Das Gärtnerplatztheater in München ist schon lange geschlossen. An der Klenzestraße klafft ein großes Loch. Bis dort das Bühnenhaus wieder steht, werden sicher noch Jahre vergehen. Seitdem spielt das Opern- und Operettentheater mal hier und mal dort, zurzeit en suite Aida im Prinzregententheater. Alternativ hätte es heute noch Karten für „Die Frau ohne Schatten“ im Nationaltheater gegeben, allerdings zu dreifach höheren Preisen. Immerhin, München bringt es fertig, seine beiden Opernhäuser an einem Abend mit ca. 3.000 Besuchern zu füllen, das will was heißen (es gab es den ganzen Tag Dauerregen, was den Opern-, Kino- und Theaterbesuch fördert). Denn selbst in dem sehr viel größeren New York ging vor einiger Zeit die zweite Operncompagnie (New York City Opera) in die Insolvenz. Statt Strauss sollte es heute Verdi sein:
Gesungen wurde überraschend gut, vor allem von Monica Bohinec, deren tragfähiger, nicht durch ein stärkeres Vibrato getrübter Mezzo in allen Lagen stimmschön und auch in der aufleuchtenden Höhe klangvoll blieb. Ihrer expressiven Darstellung war es außerdem zu verdanken, dass ihr Duett mit Radames zum darstellerischen und vokalen Höhepunkt des Abends geriet.
Die Aida von Sae Kyung Rim fiel dagegen ab. Ausgesprochen stimmstark versprach sie am Anfang mehr, als sie später, vor allem im Nilakt und Schlussduett, einhalten konnte. In der Nilarie kletterte sie mit enger und zur Schärfe neigender Stimme zum hohen C, ohne dort oben wirklich aufzublühen (so dass es einem unter die Haut geht), in den Duetten mit Radames fehlte ihrer Stimme einfach die Süße und Weichheit, die man sonst von Sängerinnen dieser Rolle erwartet. Im ersten Akt macht sich ihr Manko noch nicht recht bemerkbar, vielmehr wirkte sie durch die leichte Schärfe eher aggressiv, was der Rolleninterpretation noch entgegenkam. Radames wurde von dem kampfstarken (ich komme darauf zurück) Gaston Rivero kraftvoll und ohne zu forcieren gesungen, auch gelangen ihm schön klingende Passagen, wenngleich die Stimme kein besonderes, im Ohr haftendes Spezifikum aufwies. Eine weitere Bank war der von Sergii Magera gesungene Ramphis, von Francesco Landolfi (Amonasro) blieb weniger haften. Holger Ohlmann war als König schon über den Zenit seiner Stimme hinaus (für mich mit weniger schön klingendem stärkeren Vibrato), an dem Boten Stefan Thomas merkte man, dass die Stimmstärke der fünf Hauptsänger nicht der Akustik des Saals und auch nicht meinem nahen Platz an der Bühne geschuldet war. Elaine Ortiz Arandes sang stimmschön die Priesterin. Dirigiert hat Marco Comin.
Für die Inszenierung war Torsten Fischer zuständig, für Bühnenbild und Kostüme Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos. Begrenzt war die Bühne von großen Blechplatten, die in die Höhe gehoben werden konnten und den Hintergrund freigaben, zum Beispiel für ein glühend gelbes Sonnenlicht am Ende des Nilaktes. Die Kostümierung bestand bei den Männern aus schwarzen Anzügen, bei den Frauen aus entsprechenden Kleidern, manchmal auch in Weiß. Amneris und der König trugen Abendgarderobe, Radames eine Art Kampfanzug. Aida war in eine Burka verhüllt, zum Singen machte sie allerdings ihr Gesicht frei. Amonasro hätte als verkleideter Arafat durchgehen können, ihm fehlte nur der Schal. Ramphis war als eine Art Geheimdienstchef sonnenbebrillt.
Dramaturgisch war das alles schlüssig. Der Triumpfmarsch geriet zum spektakulären Höhepunkt des ersten Aktes, aber anders als üblich. Die gefangenen Äthiopier wurden von Radames einzeln brutal durch einen weißen, das Bühnenportal ausfüllenden und langsam zerreissenden Papiervorhang an die Rampe geworfen. Amonasro zettelte von dort aus einen Aufstand an, der von Radames kampftechnisch mit Springen und Fallen niedergekämpft wurde (man hätte für diese sportliche Leistung ein Double vermutet, es war aber offensichtlich der muskelkräftige, wie ein Ringer wirkende Sänger selbst, der mit diesem Kampfsporteinsatz auch athletisch überzeugte). Auch das Schlussbild war beeindruckend; Amneris war auf einer an Seilen hängenden Gitterplatte postiert, die sich langsam auf das dem Tode geweihte Liebespaar senkte und diese erdrückte (kurz vorher ging allerdings der Vorhang runter). Der Beifall war jubelnd.