Beethoven: Klaviersonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2, , CD-Rezensionen und Vergleiche (2015)

  • Einführungstext zur Klaviersonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2


    Die A-dur-Sonate ist die zweite in der "op. 2"-Familie und hat, ebenso wie die Nr. 1, hier aber nur im 1. Satz, diese besonderen Wiederholungsvorschriften, während es ja in der ersten diese Vorschriften noch im Kopfsatz und im Finale gab. Dafür ist hier der Kopfsatz auch ohne Wiederholungen gleich mehr als doppelt so lang.
    Wie dem auch sei, da nach einem flüchtigen Überblick zumindest drei Pianisten aus meiner Sammlung auch die A-dur-Sonate "komplett" vorlegen, werde ich dies auch in meinen Taktzahlangaben berücksichtigen und mit ihnen beginnen: Arrau 1964, Korstick und Schiff.


    Diese Sonate ist ebenfalls viersätzig.


    1. Satz: Allegro vivace, A-dur, 2/4 Takt, 336 Takte, (mit Wh. der Exposition, Takt 1 bis 117 einerseits, sowie Wh. der Durchführung und Reprise, Takt 118 bis 336 andererseits: 672 Takte;


    2. Satz: Largo appassionato, D-dur, 3/4 Takt, 80 Takte:


    3. Satz: Scherzo, Allegretto, A-dur, 3/4 Takt, 68 Takte, (m. Wh. Takt 1- 8, 16 Takte, Takt 9 bis 44, 72 Takte, Minore, Takt 45 bis 52, 16 Takte, Takt 53 bis 68, 32 Takte, Da Capo, Takt 1 bis 44, 44 Takte: 180 Takte;


    4. Satz: Rondo, Grazioso, A-dur 4/4 Takt, 187 Takte (mit Wh. Takt 57 bis 66, 20 Takte): 197 Takte;


    Gesamtlänge bei vorschriftsmäßiger Ausführung: 1129 Takte. Damit ist die Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2 nach Taktzahlen möglicherweise die zweitlängste Beethoven-Sonate (nach der Hammerklaviersonate, 1292 Takte). Sie ist taktmäßig länger als die Appassionata und die Sonate Nr. 4, die beide ebenfalls über tausend Takte lang sind.


    Auch in der temporalen Ausdehnung kann sie mit den längsten (außer op. 106) mithalten:
    Arrrau: 29:04 min.;
    Korstick: 27:36 min.;
    Schiff: 28:27 min.;
    Sollten sich im Laufe der Arbeit an den Sonaten noch andere Pianisten hinzu gesellen, was ich sehr hoffe, wird das natürlich auch aus den Spielzeiten ersichtlich werden.


    Aufbau der einzelnen Sätze:


    Der sehr lange erste Satz ist wie folgt aufgebaut:
    Hauptthema: Takt 1 bis 8,
    Erweiterung: Takt 9 bis 32;
    Überleitung: Takt 33 bis 57;
    Seitenthema: ab Takt 58 (Beginn in e-moll)
    Überleitung: Takt 84 bis 91
    Rückkehr eines Motivs aus dem Hauptthema;


    Durchführung: ab Takt 118;
    Reprise ab Takt 224;


    Zweiter Satz:
    Thema : Takt 1 bis 8;
    Wh. Thema: Takt 13 bis 19;
    Seitenthema: Takt 20 bis 31;
    Wiederholung des ersten Teils mit Überleitung: Takt 32 bis 57;
    Schluss des Satzes: ab Takt 58, zuerst im Fortissimo, dann ab Takt 67 im Pianissimo bis zum Ende;


    Dritter Satz:
    Scherzo:
    Allegretto: Takt 1 bis 8 (mit Wh.) (A-dur, E-dur), Takt 9 bis 44 (m. Wh.) (Cis-dur, fis-moll, Dis-dur, gis-moll (gis-moll. ab Takt 19 im p), bis Takt 25, dann Wh.;
    Minore: a-moll, Takt 45 bis 52 m. Wh.; Takt 53 bis 68 m. Wh;
    Allegretto Da Capo: Takt 1 bis 44;


    4. Satz:
    Rondo: Grazioso
    Refrain: Takt 1 bis 16;
    Couplet: Takt 17 bis 40;
    Refrain: Takt 41 bis 56;
    Couplet: Takt 57 bis 100;
    Refrain: Takt 100 bis 115;
    Couplet: Takt 116 bis 134;
    Refrain: Takt 135 bis 158:
    Couplet: Takt 159 bis 172;
    Takt 173 bis Takt 187;
    (Quellen: Siegfried Mauser, S. 32 bis 36)


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zum oben formulierten Text ist noch zu ergänzen, dass es am Ende der Satzteile des Rondo heißen muss: Refrain: Takt 173 bis 187.



    Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: April 1964
    Spielzeiten: 10:40-8:10-3:16-6:47 -- 28:53 min.;


    Claudio Arrau nimmt das geniale Staccato-Legato-Wechselspiel dieser absolut spielfreudigen und in jeder Hinsicht kontrastreichen Sonate, auch im Hinblick auf die Intervallunterschied und die unterschiedlichen Notenlängen, sogleich mit gehörigem Schwung und natürlich mit der gebotenen aufmerksamen Behandlung der Dynamik auf.
    Hier ist im Thema jedoch, etwa im Unterschied zu den zuvor besprochenen Sonaten, in der Wiederholung ab Takt 20, das Thema nicht oktaviert, sondern dynamisch von Piano auf Forte erhöht. In der Überleitung ab Takt 33 gehen die Sechzehnteltriolen in der unteren wie in der oberen Oktave im Wechsel mit und in der Begleitung von Staccato-Achteln dann jeweils über eine Oktave hinaus und verleihen der Passage einen perpetualen Schwung, den Arrau glänzend rüberbringt.
    Das Rallentando am Ende der Überleitung zum Seitenthema (Takt 48 bis 57 spielt Arrau grandios, das Seitenthema in e-moll ab Takt 59 mit Auftakt, das sich mit jeder Wiederholung höher aufschwingt und mit stark betonten Sforzandi nicht minder, bis hin zu den großartigen dynamischen Kontrasten (ff-p-ff-pp) von Takt 76 bis 79, bevor es in der Überleitung in dem hellen, sonnigen A-dur im Fortissimo in Sechzehntel-Oktavtriolen weitergeht. Dort werden ab Takt 92 die Sechzehntel-Triolen aus dem Hauptthema (Takt 33ff) wieder aufgenommen, und nach dem letzten Fortissimo ab Takt 99 werden die Notenwerte allmählich länger und die Dynamik versinkt gegen Ende der Exposition langsam im pp/pp-Keller- welch ein genialer Expositions-Aufbau. Natürlich wiederholt Arrau die Exposition- und nicht nur die, wie wir noch sehen werden.
    Die Wiederholung spielt er selbstverständlich mit der gleichen Intensität und dynamischen Ausgewogenheit.
    In der dynamisch hoch stehenden Durchführung dominiert in der ersten Hälfte eine kunstvolle Unisono-Sechzehntel-Begleitung in der tiefen Oktave, die die absteigenden Staccato-Viertel aus dem Hauptthema kontrastiert. Die zweite Hälfte beginnt mit der aufsteigenden Achtelbewegung aus der Themenerweiterung der Exposition (ab Takt 9 mit Auftakt), die dann nach allen Regeln der musikalischen Kunst in einem faszinierenden Staccato-Fugato durchgeführt wird.
    Der große Beethoven-Kenner Arrau vergisst in all diesem Gewusel auch nicht am Ende der Durchführung des Calando (Takt 220 bis 223), über das in vergleichbaren Sonaten viele seiner Kollegen schon hinweg gespielt haben, das er aber zur Schlüsselstelle erhebt.
    Die Reprise beginnt im Gegensatz zur Exposition mit einem Forte und ist auch sonst in etlichen musikalischen Figuren verändert. Auch hier spielt Arrau am Übergang zum Espressivo-Seitenthema wieder ganz berückend das Ritartando (Takt 267 bis272.
    Das Espressivo-Seitenthema ist im Gegensatz zur Exposition hier auch höher angesetzt. Auch hier spielt er die einzelnen Elemente der Reprise dynamisch so kontrastreich wie in der Exposition einschließlich des pp-Schlusses aus der Exposition (Takt 108 bis 117).
    Dann wiederholt Arrau, wie Beethoven es vorschreibt, Durchführung und Reprise. Wie schön, wenn ein Pianist auch alles spielt, was Beethoven vorschreibt, und wie schön eben, wenn man die kunstvollen Elemente dieses doch gewaltigen Satzes (komplett 672 Takte!!) zweimal hören darf, und dann noch so vollendet wie von Arrau!!


    Das erste Beethovensche Largo appassionato ist beileibe keine Schülerarbeit, sondern vollkommen ausgereift, und von besonderer Form. Der Reiz liegt sicherlich auch darin, dass Beethoven etwas ausprobieren wollte, und dass ihm das in überwältigender Manier gelang: genial die Kombination tenuto-sempre in der oberen und staccato-sempre in der unteren Oktave, eine Kombination, die uns später wieder begegnen sollte, z. B. im "Allegro molto e vivace" der Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1.
    Wunderbar, musikalisch tief gehend und von innen leuchtend gestaltet er die dynamische Hebung und Senkung Takt 16 bis 19.
    Grandios auch der sogenannte "Zwischenteil" Takt 20 bis 31, den man auch als lyrisches, hier gleichwohl in melancholischem Moll befindlichen Seitenthema bezeichnen könnte, dass auch von der ernsten Stimmung her eine gewaltigen Kontrast auftut zum ruhigen, beseligenden d-dur-Hauptthema, das in der Folge gemäß der hier angewandten "variierten" Reihungstechnik noch dreimal wiederkehrt.
    In der Wiederkehr ab Takt 44 folgt wieder diese grandios Steigerung Takt 47 bis 49, die Arrau ebenso atemberaubend wieder zurückführt wie schon in der ersten Wiederholung (Takt 16 bis 19, siehe oben).
    Ein weiterer genialer Einfall Beethovens ist der ff-Ausbruch in der nächsten Wiederholung ab Takt 58, wieder in Moll, der in seiner unerbittlichen Strenge schon fast auf Mahler vorausweist, der aber nach dem letzten subito Fortepiano in Takt 64 in den himmlischen Sphären Takt 65 bis 67 sich in Wohlgefallen auflöst und in der letzten Themenwiederholung ab Takt 68 jetzt in einer Oktavierung und in einer Verwandlung des Tenuto in Legato und allmähliche Auflösung des Staccato dem Elysium zustrebt- Welch eine hohe Gestaltungskunst eines langsamen Satzes schon bei dem jungen Beethoven- hier kongenial dargeboten von Claudio Arrau!


    Im Scherzo, das hier zwar noch die Bezeichnung Allegretto trägt, geht es munter durch die Tonarten.
    Im ersten Allegretto-Teil Takt 1 bis 8 im Piano in A-dur und E-dur, wird es im zweiten Allegretto-Teil (Takt 9 bis 44) dynamisch bewegter , geht bis zum Fortissimo in Takt 17 und endet auch dort in den Takten 43 und 44.
    Ab Takt 11 geht es in Cis-dur, fis-moll und Dis-dur ab Takt 19 in gis-moll. Ab Takt 32 wird das Thema dann in der originalen Tonart wiederholt und steigert sich bis zum Fortissimo. Auch dieser zweite Teil wird natürlich wiederholt.
    Da Rallentando ab Takt 29 lässt Arrau natürlich keineswegs außer Acht.
    Das Minore steht in a-moll und erfährt zu Beginn des zweiten Teils ab Takt 53 mit Auftakt eine Dur-Aufhellung, bevor es ab Takt 59 wieder nach Moll wechselt. Im Gegensatz zum Allegretto steht es überwiegend im Legato und endet wie der zweite Teil des Allegretto mit einer fortissimo-Steigerung.
    Die Geschlossenheit des behände fließenden Satzes gewährleistet Arrau auch hier durch seine überlegenen dynamischen und rhythmischen Fähigkeiten.
    Auch hier wird das Scherzo-Allegretto wiederholt.


    Das Rondo hat in seinem musikalischen Charakter und in seinem Aufbau viel Ähnlichkeit mit dem Scherzo, und insofern kann man hier eine Zweiteilung feststellen der gegensätzlichen Sätze eins und zwei einerseits und der sich ergänzenden Sätze drei und vier andererseits.
    Auch hier fällt wieder gleich zu Beginn der großen tonale Raum auf (dreieinhalb Oktaven).
    Formal ist das Rondo neunteilig, wobei sich fünf Refrains mit vier Couplets abwechseln. Die ersten drei Refrains sind jeweils 16 Takte lang, das erste Couplet 24 Takte, das zweite 44 Takte und das dritte 18 Takte. Der vierte Refrain und das vierte Couplet sind jeweils 14 Takte lang. Real ist das zweite Couplet jedoch noch 10 Takte länger, da die ersten 10 Takte (57 bis 66) wiederholt werden.
    Der letzte Refrain ist 16 Takte lang.
    Arrau lässt es auch hier wunderbar fließen. Im gesamten Rondo überwiegt die ruhige, oftmals zwischen Piano und Pianissimo liegenden friedliche Stimmung, ähnlich wie im Scherzo Allegretto. Im ersten Couplet entsteht der Eindruck einer Beschleunigung, weil es durchweg in Sechzehnteln steht, und es erfährt im Mittelteil mehr dynamische Bewegung, bevor sich das Thema in Takt 41 in seiner pastoralen Anmut erneut zu Wort meldet.
    In Takt 57 setzt das zweite Couplet ein, den man in seiner schroffen Art und Hinwendung zum Moll mit etwas Fantasie auch als eine Art durchführenden Teil ansehen könnte, wofür auch seine Länge von 44 Takten spricht, und, wie gesagt, der dramatische Impetus. Jedoch überrascht uns Beethoven auch hier mit einer kurzen (Legato-)Ruhepause in Takt 80 bis 86 in pp. Dann wird im Fortissimo das Staccato sempre aus Takt 57 wieder aufgenommen, was hier von Arrau auch wieder sehr ausdrucksstark wahrgenommen wird.
    Im dritten Refrain wird der anfängliche Aufschwung durchgehend in Zweiunddreißigsteln vorgetragen und geht fließend in das dritte Couplet über, das dynamisch ziemlich eng an den dritten Refrain anschließt. Der vierte Refrain schließlich wartet noch mit einer melodiösen Abwandlung ab Takt 140 auf, bevor Beethoven (und mit ihm Arrau) ab Takt 148 noch eins draufsetzt und mit vorwitzigen Sechzehntel-Sextolen wechselseitig in der unteren und oberen Oktave mit den Achtelintervallen ein munteres Possenspiel treiben, bevor es ein letztes Mal in das Couplet geht, wo noch einmal Teile des Hauptthemas variiert werden und dynamisch noch einige Aufregung herrscht.
    Nach einer letzten Achtel-Abwärtsbewegung der Staccato-Sextolen führt der letzte Refrain mit einigen einleitenden Sechzehntel-Sextolen zum friedlichen, wieder typisch Beethovenschen Abschluss: eine letzte Forte-Erhebung, dann p/pp-Schluss.


