Laszlo Lajtha - der ungarische Symphoniker

  • Symphonien spielen in der ungarischen Musik des 20. Jahrhunderts eher eine untergeordnete Rolle, Bartok hat keines seiner Stücke so genannt und Kodaly nur eines. Umso mehr sticht das 9 Symphonien umfassende Oeuvre von Laszlo Lajtha hervor, der damit unzweifelhaft der bedeutendste ungarischen Symphoniker ist.



    Laszlo Lajtha wurde am 30.6.1892 in Budapest geboren. Er wurde an der Budapest Musikakademie von Viktor Herzfeld unterrichtet und setzte seine Studien in Leipzig und Genf fort. Zu dieser Zeit vor dem 1. Weltkrieg verbrachte er jedes Jahr mehrere Monate in Paris, wo er in das Umfeld von Vincent d'Indy geriet und viele wichtige Musiker der Epoche kennenlernte. Den Krieg verbrachte er als Offizier an der Front. In der Nachfolge von Bartok und Kodaly begann auch Lajtha die Volksmusik seiner Heimat zu sammeln, in den Gebieten, die die Kollegen ausgelassen hatten. 1919 wurde er Lehrer an der Musikakademie seines Landes. Ab 1928 war Lajtha Mitglied der Internationalen Kommission für Volkskunst und Traditionen der Vereinten Nationen. Seine Karriere als Komponist begann mit dem Gewinn des Coolidge Preises für sein 3. Streichquartett.


    Das symphonische Oeuvre von Lajtha wurde in den 1990er Jahren bei Marco Polo eingespielt. Davon sind beim Werbepartner derzeit nur 2 CDs erhältlich. Auch die 10 Streichquartette wurden vom Auer Streichquartett eingespielt für das Hungaraton Label.

  • Die 9 Symphonien von Laszlo Lajtha verteilen sich über 27 Jahre, die einzige Lücke sind die Jahre um den 2. Weltkrieg. Die erste Symphonie entstand 1936, da war der Komponist immerhin 44 Jahre alt.


    Symphony No. 1, op. 24 (1936)
    Symphony No. 2, op. 27 (1938)
    Symphony No. 3, op. 45 (1947-8)
    Symphony No. 4 Le Printemps ("Spring"), op. 52 (1951)
    Symphony No. 5, op. 55 (1952)
    Symphony No. 6, op. 61 (1955)
    Symphony No. 7, op. 63 Autumn (1957 - also called Revolution Symphony)
    Symphony No. 8, op. 66 (1959)
    Symphony No. 9, op. 67 (1963)


    Die Musik ist gar nicht so einfach zu beschreiben, mit "klingt nach dem und dem" kommt man nämlich nicht sehr weit, was natürlich ein Ausdruck der Originalität des Komponisten ist. Wonach klingt sie NICHT. Nun, sie klingt nicht nach irgendeiner Form von "sozialistischem Realismus", sie klingt auch nicht nach Schostakowitsch, es sei denn der ganz frühe freche. Die Musik ist tonal, sehr farbig und bunt orchestriert mit vielen Soli für Blasinstrumente, auch ungewöhnlichen wie z.B. dem Saxophon, das der Komponist besonders zu schätzen scheint. Schlagzeug jeglicher Art benutzt der Komponist gerne und intensiv. Die Musik ist sehr undeutsch, ganz klar eher von der französischen Musik der Zwischenkriegsjahre beeinflusst. Der einzige deutsche Einfluss, den ich heraushören könnte, wären vielleicht Kurt Weill und Erich Wolfgang Korngold. Die helleren heiteren Werken erinnern vielleicht ganz entfernt an Stravinskys Petrouchka, Prokofieffs Die Liebe der drei Orangen und Kodaly Hary Janos Suite. Es gibt aber dunklere Seiten, die 1957 nach dem Ungarnaufstand geschriebene 7. "Revolutionssymphonie" bietet solche. Aber Lajtha verfällt nie musikalisch in tiefe Depressionen sondern zeigt immer eine gewisse Distanz. Ich kenne jetzt erst recht flüchtig drei der Symphonien, werde mich aber näher mit diesem Komponisten befassen. Inzwischen habe ich alle Symphonien zusammen, die 5. und 6. allerdings nur als FLAC download, da es die CD nirgendwo zu einem vernünftigen Preis gibt und mehrheitlich auch nur CD-Rs angeboten werden.

  • Es ist schon Wahnsinn, lieber Lutgra, was Du alles ausgräbst.


    Was Du über Laszlo Lajtha schreibst hört sich so interessant an, dass man sich nur wundern kann, warum dieser Komponist bisher absolut unbekannt ist.
    Ich schätze ja den bekannten ungarischen Komponisten Zoltan Kodaly (aus gleicher Zeit des 20.Jhd) durchweg sehr - aber wenn ich an seine Sinfonie in C denke, dann kommt mir die eher "weniger spannend" (um nicht zu sagen uninteressant) vor.


    :?: Wie würdest Du diese Kodaly Sinfonie in C im Vergleich zu den Laszlo Lajtha - Sinfonien beurteilen ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe nur ca. 2 von Lajthas Sinfonien gehört (EDIT: ich habe zwei Marco-Polo-CDs mit Sinfonien 3,4,7 und Suiten 2 und 3 und eine hungaroton-CD mit drei Streichquartetten) und die Kodaly-Sinfonie habe ich zwar schon lange auf CD (Fricsay und Kodaly), aber auch nicht im Ohr. Meiner Erinnerung nach ist Lajtha nicht so "romantisch" wie Kodaly (dessen Sinfonie aber auch kein ganz typisches Werk ist). Die Quartette haben definitiv auch einen leicht "französischen" Aspekt. Anhand des Gehörten kann ich jedenfalls auch nicht nachvollziehen, dass Lajtha praktisch unbekannt gegenüber Kodaly ist. M.E. ist der "Abstand" von Bartok zu Kodaly größer als der von Lajtha (oder Rosza) zu Kodaly. Laijtha klingt vielleicht von allem (nach meiner kleinen Stichprobe) am "internationalsten", obwohl es auch "ungarische" Stücke gibt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Anhand des Gehörten kann ich jedenfalls auch nicht nachvollziehen, dass Lajtha praktisch unbekannt gegenüber Kodaly ist.


    :thumbup: Inzwischen kann ich diesen Satz deutlich nachvollziehen und bestätigen.


    Ich habe seit zwei Wochen die abgebildete MarcoPolo-CD mit den Sinfonien Nr.3 op.34 (1948)und 4 op.52 (1951) und der fetzigen Orchester-Suite Nr.2 op.38 (1943).
    :hello: Meinen Dank an Lutgra.

    Marco Polo, 1995, DDD
    (Die Abb entspricht nicht des tatsächlichen MarcoPolo-Covers !)


    Ich war erst einamal überrascht, dass auch so ein unbekanntes Ensemble wie das Pecs Symphony Orchestra / N.Pasquet solche eindrucksvollen Leistungen abliefern können. Hätte ein bekanntes Spitzenorchester auf der CD gestanden - ich hätte es geglaubt !


    Die Sinfonien Nr.3 und 4 und die ebenfalls sinfonische Suite Nr.2 aus den Jahren zwischen 1943 und 1951 sind rein tonal, wirken recht zupackend und zeitgemäss (ohne jeglichen Anflug von Ungeniessbarkeit). Die Kombination von ungarisches Folksmusik mit Europäischen Tradiutionen gelingt Lajtha vorzüglich, ohne das er "romantisches Schmalzgeplänkel" liefert, wie es einige wenige seiner unzeitgemässen Zeitgenossen manchmal drauf haben.
    In der Suite Nr.2 sind 4 satirische Tanzsätze zu hören, die sehr flott sind (Vivace -Presto - Molto quieto - Vivace).
    Die Sinfonie Nr.4 in drei Sätzen wirkt kurzweilig und hält den Hörer durch die geplänkelfreie Dramaturgie auf Spannung.
    Die Sinfonie Nr.3 hat nur zwei Sätze von 12 und 10Min; nach einen nachdenklichen ersten Satz folgt der stürmische Zweite Allegro molto. Erst hinterher habe ich gelesen, das die Sinfonie nach seiner Filmmusik zu dem Film "Mörder in der Katedrale" verfasst ist - das passt - astrein was er daraus gemacht hat !


    :thumbup: Die CD macht jedenfalls Appetit auf mehr von Lajtha !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Bei László LAJTHA (1892-1963) handelt es sich um einen Komponisten den vermutlich die wenigsten Mitleser kennen werden, der aber ein hervorragendes Beispiel dafür ist, dass es noch immer hervorragende Komponisten gibt, die aus den verschiedensten Gründen in Vergessenheit geraten sind.
    Während er im Beiheft der hier abgebildeten CD als einer der „führenden Komponisten seiner Zeit“ beschrieben und auf eine Stufe mit Bela Bartok und Szoltan Kodaly gestellt wird, finden wir im Harenberg Konzertführer nicht einmal eine Erwähnung, ditto beim Konkurrenzwerk von Csampai / Holland.
    Lajtha absolvierte sein Musikstudium in Budapest, Leipzig und Genf. Ähnlich wie Bartok und Kodaly sammelte er ungarische Volkmusik.
    Wir befassen uns hier mit seinen Orchesterwerken, ein schwieriges Unterfangen, denn die meisten seiner Orchesterwerke, von denen Aufnahmen (meist auf Marco Polo) existierten, sind inzwischen aus den Katalogen verschwunden. (Über die Kammermusik etc. wird es separate Threads geben, trotz des bescheidenen Vorrats an Einspielungen, es besteht immerhin die Möglichkeit, dass Klaus Heymann die existierenden Aufnahmen auf Naxos wiederveröffentlicht. Gewiss ein Risiko – aber IMO ein vertretbares. Die Produktionskosten sind eingespielt oder abgeschrieben – und es gibt kaum Konkurrenzaufnahmen.


    Zu den Orchesterwerken: Lajtha hat zwischen 1936 und 1961 9 Sinfonien und einige andere Orchesterwerke, darunter ein Violinkonzert (1931) und einige Suiten, sowie Filmmusik geschrieben.


    Ich habe mir heute -quasi zur Einstimmung- bevor ich mich einer der auf Tonträger verfügbaren Sinfonien widme, die fünfsätzige Suite Nr 3 Op 56, welche sich auf der abgebildeten CD befindet – angehört.
    Schon der Beginn des ersten Satzes hat mich überrascht: Er beginnt im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten, die Instrumentierung ist farbig - exotisch - aggressiv. Ein Kaskade an Übermut und Lärm strömt auf den Hörer ein. Das lässt sich schwer beschreiben, das muß man gehört haben, wie die Tschinellen, die Pauken und die Hörner jeweils kräftige Akzente setzten. Es folgt ein verträumt versonnener 2. Satz von „behaglicher Melancholie und Meditation", sowie introvertierter Schönheit. Gegen Ende droht der Satz zu verlöschen - was dann auch geschieht. Der dritte Satz bringt wieder Leben ins Stück, wobei ich den Eindruck unterschwelliger Exotik nicht verdrängen kann.
    Ein moderat fröhliches Thema, auf der Klarinette gespielt, heisst uns zum 4. Satz willkommen, der in der Hauptsache tänzerisch angelegt ist. Der Finalsatz ist sehr abwechslungsreich, was im Umkehrschluss sagt, dass er nicht besonders einheitlich angelegt ist, aber das ist einerseits lediglich ein sehr persönlicher Eindruck von mir, zweitens ist es Erbsenzählerei. Alles in allem ein sehr beeindruckendes Werk mit gelegentlich plakativen Momenten. Ich bin gespannt auf die Sinfonien......


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    Nachtrag
    Dieser Beitrag startete einen Thred über den Komponisten. Aber es gab schon einen von Lutgra, was ich vergessen hatte.
    Als ich ihn wieder entdeckte habe ich meinen Txt geringfügig angepasst und an Lutgras Thread angehängt.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Den positiven Eindrücken von Alfred kann ich nur zustimmen. :thumbup: Bei den Sinfonien wird es noch interessanter. :thumbsup: Spassfaktor vorhanden !
    Mir fehlen eine grosse Anzahl seiner 9Sinfonien, die zwischen 1936 und 1961 entstanden mangels Verfügbarkeit auch noch. Im Prinzip bin ich in Warteposition auf weiteres Lajhta-CD-Material ...


    :!: Es wird Zeit, dass sich NAXOS aufrafft, die MarcoPolo - Aufnahmen (die (soweit mir bekannt) exqusit klingen) alle zu übernehmen.
    Die MarcoPolos haben teils auch noch einen zu hohen Anschaffungspreis.


    Das für unsere Breiten total unbekannte Pécs Symphony Orchestra unter Nicolas Pasquet unterscheidet sich kaum oder nicht erkennbar von bekannten Spitzenklangkörpern.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Erfreulicherweise werden die weitgehend vergriffenen Aufnahmen der Symphonien von Laszlo Lajtha auf Marco Polo jetzt ins Naxos Repertoire überführt. :jubel:


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