Macbeth am 1. Juli 2014 München - Anuschka versucht sich als Lady....

  • Der Urologe kennt fünf verschiedene Harn- Inkontinezformen: Dranginkontinenz, Belastung- bzw. Stressinkontinenz, Reflexinkontinez, Überlaufinkontinez sowie die extraurethrale Inkontinez. An welcher Inkontinez-Form die Hexen zu Beginn des dritten Aktes leiden, wenn sie frontal zum Publikum an die Rampe pinkeln, ist genauso offen, wie welcher Teufel die Anna Netrebko geritten haben mag, die Lady Macbeth zu singen und dann auch noch in diesem Inszenierungskrampf von Martin Kusej. Ich habe die gehypte Anna als Mimi und Capuleti-Giulietta sehr geliebt, aber was die Starsängerin gestern als Lady ablieferte, war einfach nur traurig. Massive Unsauberkeiten in der Tongebung, schrille Spitzentöne, Kolaraturprobleme.....Sich sexy auf einem Kronleuchter räkeln reicht eben nicht, um als Lady zu überzeugen - das Publikum jubelte trotzdem. An einer Stelle musste ich sogar lesen, wie Anna mit so großen Rollenvetreterinnen wie Rysanek, Varret oder Bumbry verglichen wurde...nun wir wollen es nicht vertiefen. Als Macbeth wirkte Simon Keenlyside mit mattem klanglosem Bariton wie der brave Bub von neben an. Treffer versenkt -Rolle verschenkt. Etwas besser war da schon Ildar Abdrazakov als Banquo und Joseph Calleja als Macduff, dessen Arie im vierten Akt, die einzige zurecht bejubelte war. Paolo Carignani hatte wohl als Motto für sein Dirigat laut-lauter-am lautesten gewählt, der Chor sang meist aus dem Off grottig unpräzise. Die Bayerische Staatsoper geht trotz Stars und gigantischer Kartennachfrage den Bach(ler) runter. Das passt zu unserer Zeit wo nur noch der Skandal und das Event Aufmerksamkeit erregen können, echte Opernkunst und Qualität jedoch nicht mehr. Und so passt die Inszenierung und der Hype um diese Aufführungen genau zu dem absurden Niveau, dass sich in der europäischen Opernszene einnisten konnte, und das einem von der Regietheater-Mafia als Normalität verkauft wird. Eine Bühne, die mit einem Feld aus Totenschädeln bedeckt und billigen Planen aus dem Baumarkt verhangen ist, blutigen Nackten an Fleischerhaken, Barbusigen Luftgeistern, die bei dem ohnmächtigen Macbeth einen Blowjob (?) mit Nylontüten im Mund andeuten ( soll der Tyrann etwa für seine Übeltaten etwa noch belohnt werden????) , einem abgeschlagenen Kopf in der Plastiktüte, sowie die anfangs erwähnten Hexen, wirken in ihrer Gesamtheit so müde und altabgedroschen peinlich bis dilettantisch, dass man sich fragt, ob in den Köpfen gewisser selbsternannter "Erneuerer", nicht wirklich die Zeit stehen geblieben ist. Natürlich wurde am Ende von der Schickeria gejubelt was das Zeug hält, Bier und Champus flossen reichlich. Indes ein trauriger Abend für all diejenigen, die noch ahnen, was echte Opernkunst ausmacht und ein weiterer Grund für mich nicht mehr am aktuellen Operngeschehen teilzunehmen.

  • Da kann ich ja nur von Glück sagen, dass die Vorstellung ausverkauft gewesen war. Im Vorfeld hatte ich mich um Karten bemüht, das hätte für 2 Plätze so um die 500 Euro gekostet. Grund wäre (neben der musikalisch wunderbaren Oper) natürlich gewesen, die Leistung von Frau Netrebko bewerten zu können. Ich hatte sie mal in der Hamburger Laeizhalle erlebt, wo sie trotz eigentlich wenig quantitativer Leistung (sie sang eigentlich nur eine schwierigere Arie, die der Butterfly) emphatisch bejubelt wurde, zumindest vom Parkettpublikum (mit Preisen von mehr als 300 Euro), nicht dagegen von der Gallerie. Die Faust-Margarete hatte sie ja in Hamburg kürzlich abgesagt. Wie sie die schwere Partie der Lady schaffen wollte, war mir eigentlich nicht ganz klar. Nun ja, sie ist sicher eine gute Sängerin, für manche Partien, für andere nicht. Das Problem liegt aber auch am (Festspiel)Publikum, welches das Ereignis beklatscht, einen Regenbogenstar zu bewundern, der auch singen kann, aber an der eigentlichen Oper kein weitergehendes Interesse hat. Welcher Operngänger kann oder wird es sich schon leisten, regelmäßig soviel Geld für eine Aufführung auszugeben. Man müsste auch mal fragen, wer eigentlich an den Auftritten verdient, ist es nur der Starsopran oder auch das Opernhaus? Letzteres wäre ja noch zu verkraften, da es die Subventionen senkt. Im Übrigen, wer wird sich im Parkett schon eingestehen, dass er für mehrere hundert Euro gefoppt worden ist? Da muss man natürlich jubeln, sonst wäre man ja ein Depp. Wahrscheinlich ist es aber so, dass es dem internationalen Parkettpublikum mittlerweile egal ist, was und wie gesungen wird, Hauptsache man war "dabei". Ich erinnere mich an eine Kritik zu Netrebkos Berliner Leonora (Troubadour), in der es hieß, sie sei dreimal ihr Geld Wert gewesen. Wahrscheinlich können so etwas nur Journalisten schreiben, die von der Sache wenig verstehen (oder die von Zeitschriften wie "Gala" in das Theater geschickt werden). Da müssten schon Callas oder Caruso auferstehen, dass ein normaler Operngeher soviel Geld ausgibt.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Natürlich wurde am Ende von der Schickeria gejubelt was das Zeug hält, Bier und Champus flossen reichlich. Indes ein trauriger Abend für all diejenigen, die noch ahnen, was echte Opernkunst ausmacht und ein weiterer Grund für mich nicht mehr am aktuellen Operngeschehen teilzunehmen.


    Warum das so ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Die würden ja auch jubeln, wäre ihnen eine konventionelle Inszenierung eingeredet worden. Nun ja, 30 000 Fliegen können sich nicht irren. München scheint mir besonders anfällig zu sein, was mir nicht in den Kopf will. :(


    Ein sehr plastischer und gut geschriebener Aufführungsbericht von Figarooo ist das.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Indes ein trauriger Abend für all diejenigen, die noch ahnen, was echte Opernkunst ausmacht und ein weiterer Grund für mich nicht mehr am aktuellen Operngeschehen teilzunehmen.


    Einerseits verständlich, wenn die "Großen Namen" für teures Geld offenbar nur mittelmäßiges leisten. Andererseits - und dabei klammere ich jetzt bewußt das leidige Thema der Inszenierung aus - hieße die Verweigerung doch, dass Kinde mit dem Bade auszuschütten: Es gibt meines Erachtens mehr, als genug gute Sängerinnen und Sänger in den Ensembles der Opernhäuser, die fast täglich ihre Arbeit in den ganz normalen Repertoire-Vorstellungen verrichten. Sie verdienen es, beachtet zu werden! Verweigerung trifft da wie so oft die Falschen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Im Übrigen, wer wird sich im Parkett schon eingestehen, dass er für mehrere hundert Euro gefoppt worden ist? Da muss man natürlich jubeln, sonst wäre man ja ein Depp


    Das kann man natürlich mindestens ebenso gut auch auf die (Un)taten des Regietheaters und viele derjenigen, die es preisen, beziehen, insbesondere in der beschriebenen Aufführung und natürlich auch bei Premieren.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • München scheint mir besonders anfällig zu sein