    Eine grandiose Einspielung Arraus des "ganzen" Beethoven!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    schön, dass Du nun die "Arbeit" an op. 2 Nr. 3 aufgenommen hast - eine sehr vielschichtige Sonate, die bei mir aber in der Vergangenheit im Schatten von op. 2 Nr. 3 gestanden hat was die Häufigkeit des Hörens angeht. Den langsamen Satz besonders finde ich auch sehr eindringlich und wohl nicht ganz einfach zu interpretieren.


    Ich hoffe, ich kann bald wieder mehr intensiv hören. Im Moment forciere ich den Aufbau der Bibliothek, damit sich das alles nicht endlos hinzieht.... Der Umzug, eine hoffentlich nicht unendliche Geschichte... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Michael Korstick, Klavier
    AD: Dezember 2005
    Spielzeiten: 9:30-8:25-2:55-6:36 -- 27:26 min.;


    Michael Korstick nimmt den Kopfsatz rascher als Arrau. Sein Spiel ist klar, rhythmisch leicht und federnd und dynamisch abwechslungsreich. Den Hauptsatz endet er in einem sehr schönen Rallentando.
    Im expressiven Seitenthema betont er besonders die Begleitung und stellt in den Sforzandi eine beständige Steigerung her, geht nach den beiden veritablen Fortissimi in Takt 76 und 78 subito pp zurück und leitet nach der Überleitung fließend in die Wiederholung der Abwärtsbewegung aus dem Hauptthema über.
    Auch Korstick wiederholt selbstverständlich die Exposition.
    Die hochdynamische Durchführung spielt er auch hochdynamisch, noch stringenter als Arrau. In diesem ersten Teil kontrastiert er die absteigenden Staccaatoviertel sehr schön durch die permanenten Unisono-Sechzehntel.
    Im zweiten Teil, diesem herrlichen Staccato-Abschnitt, der etwas Mendelssohnsch-Koboldeskes hat, hört man sein förmliches Vergnügen an diesem typischen Beethoven, das nach einer kräftigen Steigerung über das selbstverständlich beachtete pp-Calando zur Reprise führt.
    Diese spielt er in ihrer natürlich auch hier und da geänderten musikalischen Form temporal und dynamisch genauso konsequent wie die Exposition. Schön zu bemerken, wie gewissenhaft er auch die Subitopiani spielt, z. B. in Takt 230 und 261. Nach dem äußerst dynamischen Abschnitt von Takt 295 bis 322 lässt er den Satz sehr leise auslaufen.
    Michael Korstick hält sich als Zweiter an die Wiederholungsvorschrift Beethovens und wiederholt Durchführung und Reprise.


    War Korstick im Kopfsatz wesentlich schneller als Arrau, ist er im Largo appassionato im tenuto sempre-staccato sempre etwas langsamer. Er beginnt in einem betörenden pp/ppp, hebt die Sforzandi in Takt 6, 15 und 16 moderat hervor, um dann aber kräftig zum fortissimo in Takt 18 zu steigern. Das ist grandios gemacht.
    Das Seitenthema ab Takt 20 trägt in Korsticks atemberaubender Wiedergabe einen anrührenden melancholischen Überzug mit einer in den Takten 28 bis 31 noch leicht dramatisch wirkenden Steigerung. Die ff-Steigerung folgt nun aber erst in der zweiten Themenwiederholung Takt 47 bis 49. Herausragend sind auch danach die kurzen Bögen ab Takt 53 gespielt, womit es aber nicht getan ist, denn Korstick lässt einen markerschütternden Ausbruch ab Takt 58 folgen, den er wiederum wunderbar kontrastiert mit der jenseitig gespielten hohen Oktav ab Takt 64 bis 68, die ein letztes Mal zum tenuto-staccato-Thema führt, das nun nach oben oktaviert ist und eine originelle, Sechzehntelverzierung erhält. Den wunderbaren Schluss lässt Korstick in atemberaubender Weise im pp/ppp-Nirwana versinken- eine grandiose Interpretation dieses Satzes von gleicher Intensität wie diejenige Arraus!


    Auch im Scherzo ist Korstick schneller unterwegs als Arrau. Nach dem luziden Thema reizt er den zweiten Teil des Scherzos dynamisch voll aus und kontrastiert mit dessen Mittelteil herrlich mit dem abschließenden Rallentando, um eine sich wiederum dynamisch vom Beginn unterscheidendes Thema anzuschließen.
    Auch das Minore nimmt Korstick rasch und durch die Sforzandi rhythmisiert. Im längeren zweiten Minoreteil spielt er auch das lange Crescendo bis hin zum ff vorbildlich und schließt dann das entzückend kontrastreiche Scherzo da capo an- ebenfalls ein ganz hervorragend gespielter Satz!


    Im Rondo grazioso ist Korstick sofort im ersten Takt des Refrains I (Thema) im Grazioso-Wiegeschwung, wobei er auch die Ausdehnung des tonalen Raums sehr schön rüberbringt.
    Das aus Sechzehnteln im Wesentlichen bestehende erste Couplet lässt Korstick wunderbar fließen, wobei die Sechzehntel nach 12 Takten von der oberen in die untere Oktav wechseln, und das völlig organisch.
    Den Refrain II ab Takt 41 bis 56 könnte man durchaus mit einer Expositionswiederholung vergleichen, sodass, wie bei anderen Sonatenrondos Beethovens auch, hier inhaltlich durchaus eine Sonatensatzform durchschimmert.
    Dem Couplet II (Takt 57 bis 100) entspräche dann, wie schon in meiner ersten Besprechung gesagt, die Durchführung. Ähnlich war es ja auch im Rondo der Sonate Nr. 4 aufgebaut, einschließlich der kurzen Wiederholung. Auch Korstick erhöht hier den dramatischen Impetus und betont rhythmisch angemessen hier das Staccato sempre.
    Mit dem reprisenförmigen Refrain III ab Takt 100 ist dann auch die dramatische Stimmung vorbei, hier formal auch noch durch die Ausdehnung der entzückenden Zweiunddreißigstel verdeutlicht, ebenso wie durch das sich hier anschließende, formal mit Couplet I übereinstimmende Couplet III.
    Auch der dann folgende Refrain IV hat ja im Wesentlichen die gleiche Form wie der Refrain II, von einigen Variationen wie z. B. den Sechzehnteln in Takt 137 einmal abgesehen. Auch das Couplet IV zeigt ja nochmal ähnliche dramatische Züge wie das Couplet II, und dem letzten Refrain (V), ab Takt 173 könnte man auch durchaus codaähnliche Züge abgewinnen.
    Dieser großrahmige, kunstvolle Aufbau wird auch jederzeit durch die herausragende Interpretation Korsticks deutlich.


    Insgesamt eine ebenfalls herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    András Schiff, Klavier
    AD: 7. März 2004
    Instrument: Fabbrini (Bösendorfer o. Steinway)
    Spielzeiten:11:17-6:40-3:30-6:45 -- 28:12 min.;


    András Schiff nimmt das Allegro vivace wesentlich langsamer als Korstick, gar noch etwas langsamer als Arrau, die Viertel in Takt 1, 3 und 8, wie ich meine, hält er etwas länger an. Dynamisch spielt er sehr differenziert, sein Wechselspiel zwischen Staccato und Legato ist auch ganz ausgezeichnet. . Sein Rallentando (Takt 48 bis 53) fällt allerdings nicht so ins Gewicht, weil das Tempo davor nicht so hoch ist.
    Auch das Seitenthema nimmt er etwas gemessener, aber nicht minder ausdrucksvoll, und die begleitenden Achtel sind bi diesem Tempo vielleicht noch etwas transparenter. Die stufenweise Anhebung des Seitenthemas ab Takt 58 mit Auftakt, 63 m. A., 67 m. A., dann verkürzt sich immer höher schwingend, klingt unter Schiffs Händen ganz betörend. Auch die Überleitung und Rückkehr zum ersten Teil des Hauptthemas, kurz vor Ende der Exposition, nimmt Schiff mit Bedacht und viel Ausdruck. Selbstverständlich wiederholt er die Exposition.
    Die Durchführung spielt Schiff hörbar lustvoll und rhythmisch sehr akzentuiert im ersten Teil mit den Unisono-Sechzehnteln in der Begleitung. Auch im zweiten Teil mit dem zunächst wechselnden Staccato-Legato, dann den romantisch-luziden Staccati, spielt er sehr anrührend., bis hin zum abschließenden Calando.
    In der Reprise kehrt er zur Ausdrucksskala der Exposition zurück, mit allen dynamischen Kontrasten.
    Andras Schiff ist der Dritte (und wie ich glaube, Letzte), der alle Wiederholungsvorschriften Beethovens beachtet.


    Andras Schiff nimmt das Largo wesentlich schneller als Korstick und Arrau, aber, wie ich finde, gerade noch im Rahmen. Das Staccato sempre-Tenuto sempre spielt er vorzüglich. Die Steigerung in der ersten Themenwiederholung ab Takt 15 ist grandios.
    Den seitenthematischen Zwischenteil (Takt 20 bis 31 spielt er auch mit diesem melancholischen Mantel endend in einem bewegenden Crescendo, hin zur zweiten Themenwiederholung, der sich die dritte anschließt. Wunderbar gespielt auch die thematische Erweiterung in dieser dritten Themenwiederholung, die ab Takt 50 bis 57 zwischen der oberen und unteren Oktave hin und her wandert, bis zum ff-Ausbruch des Themas in Takt 58, von Schiff sehr "mahlerisch" gespielt (streng wie ein Kondukt) und auch hier in einer überirdischen hohen Oktave auslaufend, zu einer letzten Themenwiederholung hin, die nochmals um die betörenden Begleit-Sechzehntel in der oberen Oktave erweitert ist. Auch dieser letzte Teil wird von Schiff sehr ergreifend gestaltet.


    Das Scherzo Allegretto spielt Schiff wesentlich langsamer als Korstick und auch als Arrau. Das ist hier wirklich ein Allegretto, im ersten Teil in grandioser Entspanntheit, und im zweiten Teil gewichtig und kraftvoll gespielt, wobei die Mitte des zweiten Teiles in ihrem Legato in der oberen Oktave im wiegenden Dreiertakt ( mit einem kurzen Rallentando am Ende) ganz wunderbar klingt. und er das Thema am Schluss zu einem kraftvollen Abschluss bringt. Unnötig zu sagen, dass Schiff auch in diesem so harmlos anmutenden Satz die vielfältigen dynamischen Hebungen und Senkungen beachtet.
    Das mehrheitlich im Legato stehende Minore gestaltet Schiff in etwas angezogenem Tempo zu einem dynamischen Höhepunkt des Satzes, das ja durch die Wiederholung des Scherzos auch temporal in der Satzmitte steht.


    Auch das Rondo spielt Schiff langsamer als Korstick und Arrau, wenngleich der Unterschied hier geringer ist. Der Refrain I ist sehr eindrucksvoll gespielt in seinem durch und durch lyrischen Grazioso-Charakter. Das Couplet I lässt Schiff wunderbar fließen, wobei er sehr fein die rhythmischen Unterschiede herausarbeitet: zunächst der gleichmäßige Fluss mit den Sechzehnteln in der oberen Oktave, dann der zunehmende Staccato-Charakter in der oberen Oktave, als die Sechzehntel in die Begleitung wechseln, dann im letzten Teil die einzelnen Akzente auf den Vierteln in Takt 36 und 38.
    Der Refrain II besteht, wie der erste, wieder aus entspanntem Fluss.
    Im langen, dynamisch sehr hoch stehenden durchführungsartigen Couplet II trägt er den ständigen Wechsel der Staccato-Achtel zwischen oberer und unterer Oktave, die einen permanenten Vorwärtsdrang des Dramas erzeugen, von einem subito pianissimo herbeigeführten geheimnisvoll anmutenden Legatoabschnitt kurz unterbrochen, wieder ins Forte und zum Schluss wieder ins pp Wechseln sehr konzentriert vor.
    Die Einleitung des reprisenförmigen Abschnittes Refrain III gestaltet auch Schiff in hellem Licht und großer heiterer Entspannung, die sich auch im Couplet III fortsetzt. Im vierten Refrain lässt Schiff die fröhliche Stimmung in den Sechzehntel-Sextolen (Takt 148 bis 156) fast überborden, bevor im letzten Couplet ein Rückfall in das "Drama" sich anzudeuten scheint, aber wirklich nur "scheint, denn im letzten Achtellauf geht alles dem codaähnlichen Refrain V zu, der mit einigen Sechzehntel-Triolen noch einmal für rhythmische Abwechslung und den typisch Beethovenschen pp-Schluss sorgt.


