Als ich Anfang 1970 unter vielen interessanten Schallplattenaufnahmen von MICHEL-RICHARD DELALANDE's " Simphonies pour les Soupers du Roy" die Qual der Wahl hatte, mich für eine der zahlreichen verfügbaren Einspielungen zu entscheiden, gab es neben den mich ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugenden Aufnahmen durch ARMAND BIRBAUM mit dem ENSEMBLE D'INSTRUMENTS À VENT ET FANFARES mit den herausragenden Solisten MAURICE ANDRÉ, Trompete und PIERRE COCHEREAU, Orgel auf der einen Seite, und durch JEAN-FRANCOIS PAILLARD mit seinem ORCHESTRE DE CHAMBRE auf der anderen Seite, noch die Aufnahme der 4. Suite, die schon damals meine ganze Aufmerksamkeit erweckte: Die bei der DGG erschienene Einspielung durch PAUL KUENTZ und seinem ORCHESTRE DE CHAMBRE, mit durchweg erstklassigen Solisten wie EDITH SELIG, Sopran, ADOLF SCHERBAUM, Trompete, JACQUE REMY, Pauken, MAURICE BOURGUE und EMILE MAYOUSSE, Oboe, ANDRÉ SENNEDAT, Fagott und HUGUETTE GREMY, Cembalo. Eine wunderbare Aufnahme, die bis heute für mich ihren hohen Stellenwert bewahrt hat.
Als ich mich nun am 5. Juli geschäftlich in Paris aufhielt und wieder einmal einen Blick in die Madeleine-Kirche werfen wollte, hielt man mich an Eingang zurück mit dem Hinweis, daß in 15 Minuten ein Konzert beginne, und daß nur Konzertbesucher Einlaß fänden. Und dann sah ich schon am Eingang der Kirche einen großen Anschlag mit dem Programm des Konzertes: VIVALDI: Konzert C-Dur für 2 Trompeten und Orchester, sowie das Gloria, TELEMANN: Konzert für 3 Trompeten und Orchester D-Dur und J.S. BACH: Magnificat, und zu meiner ganz großen Überraschung: CHOEUR ET ORCHESTRE PAUL KUENTZ - Sous la direction de PAUL KUENTZ - mit den Solisten MARC GEUJON (hervorragend!), JEAN-MICHEL RICQUBOURG und NICOLAS PARDO, Trompete, GERSENDE FLORENS, Sopran, YÉTÉ QUEIROZ, Alt; ADRIAN BRAND, Tenor und PHILIPPE CANTOR, Baß.
Der Besuch dieses Konzetes war für mich imperativ, und ich bekam auch noch Eintrittskarten.
Das Konzert mit diesem hochinteressanten, sehr umfangreichem Programm war ein großer Erfolg und unvergeßlich in der einzigartigen Atmosphäre dieser Kirche. Ich erlebte nun PAUL KUENTZ hautnah und in voller Aktion, mit seinen 84 Jahren unglaublich vital und mitreißend, auch in seiner einleitenden Ansprache, und er hatte den riesigen Chor und sein Orchester voll im Griff. In de Pause hatte ich dann noch das Glück, mich etwas ausführlicher mit ihm zu unterhalten als er seine zahlreichen CDs vorstellte und diese für Interessenten auch signierte. Er erinnerte sich noch sehr gut an meine Aufnahme und auch daran, daß diese seinerzeit ausgezeichnet wurde und erwähnte auch, daß er vor allem mti ADLOF SCHERBAUM und BARBARA SCHLICK früher eng zusammenarbeitete.
