roehl) Willcocks war vermutlich der "Stabwedler" bei der Matthäuspassion, für die offiziell Harnoncourt als Leiter verantwortlich zeichnet.


    Das hat mir Sir David bestätigt, der den Zusammenprall höchst unterschiedlich sozialisierter/disponierter musikalischer Leiter, Musiker und Ensembles als bemerkenswerte Erfahrung bezeichnete. Aus der Spannung solch verschiedenartiger Besetzungen wie Paul Esswood, Karl Ridderbusch oder Wolfgang Nowak b.z.w dem Zusammenwirken von King's, Domspatzen und Wiener Sängerknaben resultiert die heute noch spürbare Frische. Erst ab den frühen 70ern war Harnoncourt nicht mehr gewillt, den verschiedenen Chorleitern besagte "Stabfuchtelei" zu überlassen - ob aber sein späteres Starvehikel die frühere Matthäuspassion zu übertreffen vermochte?


    King's College Choir verdankt seinen globalen Ruhm in beträchtlichem Maße David Willcocks. Vermittels seiner Initiative wurden die Fernsehaufzeichnungen des Weihnachtssingens (Nine Lessons and Carols) zu einer alljährlichen Institution, die im gesamten englischsprachigen Raum Beachtung fand. Zudem gerieten etliche seiner Aufnahmen zu Verkaufschlagern, etwa Allegris Miserere.
    Im Booklet zur von Joseph II. in Beitrag 1 eingestellten Neuauflage skizziert der Dirigent Roy Goodman, welcher als Zwölfjähriger den Part des Treble I - Solisten übernommen hatte, einige charakteristische Züge von Willcocks Chorarbeit.


    Darüber hinaus finden sich weitere Gründe für David Willcocks ungewöhnliche Popularität. Zunächst war er, auch wenn der erste Anschein trügen mochte, ein sehr umgänglicher Mensch, darin gewissermaßen ein typischer Cornwalliser. Da ihm 1944 das Military Cross verliehen wurde, galt er zudem als Kriegheld. Gleichwohl dirigierte Willcocks voll Überzeugung Brittens anklagendes War Requiem. (Wir schätzen unsere Pazifisten besonders, wenn sie zuvor Tapferkeitsmedaillien ernten konnten...)


    Kein aktiver britischer Chorleiter ist derart nobilitiert, doch wird Stephen Cleobury nach Antritt seines Ruhestandes, der bald nach Ende des Jubiläumsjahres anstehen dürfte, wohl ebenfalls mit einem Knight Bachelor rechnen dürfen.

  • ob aber sein späteres Starvehikel die frühere Matthäuspassion zu übertreffen vermochte ?


    Ich verstehe den Ausdruck "Starvehikel" leider nicht ganz.
    Allerdings ist Harnoncourt mit seiner zweiten Einspielung aus dem Concertgebouw Amsterdam sicherlich eine gute Live-Aufführung geglückt, die jedoch nicht das Niveau der Erstaufnahme mit Willcocks erreicht, auch instrumental nicht.


    Man muss aber auch sagen, dass dann diese dritte Aufnahme der Passion gegenüber der ersten doch weit überlegen ist, die Pioniertat für den Kenner aber trotzdem nicht überflüssig macht.



    Diese neue Aufnahme klingt übrigens als DVD-A gegenüber der normalen CD um Einiges besser, sowohl in Stereo als auch in 5.1. Surround.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich verstehe den Ausdruck "Starvehikel" leider nicht ganz.


    Soll den Eindruck beschreiben, Harnoncourts Prämisse habe beim "casting" zur dritten Aufnahme auf der Hinzuziehung möglichst prominenter Namen (plus Tochter) gelegen.


    Es läge mir allerdings fern, an dieser Stelle eine Debatte über Harnoncourts Einspielungen der Matthäuspassion zu eröffnen.
    Veranlasst durch die Anmerkung Josephs II. sah ich mich entgegen ursprünglicher Intention veranlasst, noch einmal öffentlich zu kondolieren, wodurch der Thread versehentlich und zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt auf thematische Abwege geriet. Pardon!

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