    Auch András Schiff ist hier m. E. eine große Interpretation gelungen!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: Juni 1990
    Spielzeiten: 7:20-7:16-3:22-7:50 -- 25:48 min.;


    Diese Sonate gehört zusammen mit den Sonaten Nr. 16, 22, 24 und 25 zu den letzten, die er im Alter von 87 Jahren von Beethoven noch aufgenommen hat, und das wird wohl in meinen Augen der einzige Grund sein, weshalb er im Kopfsatz die letzte Wiederholungsvorschrift nicht beachtet hat.
    Allerdings nimmt er hier den Anfang, wie ich finde, zu laut, die hier "p" vorgeschriebene Stelle unterscheidet sich dynamisch nicht von der Wiederholung in Takt 18. Auch erscheint mir die Stelle Takt 40 nicht genügend hervorgehoben zu sein, währende das subito piano in Takt 42 wieder sehr beeindruckend ist. Auch sein Rallentando Takt 48 bis 53 ist ganz großartig.
    Auch das Seitenthema spielt er sehr expressiv mit einer großartigen Steigerung in der hohen Oktave.
    Überleitung und die Rückkehr zur Themenerweiterung sind gewohnt kraftvoll und schwungvoll musiziert. Die Exposition wiederholt Arrau natürlich.
    Die Durchführung spielt er im ersten Teil mit den Viertel-Staccati in der oberen und der Sechzehntel-Begleitung in der unteren Oktave in einer grimmig-humorvollen Stimmung, wie es wohl von Beethoven gedacht war.
    In der zweiten Hälfte, im Legato-Staccato-Teil, scheinen mir die die Sechzehntel-Triolen manchmal sehr seltsam verschoben zu sein. Der Schluss der Durchführung mit den ffp in der Begleitung und dem Calando ist wieder sehr beeindruckend.
    Hier in der Reprise ist der Auftakt im forte natürlich richtig, da steht er so ja auch in den Noten. Die übrigen dynamischen Akzente spielt er sehr aufmerksam, ebenfalls das Ritartando. Auch das Espressivo-Seitenthema spielt er wieder sehr schön einschließlich der weiteren dynamischen Bewegungen bis hin zum leisen Schluss.


    Das Largo appassionato spielt Arrau interessanterweise wesentlich schneller als 26 Jahre zuvor und auch schneller als Korstick, aber doch etwas langsamer als Schiff. Dynamisch hebt er hier die Grundlautstärke etwas an, was ja hier auch nicht festgelegt ist. Rhythmisch ist das sehr stark. In der ersten Themenwiederholung spielt er eine Steigerung voll inneren Feuers, ohne bis zum Äußersten zu gehen.
    Im Moll-Seitenthema ist, wie so oft, die melancholische Schicht über diesem Abschnitt wesentlich dicker, das wird z. B. im Crescendo Takt 30 richtig dramatisch und gipfelt in einem veritablen dunklen Fortissimo-Akkord in Takt 31. Auch in den weiteren Themenwiederholungen bleibt Arrau bei seiner etwas angehobenen Grundlautstärke.
    Nach der abermals berührenden Steigerung (Takt 47 bis 49) ist die Fortsetzung Takt 50 bis 57 einfach nur grandios zu nennen. Auch er spielt den ff-Ausbruch sehr "mahlerisch", der in einem riesigen dynamischen Kontrast von einer hohen Oktave von erschütternder Schönheit abgelöst wird. Diese intensiv von innen leuchtende, beinahe schmerzende Schönheit setzt sich auch im letzten Tenuto-Staccato-Thema fort, hier fürwahr den Rang einer "Coda der anderen Art" erfüllend, die es bei Beethoven ja öfter gibt.


    Das Allegretto spielt er im ersten Teil auch mit einem durchaus vollen p. Im zweiten Teil steigert er das Thema ordentlich und lässt es im Legato-Zwischenabschnitt schön fließen, endend in einem veritablen Rallentando. Am Schluss in der Themenwiederholung lässt er seine kräftige Steigerung folgen. Das Legato-Minore lässt er kräftig pulsierend fließen.
    Dann lässt er das Allegretto nochmal da capo folgen.


    Im Rondo Grazioso lässt er sich alle Zeit der Welt. Da ist er erheblich langsamer als 26 Jahre vorher, und noch langsamer als Korstick und Schiff, aber dennoch ist es m. E. ein Grazioso.
    Auch im ersten Couplet fließt es und kommen die rhythmischen Unterschiede in den einzelnen Abschnitten(Takt 17 bis, 25, 26 bis 35 36 bis 39, hier bei Schiff näher beschrieben), gut zum Tragen.
    Dieses entspannte Musizieren setzt sich auch im zweiten Refrain fort.
    Ein harscher Kontrast tut sich natürlich auf im zweiten Couplet, vielleicht noch stärker als bei Schiff. Erst im kurzen Legato-Unterbruch (Takt 80 bis 85) fließt die Musik etwas ruhiger, aber immer noch von dunklen Wolken überschattet. Auch seine letzte Achtelfolge ab Takt 95 im Übergang zum reprisenförmigen dritten Refrain ist grandios musiziert.
    Dieser bläst natürlich die getrübte Stimmung mit einem Wisch weg und hält auch im dritten Couplet an, dass sich wunderbar unter Arraus Händen in der oberen Oktave entfaltet. Auch die Sechzehnteltriolen im vierten Refrain spielt Arrau berückend, ebenso wie die kurze Reminiszenz an "dunklere Zeiten" im vierten Couplet, das durch den ergreifenden letzten Achtellauf in den codawürdigen letzten Refrain mündet, ein letztes Mal grandios!!


    Bis auf einige dynamische Irritationen auch hier eine großartige, in Teilen erschütternde Interpretation eines der Größten!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    sehr spannend - von der alphabetischen Ordnung bist Du diesmal ja ordentlich abgewichen! :D Bei "B" und "C" finde ich noch bei mir Robert Casadesus und Rafal Blechacz... Ich hoffe, ich steige in nicht zu ferner Zeit wieder ein! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich habe das weiter oben erklärt, lieber Holger. Ich habe zuerst die drei Aufnahmen vorgenommen, die komplett sind, mit allen Wederholungen, und die habe ich auch in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Dann habe ich mit der ersten, die nicht komplett ist (Arrau verzichtet (vermutlich aus Altersgründen in seiner letzten Beethoven-Aufnahme-Session im Juni 1990 auf die Wiederholung von Durchführung und Reprise im Kopfsatz), wiederum in alphabetischer Reihenfolge weiter gemacht. Als Nächster sit Ashkenazy dran.
    Bei B sind es dann bei mir Backhaus, Baduara-Skoda, Barenboim, Brendel I, Brendel II, Brendel III und Buchbinder, bei C Casdesus und Ciccolini, und hast du nicht bei B noch Barenboim, Brendel und Buchbinder? :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ein bisschen Chaos macht doch das Leben aus. Wir Deutschen haben ja die Marotte, uns gerne selber Regeln zu machen und uns durch sie freiwillig zu versklaven! :D Von Brendel habe ich bei op. 2 Nr. 2 nur die Vox-Aufnahme - Barenboim, mal schauen! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Könnte man denn sagen, lieber Holger, dass du theoretisch das Chaoes schon überwunden hast und der Weg dahin das Ziel ist? :D Damit ich beim Hören und Dokumentieren desselben nicht im Chaos versinke, habe ich mir diesen äußeren Ordnungsrahmen geschaffen, der einmal im alphabetischen Ablauf besteht und zum anderen aus den immer gleichen Anfangsbedingungen, z. B. der immer gleichen Abhörlautstärke. Sollte sich diese mal aus Versehen ändern, käme ich ja zu ganz anderen Ergebnissen. Deswegen habe ich auch, als ich am Ende der Rezensionen der Nr. 19 und 20 angelangt war und einen anderen Kopfhörer anschließen musste, auch die Lautstärkeeinstellungen geändert (heruntergefahren), weil dieser Kopfhörer einen höheren Wirkungsgrad hat :D . So kann ich in meinem empfindlichen Beethovensonaten-Besprechungs-Gebäude den Schmetterlingseffekt vermeiden.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Vladimir Ashkenazy, Klavier
    AD: 1976
    Spielzeiten: 6:47-7:28-2:57-5:57 -- 23:09 min.;


    Vladimir Ashkenazy spielt den Kopfsatz etwas schneller als Arrau und im Hauptsatz auch dynamisch kontrastreicher, will sagen, dass er die anfänglichen Piani einhält. Auch sein Legato und Staccato sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Das Rallentando am Ende des Hauptsatzes könnte noch etwas ausgeprägter sein.
    Im Seitenthema steigert er kleinschrittig, das sich zum Ende hin verkürzende Thema, so dass in den Fortissimi Takt 76 bis 79 tatsächlich die dynamische Spitze erreicht ist. Die Überleitung zur Rückkehr der Hauptthemenerweiterung ist sehr stark gespielt, und zum Ende der Exposition lässt er das musikalische Geschehen schön in den pp-Keller sinken.
    Die Exposition wiederholt Ashkenazy, die abschließende Wiederholungsvorschrift lässt er allerdings außer Acht.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt Ashkenazy vollgriffig in der originellen humorvollen Sechzehntel-Unisono-Begleitung, auch dynamisch ausgeprägt. Den zweiten Teil, in dem die Hauptthemenerweiterung, wiederum nach Beethovens übergeordnetem "Prinzip der Verkürzung" gestaltet, durchgeführt wird, spielt er dynamisch und rhythmisch überaus präzise, im pp-Calando endend.
    Wie in der Exposition das Rallentando, könnte auch in der Reprise das etwas höher liegende Ritartando ausgeprägter sein. Das spielen Arrau und Korstick besser, erheben es quasi zu Schlüsselstellen, da sie ja auch an exponierter Stelle stehen. Das dann folgende Seitenthema spielt Ashkenazy wieder sehr gut, ebenso wie das am Schluss noch einmal wiedekehrende Motiv aus dem Hauptthema und den leisen Schluss.


    Das Largo nimmt Ashkenazy wesentlich schneller als Korstick und der frühe Arrau, aber langsamer als Schiff. Dynamisch ist das überragend gemacht, wie er das ganze Thema pp/ppp spielt und ganz am Schluss in Takt 11 und 12 um Bruchteile steigert. Er zeigt schon hier wieder ganz überzeugend, dass auch er ein Meister solcher Sätze ist.
    In der Wiederholung ab Takt 13 beginnt er dann auch etwas kräftiger (p/pp) und steigert in den Takten 16 bis 18, aber im Rahmen des etwas reduzierten dynamischen Spielraums und geht einen Ton eher ins Decrescendo, was eine frappierende Wirkung hervorruft.
    Das Seitenthema zwischen Takt 20 und 31 spielt er grandios, mit einem starken melancholischen Überzug, im Pianissimo und mit einer sehr überzeugenden Steigerung in den Takten 29 bis 31.
    Auch die zweite und dritte Themenwiederholung, letztere von Takt 44 bis 57, sind überragend gespielt, letztere auch mit der überirdischen Themenerweiterung Takt 50 bis 57- Gänsehaut pur!
    Auch in der Gestaltung des Fortissimo-Ausbruchs ab Takt 58 mit dem abermals überirdischen Übergang in der hohen Oktave hält er mühelos das überaus hohe Niveau seiner Vorgänger ein, ebenso wie in der letzten Themenwiederholung: tenuto-staccato und dem atemberaubenden Schluss! - Ein grandios gespielter Satz!


    Das Allegretto spielt Ashkenazy so schnell wie Korstick, also wesentlich schneller als Arrau. Im Gegensatz zum Kopfsatz spielt er hier in Takt 29/30, dem Mittelteil der zweiten Allegretto-Hälfte, ein glänzendes Rallentando. Ähnlich wie im Kopfsatz reizt er aber auch im Allegretto die dynamische Spannweite nach oben hin nicht voll aus, beginnt aber im Gegensatz etwa zu Arrau, diese weiter unten.
    Im Minore, das ebenfalls rasch von statten geht, legt er im zweiten Teil dynamisch mehr zu, so dass er fast das Fortissimo erreicht. Das Allegretto schließt er selbstverständlich da capo an.


    Ashkenazy nimmt das Rondo wesentlich schneller als Arrau und noch ein wenig schneller als Korstick. Gepaart mit seiner niedrigen Grundlautstärke durch alle Sätze, ergibt sich hier im Refrain I von Anfang an eine wunderbare Graziosität, die im alerten Couplet I noch einen Anstrich von Keckheit hinzugewinnt.
    Im Couplet II, dem durchführungsartigen Teil (Takt 57 bis 100), haben hier den dynamischen Höhepunkt des ganzen Stückes erreicht. hier tut Ashkenazy nach dem pp-Auslaufen des zweiten Refrains einen ungeheuren dynamischen Kontrast auf, wozu das sempre staccato hervorragend passt. Am Ende dieses äußerst bewegten Abschnittes öffnet sich der nächst große Kontrast durch den von Ashkenazy nahezu ppp gespielten Legato-Einschub (Takt 80 bis 86). Diesen ganzen Abschnitt und auch den folgenden mit dem langen pp-Achtellauf und den am Ende auftretenden "zarten" Sforzandi spielt Ashkenazy atemberaubend.
    Dieses hervorragende spielerische Niveau hält Ashkenazy im dritten Refrain mühelos aufrecht und spielt organisch fortschreitend äußerst agil das dritte Couplet, das in seinem Aufbau dem ersten entspricht und im Tempo Ashkenazys eine große Bewegungsenergie erreicht, alles in einer frappierenden Leichtigkeit.
    Auch den vierten Refrain mit nochmals geänderten musikalischen Formen spielt Ashkenazy in ungebrochenem Elan, auch das im pyramidenförmigen Aufbau des ganzen Satzes an das zweite durchführungsartige Couplet gemahnende vierte Couplet, das sich aber nur kurz aufschwingt und dann in einem berückenden Achtelabschwung (Takt 169 bis 172 in den letzten, codaähnlichen Refrain übergeht.


    Bis auf die Irritationen im ersten Satz wieder eine großartige Interpretation Ashkenazys!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Wilhelm Backhaus, Klavier
    AD: März 1968
    Spielzeiten: 4:54-4:56-2:44-6:08 -- 18:42 min.;


    Wilhelm Backhaus nimmt den Kopfsatz sehr hurtig und legt hier als 84jähriger eine pianistisch noch hochstehende Leistung vor. Die dynamischen Akzente im Hauptsatz beachtet er aufmerksam und das rhythmische Gefüge von Staccato und Legato passt auch. Das Rallentando am Ende des Hauptsatzes könnte allerdings etwas ausgeprägter sein. Die stufenförmige Steigerung im Seitensatz in Richtung auf die beiden Fortissimi in Takt 76 bis 79 ist nicht ganz so deutlich strukturiert wie bei Ashkenazy. Die Überleitung zur Themenrückkehr und das Thema selber sind sehr schön dargeboten.
    Leider wiederholt Backhaus auch hier nicht die Exposition, von der Wiederholung von Durchführung und Reprise ganz zu schweigen.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt er rhythmisch ganz überzeugend und dynamisch zutreffend. Von der Struktur der Melodie und der Begleitung ist dank der guten Aufnahmequalität viel zu vernehmen. Auch der zweite Teil mit den schön fließenden Legatostellen und den kecken Staccati gelingt sehr ausdrucksvoll. Nur in den Schlusstakten ab Takt 202 fehlt es in den Fortissimo-Piani und den anschließenden Fortissimoakkorden an Kraft. Er wird sogar in den Takten 207 bis 209 etwas leiser. Das Calando gelingt wieder prächtig.
    Die Reprise mit ihren leicht geänderten musikalischen Formen und Verkürzungen gestaltet er in etwa so wie die Exposition, wobei er leider auch das Ritartando nicht so beachtet, wie es das verdient hätte, ähnlich wie es bei Ashkenazy der Fall ist, im Gegensatz etwa zu Korstick und Arrau. Das Espressivo-Seitenthema spielt er wieder sehr gut, einschließlich der letzten Steigerung und des leisen Schlusses.


