Aida (Verdi) im Münchener Prinzregententheater am 29.06.2014

  • Das Gärtnerplatztheater in München ist schon lange geschlossen. An der Klenzestraße klafft ein großes Loch. Bis dort das Bühnenhaus wieder steht, werden sicher noch Jahre vergehen. Seitdem spielt das Opern- und Operettentheater mal hier und mal dort, zurzeit en suite Aida im Prinzregententheater. Alternativ hätte es heute noch Karten für „Die Frau ohne Schatten“ im Nationaltheater gegeben, allerdings zu dreifach höheren Preisen. Immerhin, München bringt es fertig, seine beiden Opernhäuser an einem Abend mit ca. 3.000 Besuchern zu füllen, das will was heißen (es gab es den ganzen Tag Dauerregen, was den Opern-, Kino- und Theaterbesuch fördert). Denn selbst in dem sehr viel größeren New York ging vor einiger Zeit die zweite Operncompagnie (New York City Opera) in die Insolvenz. Statt Strauss sollte es heute Verdi sein:


    Gesungen wurde überraschend gut, vor allem von Monica Bohinec, deren tragfähiger, nicht durch ein stärkeres Vibrato getrübter Mezzo in allen Lagen stimmschön und auch in der aufleuchtenden Höhe klangvoll blieb. Ihrer expressiven Darstellung war es außerdem zu verdanken, dass ihr Duett mit Radames zum darstellerischen und vokalen Höhepunkt des Abends geriet.
    Die Aida von Sae Kyung Rim fiel dagegen ab. Ausgesprochen stimmstark versprach sie am Anfang mehr, als sie später, vor allem im Nilakt und Schlussduett, einhalten konnte. In der Nilarie kletterte sie mit enger und zur Schärfe neigender Stimme zum hohen C, ohne dort oben wirklich aufzublühen (so dass es einem unter die Haut geht), in den Duetten mit Radames fehlte ihrer Stimme einfach die Süße und Weichheit, die man sonst von Sängerinnen dieser Rolle erwartet. Im ersten Akt macht sich ihr Manko noch nicht recht bemerkbar, vielmehr wirkte sie durch die leichte Schärfe eher aggressiv, was der Rolleninterpretation noch entgegenkam. Radames wurde von dem kampfstarken (ich komme darauf zurück) Gaston Rivero kraftvoll und ohne zu forcieren gesungen, auch gelangen ihm schön klingende Passagen, wenngleich die Stimme kein besonderes, im Ohr haftendes Spezifikum aufwies. Eine weitere Bank war der von Sergii Magera gesungene Ramphis, von Francesco Landolfi (Amonasro) blieb weniger haften. Holger Ohlmann war als König schon über den Zenit seiner Stimme hinaus (für mich mit weniger schön klingendem stärkeren Vibrato), an dem Boten Stefan Thomas merkte man, dass die Stimmstärke der fünf Hauptsänger nicht der Akustik des Saals und auch nicht meinem nahen Platz an der Bühne geschuldet war. Elaine Ortiz Arandes sang stimmschön die Priesterin. Dirigiert hat Marco Comin.


    Für die Inszenierung war Torsten Fischer zuständig, für Bühnenbild und Kostüme Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos. Begrenzt war die Bühne von großen Blechplatten, die in die Höhe gehoben werden konnten und den Hintergrund freigaben, zum Beispiel für ein glühend gelbes Sonnenlicht am Ende des Nilaktes. Die Kostümierung bestand bei den Männern aus schwarzen Anzügen, bei den Frauen aus entsprechenden Kleidern, manchmal auch in Weiß. Amneris und der König trugen Abendgarderobe, Radames eine Art Kampfanzug. Aida war in eine Burka verhüllt, zum Singen machte sie allerdings ihr Gesicht frei. Amonasro hätte als verkleideter Arafat durchgehen können, ihm fehlte nur der Schal. Ramphis war als eine Art Geheimdienstchef sonnenbebrillt.
    Dramaturgisch war das alles schlüssig. Der Triumpfmarsch geriet zum spektakulären Höhepunkt des ersten Aktes, aber anders als üblich. Die gefangenen Äthiopier wurden von Radames einzeln brutal durch einen weißen, das Bühnenportal ausfüllenden und langsam zerreissenden Papiervorhang an die Rampe geworfen. Amonasro zettelte von dort aus einen Aufstand an, der von Radames kampftechnisch mit Springen und Fallen niedergekämpft wurde (man hätte für diese sportliche Leistung ein Double vermutet, es war aber offensichtlich der muskelkräftige, wie ein Ringer wirkende Sänger selbst, der mit diesem Kampfsporteinsatz auch athletisch überzeugte). Auch das Schlussbild war beeindruckend; Amneris war auf einer an Seilen hängenden Gitterplatte postiert, die sich langsam auf das dem Tode geweihte Liebespaar senkte und diese erdrückte (kurz vorher ging allerdings der Vorhang runter). Der Beifall war jubelnd.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Ich war gestern auch in dieser Vorstellung und - ebenso wie meine Begleiterin - sehr angetan. Der Bewertung der sängerischen Leistungen kann ich mich weitgehend anschließen, mit Ausnahme der Aida von Sae Kyung Rim, die ich sehr gut fand. Monika Bohinec als Amneris hat schwächer angefangen, sich dann aber deutlich gesteigert. Unter den Hauptpartien war für mich eher der Radamès von Gaston Rivero der schwächste: zwar stimmkräftig, aber es fehlte der Schmelz. Seine Darbietung der berühmten Arie "Celeste Aida" hat mir nicht besonders gefallen. Insgesamt war ich aber ehrlich gesagt überrascht von der Qualität des Ensembles, die ich dem Theater am Gärtnerplatz so nicht zugetraut hätte. Auf jeden Fall bin ich froh, dass es neben der Bayerischen Staatsoper noch dieses Dreispartenhaus in meiner Stadt gibt, auch wenn München damit immer noch weit von den paradiesischen Verhältnissen dreier Opernhäuser in Wien oder Berlin entfernt ist. Und die andauernde Sanierung des Theaters am Gärtnerplatz hat zumindest den positiven Effekt, dass das Cuvilliés-Theater und das Prinzregententheater öfter bespielt werden, beides wunderschöne Häuser, in denen ich gerne öfter wäre.


