Wiener Staatsoper
30. Oktober 2014, 18.00 Uhr
Richard Wagner (1813—1883)
TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG
Große romantische Oper in drei Akten
Dresdner Fassung
Hermann, Landgraf von Thüringen: Kwangchul Youn
Tannhäuser: Robert Dean Smith
Wolfram von Eschenbach: Christian Gerhaher
Walther von der Vogelweide: Norbert Ernst
Biterolf: Sorin Coliban
Heinrich der Schreiber: James Kryshak
Reinmar von Zweter: Dan Paul Dumitrescu
Elisabeth, Nichte des Landgrafen: Camilla Nylund
Venus: Iréne Theorin
Ein junger Hirt: Annika Gerhards
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Musikalische Leitung: Peter Schneider
Regie: Claus Guth
Ausstattung: Christian Schmidt
Licht: Olaf Freese
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Am gestrigen Donnerstag fand die dritte von vier "Tannhäuser"-Vorstellungen in der laufenden Spielzeit statt. Die Besetzung liest sich sehr vielversprechend, und mit Einschränkungen erfüllte der Abend auch die Erwartungen. Dies lag zunächst am hervorragend aufgelegten Staatsopernchor, der besonders im Finale seinen Teil mit Bravour absolvierte und den Höhepunkt der Oper entsprechend pompös gestaltete.
Der Sänger der Titelrolle, Robert Dean Smith, mittlerweile ein Weltstar, blieb leider hinter den hohen Erwartungen zurück. Es wirkte, als singe er auf Sparflamme, und in der sicherlich fordernden Romerzählung konnte er mit den besten Rollenvertretern leider nicht Schritt halten. Man musste dabei nicht einmal unbedingt an Max Lorenz — für mich die ewige Referenz — denken, wollte man adäquatere Interpreten finden. Deutlich positiver fiel Christian Gerhaher als Wolfram ins Gewicht, und nach dieser Vorstellung hätte man meinen können, die Oper trage den Namen "Wolfram" im Titel. Sein Lied an den Abendstern geriet zu einem der Höhepunkte. Tatsächlich erhielt Gerhaher den meisten Applaus und viele Bravorufe.
Sehr gut auch Kwangchul Youn als Landgraf, obschon man beckmesserisch auch hier noch rollendeckendere Besetzungen dieser Partie, vornehmlich in der Vergangenheit, aufzählen könnte. Camilla Nylund, in der Produktion die Darstellerin der landgräflichen Nichte Elisabeth, machte ihre Sache gut; man dürfte noch so einiges von ihr in Zukunft hören.
Bei Irené Theorins Venus durfte man leider nicht an Christa Ludwig oder gar Birgit Nilsson denken. Sie blieb einiges schuldig, obschon man m. E. nicht von einem Ausfall sprechen kann. Die übrigen Rollen waren waren formidabel besetzt. Norbert Ernst durfte als Walther glänzen, an seiner Seite Sorin Coliban als Biterolf, James Kryshak als Heinrich der Schreiber sowie Dan Paul Dumitrescu als Reinmar von Zweter. In der Rolle des jungen Hirten Annika Gerhards.
Das Staatsopernorchester unter der Leitung des erfahrenen Wagner-Experten Peter Schneider lieferte eine sehr gute Leistung ab, was primär am Dirigenten lag. Die Tempi des Maestros waren eher langsam gewählt, in der Ouvertüre kam er auf 15 Minuten. Leider fehlte zum unvergesslichen Erlebnis einige Brillanz im Orchester. So gingen die Posaunen am Ende der Ouvertüre (man wählte glücklicherweise die Dresdner Fassung) im Gesamtklang unter. Für ein Orchester, das für sich selbst beansprucht, das weltbeste zu sein, ist das zu wenig. Von meinen mich vorbehaltlos beglückenden Opernbesuchen ist bislang kein einziger aus Wien darunter. Immerhin spielte das Staatsopernorchester nicht so "ordinär" wie unter Welser-Möst.
Den meisten Applaus erhielt, wie bereits angedeutet, Gerhaher. Daneben wurde insbesondere der mittlerweile 75jährige Schneider mit Ovationen geehrt. Interessanterweise gab es für sämtliche Sängerinnen und Sänger sowie für den Chor Bravo- bzw. Bravarufe. Von einem nur "freundlichen Applaus" wie am beim ersten Termin (laut "Kurier") konnte gestern nicht die Rede sein. Das Haus war völlig ausverkauft und man sah interessanterweise auch etliche Besucher unter 40, was ich als hoffnungsvolles Zeichen werte, brauchen doch gerade auch die Wagnerianer dringend Nachwuchs.
Die Inszenierung von Claus Guth tat zwar niemandem weh, doch ließ sie einen stellenweise ratlos zurück. Die Szenerie sollte (der Kleidung nach zu urteilen) wohl in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts angesiedelt sein. Handlungsort und -zeit, in Wagners Libretto mit "Thüringen. Wartburg. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts" beschrieben, wurden (wie üblich) geflissentlich missachtet. Im 2. Akt, der insgesamt noch als gelungenster gelten konnte, erkannte man die Inneneinrichtung der Wiener Staatsoper wieder. Wieso der Pilgerchor im 3. Akt aus Narren bestand, wird Guths Geheimnis bleiben. Gerade dieser letzte Akt wurde seltsam statisch und belanglos inszeniert. Weitere Details werde ich mir ersparen, um dem Regisseur nicht mehr Platz einzuräumen als den übrigen Mitwirkenden.
Fazit: Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich dieser Vorstellung 7/10 Punkte zuerkennen. Trotz aller Einschränkungen seit langem mein schönster Besuch der Wiener Staatsoper.