    Das Largo appassionato hat einen Generalfehler: es ist weitaus zu schnell, etwa dreieinhalb Minuten schneller als Korstick und immer noch knapp zwei Minuten schneller als die bisher schnellste Version von András Schiff. Durch dieses rasante Tempo beraubt sich der Pianist der Ausdrucksmöglichkeiten, die ihm nur das langsame Tempo bietet. Backhaus spielt m. E. eher ein Andante, das in der Temposkala das langsamste der mittleren Tempi ist, während das Largo zu den langsamsten Tempi gehört:
    Langsame Tempi: Larghissimo-Grave-Largo-Larghetto-Lento-Adagio-Adagietto;
    Das schnelle Tempo wird noch auffälliger im Moll-Seitenthema Takt 20 bis 31. Die Ausdrucksstärken, die er im temporal durchaus zutreffenden Kopfsatz offenbarte, stellen sich hier m. E. nicht ein. Wenn man das vorgeschriebene Tempo nicht wüsste, klänge das alles ganz großartig, vor allem die Passage in der dritten Themenwiederholung in der oberen Oktave, kurz vor dem ff-Ausbruch, aber man muss das Ganze im temporalen Gesamtkontext sehen.
    Selbst der ff-Ausbruch leidet unter dem hohen Tempo: dieses "Mahlerische", das Unerbittliche, das "Streng wie ein Kondukt" mag sich hier nicht einstellen.
    Schade, wo Backhaus doch schon im Kopfsatz so viel Zeit eingespart hatte, hätte er sich hier einige Minuten mehr gönnen sollen.


    Auch im Scherzo geht Backhaus hurtig zu Werke, aber hier ist er nicht allein. Auch Korstick und Ashkenazy sind hier unter drei Minuten, aber von ihnen dreien ist er wiederum der Schnellste. Auffällig ist hier auch, dass er zwischen den einzelnen Satzteilen: WH des zweiten Teils des Allegretto, dann Allegretto - Minore und Minore-Da Capo nicht die geringste Pause macht, als wenn jede Sekunde zählte. Von der Dynamik her ist aber dieser Satz durchaus in Ordnung.


    Im Finale ist Backhaus sogar langsamer als Ashkenazy und nur wenig schneller als Korstick und Arrau 1964. Dynamisch ist das alles zutreffend, und auch rhythmisch stimmt es hier. Der Klang ist klar und die Struktur erhellend, und Backhaus lässt es hier schön fließen. Auch das erste Couplet ist sehr eindrucksvoll und die geänderten rhythmischen Gegebenheiten treten schön hervor. Auch der zweite Refrain schließt sich hier nahtlos auf hohem Niveau an.
    Im ersten Teil des zweiten Couplets, dem durchführenden, fehlt es vielleicht etwas an dynamischer Spitze. Auch im zweiten Teil (Takt 67) ist ein ff nicht zu vernehmen.
    Der kurze Legato-Einschub dagegen ist in seinem plötzlichen Kontrast und der pp-Spielweise grandios. Auch die letzte Achtelreihe, die zum reprisenförmigen Refrain III hinführt, spielt er exzellent. Das Gleiche gilt für den Refrain III selbst sowie für das graziöse Couplet III und den vierten Refrain und das kurzzeitig die Szene wieder verdunkelnde letzte Couplet, dessen sich aufhellendes Ende direkt in den abschließenden codaähnlichen Refrain führt. Dieses ist ein schöner Abschluss einer Aufnahme, die über 10 Minuten kürzer ist als die Aufnahme Arraus von 1964.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Daniel Barenboim, Klavier
    AD: 1966-69
    Spielzeiten: 7:18-7:28-3:21-6:32 -- 24:39 min.;


    Daniel Barenboim spielt den Kopfsatz der A-dur-Sonate als Mittzwanziger, wie ich meine, schon mit großer Abgeklärtheit, einem exzellenten Rhythmus-empfinden und arbeitet die bei ihm sehr großen dynamischen Kontraste hervorragend heraus.
    Das Seitenthema steigert er in der hohen Oktave und im weiteren Verlauf in den Verkürzungen großartig, um gleich darauf den dynamischen Kontrast wieder umzudrehen. Auch die Überleitung zur Motivrückkehr ab Takt 84 spielt er sehr kontrastreich mit einer enormen Spannweite von ppp bis ff und beendet die Exposition in wunderbar tiefen Pianissimo-Gefilden. Barenboim wiederholt die Exposition, und ich hätte mir bei diesem überzeugenden Vortrag auch die Wiederholung von Durchführung und Reprise gewünscht.
    Den ersten Teil der Durchführung mit den tiefen Unisono-Sechzehnteln in der Begleitung gestaltet Barenboim mit grandioser Kraftentfaltung und rhythmischer Delikatesse.
    In der zweiten Hälfte, die legato beginnt und dann in einen, wie ich es in einer früheren Rezension nannte, "koboldesken Mendelssohnschen" Rhythmus wechselt, und von dem Kaiser sagte: "Innerhalb der Durchführung findet sich eine Stelle, die meist scheußlich, selten akzeptabel, noch seltener pointiert brillant - und eigentlich nie schön klingt", (gemeint sind die Takte 180 bis 197), zeigt Barenboim seine ganze pianistische Meisterschaft, indem er diese Passage grandios spielt. Sie schließt ff und mündet in einen ebenfalls atemberaubend gespielten pp-Übergang zur Reprise.
    Diese spielt er, wie auch schon Exposition und Durchführung mit großer dynamischer Akribie und rhythmischem Gefühl bis hin zum leise versiegenden Ende.


    Das Largo spielt Barenboim grandios, das Tempo stimmt, das rhythmisch vorbildliche tenuto sempre-staccato sempre ist mitreißend, dynamisch entwickelt er das Thema aus den pp-Anfängen dann in der Steigerung ab Takt 16 bis zum ff, um wieder ins pp zurückzufallen.
    Das Moll-Seitenthema spielt er atemberaubend mit einem veritablen melancholischen Überzug und steigert es in den Takten 29 bis 31 bis zum dunklen ff-Kulminationspunkt. Auch die mit kleinen Änderungen aufwartenden nächsten beiden Themenwiederholungen spielt er mit der gleichen in ihrer intimen Tongebung großen Intensität, die letztere mit einer abermaligen grandiosen Steigerung und der herrlichen anschließenden hohen/tiefen Oktave sicherlich trotz des noch folgenden ff-Ausbruchs als Höhepunkt des Largo zu bezeichnen. Bei Barenboim klingt der Ausbruch in der Tat wieder "Streng wie ein Kondukt" und ist der anschließende Kontrast in der hohen Oktave überirdisch.
    Das Gleiche kann man von der letzten Themenwiederholung sagen, die ich kaum bisher so ergreifend gehört habe.


    Das Scherzo Allegretto ist wieder diesseitiger, aber klingt unter den Händen von Barenboim äußerst entzückend. Ich glaube, das kann man nur so spielen, wenn man jede einzelne Note, jeden Takt ernst nimmt. Barenboim bringt zudem noch eine etwas andere Note in den Ablauf , indem er in der zweiten Hälfte des Scherzo (Takt 19 bis 24 und im Minore die Achtel mehr pointiert als Andere. Und seien wir einmal ehrlich: etwas weniger Tempo tut dem Allegretto unendlich gut.


    Auch im Rondo Grazioso liegt Barenboim temporal wie im Scherzo auf einer Linie mit Arrau, dessen Aufnahme einige Jahre eher entstand. Sein Vortrag ist sehr graziös im Refrain I, ebenfalls im ersten Couplet mit seinen mehrmaligen rhythmischen Wechseln. Der zweite Refrain schließt sich im Ausdruck an den ersten an.
    Im zweiten Couplet langt Barenboim beherzt zu. Das ist äußerst kontrastreich in Dynamik und Stimmung, einschließlich des "Kontrastes im Kontrast", dem Legato-Einschub. Herrlich auch in der Themenwiederholung in Takt 87 die geschärften Sforzandi. und der Übergang zum dritten Refrain.
    Der nochmals rhythmisch geänderte Refrain erfährt durch Barenboim nochmals eine zusätzliche Pointierung in Takt 102 und 103 und fließt einschließlich des dritten Couplets in herrlichem lyrischen Ausdruck dahin, wiederum ansatzlos in den vierten Refrain übergehend. Herrlich hier auch die rhythmisierten Sechzehntel-Sextolen in Takt 148 bis 156,. Noch einmal sorgt unter Barenboims Händen die durchführende Mollverdunklung für kurze Stimmungsänderung, bevor es im letzten Refrain dem beseligenden Coda-Schluss zugeht.


    Eine herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    AD: August 1969
    Spielzeiten: 7:05-6:43-3:07-6:30 -- 23:25 min.;


    Paul Badura-Skoda nimmt den Kopfsatz etwas langsamer als Ashkenazy, aber etwas schneller als Barenboim. Allerdings könnte das Rallentando am Ende des Hauptsatzes etwas deutlicher sein. Dynamisch ist bei ihm im Hauptsatz alles im Lot.
    Das Espressivo-Seitenthema nimmt er sehr konzentriert und bringt eine schöne Steigerung zuwege, mit großen dynamischen Kontrasten in den ff-Takten 76 und 77. Auch die Überleitung und die Wiederholung des Motivs aus dem Hauptthema spielt er sehr kontrastreich und rhythmisch sehr pointiert. Badura-Skoda wiederholt auch die Exposition, nicht aber Durchführung und Reprise. In der Wiederholung der Exposition tritt das Rallentando in Takt 48 bis 53 etwas deutlicher hervor.
    Auch die rhythmische Abfolge von Staccato und Legato geschieht bei Badura-Skoda ganz organisch.
    Die erste Hälfte der Durchführung spielt er mit gehörigem dramatischem Impetus, wobei er dynamisch beherzt zugreift.
    Die heikle Stelle in der zweiten Hälfte der Durchführung mit den oktavierten Sechzehntel Triolen in der rechten wie in der linken Hand meistert er m. E. souverän und steigert am Ende der Durchführung zu einem veritablen Fortissimo, bevor es p und im Calando pp zur Reprise geht.
    Diese spielt er im Grunde dynamisch und temporal wie die Exposition und vor allem dynamisch wieder sehr kontrastreich, vor allem im Espressivo-Seitenthema und beendet nach der neuerlichen Überleitung in einem tiefen pp den Satz.


    Badura-Skoda spielt das Largo etwa eine 40 Sekunden schneller als die zeitgleichen Ashkenazy und Barenboim, ist aber immer noch in der Zeit und erreicht durch sein ruhiges, ernsthaftes Spiel ebenfalls eine große Ausdruckstiefe. In der ersten Wiederholung spielt er in Takt 16 bis 18 eine ergreifende Steigerung.
    Das Moll-Seitenthema spielt er mit großem Ernst und verleiht ihm einen starken melancholischen Anstrich. Es endet in einem starken ff-Kulminationspunkt von ganz dunkler Färbung. Die beiden folgenden Themenwiederholungen spielt Badura-Skoda mit der gleichen Ruhe, man möchte fas sagen: Andacht und fügt hier nach einer neuerlichen veritablen Steigerung die wunderbare ergreifende Themenerweiterung an, die im Staccato ausläuft.
    Grandios spielt er auch den ff-Ausbruch mit der überirdischen Überleitung zum letzten Themenaufruf, noch mal im kunstvollen Tenuto-Staccato mit dem leisen Schluss.


    Mit seiner Tempowahl im Allegretto steht Badura-Skoda ungefähr in der Mitte zwischen dem langsameren Barenboim und dem schnelleren Ashkenazy.
    Den ersten Abschnitt spielt er sehr zart. den zweiten Abschnitt des Allegretto spielt er naturgemäß dynamisch sehr hochstehend, wie er es in den beiden voraufgegangenen Sätzen auch gemacht hat. Wenn da ff steht, spielt er es auch, hier in der anfänglichen und in der Schlusssteigerung. Desgleichen verfährt er in dem sehr akzentuierten Minore, in dem er die Sforzandi deutlich hervorhebt, nicht darüber hinweg spielt. Er schließt dann da capo das Allegretto noch einmal an.


    Im Rondo ist er etwas langsamer als Barenboim und erheblich langsamer als Ashkenazy, aber keinesfalls weniger graziös. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal gesagt, dass sein Spiel einen natürlichen klaren Klang hat, in dem auch die Begleitung deutlich hervortritt, wie ich hier im ersten Refrain wieder einmal bemerken konnte.
    Auch das erste Couplet ist mit Hingabe gespielt. Er lässt es hier in den Sechzehnteln der Begleitung wunderbar fließen, während sich in der oberen Oktave die Rhythmen schrittweise ändern.
    Den zweiten, an eine Expositionswiederholung erinnernden Refrain spielt er mit der gleichen Graziosität wie den ersten.
    Das zweite, durchführungsartige Couplet spielt er dagegen in einem gewaltigen Kontrast durchaus mit dramatischem Furor. Im Mittelabschnitt lässt er die Staccato-Achtel unerbittlich durch die Oktaven laufen, kurz verhalten vom Legato-Einschub, und erst am Ende sich im letzten Achtellauf wieder zum Lichten wandelnd.
    Den dann aus der Tiefe auftauchenden dritten Refrain spielt Badura-Skoda dann wieder berückend im hellen Licht. Dieses wird im anschließenden dritten Couplet sozusagen verlängert. Auch den vierten Refrain mit den interessanten Sechzehntel-Sextolen-Rhythmen spielt er sehr ausdrucksvoll, auch die kurze Rückschau auf das dramatische zweite Couplet, wo er noch einmal die Dynamik erhöht und schließlich durch Beethovens Kunstgriff, den er am Ende des zweiten Couplets schon einmal angewendet hatte, die absteigende Achtelkette ganz elegant in die Tiefe und aus ihr heraus wieder in den lichten, abschließenden codähnlichen letzten Refrain überleitet, der ja höchst originell endet.


