Achim von Arnim

  • Achim von Arnim (eigentlich Carl Joachim Friedrich Ludwig von Arnim; * 26. Januar 1781 in Berlin; † 21. Januar 1831 in Wiepersdorf, Kreis Jüterbog) ist der Gegenwart noch am bekanntesten als Mitherausgeber der Sammlung "Des Knaben Wunderhorn". Weniger Aufmerksamkeit erfährt er heutzutage als Romancier und Erzähler, dabei hat er einige bemerkens- und lesenswerte Werke dieser Gattungen geschaffen (worauf Rolf Vollmann übrigens auch in seinem Romanverführer "Die wunderbaren Falschmünzer" hinweist). Ein Opus magnum und ein Geheimtipp unter Kennern bildet dabei der Roman "Die Kronenwächter".



    Erhältlich als sehr schöne gebundene Ausgabe aus dem Deutschen Klassikerverlag sowie als kostenloses E-Book aus dem Projekt Gutenberg.


    Die Kronenwächter

    Erschienen 1817. Von der Leipziger Literaturzeitung 1819 als ein „mährchenartiger Roman“ bezeichnet. Fontane hielt ihn für einen „wahren Geistesschatz“. Goethe wiederum hat auf die persönliche Zueignung nicht geantwortet.


    Arnim lässt die Geschichte Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts spielen, vor historischem Hintergrund: Augsburger Reichstag, Bauernaufstände, Vorahnung der Reformation. Den Hauptstrang der Erzählung machen wiederum märchenhaft-romantische Elemente aus: Findelkinder werden in einem Kästchen mit Totenschädel übergeben; nämliches Kind entdeckt später den verfallenen Palast Barbarossas, samt Schatz; die titelgebenden Kronenwächter bewachen als eine Art terroristischer Geheimbund mit drakonischen Methoden die Stauferkrone und deren Aspiranten; Faust, als dunkler Wundermann dargestellt, führt schwarzmagische Bluttransfusionen durch; bei einem Ritterturnier wird die Gunst einer Dame errungen, was zu verschiedenen Verwicklungen rund um Eifersucht und Untreue führt. Am Ende sind dann alle entweder tot, entführt oder im Kloster.


    Dabei gibt es durchaus ironische Brechungen, wie das Gegenüberstellen der idealen Kronenburg mit der schlampig geführten Burg Hohenstock, oder der Tatsache, dass der Protagonist, Berthold, auch wenn ihm ein paar Dinge gelingen, durchaus Züge eines Antiheldens trägt. Epochentypisch für die Romantik ist auch der Umstand, dass das Werk Fragment geblieben ist.


    Man kann dem Roman vorwerfen, dass es ihm an Stringenz der Gestaltung fehlt, ich fand aber durchaus, dass gerade die Unvorhersehbarkeit des weiteren Geschehens einen Teil des Reizes ausmacht, ebenso wie das Changieren zwischen Zeithintergrund und Märchenelementen. Was vor allem trägt ist Arnims Duktus, den ich über diesen Roman als ernstzunehmenden Prosaisten des 19. Jahrhunderts entdeckt habe:


    Zitat

    Am Morgen wurde Anna sehr erschreckt, sie konnte sich nicht gleich erinnern, wo sie erwache, das Zimmer erschien in der Morgenhelle anders, als Abends in der Lampenerleuchtung. Sie rief die Mutter, aber diese hatte schon Zimmer und Bett verlassen, und erst allmählich besann sie sich auf alles. Sie strählte ihre Haare am Fenster und flocht sie auf, des herrlichen Anblicks über den blumenreichen Garten erfreut und darum weniger eilfertig: das alles sollte nun bald ihr Eigentum sein, in dem Gedanken fühlte sie ein stolzes Glück. Ein sanfter Wind wogte mit den Ästen und Gesträuchen und wie er diese einmal stärker niederbeugte, sah sie die Mutter auf einer Gartenbank neben Berthold sitzen, wie er sie herzlich küsste. Sie zitterte, sie wollte nicht glauben, aber der Wind trat immer stärker auf und es war nicht zu zweifeln; nun suchte sie alles auf, Berthold und die Mutter zu entschuldigen, aber nichts wollte die Heftigkeit ihres Zorns erleichtern, als ein Strom von Tränen.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Morgenstund hat Gold im Munde,
    Denn da kommt die Börsenzeit
    Und mit ihr die süße Kunde,
    Die des Kaufmanns Herz erfreut:
    Was er abends spekulieret,
    Hat den Kurs heut regulieret.


    Eilends ziehen die Kuriere
    Mit dem kleinen Kursbericht
    Dass er diese Welt regiere,
    Von anderen weiß ich's nicht:
    Zitternd sehen ihn Potentaten,
    Und es bricht das Herz der Staaten



    Ein Schelm, der dabei den Bezug zum Heute herstellt...


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Einen schönen Thread hast du gestartet, lieber Christian! Vielen Dank dafür und bitte mehr davon! :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ein wirklich schöner Hinweis, lieber Christian. Einen Faible für die Romantiker habe ich ja - sogar Eichendorffs Ahnung und Gegenwart gelesen während des Studiums, den Arnim aber nicht. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Siegfried, vielen Dank für die Wertschätzung meines Beitrags - sie bedeutet mir viel und ermuntert mich weiterzumachen.


    Lieber Holger, ich freue mich, dass wir bei den Romantikern eine Schnittmenge haben.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Kalte Hände, warmes Herz,
    Hab ich wohl empfunden,
    Nahe Tränen, fernen Schmerz
    In den Abschiedstunden;
    In der Hände letztem Druck
    Froren sie zusammen;
    Doch das Herz war heiß genug,
    Löste sie in Flammen.


    Kalt so fühl ich Deine Hand,
    Noch in meiner liegen,
    Und des Herzens heißen Brand
    An mein Herz sich schmiegen:
    Kalte Hände, warmes Herz
    Mußt Du mir erhalten,
    Keinem drück die Hand zum Scherz,
    Daß nicht Herzen kalten.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Das Schloss Wiepersdorf, auf dem Achim und Bettina von Arnim gelebt haben und das in Brandenburg 80 Kilometer südlich von Berlin liegt, kann besucht werden. Es gibt dort ein Museum, es werden Arbeitsaufenthalte für Schriftsteller, bildende Künstler, Komponisten und Musiker sowie für Geisteswissenschaftler gefördert. Und man kann dort sogar privat übernachten.



    „Wiepersdorf Schloss“ von Doris Antony, Berlin - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/w…e:Wiepersdorf_Schloss.jpg


    http://www.schloss-wiepersdorf.de/


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."