    München war ja auch in anderen Dingen "besonders anfällig"... :untertauch:



    Einerseits verständlich, wenn die "Großen Namen" für teures Geld offenbar nur mittelmäßiges leisten. Andererseits - und dabei klammere ich jetzt bewußt das leidige Thema der Inszenierung aus - hieße die Verweigerung doch, dass Kinde mit dem Bade auszuschütten: Es gibt meines Erachtens mehr, als genug gute Sängerinnen und Sänger in den Ensembles der Opernhäuser, die fast täglich ihre Arbeit in den ganz normalen Repertoire-Vorstellungen verrichten. Sie verdienen es, beachtet zu werden! Verweigerung trifft da wie so oft die Falschen.

    :jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ihr seid halt alle keine Opernkenner :) . Die Münchener Fachpresse und auch im neuen Merker wurde Anna Nebtreko in den höchsten Tönen gelobt das sie eine kraftvolle Lady sei. Und kam der Spruch nicht von Verdi das seine Lady nicht unbedingt schön singen muss ? :) Ich werde auch nicht aufgeben in die Oper zu gehen, dafür gibt es zu viele wunderbare Abende mit ganz normalen Sängern aus dem Ensemble z.B. der Rheinoper oder des Mir in Gelsenkirchen. Grade im Fernsehen wurde spekuliert ob Frau Nebtreko wieder schwanger ist.

  • Lieber Figarooo,


    ich bewundere zwar deinem Mut, dass du dir diese Inszenierungen immer noch antust, aber du bist ja noch jung genug, um diesen Mut aufzubringen. Mich bekämen eine zehn Pferde da hinein, auch wenn eine Anna Netrebko oder sonstwer singt.
    Das, was in München in der Oper geschieht, ist so widerlich, dass es zum Himmel stinkt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich liebe die Bayerische Staatsoper und bin Herrn Bachler sehr dankbar dafür, dass er so interessante Regisseure wie Kušej dort arbeiten lässt. :jubel:


    Ich wäre gerne in den "Macbeth" gegangen, weil ich diese Inszenierung noch nicht kenne und anhand der Beschreibungen (auch der in diesem Forum ;)) sehr neugierig darauf bin. Aber leider habe ich keine Karte bekommen; das gleiche gilt schon die ganze Spielzeit für "La forza del destino". Wenn Netrebko oder Kaufmann singen, dann scheint sich die Zahl der Kartenbestellungen mindestens zu verdoppeln :(. Bei der Neuproduktion von "Manon Lescaut" in der kommenden Spielzeit wirken sie beide mit, da wird es dann ganz schlimm werden. Übrigens eine Neuenfels-Inszenierung, ein weiterer Gottseibeiuns für die Traditionalisten in diesem Forum :P.


    Falls jemand von den Münchnern das alles so schrecklich findet, dass er oder sie Karten loswerden möchte: ich wäre ein dankbarer Abnehmer.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich wäre gerne in den "Macbeth" gegangen, weil ich diese Inszenierung noch nicht kenne und anhand der Beschreibungen (auch der in diesem Forum ;)) sehr neugierig darauf bin. Aber leider habe ich keine Karte bekommen

    Nachdem ich heute eine sehr lobende Kritik in der Süddeutschen über die Aufführung gelesen habe, musste ich gleich nachsehen: Heuer gibt es anscheinend noch zwei Aufführungen, eine heute und eine am 27. Dezember. Aber beide sind ausverkauft.

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  • Nachdem ich heute eine sehr lobende Kritik in der Süddeutschen über die Aufführung gelesen habe, musste ich gleich nachsehen: Heuer gibt es anscheinend noch zwei Aufführungen, eine heute und eine am 27. Dezember. Aber beide sind ausverkauft.