    Eine große Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: Dezember 1962
    Spielzeiten: 7:03-6:28-3:36-6:36 -- 23:43 min.;


    Alfred Brendel wählt in seiner frühen Aufnahme ein normales Tempo, genau wie Badura-Skoda, d. h. auch schneller als Barenboim und langsamer als Ashkenazy. Die dynamischen Akzente beachtet er ebenso wie die rhythmischen Eigenheiten dieser Sonate. Im Rallentando wird er etwas langsamer.
    Das Espressivo-Seitenthema steigert er sehr energisch und geht nach dem zweiten Fortissimo Takt 78 subito pianissimo zurück.
    Auch die Überleitung und die Rückkehr des Themas spielt er kraftvoll und dynamisch kontrastreich und geht am Ende der Exposition ins tiefe Pianissimo zurück. Brendel wiederholt die Exposition nicht jedoch Durchführung und Reprise.
    Den ersten, originellen Staccato-dominierten Teil der Durchführung spielt Brendel sehr kraftvoll unter voller Ausnutzung des dynamischen Spielraums nach oben wie unten.
    Auch den heiklen zweiten Teil spielt Brendel souverän, sehr kontrastreich und rhythmisch geschärft mit herrlichen ffp-Akkorden am Schluss im Übergang zur Reprise, den er mit einem schönen Calando beendet.
    Die leicht veränderte Reprise spielt er genauso kontrastreich und rhythmisch ausgeprägt wie die Exposition. Das Ritartando am Schluss des Themas ist schön ausgeprägt. Er lässt ein dynamisch hoch stehendes Seitenthema folgen, das nach dem letzten Fortissimo organisch in den pp-Schluss übergeht.


    Das Largo spielt Brendel schneller als Barenboim und Ashkenazy. Er ist temporal bei Badura-Skoda und Schiff. Er beginnt etwas lauter, decrescendiert dann aber und steigert erst beim Sforzando -Takt 6 und Takt 15 wieder sowie ab Takt 16, da aber dann kräftig.
    Das Moll-Seitenthema spielt er in einer verhaltenen, intimen Tongebung und steigert erst ab Takt 28 und dann zu einem veritablen Fortissimo im Kulminationspunkt in Takt 31. Die zweiten Themenwiederholung behält er i verhaltenen Dynamikspektrum des Seitenthemas, und die dritte Themenwiederholung mit der überirdischen Themenfortsetzung spielt er schlichtweg grandios, ebenso wie den höchst kontrastreichen Fortissimo-Ausbruch ab Takt 58 sowie die überirdische hohe Oktave ab Takt 64- das ist ganz große Klavierkunst!!
    Die letzte Themenwiederholung hält dieses Höchstniveau mühelos.


    Im Scherzo Allegretto ist er temporal bei Schiff, etwas langsamer als Barenboim und wesentlich langsamer als Barenboim und wesentlich langsamer als Ashkenazy und Badura-Skoda. Da hat dann die Musik in der Tat noch etwas mehr Zeit, sich zu entfalten. So klingt das Ganze noch etwas entspannter und dynamisch wie in der ganzen bisherigen Sonate maximal ausgeschöpft.
    Das Minore in seiner Melancholie im ersten Teil lässt er wunderbar fließen, und im zweiten helleren Teil steigert er wieder bis zum satten Fortissimo. Dann wiederholt er das Allegretto da capo.


    Im Rondo ist Brendel temporal wiederum in Übereinstimmung mit Schiff und langsamer als die anderen drei, vor allem als Ashkenazy. Das schadet der Graziosität auf keinen Fall und kommt dem Ausdruck sehr zu gute. hinzu kommt der klare helle Ton, den Brendel anschlägt und sein leichter Anschlag. Auch im ersten Couplet behält sein Vortrag diesen zarten, leichten, beinahe mozartinischen Klangrahmen- wunderbar! Im weiteren Verlauf wird das Couplet zwar intensiver und dynamisch kontrastreicher, aber kehrt bald im zweiten Refrain zur Leichtigkeit zurück. Dadurch wird der dynamische uns stimmungsmäßige Kontrast zum zweiten, ruppigen, durchführungsartigen Couplet um so größer, zumal Brendel da auch voll hinlangt. Erst im kurzen Legatoeinschub ist eine kurze Atempause gegeben, von Brendel auch höchst kontrastreich gespielt, und schon geht es weiter, "mit der gleichen Wucht wie früher", bis zu dem langen Achtelabwärtsgang, "der Sonne zu", sprich dem wohlklingenden dritten Refrain, dem reprisenartigen, der ja quasi vom dritten, dem ersten ähnlichen Couplet verlängert wird. Im vierten Refrain hält Brendel natürlich auch diesen heiteren, graziösen Fortgang der Musik aufrecht, selbst die schwungvollen Sechzehntel-Sextolen ab Takt 148 wirken noch graziös, sich auch vom letzten Rückblick auf die dramatischen Klänge des zweiten Couplets nicht aus der Ruhe bringen lassend, wie der atemberaubende letzte Staccato-Achtel-Abwärtsgang unter Beweis stellt.
    Auch den letzten codaartigen Refrain spielt Brendel in zauberhafter Anmut.


    Eine grandiose Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2
    Alfred Brendel, Klavier
    A: Juni 1977
    Spielzeiten: 7:08-6:27-3:29-6:53 -- 23:57 min.;


    Alfred Brendel ist in seiner zweiten Aufnahme 15 Jahre später im Kopfsatz nur unwesentlich langsamer als er selbst und Badura-Skoda. Auch dynamisch arbeitet er weiter sehr aufmerksam. Rhythmisch ist das nach wie vor sehr eindrucksvoll. Am Ende des Hauptsatzes spielt er ein beeindruckendes Rallentando.
    Das Espressivo-Seitenthema gestaltet er der Bezeichnung entsprechend, mit einer genauso intensiven Steigerung und großen Kontrasten wie 1962. Auch die Überleitung und die nachfolgende Motivrückkehr aus dem Hauptthema können überzeugen. Mit den Wiederholungen verfährt Brendel wie in seiner ersten Aufnahme.
    In dieser Aufnahme produziert Brendel wiederum einen klaren, natürlichen Klang.
    Der erste Teil der Durchführung ist wie auch schon in seiner ersten Aufnahme mit einer sehr überzeugenden Begleitung ausgestattet. Den zweiten Teil mit den heiklen oktavierten Sechzehntel-Triolen besteht er m. E. auch diesmal mühelos, weshalb ich Joachim Kaiser nicht so ganz verstehen kann. Aber vielleicht bin ich nur nicht kritisch genug.
    Auch die Reprise gestaltet er dynamisch und rhythmisch sehr überzeugend einschließlich des Ritartandos ab Takt 267. Auch der leise Schluss ist sehr bemerkenswert.


    Das Largo ist exakt so lang wie das von 1962, dennoch entsteht in mir so ein leiser Eindruck, dass es doch ganz schön rasch ist, nur wenig schneller als das Badura-Skodas, aber immerhin zwei Minuten schneller als das Korsticks. Die Steigerungen am Ende des Themas und im Moll-Seitenthema scheinen mir nicht ganz so ausgeprägt zu sein wie in seiner ersten Aufnahme, auch die Steigerung in der dritten Themenwiederholung erreicht den Kulminationspunkt nicht auf dem ff in Takt 49 auf der Eins, sondern schon vorher und erreicht auch nicht das fortissimo. Die themenerweiternden Legatobögen ab Takt 50 sind allerdings wieder sehr ergreifend gespielt, desgleichen auch der ff-Ausbruch und die himmlische hohe Oktave, die er allerdings spürbar verlangsamt, denn sie ist ja in der Tat ein veritabler Höhepunkt dieses Satzes, ja der ganzen Sonate. Die letzte Themenwiederholung tenuto-staccato mit den der oberen Oktave hinzugefügten Sechzehntel-Begleitungen ist wieder sehr ausdrucksvoll gespielt. Insgesamt hat mir dieser Satz in seiner ersten Aufnahme jedoch besser gefallen. Überhaupt bin ich da anderer Meinung als der Meister selbst, dem im Nachhinein seine ersten Aufnahmen nicht so gut gefallen haben wie mir.


    Das Scherzo, in dem er temporal in etwa mit seiner früheren Aufnahme übereinstimmt, finde ich dagegen grandios, das Rallentando in Takt 29 und 30 traumhaft. Der Dreierrhythmus ist sehr ausgeprägt. Auch die Wiederkehr des Hauptthemas, alles stimmt. Auch im Minore erreicht er eine große Ausdruckstiefe, im zweiten Teil in der Steigerung einen dramatischen Impetus. Das entzückende Allegretto wird dann noch mal da capo gespielt.


    Während er im Finale in seiner ersten Aufnahme auf einer Höhe mit Korstick und Badura-Skoda lag, lässt er sich hier etwas mehr Zeit. Das tut dem Grazioso keinen Abbruch, im Gegenteil, denn hier kann er noch etwas mehr am Ausdruck arbeiten und tut dies auch. Das wunderbar fließende erste Couplet folgt einem ebensolchen ersten Refrain. In dieser Spielweise erblühen die rhythmischen Feinheiten und Änderungen noch etwas besser und tritt die zwischen Unisono und Intervalländerung changierende Begleitung noch deutlicher hervor als in dem höheren Tempo. Die harmonisch fließende und atmende Musik setzt sich auch im zweiten Refrain fort, was an der Nahtstelle zum zweiten Couplet in Takt 57 einen gehörigen dynamischen und rhythmischen Kontrast zur Folge hat.
    Dieses dramatische, durchführungsartige Couplet hat es in sich, einschließlich des eingebetteten Legato-Kontrastes Takt 80 bis 86, den Brendel ebenfalls ganz berückend spielt, ebenso wie den schier endlosen Achtelabstieg zwischen Takt 95 und 99 und den gleitenden Zweiunddreißigstel-Aufstieg im reprisenförmigen dritten Refrain (wie ein Sonnenaufgang). Das mit dem dritten Refrain verklammerte dritte Couplet setzt das fließende, pulsierende Strahlen und Glitzern fort und geht nach einem rhythmisierten Übergang in den vierten Refrain, dessen schwungvolle Sechzehntel-Sextolen Brendel ebenfalls glänzend spielt, auch die kurze Rückkehr in das dramatische zweite Couplet, dass sich aber durch Beethovens geniale Achtel-Verbindung von selbst auflöst und in den codaähnlich letzten Refrain übergeht, von Brendel noch ein wenig abgesetzt durch ein zusätzliches Ritartando- ein glänzender Einfall, dem er einen letzten Glanzpunkt im bedächtigen Tempo mit tiefem Ausdruck folgen lässt.


    Ebenfalls eine großartige Aufnahme, in der aber das, wie ich finde, doch eher zentrale Largo den Unterschied macht.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: April 1994
    Spielzeiten: 7:42-6:31-3:33-7:21 -- 25:07 min.;


    Alfred Brendels Vortrag ist im Laufe der Zeit, 17 Jahre nach der zweiten Aufnahme, noch gelassener geworden, dynamisch nach wie vor sehr sorgfältig und im Kopfsatz auch etwas langsamer. Sein Rallentando Takt 48 bis 53 ist nun geradezu grandios. Jetzt ist es eine wahre Schlüsselstelle.
    Das Espressivo-Seitenthema spielt er nach wie vor sehr ausdrucksvoll und dynamisch hoch stehend, ebenso wie die Überleitung und die Rückkehr eines Teils des Hauptthemas und den leisen Auslauf der Exposition, die Brendel natürlich auch wiederholt.
    Die Durchführung spielt Brendel im ersten Teil nach wie vor kraftvoll mit den prägnanten Staccati über der originellen Unisono-Begleitung der Sechzehntel. In der zweiten Hälfte beherrscht er nach wie vor die oktavierten Sechzehntel-Triolen und das Wechselspielt des Staccato und Nonstaccato., endet sie mit einem schönen Calando.
    Die Reprise gestaltet er ebenso dynamisch kontrastreich und in entspanntem Tempo wie die Exposition, ebenfalls mit einem sehr schönen Ritartando (Takt 267 bis 272) und nach der letzten Steigerung mit einem sehr entspannten leisen Schluss.


    Das Largo beginnt Brendel im pp und spielt in der ersten Themenwiederholung wieder eine schöne Steigerung. Den Moll-Seitensatz spielt er bedachtsam mit einem spürbaren Melancholie-Überzug und einer kräftigen Steigerung am Schluss. Die nächsten beiden Themenwiederholungen bleiben auf dem hohen pianistischen Niveau. Grandios auch die thematische Verlängerung in den wechselnden Oktaven (Takt 50 bis 57) und sein kraftvollen ff-Ausbruch mit dem elysischen Übergang in der hohen Oktave, die in die letzte Themenwiederholung mit dem codaähnlichen Charakter übergeht, in dem das Geschehen langsam im pp-Keller versinkt- grandios!


    Das Scherzo Allegretto spielt Brendel auf dem gleichen Höchstniveau wie schon in der zweiten Aufnahme, dynamisch wie rhythmisch mit einem abermals kleinen, aber höchst feinen Rallentando und einer schönen Steigerung am Ende. Das Minore spielt er auch sehr ausdrucksvoll und betont trotz des Legatos den Dreierrhythmus, der dem Satzteil einen besonderen Schwung verleiht. Das Scherzo Allegretto spielt er dann nochmal da capo.


    Auch im Rondo Grazioso lässt sich Brendel wie im Scherzo ausreichend Zeit, um diesen herrlichen ersten Rondosatz Beethovens in einer Reihe noch folgender solcher Sätze adäquat zu entfalten. Dieses Tempo scheint mir das Richtige, die Musik konstant fließen zu lassen und die Graziosität der Musik zu unterstreichen. Hier gehen der erste Refrain und das "dolce" überschriebene erste Couplet nahtlos ineinander über, wobei die Sechzehntel konstant durchlaufen, in beiden Oktaven, in der oberen und dann in der unteren und die jeweiligen rhythmischen Veränderungen in den Vierteln untermalen.
    Brendel lässt dann das Couplet langsam auslaufen, um dem zweiten Refrain mehr Aufmerksamkeit zu verleihen, der dann seinerseits subito in den ff-Beginn des durchführenden zweiten Couplets mündet. Zwar verwendet Brendel nicht mehr gar so viel Spitzendynamik wie schon mal, aber der Kontrast ist noch groß genug, auch zum pp-Legato-Einschub hin. Nach dem abermals grandios gespielten Achtel-Abstieg geht es in den dritten, reprisenförmigen Refrain, der ebenso nahtlos in das dritte, stimmungsmäßig gleich gestimmte Couplet übergeht, wie das auch schon zu Beginn mit dem ersten Refrain und dem ersten Couplet der Fall war. Der vierte Refrain, wiederum mit kleinen Änderungen wie diesen äußerst humorvollen Sechzehntel-Sextolen Takt 148 bis 156 schließt sich an, dessen Ausstrahlung auch die kurze dunkle Reminiszenz des vierten Couplets nicht zudecken kann, weshalb nach dem letzten Achtelabstieg das Licht zurückkehrt und in Gestalt des letzten, codaförmigen Refrains das Geschehen zu einem friedvollen leisen Ende bringt.


    Ich meine, dass Brendel in seiner Einsicht, mehr Zeit auf diese großartige Sonate zu verwenden, im Ausdruck noch einen Schritt weiter gekommen ist als in der ersten Aufnahme 32 Jahre vorher.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 20. 02. 2011
    Spielzeiten: 6:40-5:32-3:13-6:22 -- 21:47 min.;


    Rudolf Buchbinder beginnt den Kopfsatz in normalem Tempo, jedoch erheblich schneller als Brendel in seiner dritten Aufnahme 1994, ist dynamisch durchaus im Rahmen, stockt aber hier und da kaum merklich. Sein Rallentando ab Takt 48 ist kaum merkbar. Die Steigerung im Espressivo-Seitenthema ist nicht so umfangreich wie bei Brendel, nicht, weil sie nicht weit genug ins forte hinaufreichen würde, sondern weil sie schon weiter oben ansetzt.
    Die Überleitung und die Rückkehr zum Thema spielt er dynamisch wehr kontrastreich und geht am Ende der Exposition auch schön ins pp zurück.. Er wiederholt auch nur die Exposition.
    Den ersten Teil der Durchführung spielt er kraftvoll mit hörbarem Vergnügen und präsenten Bässen.
    Im zweiten Teil klingen in der Mitte die jeweils mittleren Sechzehnteltriolen nicht so klar wie bei Brendel, eher etwas verschluckt. Das Ende der Durchführung lässt er in einem schönen Calando auslaufen.
    Die in den musikalischen Figuren leicht veränderte Reprise spielt er dynamisch wie die Exposition. Allerdings ist hier auch das Ritartando (Takt 267 bis 272) genauso wenig ausgeprägt wie das entsprechende Rallentando in der Exposition (Takt 48 bis 53). Das Espressivo spielt er wieder sehr expressiv, aber wie gesagt in einem nach oben verschobenen dynamischen Spielraum und lässt es in den letzten Takten sanft in den pp-Abgründen versickern.


    Das Largo spielt Buchbinder mit fünfeinhalb Minuten m. E. auch zu schnell, er ist da nur gut eine halbe Minute langsamer als Backhaus und fast drei Minuten schneller als Korstick. Aber erspielt es mit mehr Ausdruck als Backhaus. Im Moll-Seitenthema, das er allerdings schön melancholisch spielt, wird das höhere Tempo besonders deutlich in den Sechzehnteln. Er beschließt das Seitenthema allerdings mit einem kraftvollen Crescendo. In den nächsten beiden Themenwiederholungen fließt das musikalische Geschehen weiter zügig voran, obzwar ausdrucksvoll. Nach einer weiteren kräftigen Steigerung endet aber seine dritte Themenwiederholung nicht im Piano, sondern er spielt die letzten, staccato gespielten Sechzehntel in der Begleitung ab Takt 56 und in Takt 57 ohne erkennbaren Grund im Mezzoforte. Das schälert ohne Not den dynamischen Kontrast, der normalerweise zwischen p und ff stattfände. Als wenn er sich seines hohen Tempos plötzlich bewusst würde, drosselt er es in der hohen Oktave ab Takt 65, aber nur ganz kurz. Die letzte codaähnliche Themenwiederholung läuft wieder mit dem gleichen hohen Tempo wie der größte Teil des Satzes, und hier klingt das auch durch die Sechzehntel zu schnell. Das ist m. E. hier auch ein beträchtlicher Verlust an Ausdruck.


    Das Scherzo spielt er vergleichsweise wieder langsamer, auf jeden Fall langsamer als Backhaus, Ashkenazy oder Korstick, aber schneller als Brendel. Leider spielt er auch hier über das Rallentando in Takt 29/30 hinweg. Erst in der Wiederholung berücksichtigt er es, aber auch nur im letzten Ton in Takt 30 auf der Vier.
    Im Minore spielt er in der Wiederholung des ersten Teils (Takt 45 bis 52) die Begleitachtel im Staccato, ebenso im ersten Durchgang des zweiten Teils. Grund? Im da capo spielt er den gis-moll-Mittelteil ab Takt 19 bewusst langsamer und beachtet auch das rallentando jetzt mehr.


    Das Rondo Grazioso spielt er temporal übereinstimmend mit Korstick, langsamer als Backhaus aber schneller als Brendel 1994. Dynamisch und rhythmisch spielt er das sehr schön. Fließend geht es in das erste Couplet über. Hier arbeitet er auch die rhythmischen Änderungen sehr sorgfältig heraus. Nach dem stimmungsmäßig gleichen zweiten Refrain stellt auch Buchbinder das zweite Couplet als kontrastreiches dramatisches Gegengewicht durchführender Art dar, das erst im Legato-Einschub eine kurze Ruhepause erfährt. die rhythmisch zuspitzenden Sforzandi arbeitet Buchbinder auch sehr klar heraus. Im dritten reprisenförmigen Refrain lässt Buchbinder es wieder ähnlich entspannt fließen wie im ersten., was sich im dritten Couplet und im vierten Refrain nahtlos fortsetzt, der in den Sechzehntelsextolen noch eiine zusätzlich typisch Beethovensche humorvolle Note hineinbringt.
    Nach dem kurzen letzten dramatischen Einwurf im vierten Couplet schließt sich mit Ende des letzten Achtelabstiegs der Kreis auch über den Satz hinaus zum ähnlichen Thema des Scherzos und klingt in einem codaähnlichen letzten Refrain am Ende leise aus.


    Eine Aufnahme mit schönen lyrischen Momenten, die aber auch Fragen aufwirft, vor allem temporaler Natur.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Robert Casadesus, Klavier
    AD: 1953
    Spielzeiten: 4:50-5:46-2:50-5:51 -- 19:17 min.;


    Robert Casadesus, der nur wenige Beethoven-Sonaten eingespielt hat, beginnt diese Sonate in normalem Tempo, etwas schneller als Backhaus, den ich hier als Vergleich heranziehe, weil auch Casadesus die Wiederholungsvorschriften in diesem Satz nicht beachtet. Die dynamischen Akzente sind in Ordnung, das Rallentando am Ende des Hauptsatzes beachtet er leider auch nicht.
    Im Seitenthema, das er in der Tat sehr ausdrucksvoll spielt, scheint er noch einmal an Tempo zuzulegen. Überleitung und Themenrückkehr sind sehr schwungvoll und dynamisch sehr kontrastreich. Das Ende der Exposition führt er sehr schön in das pp zurück.
    Im ersten Teil der Durchführung betont er sehr schön die Unisono-Sechzehntel der Begleitung und ist auch im oberen Bereich der Dynamik dabei. Im zweiten Teil meine ich die Sechzehntel-Oktav-Triolen schon souveräner gehört zu haben (siehe voraufgehende Rezensionen), während er das Calando am Ende der Durchführung korrekt spielt.
    In der Reprise geht es schwungvoll weiter, dynamisch wie gehabt kontrastreich und im rhythmischen Miteinander von staccato und Legato ohne Fehl und Tadel. Allerdings verpasst er auf dem temporalen Sektor auch das Ritartando Takt 267 bis 272, wie schon vorher in der Exposition das Rallentando (Takt 48 bis 53). Das Espressivo-Seitenthema spielt er wieder in hohem Tempo und trotzdem akzentuiert. Nach der erneut dynamisch hochstehend gespielten Überleitung spielt er den Satz leise zu Ende.


    Das Largo spielt Casadesus auch ziemlich schnell, allerdings nicht ganz so schnell wie Buchbinder und immer noch eine Minute langsamer als Backhaus, aber auch zweieinhalb Minuten schneller als Korstick und Arrau 1964. Er bemüht sich zwar auch sehr um Ausdruck, aber wie ich finde, gehört zu einem Largo appassionato auch das entsprechende Tempo, um die entsprechenden Tiefen im Ausdruck zu erzielen. Die Steigerung in der ersten Themenwiederholung spielt er zwar sehr schön, aber ohne die letzte Dynamik und das langsame Emporschreiten im Crescendo, wie es nur im langsamen Largo-Tempo die entsprechenden Ausdruckstiefen erreicht.
    Das Mollseitenthema spielt er sehr schön lyrisch und endet es mit einer schönen Steigerung. Die Steigerung in der dritten Themenwiederholung gelingt ihm besser als in der ersten. Auch die lyrische Themenerweiterung ab Takt 50 bis 57 kann als sehr gelungen bezeichnet werden, ebenso wie der kraftvolle ff-Ausbruch und dessen lyrischer Abgesang in der hohen Oktave, desgleichen die letzten codaartige Themenwiederholung, wenn das nur alles doch etwas langsamer wäre. Dann wäre es großartig.


    Das Scherzo Allegretto gehört auch zu den ganz schnellen, die ich bisher gehört habe. Dynamisch ist es jedoch in Ordnung und auch das Rallentando (Takt 29/30) beachtet er diesmal. Das Minore hat schon einen leicht dramatischen Impetus, vor allem im zweiten, dynamisch hochstehenden Teil, an der er das Scherzo nochmal da capo anhängt.


    In der Tat ist das Finale hier der am längsten dauernde Satz, wenngleich er in der Tat bei Backhaus, bei dem es sich ebenso verhält, noch ein wenig länger dauert. Casadesus hält sich hier auch vor allem an die Satzbezeichnung "Grazioso", denn das ist es in der Tat, und die ersten beiden Teile des Satzes schnurren leichtfüßig an uns vorbei, einschließlich des zweiten, quasi wiederholenden Refrains (wie eine kurze Expositionswiederholung).
    Auch das zweite, durchführende Couplet hat in diesem Tempo nicht die Erdenschwere, die ich in anderen Interpretationen schon mal gehört habe. Auch hier schnurren die Achtel-Triolen zwar in Moll, aber dennoch munter dahin. Unweigerlich lässt man hier beim Hören den Kopf mitschwingen.
    Deswegen ist andererseits auch der Kontrast zu dem kurzen Legato-Einschub, zumindest stimmungsmäßiger Art, nicht so groß.
    Mit einem sehr ausdrucksvoll gespielten Achtelabstieg geht es dann auch hurtig in den dritten, reprisenförmigen Refrain und übergangslos in das gleichgeartete dritte Couplet, das seinerseits wieder in den etwas ruhigeren vierten Refrain übergeht. Diesen Unterschied kann man bei Casadesus auch deutlich vernehmen. Sehr schön spielt er auch die Sechzehntel-Sextolen ab Takt 148, die dann über Duodezim-Intervalle in die Durchführungsreminiszenz des zweiten Couplets führen, bevor auch hier über den letzten Achtelabstieg das Licht wieder aufgeht zum letzten, codaähnlichen Refrain, den Casadesus nochmals mit großer Graziosität spielt.


    Eine leider nicht so lange Interpretation mit einigen temporalen Fragezeichen im Kopfsatz und einem nicht unumstrittenen langsamen Satz, aber einem ausgezeichneten Schlusssatz!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Claude Frank, Klavier
    AD: 1971
    Spielzeiten: 6:46-7:38-3:28-6:23 – 24:17 min.;


    Claude Frank beginnt temporal im klassischen Mittelmaß, dynamisch durchaus die Vorgaben der Partitur ausnutzend und rhythmisch das Wechselspiel zwischen Legato und Staccato ganz natürlich in seinen Vortrag einfließen lassend. Da er die Partitur immer sehr sorgsam beachtet, spielt er auch das Rallentando am Ende des Hauptsatzes sehr deutlich und misst ihm die ihm zustehende Bedeutung bei.
    Das Seitenthema spielt er sehr ausdrucksvoll und legt in die Sforzandokette eine kleinschrittige Steigerung hinein. Auch die Kontraste in den Takten 76 bis 83 sind bedeutend, die Pianissimi in den Takten 79 bis 82 berückend.
    Auch die Überleitung und die Motivrückkehr aus dem Hauptthema sind sehr beeindruckend, aber auch in aller Gelassenheit musiziert, die Frank so auszeichnet.
    Frank wiederholt auch die Exposition, lässt aber die zweite Wiederholung aus. Im ersten Teil der Durchführung mit den originellen Unisosno-Intervallen in der Begleitung lässt er mit hörbarem Vergnügen vorbei schnurren.
    Im zweiten Teil führt er die Themenerweiterung in diesem mendelssohnschen Klanggewand und den raschen Rhythmuswechseln sehr überzeugend durch, bis hin zum abschließenden Calando.
    Die Reprise versieht er mit der gleichen Sorgfalt wie die Exposition.


