"Falstaff" von Giuseppe Verdi im Konzerttheter Coesfeld, 27. 2. 2015

  • Bericht über die Aufführung des "Falstaff" am 27. 2. 2015 im Konzerttheater Coesfeld:



    (Das erste Bühnenbild, eine Abbildung des Inneren des Oldenburger Staatstheaters)
    Mir war nicht so hundertprozentig bewusst, was da auf mich zukam, als ich am vergangenen Freitag zum ersten Mal seit Jahren wieder in die Oper ging. Falstaff hatte ich überdies noch nie auf der Bühne erlebt. Aber die Szenenfotos auf der Homepage des Konzerttheaters hatten mich schon halbwegs beruhigt, denn ich bin kein Freund von Regietheater-Auswüchsen, wie sie z. B. vor einigen Jahren in Bayreuth zu "bewundern" waren. Weiter trug zu meiner Beruhigung die Beantwortung der Fragen an den Regisseur Tom Ryser bei, die die Dramaturgin Annabelle Köhler während der Proben an ihn gerichtet hatte. So begann seine Antwort auf die Frage: Wie gehen Sie als Regisseur an eine so "schauspielerische" Oper heran? mit dem Satz:
    "Der erste Schritt bei einem solchen Werk ist natürlich, sehr, sehr, sehr genau der Musik zu folgen".
    Schon in einer kurzen Einführung wurde nämlich betont, dass diese Oper von der Leistung der Ensembles lebe, dass sie, wie so oft bei Verdi, sozusagen als ein Kennzeichen seiner Musik, von einem hohen Tempo geprägt sei, dass entsprechende Aktion auch schauspielerische Leistung erfordere.
    Und das erfuhr ich von der ersten Szene an, dass sich die Sänger nicht als pure Kleiderständer ihre farbenprächtigen Kostüme verstanden, sondern allesamt auch schauspielerisch zu glänzen wussten. Als einen schönen Einfall habe ich es auch angesehen, dass bei den Kostümen die Farbe Grün einen umfassenden Rahmen für die ganze Oper darstellte.
    Über allem und allen thronte, nicht nur sinnbildlich, sondern auch stimmlich und darstellerisch der gebürtige Römer Marco Cingari, dessen melodischer und höhensicherer Bariton jede Klippe der Partitur sicher umschiffte. Welch ein Kontrast dieses intelligenten und sehr sympathisch rüberkommenden Falstaff zu seinen beiden doch recht einfältigen Adlaten Bardolfo (Alexander Murashov) und Pistola (Henry Kiichli). Aber so etwas will auch erst einmal so herzerfrischend gespielt sein, wie die beiden es fertig brachten.
    Die Damenwelt marschierte gleich zu viert auf, um mit Falstaff fertig zu werden, und auch sie, Valda Wilson als Mrs. Alice Ford, Alexandra Scherrmann als Nannetta, Melanie Lang als Mrs. Quickly und Yulia Sokolik als Mrs. Meg Mage waren stimmlich wie darstellerisch auf der Höhe und waren ein Ensemble. Das andere, naturgemäß nicht so aufeinander abgestimmte, war den Männern vorbehalten, Daniel Moon als Ford, Mykola Pavlenko als Dr. Cajus, Philipp Kapeller als gut im Futter stehender Fenton sowie die beiden Adlaten Falstaffs (s. o.), die sich hinter dem Rücken Falstaffs heimlich auf die Seite Fords und Cajus stellten, waren an Witz und Gewitztheit ihren weiblichen Pendants hoffnungslos unterlegen, weil sie ja auch einerseits unterschiedliche Ziele hatten und andererseits ihre jeweiligen Oberstübchen doch noch die eine oder anderer unbenutzte Stelle hatten. Wie die Handlung netto ca. 135 Minuten munter durcheinander wirbelte und auch dank der Obertitel gut zu verfolgen war, lag natürlich auch an der klugen Personenregie, die ich als durchaus dem Stück und der Musik angemessen bezeichnen möchte, der Funke sprang sofort über, sowie am prachtvolle Orchester (über 50 Instrumentalisten) sowie an dem jungen äußerst dynamischen Dirigenten Vito Christófaro, der mit seinem Orchester den Darstellern und dem Publikum ordentlich ei heizte, wobei sowohl die warm getönten Streicher als auch die vorzüglichen Bläser und die machtvollen Pauken sich sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel von ihrer besten Seite zeigten.
    Auch der 30 Personen starke Chor, der leider nur am Ende als Ganzes einen allerdings überzeugenden Auftritt hatte, brachte noch einen weiteren positiven Aspekt in das Ganze.
    Und zur "Message" dieses Stückes sagte der Regisseur am Ende des o. a. Gespräches Einiges, dass in der Tat vielleicht nur in einer Oper zutage tritt, wie dies mit einer so vollendeten Synthese von Handlung und Musik, was natürlich nicht nur am großen Giuseppe Verdi lag, sondern sicherlich auch zu gleichen Teilen am großartigen Librettisten (und Komponisten) Arrigo Boito:

    Zitat

    Tom Ryser: Das ist schwer zu beschreiben. Es braucht die Gesamtheit von Text und Musik. Man muss das erleben. .... dieses rasante Tempo, die schnellen Schnitte, Stimmungs- und Genrewechsel...Man sollte sich davon verführen lassen und sich dann vielleicht einmal überlegen , ob sich in der Gesellschaft seit Shakespeare so viel verändert hat...Irgendwie sind wir doch alle Bürger Windsors! Und wenn für einen so "gefährlichen" Menschen wie Falstaff, der es wagt, zwei Damen den gleichen Liebesbrief zu schreiben, das größte Risiko darin besteht, aufzufliegen, und Windsor dabei noch solch einen wunderbaren "Fasching" geschenkt bekommt, sollte man alle Falstaffs dieser Welt hochleben lassen, und zwar sofort.



    Lassen wir am Ende noch einmal Falstaff zu Wort kommen:"Tutto nel mondo è burla, L'uom e nato burlone" (Alles auf der Welt ist Narrheit. Der Mensch ist als Narr geboren).


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).