Alfred Piccaver - Ein Engländer in Wien

  • Für mich nicht zu verstehen, daß dieser in Österreich so beliebte Tenor keinen eigenen Thread hat



    Piccaver, Alfred, geb. 5.2.1884 in Long Sutton/Lincolnshire, gest. 23.9.1958 in Wien. Er war ein englischer Tenor spanischer Herkunft. Er gelangte mit seinen Eltern in die USA, studierte Elektrotechnik und arbeitete zeitweise mit Edison. A. Neumann entdeckte seine Stimme während einer Europareise und engagierte ihn nach Prag. Er studierte in Prag bei Prochazková-Neumannová und in Mailand bei Rosario. Sein Debüt gab er 1907 in Prag, sang 1910 in Wien mit einer ital. Stagione und 1912-1937 an der Wiener Staatsoper, wo er zum gefeiertsten Wiener Tenor aufstieg, vor allem in Verdi- und Puccini-Partien. Gastspiele in Berlin, München, London, Paris, Salzburger Festspiele, dazu mehrere USA-Tourneen. Er emigrierte 1939 nach London, wo er Konzerte gab und sich pädagogisch betätigte. Danach zog es ihn wieder nach Wien, wo er bis zu seinem Tode lebte.


    Ich liebe seine Stimme und höre z. Zt. Arien und Lieder aus dieser Box:


    W.S.

  • Zitat

    Für mich nicht zu verstehen, daß dieser in Österreich so beliebte Tenor keinen eigenen Thread hat


    Das liegt daran, weil beispielsweise ich fest davon überzeugt war, daß es bereits einen gibt - Ich hatte einen konzipiert - aber schienbar nie fertiggestellt. Jetzt ist es mangels verfügbarer Tonkonserven noch schwieriger einen ins Leben zu rufen. jpc hat die zwei von Preiser veröffentlichten Stimmportraits zwar noch im Programm, wird sie aber - da nicht auf Lager - nicht liefern können. Preiser bietet nur noch downloads an. Die CDs sind nicht mehr lieferbar. Also wird man sie wohl nur noch antiquarisch bekommen können - oder im Spezialfachgeschäft für historische Aufnahmen (gibt es überhaupt noch welche) (?)


    Ich habe in ein weiteres Soundsample bei jpc hineingehört, kann dieses aber leider nicht empfehlen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    es finden sich durchaus noch erhältliche Einspielungen, bei jpc zum Beispiel diese hier (es gibt noch mehr):




    Es gibt außerdem auch noch eine verfügbare Aufnahme beim Hamburger Archiv für Gesangskunst:


    648_0.gif


    http://www.vocal-classics.com/…p648_alfred-piccaver.html


    Ansonsten gibt es natürlich eine Vielzahl an youtube - Aufnahmen, hier sei ein Beispiel gezeigt:



    Ansonsten habe ich mich noch nicht durch meine Sammlung historischer Verdi - Opern gewühlt, aber ich meine, dort wäre er auch vertreten. Angeregt durch diesen Thread werde ich mich da in den nächsten Tagen auf die Suche begeben.

  • Die Beliebtheit Piccavers in Wien war ohnegleichen. Das ist sehr klar im Booklet zum Preiser-Stimmportrait II (ich besitze nur diese)von Dr Anton Odelga beschrieben. 1937 indes übersiedelte er der politischen Entwicklung wegen nach London. 1955 kam er anlässlich der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper als geladener Ehrengast auf einen Kurzbesuch nach Wien. Er konnte sich indes nicht entschliessen nach London zurückzukehren und blieb in seiner Wahlheimat bis zu seinem Tode am 23. September 1958. Er ist in Wien begraben. Das auf der englischsprachigen WIKIPEDIAS Seite behauptete Staatsbegräbnis konnte ich im Ragmen meiner Recherche nicht verifizieren - es gibt allerdings im 14. Wiener Gemeindebezirk (Penzing) einen "Piccaverweg"......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich hatte auch eine LP mit ihm und kann mich noch gut daran erinnern, dass Marcel Prawy in einer TV-Sendung über Tenöre an der Wiener Staatsoper sein wunderbares hohes "C" rühmte.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich habe - wie so oft - nach einem Klangbeispiel gesucht. Leider sind die bei youtube verfügbaren Clips meist aus der Zeit VOR Einführung der elektischen Schallplatte (ca 1925)
    Daher habe ich ein - vielleicht nicht typisches - aber sehr beeindruckendes Beispiel gewählt, einen Videoclip von 1933, wo Piccaver in einem Londoner Spital für Kriegsversehrte ein Konzert für Patienten gibt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Seltsamerweise finde ich von A. Piccaver nach meinen Recherchen keine Opern-Gesamtaufnahme, obwohl er doch lange in Wien gesungen hat. Wenn ich z. Bsp. den Tenor Helge Roswaenge nehme, der doch einige Opern aufgenommen hat, ist dies schon verwunderlich.

    W.S.

  • und kann mich noch gut daran erinnern, dass Marcel Prawy in einer TV-Sendung über Tenöre an der Wiener Staatsoper sein wunderbares hohes "C" rühmte.

    Obwohl Piccaver alles andere als ein typischer "C-Tenor" war, da die Simme bei aller Schönheit doch recht rückwärtig plaziert war. Aber seine Stimme - ganz besonders in den frühen Aufnahmen zu hören - war von außerordentlicher Klangschönheit, samtweich, dunkel getönt in der Mittellage, silbrig in der Höhe.