    Im Largo appassionato lässt sich Frank genügend Zeit, um die musikalischen Tiefen der Partitur gewissenhaft auszuleuchten und die rhythmischen Feinheiten des tenuto sempre und staccato sempre herauszuholen. In der ersten Themenwiederholung spielt er ein Crescendo, das von einem höheren Dynamikwert seinen Ausgang nimmt, dennoch aber bis zum ff in Takt 18 hinlangt.
    Das Moll-Seitenthema stattet auch er mit einem gehörigen Melancholie-Überzug aus, das auch hier in einem Fortissimo-Piano endet.
    Die zweiten Themenwiederholung zeigt wiederum, wie spannungsvoll-entspannend das klingt, wenn man es so spielt wie Claude Frank. Auf dem gleichen Höchstniveau folgt die dritte Themenwiederholung ab Takt 44 mit den überirdischen kurzen Legatobögen Takt 50 bis 57- grandios gespielt!
    Man mag kaum glauben, dass er das noch steigern kann, aber er kann es, und zwar am Ende des ff-Themas in den Takten 64 bis 67. Das ist Gänsehaut pur. Auch die letzte Themenwiederholung in der hohen Oktave ist aus diesem Holz geschnitzt und verlängert den Ausdrucksbogen aus den voraufgegangenen Pianissimi- genial!


    Auch im Scherzo lässt sich Frank die Zeit, um ein Allegretto im richtigen Tempo auszuführen. Ebenfalls dynamisch ist hier alles im Lot, desgleichen rhythmisch, in dem er auch das kurze Rallentando in Takt 29 und 30 nicht übersieht. Den zweiten, legato-bestimmten Teil des Allegrettos lässt er sehr schön im Dreiertakt fließen.
    Auch das sich über die beiden Abschnitte dynamisch sehr schön steigernde Minore spielt er mit Bedacht rhythmisch weiter im Dreier. Er wiederholt dann natürlich auch das Scherzo da capo.


    Den ersten Refrain des Rondos spielt Frank mit der gleichen spannenden Entspannung weiter, mit der er er das Scherzo gespielt, die innere Verbundenheit der beiden Sätze betonend. Auch trifft er den Grazioso-Charakter des Satzes sehr schön. Auch das erste Couplet mit dem perlenden Fluss und den rhythmischen Variationen in der oberen Oktave spielt er ganz berückend. Der zweite Refrain schließt sich in seinem Wohllaut an die ersten beiden Teile an.
    Dem folgt das ausladende zweite Couplet, das den Charakter einer Durchführung hat und auch in Moll gehalten ist. In der Mitte dieses Couplets lässt Fr4ank auch kurz im pp-Legato-Teil das Geschehen verhalten, bevor es sich noch einmal verdunkelt und dann in den dritten Refrain übergeht, der wieder rhythmisch leicht verändert, aber fließend vorangeht. Wie am Anfang, schließt sich auch hier das dritte Couplet in Stimmung und Rhythmus eng an den Refrain an, dem sich seinerseits der vierte Refrain anschließt, der mit den Sechzehntel-Sextolen erneut mit einer Überraschung aufwartet, bevor das vierte Couplet noch einmal dazwischen funken will, aber nur kurz. Der letzte Refrain schließlich betont noch einmal den heiteren hellen Charakter dieser Sonate, mit der für diese Stimmung so typischen Tonart A-dur.


    Claude Frank ist hier erneut eine große Deutung gelungen, womit er weiterhin in der Spitzengruppe meiner Beethoven-Pianisten bleibt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Gerhard Oppitz, Klavier
    AD: 2005
    Spielzeiten: 6:57-6:56-3:28-6:41 – 24:02 min.;


    Gerhard Oppitz ist nicht der nächste im Alphabet, aber das war Claude Frank auch nicht. Nur hat die Technik mir einen Streich gespielt. Die vorsorglich auf eine mobile Festplatte kopierten acht Aufnahmen, die ich hier in der Türkei besprechen wollte, entziehen sich meinem Zugriff wegen angeblicher falscher Parameter beim Aufrufen. Nun hatte ich noch einige Gesamtaufnahmen in meiner Amazon-Musikbibliothek und kann von da aus zugreifen.
    Gerhard Oppitz nimmt den Kopfsatz geringfügig langsamer als Frank, aber mit der ihm eigenen Klarheit im Ausdruck und der rhythmischen Sorgfalt. Auch dynamisch arbeitet er wie immer exakt und lässt den Hauptsatz in einem wunderbaren Rallentando auslaufen.
    Im bewegteren Seitenthema steigert er schön auf der oberen Oktave und lässt die Unisono-Intervalle in der Begleitung kraftvoll mitlaufen. In der Überleitung und in der Motivrückkehr lässt er den Schwung ungebrochen in den aufsteigenden Sechzehnteln weiterlaufen.
    Auch Gerhard Oppitz wiederholt natürlich die Exposition, aber nicht Durchführung und Reprise.
    Den ersten Teil der Durchführung lässt er vergnüglich vor sich hin schnurren. Im zweiten Teil lässt er die Themenerweiterung entspannt durchführen und im entzückenden Calando auslaufen. Auch die heiklen oktavierten Sechzehnteltriolen bereiten ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten, sonder er hält sie schön im Fluss. Die Reprise, die im Gegensatz zur Exposition im Forte beginnt, spielt er ansonsten in enger Anlehnung an die Exposition mit einem abermals sehr expressiven Seitenthema.


    Das Largo appassionato lässt er auch in aller gebotenen Zeit sich entfalten, wobei er, wie ich meine, die Grundlautstärke etwas höher ansetzt als Frank, was aber auch durchaus zulässig ist.
    Auch ihm gelingt das Crescendo in der ersten Themenwiederholung hervorragend, wobei er auf dem ff-Akkord schon wieder zurückgeht.
    Desgleichen gestaltet auch er das Seitenthema sehr ausdrucksstark mit einem starken melancholischen Anstrich und einer formidablen Schlusssteigerung. Auch in den weiteren Wiederholungen des Themas bringt er das Zusammenspiel von tenuto sempre und staccato sempre sehr schön in Einklang, wobei er in der dritten Wiederholung die Themenerweiterung mit erhabener Schönheit spielt, was den kommenden Kontrast zum Moll-Ausbruch des Themas um so stärker macht, der seinerseits wieder in der beseligenden oberen Oktave ausläuft. Auch die letzte, oktavierte Themenwiederholung spielt Oppitz als würdigen Abschluss eines wunderbaren Satzes.


    Während Gerhard Oppitz im langsamen Satz etwas rascher unterwegs war als Claude Frank, ist er im Scherzo wieder zeitgleich. Auch hier arbeitet Oppitz wieder dynamisch und rhythmisch sehr ernsthaft, was diesen Satz aus dem Status eines „Allerweltssatzes“ in ein wahres Kleinod überführt, wobei ganz klar die dynamische Zielrichtung zum abschließenden Fortissimo geht. Das Gleiche ist für das wunderbar wiegende Minore zu sagen. Das Scherzo da capo schließt Oppitz selbstverständlich an. Auch hier fällt selbstverständlich das Rallentando in Takt 29/30 nicht unter den Tisch.


    Auch Oppitz setzt den Zauber und die Anmut des Scherzos im finalen Rondo fort. Gleich im ersten Refrain gibt es keinen Zweifel darüber. Dieser Eindruck setzt sich im ersten Couplet fort, und auch Oppitz arbeite die rhythmischen Veränderungen in der oberen Oktave sehr schön heraus. Im zweiten Refrain setzt sich diese friedliche, entspannte Stimmung fort, bevor das thematische Material im zweiten Couplet in Moll kräftig „durch die Mangel gedreht“ wird, nur kurz in seinem Lauf etwas verzöger vom pp-legato-Abschnitt, aber letztendlich doch wieder im Thema landet, wobei Beethoven zu Beginn des dritten Refrains den Kunstgriff mit den aufsteigenden Zweiunddreißigsteln anwendet, wodurch das Auftauchen des Themas wie ein Sonnenaufgang wirkt. Und auch hier wird die Stimmung weiter getragen in den vierten Refrain, der als Höhepunkt die wunderbaren Sechzehntelsextolen hat. Die nochmalige kurze Eintrübung im vierten Couplet ist nur vorübergehend und führt rasch zum letzten friedvollen Refrain mit einem typischen Beethovenschen Schmankerl in den Takten 184/185 mit der Fortesteigerung, die aber auch Oppitz nicht übertreibt.


    Auch Gerhard Oppitz ist hier m. E. wieder eine große Deutung gelungen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Friedrich Gulda, Klavier
    AD: 1967
    Spielzeiten: 6:35-6:43-2:44-5:47 – 21:49 min;


    Friedrich Gulda geht das Stück hurtig an, mit seiner gewohnten technischen Souveränität, mit mozartinischer Leichtigkeit, allerdings nicht mit der vollen Aufmerksamkeit für alle Angaben in der Partitur, denn das Rallentando, Takt 48 bis 53, für mich eine Schlüsselstelle, beachtet er nicht. Das Espressivo-Seitenthema spielt er ebenfalls mit Drive, steigert es schön, mit ordentlichen dynamischen Kontrasten in den Takten 76 bis 79 und schließt auch eine kontrastreiche, schwungvolle Überleitung und Motivrückkehr an. Friedrich Gulda wiederholt auch die Exposition.
    In der ersten Hälfte der Durchführung mit den originellen Unisono-Begleitsechzehnteln ist auch ihm die Spielfreude anzumerken, und in der zweiten Hälfte lässt er munter weiter fließen. Die Sechzehnteltriolen in diesem Teil machen auch ihm nichts aus. Sogar das Calando spielt er am Ende der Durchführung.
    Die Reprise gestaltet er in Anlehnung an die Exposition.


    Das Largo appassionato ist etwas schneller als das von Oppitz und Frank. Dynamisch setzt er auch etwas höher an, spielt das tenuto sempre , staccato sempre ungeheuer exakt und bekommt den Pendelschlagrhythmus faszinierend hin.
    Das Moll-Seitenthema spielt er mit großem Ernst und einem kräftigen Melancholie-Überzug, schließt es mit einer intensiven Steigerung ab. Die nächsten Themenwiederholungen spielt er weiter auf diesem sehr hohen Niveau, dynamisch mit weiterhin leicht erhöhtem Grundpegel. Auch die Themenerweiterung, wechselnd in der hohen und tiefen Oktave, spielt er sehr ausdrucksvoll,
    den ff-Ausbruch sehr kontrastkräftig, in einer ebenfalls atemberaubenden hohen Oktave auslaufend, und in der hohen Oktave die letzte Themenwiederholung sehr ausdrucksvoll anschließend.


    War das Largo temporal noch akzeptabel und weitgehend durch hohen Ausdruck geprägt, so scheint mir das Scherzo Allegretto doch arg schnell, im eigentlichen Sinne kein Allegretto mehr zu sein, mehr virtuos angelegt. Das klingt zwar toll, ist aber eigentlich nicht das, was da steht. Da bleibt dann auch in den Takten 29 und 30 kaum Zeit für das Rallentando. Die dynamische Ausgestaltung ist dagegen ohne Fehl und Tadel.
    Das Minore will mir gar ein wenig gehetzt klingen. Dabei könnte man doch mit minderem Tempo so viel mehr Ausdruck gewinnen.


    Auch das Rondo, da bleibt sich Gulda treu, ist von rascher Gangart, aber hier ist nichts dagegen einzuwenden, da sein Vortrag der einzigen Satzbezeichnung „Grazioso“ in besonderer Weise entspricht. Hier kommt der große Rhythmiker Gulda voll zum Zuge. Seine Gestaltung der Begleitung ist grandios. Hier wie auch im ersten Couplet scheint mir die Virtuosität jedoch kein Selbstzweck zu sein. Dieser positive Eindruck setzt sich im zweiten Refrain fort, wo durch den sanft fließenden Vortrag der große Kontrast zum ff des zweiten, durchführenden Couplets vorbereitet wird.
    Auch der Kontrast zwischen dem staccato sempre und dem kurzen Legato-Einschub ab Takt 80 ist bemerkenswert, ebenso wie der am Ende dieses Einschubs. Auch der dritte Refrain, die Rückkehr zum „sonnigen“ Charakter dieses Satzes erhält durch das etwas höhere Tempo eine besondere Note, die auch im dritten Couplet und im vierten Refrain anhält. Dem kann auch die kurze Eintrübung im vierten Couplet nichts mehr anhaben, und der letzte Refrain profitiert m. E. Von dem höheren Tempo in besonderem Maße. Die letzten vier Takte klingen genial.


    Einige Irritationen im ersten Satz und im Scherzo sind einer Spitzenwertung im Wege.


    liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Klaviersonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Maurizio Pollini, Klavier
    AD: 2006
    Spielzeiten: 6:37-6:33-2:49-6:07 – 22:06 min.;


    Maurizio Pollini legt im Kopfsatz auch ein ordentliches Tempo an, nutzt von Anfang an die dynamischen Vorgaben der Partitur aus und arbeitet auch rhythmisch sehr sorgfältig. Auch spielt er das Rallentando, zwar nicht übertireben langsam, aber dafür dehnt er es taktmäßig auf die letzten drei Taakte55 bis 57 aus, eine Varietät, die man auch nicht alle Tage hört, die aber sehr effektiv ist. Das Moll-Seitenthema steigert er schön und führt es bruchlos in die Überleitung und die Motiv rückkehr aaus dem Hauptthema ein.
    Wieder einmal ist Pollinis warme, runde Tongebung zu loben. Pollini beachtet auch die erste Wiederholungsanweisung (Exposition).
    Im ersten Teil der Durchführung spürt auch er dem vergnüglichen Humor Beethovens nach, der in der Unsiono-Begleitung zum Ausdruck kommt. Im zweiten Teil führt er souverän die Themenerweiterung unter besonderer Berücksichtigung der oktavierten Sechzehntel-Triolen durch, sanft im Calando endend. Die Reprise spielt er ebenso aufmerksam wie die Exposition mit einem abermaligen äußerst bemerkenswerten Espressivo-Seitenthema. Und einem ebenso bemerkenswerten, im pp-Keller versinkenden Schluss. Temporal liegt er in diesem Satz gleichauf mit Friedrich Gulda, ist diesem aber an temporalen Akkuratesse überlegen.


    Das Largo spielt Pollini sehr ruhig, die Staccati nicht ganz so scharf, und auch im Grundtonniveau etwas tiefer ansetzend. Pollini ist für mich als Beethoven-Pianist ein Mann der absoluten Clarté klassischen Mitte, wobei er temporal zur schnelleren Hälfte gehört.
    Das Moll-Seitenthema gewinnt ungemein durch diese Clarté, und auch die Schlusssteigerung lässt er nicht ausufern.
    Ein Höhepunkt dieses Satzes ist zweifellos die dritte Themenwiederholung, in der er die Themenerweiterung in en wechselnden Oktaven absolut atemberaubend gestaltet, wie es nur so großen Meistern wie ihm gegeben ist. Auch im Gefolge des kontrastreichen ff-Ausbruchs gestaltet er die anschließende hohe Oktave, die direkt in das oktavierte Thema mündet, zum Niederknien.