    Ganz hervorragend hat mir die Inszenierung der "Aida" von Torsten Fischer gefallen. Er verzichtet auf jeden ägyptischen Ausstattungskitsch à la Zeffirelli und siedelt die Handlung in einem modern-zeitlosen Umfeld an. Ägypten wird von einem totalitären Regime regiert, die Macht scheint nicht beim farblosen Pharao zu liegen, sondern beim dämonischen Operpriester. Wenn sich die ägyptischen Soldaten mit ihren "Guerra!"-Rufen auf den Krieg gegen Äthiopien einschwören und Radamès als Anführer das Sturmgewehr in die Hand drücken, könnte dies nicht eindrücklicher sein. Das Bühnenbild war minimalistisch, es wurde viel mit Licht gearbeitet, und die Personenführung war ausgezeichnet. Insbesondere für die Massenszenen hatte der Regisseur ein Händchen, der zweite Akt war wirklich genial in Szene gesetzt. Wirklich ein in jeder Hinsicht gelungener Abend. :jubel:


    Hier noch ein paar Impressionen:







    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auf jeden Fall bin ich froh, dass es neben der Bayerischen Staatsoper noch dieses Dreispartenhaus in meiner Stadt gibt, auch wenn München damit immer noch weit von den paradiesischen Verhältnissen dreier Opernhäuser in Wien oder Berlin entfernt ist.


    Wien hat vier Opernhäuser. ;)


    Gregor

  • Und leider kommt niemand in den genannten Städten auf die Idee, mal in einem der Häuser RT-Aufführungen anzubieten und in einem der anderen konservative Aufführungen und mal zu schauen, wie das Publikum reagiert bzw. den RT-Müden eine Alternative anzubieten. Wäre mal zu fragen, wieso das so ist - vermutlich, weil jeder Intendant auf die Lobhudeleien der Presse scharf ist, anstatt mal den Wünschen zumindest eines Teils des Publikums zu entsprechen.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)


  • Wien hat vier Opernhäuser. ;)


    Gregor

    Nämlich? Was ist denn neben Staatsoper, Volksoper und Theater an der Wien das vierte? Die Kammeroper? Dann hätte Berlin noch viel, viel mehr...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nämlich? Was ist denn neben Staatsoper, Volksoper und Theater an der Wien das vierte? Die Kammeroper? Dann hätte Berlin noch viel, viel mehr...

    Das habe ich mich auch gefragt - die Kammeroper würde ich nicht zählen, weil sie vom Theater an der Wien bespielt wird. Es gibt noch einige Ensembles in Wien wie die Neue Oper und die Taschenoper, die auf modernes Musiktheater spezialisiert sind, aber die würde ich nicht als Opernhäuser bezeichnen, wenn man darunter ein Ensemble mit einer festen Spielstätte versteht. Sonst müsste man auch die Berliner Kammeroper mitzählen und hätte dort auch vier.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Sonst müsste man auch die Berliner Kammeroper mitzählen und hätte dort auch vier.

    Und mehr, denn es gibt zumBeispiel auch die "Hauptstadtoper"! ;)


    Wenn allerdings ein Ensemble entscheidend ist, würde das Theater an der Wien ja gar nicht zählen... ^^

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die putzige Neuköllner Oper nicht zu vergessen!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Wenn allerdings ein Ensemble entscheidend ist, würde das Theater an der Wien ja gar nicht zählen... ^^


    Stimmt natürlich, insofern war meine Definition falsch. Man müsste dann wohl sagen, ein Opernhaus ist eine Institution, die in einer oder mehreren Spielstätten Opern zur Aufführung bringt. Das ist dann aber wieder so allgemein, dass alle genannten Beispiele darunter fallen - gar nicht so einfach. :huh:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.