Wagner: PARSIFAL (Brüssel 20.02. 2011)


  • Parsifal: Andrew Richards
    Kundry: Anna Larsson
    Gurnemanz: Jan-Hendrik-Rootering
    Amfortas: Thomas Johannes Mayer
    Klingsor: Tómas Tómasson
    Titurel: Victor von Halem


    Orchestre symphonique de la Monnaie
    Dirigent: Hartmut Haenchen


    Regie: Romeo Castellucci


    Tja, was soll man zu dieser Aufnahme sagen? Ursprünglich war dieser Mitschnitt gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, wurde aber dann eben doch auf den Markt geworfen und hat heftige Kontroversen hervorgerufen. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe mich nach dem verwirrend spannenden ersten Aufzug ziemlich gelangweilt. Der erste Aufzug spielt in einem schier undurchdringlichen Blätterwald und in fast völliger Dunkelheit. Nur hier und da blitzt einmal eine Taschenlampe auf, ansonsten sind die Gralsritter in blätterbedeckte Tarnkleidung gekleidet, die sie fast unsichtbar macht. Mal taucht ein gelbes Gummiboot in den Blättern auf oder steht ein Hund auf der Bühne. Einzig Parsifal und Kundry treten (als eine Art Liebespaar?) in Interaktion, ansonsten tönen die Stimmen aus dem Dunkel, ohne dass die Personen in irgendeiner Art miteinander tätig würden. Bei der Szene in der Gralsburg verschwindet der wild wuchernde Wald (Statisten mit Kettensägen stehen dabei) und kaltes Neonlicht senkt sich auf die Szenerie. Das hat alles nicht viel mit Wagners Oper zu tun, macht aber neugierig darauf, wie diese Inszenierung fortgeführt wird und worauf sie eigentlich hinaus will.


    Meiner Meinung nach, wird die Geschichte, die hier angefangen wurde, aber nicht fortgesetzt, sonder bekommt in Aufzug 2 und 3 weitere unabhängige Kapitel hinzugefügt: Klingsors Welt ist in klinisches Weiß getaucht, er selbst wird als dreiarmiger Dirigent im Frack vorgestellt und zu Sado-Maso-Bondage-Spielchen verschnürte Damen hängen von der Decke. Hier entwickelt sich eine Art steril-unsinnlich sexualisierte Welt, in der sich lange Zeit eine von Klingsors Gespielinnen mit schamlos gespreizten Beinen präsentiert, damit auch wirklich jeder merkt, worum es in der großen Szene zwischen Kundry und Parsifal eigentlich geht.


    Der dritte Aufzug schließlich zeigt eine kahle Bühne mit sämtlichen Sängern in moderner Alltagskleidung, die die meiste Zeit mit ihrem Erlöser Parsifal frontal zum Publikum auf der Stelle marschieren und sich somit zwar in Bewegung befinden, aber de facto nicht von der Stelle kommen. Auch hier fehlt jegliche Interaktion.


    Das klingt alles seltsam? Ist es auch. Meiner Meinung nach macht die Inszenierung im ersten Aufzug Versprechungen, die nicht eingelöst werden. Das gesamte Werk ist ab dem zweiten Aufzug spannungslos und verweigert sich geradezu einer irgendwie schlüssigen Interpretation. Erschwerend kommt noch hinzu, dass eben kaum miteinander agiert wird und die ganze Geschichte somit geradezu emotions- und spannungslos abläuft. Eine pseudointellektuelle Sache, die sich intelligenter gibt, als sie eigentlich ist. Die musikalische und gesangliche Interpretation dieses "Parsifal" reisst das Ruder leider auch nicht herum. Alles lässt mich als Zuschauer und Zuhörer kalt und besonders erwähnenswerte Leistungen gibt es nicht - allerdings auch keine auffälligen Ausfälle. Im Vorfeld wurde übrigens ein riesen Tamtam über die Fassung dieser Aufnahme gemacht, die so authentisch wie nie zuvor sein soll. (Das kann ich nicht beurteilen.) Ich finde aber, dass weniger Distanz und mehr Mut zum Gefühl dem ganzen Unternehmen gut getan hätten und ich vermute, dass es auch verdammt schwer ist, gegen eine solche Inszenierung anzusingen. Die Klangqualität ist zufriedenstellend, wenn auch nicht optimal.


    Fazit: Nach einem rätselhaften und vielversprechenden Auftakt lässt die Inszenierung stark nach. Musikalisch gibt es wesentlich befriedigendere Aufnahmen. Ein Mitschnitt für Sammler und experimentierfreudige Opernfans.