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Gerade höre ich eine wunderschöne Preiser-LP mit Margit Angerer und Alfred Piccaver mit Arien und in Duetten. Sie singen aus "Margarethe", "Werther", "Lohengrin", "La Boheme", "Tosca" und aus "Madame Butterfly". Die vier Szenen aus "Lohengrin" erinnern mich etwas an ein anderes "Traumpaar", das 1936 in Bayreuth sang, nämlich Maria Müller und Franz Völker. Leider scheint auch diese Platte (CD) bei Preiser nicht mehr erhältlich zu sein.

    W.S.

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  • Seltsamerweise finde ich von A. Piccaver nach meinen Recherchen keine Opern-Gesamtaufnahme, obwohl er doch lange in Wien gesungen hat. Wenn ich z. Bsp. den Tenor Helge Roswaenge nehme, der doch einige Opern aufgenommen hat, ist dies schon verwunderlich.


    Eine Operngesamtaufnahme mit Piccaver ist mir auch nicht bekannt. Du hebst vergleichend auf Rosvaenge ab, lieber Wolfgang, der in etlichen komplette Opern auf Platte mitwirkte. Die sind aber - bis auf Mitschnitt von den Salzburger Festspielen - fast ausschließlich in Deutschland gemacht worden, wo es starke und technisch gut ausgerüstete Reichsrundfunk-Anstalten gab. Die Karriere von Piccaver war durch die politischen Verhältnisse unterbrochen, die von Rosvaenge nicht. Beide Sänger haben nach meinem Eindruck gewisse Ähnlichkeiten, wobei ich persönlich Rosvaenge vorziehe.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo, Rüdiger!


    Du wirst in Bezug auf Gesamtaufnahmen recht haben obwohl ich mich wundere, als ob es in Wien keine guten Rundfunk-Studios gegeben hätte. Ich persönlich stelle Rosvaenge und Piccaver auf die gleiche Stufe. Mir ging es hier aber auch um Margit Angerer, die in unserem Forum kaum erwähnt wird, obwohl sie auch eine Größe in Salzburg und Wien war. Sie sang von 1931-1935 bei den Salzburger Festspielen.



    Herzlichst
    Wolfgang

    W.S.

  • Du wirst in Bezug auf Gesamtaufnahmen recht haben obwohl ich mich wundere, als ob es in Wien keine guten Rundfunk-Studios gegeben hätte. Ich persönlich stelle Rosvaenge und Piccaver auf die gleiche Stufe. Mir ging es hier aber auch um Margit Angerer, die in unserem Forum kaum erwähnt wird, obwohl sie auch eine Größe in Salzburg und Wien war. Sie sang von 1931-1935 bei den Salzburger Festspielen.


    Mit der Geschichte des Rundfunks in Österreich und seinen technischen Standards kenne ich mich nicht - oder nur ganz schemenhaft aus. Da sollte es kompetentere Mitglieder des Forum geben. In Deutschland investierten die neuen Machthaber gleich nach 1933 in einen modernen Rundfunk, weil sie dessen Bedeutung für ihre politischen Ziele erkannt hatten. Musik war ja vielleicht nur eine Art Abfallprodukt. Opern wurden beispielsweise nicht mehr nur per Übertragungswagen direkt an die Empfänger gesendet, sondern bei dieser Gelegenheit auch auf Tonträgern, die damals sehr, sehr teuer waren, festgehalten. Man konnte und wollte sich das leisten. Dadurch haben sich viele Aufnahmen erhalten, die ursprünglich gar nicht für die Platte gedacht waren sondern nachträglich darauf gelangt sind. 1936, im Jahr der Olympischen Spiele in Berlin, gab es einen regelrechten Opern-Boom, der auch nach außen ein friedfertiges, weltoffenes und tolerantes Signal senden sollte. Nun wurden auch Opern im bestens ausgerüsteten Funkhaus an der Masurenallee konzertant vor Publikum im Großen Saal, der erhalten geblieben ist, aufgeführt mit Sprecher, der durch die Handlung führte. Das sind hoch interessante Dokumente. Operngesamtaufnahmen ausschließlich für die Platte waren kaum vorstellbar. Die ersten Versuche bestanden aus riesigen Paketen, die sich niemand leisten konnte. Kurzaufnahmen, also Opern im Schnelldurchlauf für die so genannte "Heimbühne", wurden auf mehrere Schelllacks gepresst. Davon sind mindesten so um die zwanzig erhalten geblieben. Unter den Mitwirkenden ist auch Rosvaenge. Vielleicht hast Du welche in Deiner Sammlung. Sie sind sehr kostbar. Ein Beispiel ist der "Freischütz":



    Piccaver und die von Dir erwähnte Margit Angerer hatten bereits vor dem so genannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland ihre Tätigkeit in Wien beendet. Wenn ich mich nicht irre, ist Piccaver letztmalig 1936 an der Staatsoper aufgetreten. Von der rasanten Entwicklung in Deutschland konnten sie nicht profitieren. Rosvaenge hingegen setzte seine Karriere auch nach 1945 mit weiteren Schallplattenaufnahmen fort.


    Ich habe also nur versuchsweise ein paar sehr laienhafte Erklärungen, lieber Wolfgang, die eigentlich nur für mich bestimmt und also nicht sehr belastbar sind. Mir ist keine Untersuchung bekannt, die verbindlich begründet, warum es mit Piccaver und der Angerer keine Operngesamtaufnahmen gibt. Deshalb sind wir auf Vermutungen und Annahmen angewiesen. Vielleicht sollte man die aber erst gar nicht anstellen. Ich weiß es nicht. :no:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich höre wieder einmal auf einer PREISER-LP wunderschöne Duette mit Margit Angerer und Alfred Piccaver. Leider hat es PREISER versäumt, diese Aufnahmen auf CD zu liefern. So gibt es diese nur auf einer PEARL-CD, aber in sehr guter, der Zeit entsprechender Qualität:


    W.S.