    Ja, die Bayerische Staatsoper ist das beste Gegenbeispiel für die hier so oft verbreitete These, das Regietheater treibe das Publkum aus der Oper. Nicht nur, wenn Netrebko oder Kaufmann singen, ist das Haus sehr gut ausgelastet, oft sogar Wochen im Voraus ausverkauft.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Interessant, dass heute ein Thread wiederbelebt wurde, der gleich nach dem Start vor mehr als zwei Jahren beendet schien. Zufällig habe ich aus mehreren Gründen etwas dazu zu sagen:


    Zunächst eine späte Gratulation zum Startbeitrag von Figarooo! Auf halber Zeitstrecke hatte ich Gelegenheit, eine Met-Aufführung des Macbeth im Kino zu erleben, in der, neben Calleija, ebenfalls Netrebko die Lady sang. Meine Skepsis bezog sich weniger auf ihre stimmliche Leistung (die recht opulent war), als auf ihre Gestaltung. Und meine Erwartung, dass sie das nicht kann, wurde sogar noch unterboten: Sie stellte einfach sich selbst dar: Schaut her, was ich alles kann! Von dem, was Verdi verlangte, keine Spur. Aber sogar das als anspruchsvoll bekannte Met-Publikum jubelte vor allem ihr zu, obwohl ihr Partner Lucic eine satte Interpretation bot. Mein Eindruck, dass es einen stetigen Verfall des Urteilsvermögens im Publikum gibt, wurde erneut bestätigt. Und das bezog sich hier nicht auf die Regie (die war eher unauffällig), sondern auf die Event-Komponente. Zunehmend gilt der Star - egal in welcher Qualität.


    München ist ja bekannt für Schickeria-Publikum. Da darf dann auch noch eine besch-eidene Inszenierung dazukommen - egal. Hauptsache adabei! Mein Sohn ist als Journalist beim BR-Fernsehen in München, der hält mich ziemlich glaubwürdig auf dem Laufenden. Und die Presse ist reine Hofberichterstattung, wie ich regelmäßig der Süddeutschen entnehme.


    Demnächst komme ich in eine Zwickmühle: In Straßburg kommt La Juive von Halévy heraus. Regie Peter Konwitschny! Der Merkerdienst ruft - aber alles, was ich von diesem Herrn kenne, schaudert mich. Soll ich reden, soll ich schweigen? Guter Rat ist hier nicht ganz billig! Samiel hilf!!


    Herzliche Grüße aus der Zwickmühle von Sixtus

  • Und die Presse ist reine Hofberichterstattung, wie ich regelmäßig der Süddeutschen entnehme.


    Es wäre in der Tat interessant, die Besprechung aus der heutigen Süddeutschen Zeitung mal in der Diskussion über ehrliche Rezensionen ›auseinanderzunehmen‹. Und nachdem in der Süddeutschen auch berichtet wird, dass Netrebko diese Rolle in ebendieser Inszenierung singen/spielen wollte, wäre das doch vielleicht auch Futter für die Diskussion über Prominente und ihre Abneigung gegen das Regietheater in Bonmot und Zitat …

  • Sowenig mich die lady Macbeth der Anna Netrebko 2014 überzeugt hat, so grossartig war musikalisch die aktuelle Wiederaufnahme, die ich am 27.12.2016 besuchen durfte. Netrebko hat deutlich an ihrer Interpretation gearbeitet, die Stimme fühlt sich deutlich in diesem Repertoire wohl. Eine grossartige Intonation und Technik. Mitreissend von Anfang bis Schluss. Die Stimme an Grösse und Volumen deutlich gewonnen. Brava! Ebenfalls grossrtig: Franco Vasallo in der Titelrolle und Ildebrando d'Arcangelo als Banco. Völlig Daneben: Yusif Eyvazov (Herr Netrebko) als Macduff: eine brüchige Stimme ohne jeglichen Glanz mit schweren Registerbrüchen. Kusejs Inszenierung beim mehrmaligen Anhsehen: einfach nur noch peinlich und infantil. Wie man hört, war das allerdings die letzte Wiederaufmahme dieses Mists. Dennoch ein Sieg der Musik.


    LG und guten Rutsch.