Lucia di Lammermoor (Donizetti), Repertoireaufführung an der Hamburgischen Staatsoper am 21.03.2015

  • Katerina Tretyakovas Stimme (Lucia) hat für mich keinen spezifischen Klang, den ich im Ohr behalte. Deswegen ist diese Sängerin nie der Anlass, um ihretwegen eine Opernaufführung zu besuchen (dieses Mal hatten wir Besuch dabei, und es sollte Lucia die Lammermoor gewesen sein). Die weitere Besetzungsliste las sich zudem nicht spektakulär, so dass ich anfangs große Teile der Oper eher reserviert aufnahm (die Orchesterleistung gefiel mir auch nicht sonderlich, Dirigent Henrik Nánási). Mit Jun-Sang Han (Arturo) kam dann endlich ein Sänger auf die Bühne, dessen Stimme gefangen nahm. Warum Lucia diesen Bräutigam erstach, ist eigentlich nicht recht nach­voll­ziehbar, Liebe macht offenbar nicht nur blind, sondern auch taub. Nicht dass Lucias Liebhaber Piero Pretti (Edgardo) schlecht gesungen hätte (er wurde am Ende viel bejubelt), Pretti stellte aber mehr sein an sich schönes Stimm-Material in den Vordergrund, als dass er dieses genügend nutzte, um seine Gefühle auszudrücken, also vom reinen Gesang zur Kunst zu kommen. Damit komme ich wieder auf Frau Tretyakova zurück. Sie überzeugte sehr in der Wahnsinnsarie, nicht nur durch Perfektion und Sicherheit in der Höhe, was man wohl voraussetzen kann, es gelang ihr vielmehr, den gesungenen Tonkaskaden einen großen Ausdruck zu verleihen, der direkt Lucias armer Seele entsprungen schien. Das war hohe Gesangskunst.
    Ihr Bruder Enrico war der polnische Bariton Artur Rucinski, der im Salzburger Troubadour, offensichtlich erfolg­reich, wie man hörte, Placido Domingo als Luna ersetzt hatte. Seine Stimme hatte für mich eben­falls nichts Spezifisches, wenn man von einer gewissen Schwärze, dies recht kraftvoll einge­setzt wurde, absieht. Seine Stimme ist eher vibratoarm, sie trägt gut. Das Tonhaltever­mögen des Sängers ist beeindruckend. Im Duett (Bariton/Tenor) mit Pretti (vor der Bett­sze­ne) steigerten sich beide Sänger mit ihren jeweiligen Fähigkeiten zu einer imponierenden, vom Publikum zu recht bejubelten Leistung. Alin Anca hatte es schwer, gegen die schöne und charaktervolle Stimme seines Bühnen­vorgängers Alexander Tsymbalyuk anzukommen. Für sich genommen, war es sicher eine gute Leistung. Benja­min Popson (Mitglied des internatio­nalen Opernstudios) fiel mit einer guten Leistung als Normanno auf. Maria Markina war eine gute Alisa, soweit man das bei der Kürze der Rolle sagen kann. Das Publikum dankte den Sängern mit Jubel und langanhaltendem Schlussbeifall.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv