Jacob Lateiner
Da ich selbst nichts weiß über Jakob Lateiner, muss ich die Informationen anderweitig besorgen. Da eignet sich der Booklettext des Kritikers Leslie Gerber besonders gut, den ich übersetzen und mit einigen Daten aus Wikipedia ergänzen möchte:
"Jakob Lateiner war einer der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts".
Einige Leute mögen überrascht sein, wenn sie diese Feststellung lesen, aber ich glaube, dass die meisten, nachdem sie die Aufnahmen dieser Doppel-CD gehört haben:
mir enthusiastisch zustimmen werden.
Als er am 12. Dezember 2010 starb, war Jacob von der gesamten Musikwelt weitgehend vergessen worden (Ich erinnere mich mit Youra Guller an einen ähnlichen Fall- William B.A.).
Er ist in lebhafter Erinnerung bei seinen vielen Studenten- nicht alle von ihnen Pianisten- an der Mannes School und an der Juilliard Schule für Musik. Andere kennen ihn als Pianisten, der mit Jascha Heifetz und Gregor Piatigorsky viele Konzerte gespielt, von denen 5 CD's aufgenommen wurden und eine einen Grammy gewonnen hat.
Noch andere kennen ihn als herausragenden Interpreten zeitgenössischer Werke. Er spielte die Uraufführung von Elliot Carters Klavierkonzert. ( Er spielte ebenso die Uraufführung von Roger Sessions dritter Klaviersonate. Beide wurden seine Freunde).
Jakob Lateiner wurde am 31. März 1928 in Havanna geboren, von seinem Vater aber erst am 31. Mai 1928 standesamtlich angemeldet.
Jacob Lateiner wäre vorgestern 87 Jahre alt geworden.
Er war der Bruder des Geigers Isidor Lateiner. Seine Eltern waren polnische Juden.
Im Alter von zehn Jahren war Jacob am klavier schon so weit, dass er sein Debut gab mit dem Havanna Philharmonic und Beethovens erstem Klavierkonzert unter der Leitung von Ernesto Lecuona.
Zwei Jahre später zog die Familie in die USA, wo Jacob und sein Bruder Isidor (1930 bis 2005) -Studenten des Curtis Institute of Music wurden. Jacob ging durch das Feuer des Studiums bei Isabelle Vengerovo; Isidor studierte bei Ivan Galamian. Als Teenager konzertierten beide als Solisten mit dem Philadelphia Orchestra unter Eugen Ormandy.
Mit 17 spielte Jacob Beethovens "Emperor" Concerto auf dem Tanglewood Festival mit der Boston Symphony unter Serge Koussevitzky.
Mit 21 machte Jacob seine erste kommerzielle Aufnahme: Beethovens Sonate Nr. 32 und "Andante favori" für Columbia.
Seine Karriere wurde durch zweijährigen Militärdienst unterbrochen, nach dem er, anstatt sie so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, ein weiteres Jahr mit allgemeinen musikalischen Studien bei Arnold Schönberg verbrachte, den er sehr verehrte und ihm ein großes Genie zusprach. Nach Schönbergs Tod war er in der Lage, sein Konzertieren und seine Tourneen wieder aufzunehmen, einschließlich seiner ersten beiden Konzerte mit dem New York Philharmonic 1954 mit Prokofieffs drittem Klavierkonzert. Er tourte durch die USA, Europa und Australien.
In den 50er Jahren machte er einen Schallplattenvertrag mit Westminster, woraus sich die Aufnahme von 4 LPs ergab: Beethovens "Emperor", Tschaikowskys "Erstes", bei dessen Aufnahme er teilweise unglücklich war mit der Arbeit des Dirigenten, dem obskuren Armando Aliberti. Seine Aufnahmen von Brahms' Händel- und Paganini-Variationen sind technisch eindrucksvoll, aber in späteren Jahren fühlte er, dass er den Paganini-Variationen mehr abgewinnen konnte. Wie Sie hören werden, hatte er Recht.
Eine Kopplung der Beethoven-Sonaten Nr. 17 und 21 wurde einseitig von er RCA verdrängt. Sein Tschaikowsky, vom Pianisten superb gespielt, das einzige Beispiel seiner Solo-Arbeit erschien auf CD.
Seine wichtigsten kommerziellen Aufnahmen waren die bei der RCA erschienen, wobei Jacobs Spiel in den Aufnahmen mit Heifetz und Piatigorsky durchweg superb war. Obwohl er irgendwann Bedenken gegenüber seinen beiden Beethoven-LP's erhob, werden die meisten Hörer diese nicht teilen (Ähnlich verhält es sich mit Brendels frühen VOX-Aufnahmen- William B.A.).
Und natürlich ist das Carter-Klavierkonzert in der Welt-Uraufführung 1967 in Boston ein Meilenstein der zeitgenössischen Musik.
Es war für mich ein Glück, Jacob in den späten 60er Jahren zu begegnen, nachdem ich eine Aufnahme fand, die er gerne haben sollte und er mich einlud, sie ihm persönlich zu überbringen. Es war der Beginn einer langen Freundschaft. Obwohl ich 100 Meilen von ihm entfernt wohnte, führten wir vielen Gespräche, hatten viele chinesische Dinners und viele Single Malts und tauschten viele sarkastische Postkarten aus.
In den 1970ern war Jacobs Karriere im Rückgang begriffen. Er wurde schwer beeinträchtigt von einem Manager, der nichts tat (seine Funktion, sagte er, bestand hauptsächlich darin, Anzahlungen für Konzertgagen einzustreichen, die er, Lateiner, selbst arrangiert hatte. Aber in der Selbst-Vermarktung war er auch nicht wirklich gut. 1970 schlug ich ihm vor, eine LP mit Live-Aufführungen herauszubringen. Er stimmte dieser Idee zu, aber er kam nie, um die Bänder anzuhören und das Material zu sichten. Ich hörte auch von Geschichten, wie er Gelegenheiten verstreichen ließ, seine Karriere voranzubringen.
Nachdem ich 1997 mein eigens CD-Label gegründet hatte, begann das gleiche Gespräch über Live-Aufführungen von vorne, mit den gleichen Ergebnissen. Als ein hochgeachteter Lehrer am Mannes-Kolleg und später an der Juilliard School war er mit anderen musikalischen Zielstellungen beschäftigt als mit seiner eigenen Karriere. Ich kann mich noch lebhaft an eine Unterhaltung in den frühen 1980ern erinnern mit unserem gemeinsamen Freund Steve Smolian, in der Jacob sagte, wie sehr er sich eine Fortsetzung seiner Konzertkarriere wünschte. Unter seinen vielen anderen Interessen hatte er auch eine beeindruckende Menge an musikalischen Manuskripten und Erstausgaben zusammengetragen.
Obwohl er auch in seinen späteren Jahren noch konzertierte, fand Jacob es zunehmend schwieriger, die Motivation zur Aufrechterhaltung seiner unglaublichen Technik weiter aufzubringen. Im November 1995 führte Jacob im Mannes-Institut ein Benefizkonzert für Amnesty International auf. Zwei Wochen vor dem Konzert erzählte er mir, dass er die Programmfolge ändern müsste, weil er nicht genügend Zeit aufgebracht hatte um die Brahmsschen Paganini-Variationen adäquat zu proben.
Im Konzert spielte er sie aber doch, in einer Aufführung, wie ich mich erinnere, die nahe an die in dieser Doppel-CD enthaltene heranreichte.
Ich hörte Jacob zum ersten Mal in einer Aufführung am 1. November 1964, in einem reinen Beethoven-Recital in der nahezu ausverkauften Carnegie Hall. Ich kann mich zu diesem Konzert nicht erinnern, was genau mich so auf diesen Pianisten aufmerksam werden ließ, aber ich war so bewegt, dass ich ihm einen Fan-Brief schrieb. Offenbar hatte er in seinen früheren Jahren etwas ganz Spezielles.
Das in der Frick Collection 1964 aufgenommen Konzert (CD 1) nahm ich vom Rundfunk auf. Das Band hat die Jahrzehnte überdauert mit nur einem kleinen Fehler in den Zugaben. Es ist ein glücklicher Zufall, weil es von dem Konzert keine andere Kopie gibt. In diesem Konzert bekommen wir eine weitere Varietät der Musik zu hören, die Jacob typischerweise in seinen späteren Jahren in seine Programme aufnahm. Es umfasst die erstaunliche Prokofieff-Toccata, ein beredtes Beispiel für die extreme Virtuosität, derer Jacob fähig war. Die Chopin-Mazurken zeigen Jacobs Wertschätzung der Rhythmus-Stunden von Ignaz Friedman, dessen Aufnahmen dieser Werke er seinen Studenten vorzuspielen pflegte.
Als ich begann, Material für die Veröffentlichung zu sammeln, war meine größte Hoffnung, eine charakteristische Live-Aufnahme zu finden, in der Jacob die Brahms Paganini-Variationen spielte. Dank der Zusammenarbeit mit der Juilliard School of Music, und seiner Sorgfalt, die Archive auf dem neuesten Stand zu halten, haben wir solch eine Aufführung, eingerahmt von Jacobs einfühlsamer Interpretation der ersten und letzten Beethoven-Sonate.
Ein Vergleich mit seiner Konzertaufnahme für Westminster macht überzeugend klar, was er meinte, als er sagte, er habe in diesem Stück mehr Musik gefunden, während die Kraft und die Präzision seines Spiels im Konzert eindrucksvoll seine Virtuosität demonstriert.
Jacobs Einsetzen für die Intentionen des Komponisten führen dazu, dass er alle Wiederholungsvorschriften beachtet, wie hier in den Beethoven-Sonaten, genauso, wie er Wiederholungen nicht spielt, die nicht in der Partitur stehen. Dies führt zu einigen Ungleichgewichten beim Brahms , wo er den ersten Abschnitt einer Variation nicht wiederholt, wenn es nicht in der Partitur steht (wie in Buch 2, Nr.6).
Das Mendelssohn-Scherzo war seine Lieblings-Zugabe. Dies Konzert ist nicht ganz komplett, aber die zweite Zugabe, ein Schubert Impromptu, dass aus Platzgründen gestrichen werden musste, ist eines der Stücke, die im 1964er Konzert in der Frick Collection gespielt wurde.
Am Ende jedes Konzertes kann man den Pianisten hören, wie er die Zugaben ansagt.
Die Arbeit, Jacob Lateiners Aufnahmen und sein Ansehen zu bewahren, hat gerade erst angefangen. Wir rechnen damit, noch mehr Live-Aufnahmen zu sammeln, und jede Hilfe ist uns dabei willkommen. (Bitte schreiben Sie uns an parnassus@parnassusrecords.com ). Letztendlich werden alle gesammelten Live-Aufnahmen einschließlich der Juilliard-Bibliothek in einer Reihe von Sound-Archiven zusammengefasst . Und wenn das Glück uns hold ist, kann es noch weitere Veröffentlichungen von Lateiner-Aufnahmen geben.
Unter denjenigen, die uns bei dieser Produktion unterstützt haben, gilt unser besonderer Stolz Amy Kim, der Witwe und Erbin Jacobs, selber eine ausgezeichnete Musikerin. Ohne Amys Mitarbeit wäre diese Aufnahme nie veröffentlicht worden. Sie stellte auch Jacobs eigene Sammlung von Konzertbändern zur Verfügung, die Teil des Archivs werden wird. Jane Gottlieb von der Juilliard Bibliothek, fand das 1977er Konzert und stellte es zur Verfügung, zusammen mit anderen Lateiner-Konzerten, die ebenfalls Teil des Archivs werden. Donald Manildi von den Internationalen Klavier-Archiven in Maryland gab unschätzbare Hilfe. Eldad Benary von der Sound Company, gab nicht auf, die Beschädigung des Original-Bandes des Chopin Fantasie-Impromptus zu reparieren. Verschiedenen Freunde und Studenten gaben finanzielle Unterstützung, um die Veröffentlichung dieses Sets zu einem reduzierten preis zu ermöglichen.
1999 begann ich meine Radio-Reihe "The Grand Piano". Eines meiner ersten Programme war überschrieben mit "The Lost Art of Jacob Lateiner" und enthielt auch, mit Jacobs Erlaubnis, die gleiche Aufführung der Prokofieff-Toccata, die in diesem CD-Set zu hören ist.
Als er das Programm hörte, erzählte mir Jacob, dass er sehr bewegt und erfreut gewesen sei über diese Anerkennung seiner Konzert-Karriere. Ich hoffe, dass er genauso über diese Veröffentlichung empfunden haben würde.
Leslie Gerber
(Übersetzung: William B.A.)
Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere (von einem weiß ich es ganz bestimmt), hier etwas psoten würde, sei es, dass er (oder sie) auch diese Aufnahmen hat und sie auch schon gehört hat.
Als erste Aufnahme von dieser Doppel-CD habe ich meine Eindrücke von Beethovens Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr.1 zu Papier gebracht und werde sie gleich im entsprechenden Thread veröffentlichen.
Liebe Grüße
Willi