Es war die letzte ‚Bühne frei‘ Veranstaltung, wie Simone Young mitteilte. Sie habe in Hamburg das Doppelamt
Intendantin und musikalische Leiterin angetreten, um auch Einfluss auf die Ensemblezusammensetzung zu gewinnen.
Kurz gesagt, heute fehlten wichtige Ensemblemitglieder wie Katja Pieweck oder der Tenor Dovlet Nurgeldiyev. Mit
Ausnahme des Baritons Lauri Vasar, der leider nur eine Musicalszene hatte (Richard Rodgers, Carousel, You never
walk alone), klangen die Frauenstimmen besser als die der neben Vasar vorgestellten Männer. Bei solch einem
Gesangsabend, Simone Young begleitete am Flügel und stellte die Sänger vor, ist es fast unmöglich, eine einigermaßen
gerechte Beurteilung abzugeben, zumal bei Stücken, für die man wenige Vergleichsmöglichkeiten hat. Es wurden
Duette und Arien aus Opern, Operetten und Musicals gegeben. Ich beschränke mich auf die Nennung der Opern:
Carmen (Habanera: Cristina Damian), Simon Boccanegra (A te l’estremo addio: Alin Anca), Die tote Stadt (Glück,
das mir verblieb: Hellen Kwon, Chris Lysack), La Traviata (Addio del passato: Katerina Tretyakova), La Boheme
(Vecchia zimarra: Florian Spiess), Die Ialienerin in Algier (Pensa alla patria: Maria Markina), Die Hugenotten (Nobles
seigneurs, salut: Rebecca Jo Loeb) und Der Rosenkavalier (Mir ist die Ehre wiederfahren: Christina Gansch, Cristina
Damian).
Auf mich wirkte die weiche, runde und dabei glanzvolle Stimme von Hellen Kwon unverändert beeindruckend.
Mit dieser Stimme hätte sie hätte den ganzen Abend auch allein gestalten können. Rebecca Jo Loeb war ebenfalls
wunderbar anzuhören, auch von ihr hätte ich gern mehr gehört. Cristina Damian (Oktavian) und die erst 24jährige,
noch zum Opernstudio gehörende Christina Gansch überzeugten mit dem Rosenkavalierduett, waren im
Zusammenklang aber etwas unausgewogen (Damian voluminös, Gansch eher zurückhaltend, bis sie mit den
hohen Passagen der Sophie punkten konnte). Auch die anderen Damen sangen tadellos. Zu berücksichtigen bleibt
allerdings, dass sie nicht gegen ein Orchester anzusingen hatten und zudem über dem abgedeckten Orchestergraben
gesungen wurde mit kurzer Distanz zum Publikum. Nicht so große Stimmen haben es da leichter, das macht die
Beurteilung schwierig. Zudem ist die Gestaltung der gesamten Rolle für die Beurteilung einer Stimme ebenfalls wichtig.
Trotzdem, im Vergleich mit den Zeiten von vor 2 oder 3 Jahrzehnten hat sich die Ensemblequalität meiner Meinung
nach deutlich gebessert. Früher waren die qualitativen Unterschiede zwischen den geladenen Protagonisten und den
aus dem Ensemble besetzten Rollen deutlich größer als heute. Meiner Meinung nach wird heute im Durchschnitt besser
gesungen als früher. Das hat wohl auch mit dem Zustrom hervorragender Stimmen aus dem osteuropäischen sowie dem
asiatischen Raum zu tun. Vermutlich ist es heute bei der Vielzahl guter Sängerinnen und Sänger deshalb wohl auch
schwerer, trotz hervorragender Leistung ‚berühmt‘ zu werden. Ein Nachteil für uns Operngänger ist das sicher nicht.