Dirigent James Levine, Inszenierung: Otto Schenk
Auf dieses Opernereignis habe ich fast ein Jahr Vorfreude gehegt - Karte und Flugtickets hatte ich seit Januar. Vorfreude darauf, in einem der schönsten Opernhäuser der Welt diese Oper in einer von gewollten Entstellungen freien, sich dem Werk und dem originalen Geist verpflichtete Inszenierung erleben zu dürfen. Einen Platz hatte ich in der ersten Reihe des Dress Circles, der zweiten der vier Logenebenen im beinahe ausverkauften Haus. Dirigent war James Levine, der, vom Hightech-Rollstuhl aus dirigierend, nach jedem Akt einen Ehrenapplaus erhielt.
Nach dem immer wieder magischen Moment in der MET, wenn die "Sputniks", die strahlenförmigen Kristallleuchter hochgezogen werden, hob das Vorspiel an - und Levine machte von den ersten Tönen an klar, dass es hier nicht in Richtung musikalisches Stahlbad gehen würde, wie Ernst Bloch diese Musik genannt hat; Humanität und Wärme sprachen aus jedem Takt, es ging um lebendige Menschen, nicht um marschierende Dinosaurier. Dieser Ansatz ging vielleicht ein wenig zu Lasten der Verve, war aber sehr angemessen.
Das Bühnenbild war ästhetisch, klar, aufgeräumt, zugleich bot es den Detailgrad, der nötig ist, um als überzeugende Kulisse zu dienen. Als sich der Vorgang zum zweiten Aufzug hob und die Bühne eine mittelalterliche Kulisse Nürnbergs bildete, erhob sich spontaner Applaus - erfreulich, aber nicht verwunderlich, welches Entzücken traditionelle Inszenierungen doch auslösen können; schade nur, dass Entzücken das Allerletzte ist, was die meisten modernen Regisseure erreichen wollen.
Eine Randnotiz: es war durchaus ein amüsanter Kontrast, dass die Kulisse und Kostüme sich um historische Authentizität bemühten, unter den Kostümen aber etliche asiatische oder afroamerikanische Gesichter zu sehen waren, wie man sie im mittelalterlichen Nürnberg vermutlich eher nicht gefunden hätte…
Was die Sänger betrifft, war die Qualität sehr unterschiedlich: Waren Sachs und David großartig (letzteren Darstellung der Sangesarten gegenüber Stolzing war sensationell), war Johannes Martin Kränzle ein großartiger Beckmesser, fehlte es bei Johan Botha als Stolzing und Annette Dasch als Eva. Der Dasch fehlte es eindeutig an Nuancenreichtum - sie war der Rolle rein stimmlich gewachsen, sie zu GESTALTEN, in ihre Stimme die Vielfalt hereinzubringen, die diese Rolle erfordert, gelang ihr für mein Empfinden nicht.
Botha wiederum wirkte belegt, oft angestrengt - im Duett zwischen Sachs und Stolzing klang dieser wie fünf Meter hinter jenem, obwohl sie sich direkt gegenüber standen.
Dennoch alles in allem ein großer, nein, ein wirklich wunderbarer Opernabend. Vor allem im Aufzug der Meistersinger im Finale war „alles, alles gut“. Hier möge diese Aufzeichnung von der Generalprobe die ausgelassene, freudige Stimmung des ganzen Ensembles wiedergeben, die sich auch am 9.Dezember aufs Publikum übertrug und die einen enthusiastisch in die New Yorker Nacht entließ:
P.S.: Die mitunter umstrittene Schlussrede von Sachs wurde von den New Yorkern NICHT weggelassen - "free speech"...
Herzliche Grüße
Christian