Peter August Böckstiegel (1889-1951)

  • Gestern besuchten wir das Böckstiegel-Haus hier in Arrode bei Bielefeld. Böckstiegel ist wohl der bedeutendste Maler des westfälischen Expressionismus, der aber seltsamer Weise selbst unter Liebhabern moderner Malerei wenig bekannt ist. Ich habe ihn auch erst spät entdeckt - vor Jahren kennen und schätzen gelernt durch eine große Bielefelder Ausstellung Felixmüller und Böckstiegel (Felixmüller ist sein Schwager, ebenfalls ein hoch bedeutender Expressionist, den er in Dresden kennenlernte). Wohl kein anderer Expressionist ist so deutlich von van Gogh beeinflusst, was man an seinem Selbstportrait sehr gut nachvollziehen kann. Seine Tochter (eine Schauspielerin) und sein Sohn (ein international erfolgreicher Photograph, den er bezeichnend Vincent taufte), die das Haus zuletzt bewohnten, haben vor ihrem Tode eine Stiftung gegründet, so dass sich die Sammlung nicht in alle Winde zerstreut hat. Der eindrucksvolle Besuch im Böckstiegel-Haus gestern zeigte seine ganze Vielseitigkeit: Er war nicht nur ein überragender Maler, sondern auch ein ebenso guter Grafiker und Bildhauer. Zwei seiner Holzschnitte hätte ich mir gleich gerne nach Hause mitgenommen. (Inspiriert durch die Ausstellung bin ich dabei, einige Linolschnitte zu entwerfen. Das würde den Meister wohl freuen... :) ).


    Der Wikipedia-Artikel ist sehr lesenswert und informativ:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_August_B%C3%B6ckstiegel


    Ebenso lohnt sich der Besuch der Seite der Böckstiegel-Stiftung:


    http://www.boeckstiegel-stiftu…kstiegel/werkauswahl.html


    Das Böckstiegel-Haus - ganz links der frühe, rechts der späte Anbau eines Ateliers.




    Das Bild zeigt Böckstiegel mit Malerpinsel und seine geliebte Mutter



    Sehr eindrucksvoll auch seine Portraits von Bauern in Aquarell und Tusche überzeichnet



    Selbstportrait im Stil von van Gogh



    Böckstiegel mit Pfeife



    Böckstiegels Bild zeigt, dass er das Elternhaus in Arrode selber mit einem roten Anstrich versah, was damals höchst ungewöhnlich war.



    Die bewegende Lehmplastik seiner Mutter kurz vor ihrem Tod. Das Original steht im Haus und ist wesentlich feiner als diese Kopie draußen!



    Böckstiegel als Bauernsohn aus Arrode malte vor allem die heimatlichen Bauern, das bäuerliche Leben und hoch expressive Landschaften. Dieses höchst beeindruckende große Bild hängt im Haus (die Reproduktion ist leider sehr klein und in der Farbwiedergabe nicht berauschend) offenbart alle seine Stärken: eine sehr wahrhaftige Charakterisierung. Seine geliebte Tante zeigt er ungeschönt mit dem Auge, das sie durch einen Unfall mit der Heugabel verlor sowie ihren von Gicht gezeichneten Händen. In der Mitte die Mutter mit der charakteristischen Hakennase. Die Farbkomposition ist sehr raffiniert - das Nachbarmädchen verschmilzt mit den Rottönen des Hintergrundes, so dass die beiden alten Frauen in den Vordergrund treten.


    Es lohnt sich wirklich, mit diesem Maler zu beschäftigen! In Dresden hat man ihn sehr geschätzt - er bekam nach dem Krieg dort ein Ehrenatelier der Stadt und es ist heute u.a. eine Straße nach ihm benannt. Er war übrigens im Lebensstil seiner Zeit voraus. Die Dresdener nahmen seinerzeit Anstoß daran, dass er den Kinderwagen schob und seiner Frau beim Wäscheaufhängen half... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hab vielen Dank, lieber Holger, daß Du auf diesen Maler hinweist, den ich bisher einzig dem Namen nach kannte. Die Bilder sind sehr beeindruckend, insbesondere die plastische Arbeit Büste der Mutter. Er schient eine besondere Vorliebe für das Herausarbeiten von Alterszügen in Porträts gehabt zu haben, wie mir scheint. Schade, daß ein großer Teil seiner Bilder im Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung von Dresden verloren ging.


    Mit herzlichem Gruß
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Die Bilder sind sehr beeindruckend, insbesondere die plastische Arbeit Büste der Mutter. Er schient eine besondere Vorliebe für das Herausarbeiten von Alterszügen in Porträts gehabt zu haben, wie mir scheint. Schade, daß ein großer Teil seiner Bilder im Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung von Dresden verloren ging.


    Ich hatte das Glück, lieber Jörn, in dem letzten Jahren drei Ausstellungen hier in Bielefeld mit Böckstiegel zu sehen. Es ist wirklich tragisch, dass so viel durch sen NS und dann den Bombenangriff vernichtet wurde! Hier noch ein Bild seiner Eltern - es zeigt die ganze Mühsal der bäuerlichen Existenz:



    Leider finde ich keine Abbildungen von seinen Holzschnitten - ganz im Stil der "Brücke".


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Noch drei Hinweise zu Böckstiegel:


    Der erste ist ein Buch:



    Es ist außerdem noch eine DVD erhältlich mit drei aufschlußreichen Filmen:



    Dazu die Beschreibung hier:


    http://www.lwl.org/lwl-medienz…php?page=product&info=116


    Noch bis zum 17.8. (verlängert) ist derzeit in der Bielefelder Kunsthalle die folgende wirklich lohnende Ausstellung zu sehen:


    "Das Glück in der Kunst. Expressionismus und Abstraktion um 1914"


    http://www.kunsthalle-bielefel…m-1914-21-03-14-03-08-14/


    Der Schwerpunkt der Ausstellung sind Werke von Hermann Stenner (dessen Portraits besonders mir ausnehmend gut gefallen) - einige sehr schöne Böckstiegels sind aber auch zu betrachten. Es handelt sich hier um die Ausstellung einer Privatsammlung (Sammlung Bunte). Bunte plant, seine komplette Sammlung der Stadt Bielefeld zu vermachen, vorausgesetzt, sie stellt Ausstellungsräume zur Verfügung. Mal sehn, was daraus wird! Lohnend wäre es und wirklich dumm von der Stadt, das nicht zu realisieren. In Arrode wird übrigens neben dem Böckstiegel-Haus demnächst ein Museum errichtet. Der Kreis Gütersloh hat zum Glück Geld. Dort werden dann auch die Papierblätter (Aquarelle etc.) ausgestellt, die wegen der Feuchtigkeitsprobleme im Haus derzeit nicht aufgehängt werden können.


    Schöne Grüße
    Holger