    Das Scherzo spielt er auch etwas schneller, wobei ich aber nicht den Eindruck von Hast oder eile habe. Auch hier herrscht dynamische Mitte. Auch das Minore klingt zwar bewegt, aber nicht überhastet. Er wiederholt natürlich auch hier das Scherzo da capo.


    Das Rondo Grazioso klingt, wie es klingen muss, graziös, technisch perfekt, spannend-entspannt, dynamisch ausgewogen, in einem konstanten Fluss. Erster Refrain und erstes Couplet gehen nahtlos ineinander über und schließen den zweiten Refrain an.
    Auch das zweite, durchführende Couplet eröffnet zwar einen Kontrast, aber nicht einen, bei dem man vor Schreck zusammenfährt. Dementsprechend nimmt er dieses ganze Couplet ein wenig zurück, so dass der pp-legato-Einschub fast wie ein Hauch klingt- sehr stark!! Auch nach der ff-Wiederholung klingt die nächste pp-Stelle ab Takt 92 in Pollinis Lesart unglaublich.
    Genauso eindrucksvoll beginnt der dritte Refrain, der genauso licht und leicht daher kommt wie das anschließende dritte Couplet, das in seinem Wohlklang nahtlos in den ebenso wohlklingenden vierten Refrain übergeht.
    Selbst die Sechzehntel-Sextolen ab Takt 148 klingen bei Pollini schlichtweg graziös. Auch das vierte Couplet muckt nur wenig auf und gibt rasch dem letzten beseligenden Refrain nach.


    Eine grandiose Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    diese Pollini-Platte ist wirklich besonders schön, eine seiner besten! Das muß ich mir im neuen Heim unter veränderten akustischen Bedingungen auch nochmals anhören (bin sowieso entsetzlich im Rückstand mit all dem, was ich noch nachliefern muß!) :)


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger, wenn ich dir einen Tipp geben darf, höre dir das Stück mal über Kopfhöter an, du hast doch einen Stax, wenn ich nicht rre (?). Sogar rmein billiger Urlaubssony hat mir alle Erkenntnisse heliefert, die ich brauchte.
    Um auf Pollini zurückzukommen. diese CD ist vvon 2006. Wie so oft, kommen die Maestri in späteren Jaaahren zu finalen Erkenntnissen. Wie grandios sind doch die
    Einspielungen von Aldo Ciccoini.
    Ausnahmen besätigen nattürlich die Regel.
    Claude Frank hat schon 1971 eine allgemeingültige Deutung vorgelegt. Da gibt es nicht die geringste Schwäche, da ist alles purer Beethoven. Wenn das so weiter geht, wird er noch meine Nummer 1.
    Und Alfred Brendel tseht im Widerstreit mit sich selbst, jedenfalls bei mir. Er wollte ja von seinen Vox-Aufnahmen nicht mehr so viel wissen. Nach allen bisherigen Hörsitzungen können sie mühelos mit seinen beiden späteren Gesamtaufnahmen mithalten.
    Was mich häufig umtreibbt, ist die Fragge: Was wäre wenn?


    Was wäre, wenn Solomon Cutner alle Sonaten hätte aufnehmen können? Wer hätte ihn dann noch vom Beethoven-Thron soßen können? Villeiccht Gilels, man weiß es nicht.
    Jedenfalls sehe ich von den aktuellen Pianisten nur Korstick, Oppitz und natürlich Pollini, Gelber nur mit Einschränkungen, weil er ja nicht alles von Beethoven vorgelegt hat, die da noch mitsprechen könnten. Paul Lewis hat zwar schon eine respektable Gesamtaufnahme vorgelegt, aber da waretet man noch auf die Bestätigung durrcch den jahrelangen Konzertbetrieb. Und die Jungen, Levit, Gorlatsch, Lisitsa, Trifonow u. a. , sie müssen noch liefern, vor allem weitere überzeugende Sonateneinspielungen. Andsnes ist bei den Jungen schon weg, bevor er die ersten Sonatenaufnahme erstellt hat, obwohl ich letztes Jahre eins sehr überzeugenden Beethoven-Recital von ihm in Köln gehört habe, und Kissin scheint nicht viel von Beethvoens Sonaten zu halten, oder kann er sie nicht?


    Wie dem auch sei, den Vorhang zu und viele Fragen offfen!


    Liee Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Holger, wenn ich dir einen Tipp geben darf, höre dir das Stück mal über Kopfhöter an, du hast doch einen Stax, wenn ich nicht rre (?). Sogar rmein billiger Urlaubssony hat mir alle Erkenntnisse heliefert, die ich brauchte.

    Lieber Willi,


    meinen Stax-Kopfhörer bekomme ich demnächst wieder! Ich habe mich ja was Kopfhörer-Hören angeht total entwöhnt. Da bin ich selbst gespannt auf die Erkenntnisse! (Zu Pollini sage ich noch etwas, wenn ich nachgehört habe.) :)


    Wie dem auch sei, den Vorhang zu und viele Fragen offfen!

    Das war ein schönes Schlußwort! :D Bei Beethoven (und den Klassikern allgemein) gilt aber wohl eher, dass wer es von Anfang an nicht kann, es niemals können wird. Ich war auch nie so auf die Gesamtaufnahmen fixiert, sondern habe mich quasi an den herausragenden Einzelaufnahmen gebildet. Alfredo Perl fehlt finde ich noch in Deiner Aufzählung! Er gehört zu denjenigen, die ich bislang gar nicht kannte als Beethoven-Interpret und mich spontan völlig überzeugt haben. Halten wir also weiter den Vorhang offen und lassen uns überraschen! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    mit Alfredo Perl gebe ich dir völlig Recht, da habe ich wieder mal den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen.


    Liee Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 2 A-dur op. 2 Nr. 2
    Rafal Blechacz, Klavier
    AD: 2007
    Spielzeiten: 6:22-7:46-2:57-6:42 – 23:47 min.;


    Nun hat auch der polnische Pianist Rafal Blechacz seinen Weg in meine Sammlung gefunden, und sinnigerweise mit der zweite Sonate. Wir werden sehen.
    Rafal Blechacz ist im Kopfsatz temporal vergleichbar mit Maurizio Pollini, verfügt aber m. E. Noch nicht über den warmen Klang. Dynamisch ist das jedoch alles sehr ausgewogen und aufmerksam musiziert. Das Rallentando allerdings beachtet er erst ganz am Schluss etwas. Das in e-moll beginnende Seitenthema lässt er schön fließen und steigert kontinuierlich, öffnet in den Takten 76 bis 79 schöne Kontraste. Auch seine Überleitung und die Motivrückkehr aus dem Hauptthema sind schwungvoll und dynamisch sehr ansprechend musiziert.. Rafal Blechacz wiederholt auch die Exposition.
    Auch Blechacz trifft den humorvollen Ton Beethovens in der ersten Hälfte der Durchführung sehr schön, auch dynamisch im gebotenen Rahmen, und in der zweiten Hälfte zeigt er, was technisch schon in ihm steckt, denn die vertrackten Sechzehntel-Triolen schüttelt er locker aus dem Ärmel und formt den zwischen den Oktaven hin und her hüpfenden Stccato-Wirbel zu einem kunstvollen Ganzen, korrekt im Calando endend.
    Die Reprise mit ihren geringen Abweichungen gestaltet er der Exposition entsprechend.


    Im Largo appassionato lässt sich Blechacz deutlich mehr Zeit als Pollini. Und diese Zeit verwendet er sehr sinnvoll, indem er die Partitur in aller Ruhe entfaltet und ihre Ausdruckstiefen auslotet. Dabei bringt er seinen Flügel jetzt sehr schön zum Singen.
    Besonders beeindruckend gerät ihm das Moll-Seitenthema, das er sehr klar und ruhig spielt und ihm einen beeindruckenden melancholischen Charakter verleiht. In einer kräftigen Steigerung lässt er das Thema auslaufen. Auch Blechacz arbeitet die perpetuelle Pendelbewegung der Musik sehr schön heraus, wie ich finde. Auch schattiert er jeweils nach der Steigerung (Takt 18, 49) die Musik dynamisch mehr ab als mancher Andere. Das gefällt mir sehr gut. Und vor allem in Takt 49 verstärkt des noch die Ausdruckswirkung, weil nun die herrliche Themenerweiterung in den wechselnden Oktaven sich anschließt.
    Dem lässt er einen kraftvollen ff-Ausbruch folgen, der auch bei ihm in eine berückende hohe Oktave übergeht und die letzte ebenfalls berückende oktavierte Themenwiederholung anschließt. In diesem Satz zeigt Blechacz m. E., zum Zeitpunkt der Aufnahme 22 Jahre alt, dass er schon über eine weit fortgeschrittene Ausdrucksreife verfügt.


    Im Scherzo ist Blechacz ähnlich flott unterwegs wie Pollini. Er erweckt aber ebenfalls keinen Eindruck von Eile, hat im zweiten Teil des Scherzos auch Zeit für das Rallentando in Takt 29/30. Auch das Minore fließt schön im Dreiertakt dahin. Die dynamische Spannweite des Satzes nutzt Blechacz voll aus. Er wiederholt natürlich das Scherzo da capo.


    Das Rondo Grazioso lässt Blechacz anmutig und hurtig fließen. Erster Refrain und das mit ihm verbundene erste Couplet sorgen für eine heitere Eröffnung des Satzes, die im zweiten Refrain ihre Fortsetzung findet.
    Das zweite, durchführende, die Stimmung komplett ändernde Couplet lässt Blechacz auch entsprechend kraftvoll auftreten. Durch seine schon vorher aufgefallen Eigenart, dynamische Kontraste noch zu erweitern, erfährt auch dass pp-legato in Takt 80 noch eine stärkere Wirkung, klingt etwas geheimnisvoll, und auch den letzten Teil dieses Couplets spielt Blechacz dynamisch sehr prägnant, wiederum zum dritten Refrain einen großen Kontrast auf tuend, die Stimmung sehr stark aufhellend, was sich hier im dritten Couplet und im vierten Refrain fortsetzt. An dessen Ende spielt Blechacz die oktavierten Sechzehntel-Sextolen mit hörbarem Vergnügen. Ein letztes Mal lässt er etwas dunklere Töne erscheinen, bevor er in der überleitenden Staccato-Achtel-Abwärtsbewegung den letzten friedvoll ausklingenden Refrain einleitet.


    Dies ist m. E. eine sehr vielversprechende großartig erstee Beethovenaufnahme. Hoffen wi, dass es noch mehr davon gibt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Lieber Willi,


    gerade habe ich mal kurz sozusagen akustisch "hineingeschaut" in die Aufnahmen von Pollini und Blechacz. Was sie ja nun verbindet ist der Gewinn des Chopin-Preises in Warschau. Pollini spielt das wirklich wunderbar - mit einer fließenden Selbstverständlichkeit, mit einem wunderbar volltönenden, warmen Klang. Da ist alles da, ohne jegliche Forcierung und Übertreibung. (Na ja, die schnellen Oktaven in der Rechten Takt 84 ff. wären früher schon etwas präziser und gestochener gekommen. Aber das ist Beckmesserei.) Das Largo appassionato spielt er klassisch, ohne Expressivo, aber mit einem wunderbar getragenen, einfühlsamen Ton. Auch das Rondo ist graziös, aber wiederum mit klassischer Gelassenheit einer unglaublich selbstverständlichen musikalischen Entwicklung vorgetragen. Man hört ihm einfach nur gerne zu und ist beglückt über solch schöne Musik!


    Auch Blechacz Aufnahme ist beeindruckend. Aufnahmetechnisch von der DGG allerdings ganz anders eingefangen: der Flügel viel mehr im Vordergrund. Auch ist Blechacz´ Ton trockener - Pollini spielt mit viel mehr Pedal, erzeugt (typisch Pollini!) ein auf Schubert vorausweisendes Klangkontinuum. Was beeindruckt ist die Gewissenhaftigkeit, mit der Blechacz den Notentext wirklich buchstäblich und sehr sensibel nachhorchend umsetzt. Er erlaubt sich an keiner Stelle irgendwelche Pianisteneitelkeiten. Er hat es einfach nicht nötig, sich "interessant" zu machen. Die Oktaven Takt 84 ff. sind klaviertechnisch perfekt! Auch beim Largo apassionato merkt man den Chopin-Spieler - trotz der tropfenden Staccati wahrt er den melodischen Fluß. Für ein Largo appassionato ist mir das allerdings ein bisschen zu unpassioniert, neusachlich ernüchtert. Die Schlußsätze sind wiederum hervorragend, wobei das Rondothema sehr langsam vorgetragen (im Arrau-Tempo) vielleicht etwas graziöser klingen könnte. Insgesamt ist - wenn ich den Mozart mit einbeziehe - Blechacz´ Bild der Klassiker für meinen Geschmack im Moment noch etwas zu puristisch und "sachlich". Was bei Mozart z.B. dann eben doch noch fehlt, merkt man, wenn man zum Vergleich etwa Alicia de Larrocha hört. Vielleicht spielt er das - es wäre zu wünschen - in späteren Jahren dann mit einer etwas persönlicheren, mehr expressiven Note.


    Zum Schluß habe ich mir dann Claudio Arrau eingelegt. Und dieser Vergleich lohnt: Es wird einmal mehr die Sonderklasse dieses Jahrhundertpianisten deutlich. Auch Arrau spielt im Kopfsatz vorbildlich notentexttreu, aber bringt die Musik eben dazu noch wahrlich zum "Sprechen", durch eine nie übertriebene, aber immer expressive Phrasierung. Und beim Largo appassionato ist er in seinem Element - da hat man das Engagement, das hier einfach nötig ist: das ist passioniert, wie es sein muß, ohne dass Arrau die klassische Grundhaltung der Gelassenheit aufgeben würde. Das bleibt eben doch ein monumentaler Maßstab, was Beethoven-Interpretation angeht.


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Und dann muss man sich mal vor Augen führen, lieber Holger, dass Joahim Kaiser Arrau einmal "den steinernen Arrau" genannt hat. Weißt du, was er damit gemeint hat? :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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