PAUL KUENTZ wurde am 4. 5. 1930 in Mülhausen/Elsass geboren, wo er auch am dortigen Konservatorium studierte. Mit 17 Jahren ging er nach Paris, wo er u. a. bei dem renommierten Dirigenten EUGÈNE BIGOT studierte (von diesem liegen mir MOZART-Aufnahmen mit der von mir hochgeschätzten MADO ROBIN vor!!). Mit 20 Jahren gewann er am dortigen Konservatorium den 1. Preis im Fach Orchesterbegleitung. Noch im gleichen Jahr, 1950, gründete er dann sein Kammerorchester bestehend aus 15 Mitgliedern. Binnen kurzem verschaffte er sich mit diesem im In- und Ausland einen ausgezeichneten Namen. 1956 heiratete er die Konzertmeisterin seines Orchesters, MONIQUE FRASCA-COLOMBIER. 1960 feierte er auf seiner Nordamerika-Tournee einen großen Erfolg. 1962 spielte er zum ersten Mal das gesamte Orchesterwerk von J. S. BACH in einem Konzertzyklus in der Pariser Kirche Saint-Séverin, und dies dann wiederholt an verschiedenen Stätten, worauf er von der Zeitschrift "Réalité" als "L'un des cent hommes de l'année" gekürt wurde. 1967 unternahm PAUL KUENTZ und sein Orchester eine lange Tournee nach Südamerika, u. a. nach Mexico, San Salvador, Panama, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Argentinien und Brasilien. In Puerto Rico zählte PABLO CASALS zu seinen Zuhörern, zu dem er dann auch zu Gast war. Im März 1968 spielte er mit seinem Orchester in der New Yorker Carnegie Hall und errang mit dem Harfenisten NICANOR ZABALETA mit einem Programm französischer Musik einen großartigen Erfolg. 1972 gründete er seinen PAUL KUENTZ CHOR . Das Ensemble war auch zu Gast auf zahlreichen Festivals, wie z. B. in Strasbourg, Bordeaux, Divonne, Versailles, Besancon, Toulon, Chamonix, Saint Maximin, San Sebastian, Bruges, Cambridge, Pompée, Syracuse, Madrid, Rom, Sevilla, etc. 1985 wurde der Dirigent im Anschluß an eine Aufführung des "Messias" in Saint Séverin von Jaques CHIRAC im Pariser Rathaus mit der "Médaille de Vermeil" ausgezeichnet.
PAUL KUENTZ UND SEIN ORCHESTER haben sich nicht nur als berufene Interpreten der Musik des 17. une 18. Jahrhunderts einen Namen gemacht, sondern auch die Aufführung zeitgenössischer und jüngerer Musik nimmt in ihrem Schaffen einen breiteren Raum ein. Auf dem Programm stehen u. a. Komponisten wie MILHAUD, Lesur, SCHOSTAKOWITSCH, FRANCAIX, BRITTEN, BARTOK, JOLIVET, VILLALOBOS, IBERT. Es kam auch zu Uraufführungen, und Komponisten wie z. B. JACQUES CHARPENTIER oder GEORGES HUGON haben für das Ensemble Werke geschrieben.
Eng zusammengearbeitet hat PAUL KUENTZ vor allem mit MSTISLAV ROSTROPOVICH, NICANOR ZABALETA, ADOLF SCHERBAUM, BARBARA SCHLICK, mit denen ihn auch eine Freundschaft verband, er musizierte mit MAURICE ANDRÉ, MARIE-CLAIRE ALAIN, JEAN-PIERRE RAMPAL, CHRISTIAN LARDÉ, HUGUETTE DREYFUS, LUCIANO SGRIZI, NARCISO YEPES, ALEXANDRE LAGOYA, HENRYK SZERYNG, ARTHUR GRUMIAUX u. a.
Besondere Beachtung fanden seine Aufnahmen der Barock-Harfenkonzerte mit NICANOR ZABALETA 1989 bei DGG, 1987 seine Aufnahme von BACH's Johannespassion, und seine Aufnahme 1995 von CARL ORFF's Carmina burana (Salle Pleyel, gefilmt durch FR3, übertragen durch TF1), bei der er sein Orchester mit dem des ORCHESTRE DES CONCERTS DU CONSERVATOIRE verstärkte.
Von PAUL KUENTZ und seinem Orchester liegen zahlreiche Aufnahmen mit Werken von J.S.BACH, HÄNDEL, VIVALDI, HAYDN, MOZART, BEETHOVEN, SCHUBERT, BERLIOZ, MENDELSSOHN, PUCCINI, ROSSINI, VERDI, BRAHMS, FAURÉ, DVORAC, CHARPENTIER, HONEGGER, GLUCK, PERGOLESI, GABRIELI, LECLAIR, BLAVET, MOURET, ALBRECHTSBERGER, BOIELDIEU, WAGENSEIL, VON DITTERSDORF, DELALANDE etc. vor, häufig auf Decca und DGG.
Viele Grüße
wok