Die tote Stadt (Korngold), B-Premiere in der Hamburgischen Staatsoper, 25.03.15

  • Hatte Klaus Florian Vogt (Paul) Stimmprobleme? Am Anfang klang die Stimme nicht ganz rein, im Forte war eine leichte Rauheit zu spüren, fast unhörbar. Er sang gut, gelangte aber erst nach einer gewissen Zeit zu seinem bekannten Höhenglanz zurück und beherrschte, vor allem nach der Pause, auch stimmlich das Gesche­hen. Es war wieder unverkennbar die helle, silberglänzende Stimme von Klaus Florian Vogt, derent­we­gen man sich eine Opernkarte besorgt. Seine Partnerin Meagan Miller (Marietta) war in den Premierenkritiken ob eines übermäßigen Vibratos sehr kritisiert worden. Heute sang die jugendlich-dramatische Sopranistin zwar nicht vibratoarm, aber auch nicht tremolierend oder die Gesangslinie zerstörend. Insgesamt war sie gut.
    Wahrschein­lich gibt es Sänge­rinnen, die stimmlich mehr aus der Rolle machen würden. Ich will es nicht abschließend beurteilen, denn ich kannte die Oper bisher nicht. Es gibt zwei Nebenfiguren, die beide hervorragend singen: Cristina Damian (Brigitta) mit warmem betörenden Mezzo und der Bariton Lauri Vasar als Frank bzw. Fritz.


    Worum es in dieser Oper geht? Um eine Obsession. Der Witwer Paul sucht in seiner neuen Bekanntschaft Marietta seine verstorbene Frau Maria. Das klingt bekannt; der Filmregisseur Alfred Hitchcock hatte sich in „Vertigo“ dieses Themas angenommen. So wie James Stewart den Film trotz des ermüdenden Themas trägt, ist Korngolds Oper hörenswert wegen Klaus Florian Vogt. Karoline Gruber (Inszenierung) hat ihrem Protagonisten allerdings eine angstbetonte Hyperaktivitätsstörung verordnet, eine Art Zappelphilipp-Syndrom, an die man sich erst einmal gewöhnen musste. Das Bühnenbild (Roy Spahn) kommt mit einfachen Versatzstücken aus, Hintergrund und Seiten sind mit Großfotos langer blonder Haare (als Symbol Mariens) bedeckt. Manches Inszenatorische erinnert an Bilder der belgischen Surrealisten, vor allem an René Magritte, so im zweiten Bild eine Menschengruppe mit maskenartigen, verblindeten Gesichtern.
    Das ist schon stimmig und passt zum psychodramatischen Hintergrund des Stücks. Für die Handlung ist es aber zu wenig. Eigentlichhandelt es sich auch um ein Zweipersonenstück. Mich erinnerte es vom Sujet her an die vor einem Jahr in der Musikhalle konzertant aufgeführte Oper „Herzog Blaubarts Burg“ (Béla Bartók). Letztere machte damals Vorfreude auf ein musikalisches Wiederhören, Korngolds Oper heute eigentlich nicht. Simone Young gab sich mit den Hamburger Philharmonikern große Mühe, um alles aus dieser Komposition herauszuholen (was ihr auch fabelhaft gelang), es blieb aber doch nur viel Strauss, etwas Puccini und viel Filmmusik. Einen eigenen Charakter hatte die „toten Stadt“ für mich nicht. Aber, es war ja nur der erste Eindruck.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv