Wer hat Angst vor neuer Musik? Vol. 2 - Die Plattenlabels

  • Keine Angst - dieser Thread ersetzt NICHT den Thread gleichen Namens (Vol 1) sondern ist als Ergänzung gedacht.
    Wer hat Angst vor Neuer Musik?
    So schrieb Lutgra in Bezug auf Aufnahmen des Vogler Quartetts :

    Zitat

    Wieso gibt es davon keine Einspielung oder von einigen Rihm Quartetten? Ich kritisiere ja nicht das Quartett, sondern die phantasielose Politik der involvierten Labels.


    Ich würde sagen, daß das mit "pahantasielos" nicht viel zu tun hat, man möchte möglichst keine roten Zahlen schreiben. Denn an sich ist es schon ein finanzielles Wagnis, zeitgenössische Musik einzuspielen, Kammermusik erhöht das Wagnis weiter - und wenn noch dazu eine von der Presse gelobte "Referenzaufnahme zur Verfügung steht, dann wäre es IMO beinahe tollkühn oder ein kaufmännischer Selbstmordversuch, eine derartige Aufnahme zu wagen.


    Ich möchte hier nicht über den konkreten Fall diskutieren - sondern ihn lediglich als Anstoß zu Frage benutzen, ob die Labels feiege und phantasielos sind - oder ob sie nicht ohnehin an die Grenzen des vertretbaren Risikos gehen, wenn man ihre Programmpolitik - bezogen auf neue Musik - betrachtet ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Offensichtlich ist hier niemand wirklich interessiert welche Label - und aus welchen Motiven - sich mit - "neuer Musik" befassen. Vermutlich auch deshalb, weil es den meisten Leuten heutzutage eigentlich egal ist, wer welche Musik aufnimmt und warum er es tut. In Wirklichkeit ist das - speziell bei diesem Genre - eine existenzielle Frage. Denn auch wenn ich die Frage WARUM jemand "neue Musik" auf CD veröffentlicht nicht wirklich beantworten kann, so würde ich einen Beweggrund doch mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschliessen: Geld zu verdienen - denn das kann man mit diesem Genre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Ich tippe hier auf Idealisten, welche über genügend Kleingeld verfügen ein paar hunderttausend Euro in den Sand zu setzen und sich dabei noch eine persönliche Freude zu machen....
    Dem Liebhaber dieser Sparte kann man indes nur raten diese Label im Auge zu behalten und sie nach Möglichkeit durch Käufe am Leben zu erhalten oder ihnen zumindest Interesse an ihrem Produkt zu signalisieren. Denn auch der grösste Idealist wirft irgendwann das Handtuch, wenn da keine Resonanz kommt.
    Was hier so negativ klingen mag ist es indes nicht. Ich denke, ein gutes Dutzend von Kleinlabeln hat sich vorwiegend oder aber nebenbei der Veröffentlichung von zeitgenössischer, oder aber zumindest avantgardistischer Musik der jüngeren Vergangenheit gewidmet. Vielleich als Geste der Höflichkeit oder des Zeichens, daß man deren Aktivitäten schätzt, könnte das eine oder andere Label genannt werden oder die eine oder andere Veröffentlichung von "Bedeutung" (was immer man darunter verstehen mag) hier kurz gezeigt werden. Allfällige Werksbesprechungen sollten allerdings in den Spezialthreads erfolgen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielen Dank unserem Forumsbegründer für diese Initiative, denn einige Plattenlabels, die sich bevorzugt für Neue Musik einsetzen, haben es wirklich verdient, kurz porträtiert zu werden.


    Ich beginne also mit dem Label: Col legno


    Dies Label wurde in den 1980er Jahren vom Deutschen Wulf Weinmann gegründet. In 2005 wurde es vom österreichischen Gesundheitsökonomen, Unternehmer und ehemaligen Politiker Christian Köck als Haupteigentümer und 2011 von der Czerwenka Privatstiftung übernommen. Weinmann gründete zwei Jahre später das NEOS Label. Die künstlerische Leitung von col legno liegt in den Händen von Gustav Kuhn, dem Dirigenten und Leiter der Festspiele Erl, sowie Andreas Schett, Gründer der Musicbanda Franui. Seine Firma „circus“ entwickelte im Zusammenhang mit der Übernahme ein neues Corporate Design inklusive Tonträger-Gestaltung. Das Repertoire bestand ursprünglich ausschließlich aus “Neuer Musik”, wurde in den letzten Jahren aber kontinuierlich erweitert und umfasst inzwischen u. a. die Genres “Jazz” und “Weltmusik”. Auch "normale" Klassik findet sich inzwischen im Angebot.


    Der Werbepartner listet an die 250 Einspielungen, darunter viele mehrere CDs umfassende Boxen, die die Donaueschinger Musiktage um die Jahrtausendwende dokumentieren. Das neuentwickelte Design fällt v.a. durch knallige Farben auf.


  • Das amerikanisch/englische CD-Label ALBANY RECORDS war mir erstmals mit 4 CD´s des russischen Komponisten Andrei Eshpai aufgefallen.
    Hier haben sich Musikkenner die Aufgabe gemacht russische Aufnahmen dieses grossen Komponisten des 20.Jhd "zu retten", die teils sogar auf russischen Labels (wie Russian Disc) zu finden waren.


    Die Firma ALBANY hat 395 Titel in ihrem Programm, die zum grossen Teil aus amerikanischen Komponisten des 20.Jhd besteht. So finden sich auch in diesem Bereich nur wenige Bekannte Werke aus dem Mainstream, sondern eher wenig abgegrastes Material.


    Die Eingangsfrage, ob solche Label auf ihre Kosten kommen, würde ich mit NEIN beantworten.
    :thumbup: Aber gut das es die gibt, denn ohne Albany wäre ich nicht so schnell und erfolgreich auf Andrei Eshpai gestossen! Da sage ich DANKE!


    Hier eine der Hammer-CD´s:

    ALBANY, 2000, DDD



    Der Sitz von ALBANY Records ist in New York in den USA; sowie Warton, Carnforth, Langshire in GB.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • und wenn noch dazu eine von der Presse gelobte "Referenzaufnahme zur Verfügung steht, dann wäre es IMO beinahe tollkühn oder ein kaufmännischer Selbstmordversuch, eine derartige Aufnahme zu wagen.


    Trotzdem gibt es sie, die dies Wagnis eingehen. Aktuelles Beispiel: die zweite GA der Streichquartette von Jörg Widmann durch das Minguet Quartett auf Wergo, sicher kein Kassenschlager. Die wurden vor einigen Jahren schon auf höchstem Niveau von den Leipzigern vorgestellt.


  • Ich begebe mich mit der Nominierung des hier gezeigten Labels auf ein gefährliches Parkett. Eigentlich ist es kein Speziallabel für "neue Musik" und ausserdem müsste der Begriff "neue Musik" hinterfragt werden. Er ist nicht genau definiert, beschreibt aber ein Sammelsurium von Stilrichtungen etwa ab 1910. Näheres ist bei WIKIPEDIA nachzulesen.


    CPO - um dieses Label handelt es sich nämlich, ist heute ein "allrounder-Label" mit NISCHENREPERTOIRE aller Zeitalter.
    Das war indes bei seiner Gründung anders. Ca 50% Alte Musik, Barockmusik, Vorklassik und Klassik (Romantik folgte später) - sowie als Gegenpol Musik des 20. Jahrhunderts waren die Standbeine des Labels. Die Cover waren (leider auch im Klassikbereich) mit eher moderenen Grafiken ausgestattet. Irgendwann erkannte man diesen Schwachpunkt im Bereich der Klassik und verfolgte eine neue optische Linie - zumindest bei den "Klassikveröffentlichungen. Auch wenn heute der Bereich von 1500-1900 überwiegt, so darf man dennoch die Verdienste von cpo Veröffentlichungen mehr oder weniger wenig bekannter Werke des 20. Jahrhunderts nicht unterschätzen. Hier eine Auswahl, die möglicherweise anfechtbar ist....



    Hier wurden nur auf 7.99 ermässigte CDs gepostet, der Normalpreisbereich blieb unerwähnt. Man kann sich ein Bild davon machen, wie riskant es ist, klassische Musik des 20. Jahrhunderts zu veröffentlichen.....


    mfg aus Wien
    Alfred


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das erst 2005 gegründete Label TOCCATA CLASSICS ist zwar kein reines Label für Musikk des 20. Jahrhunderts oder "Neue Musik" - dennoch finden wir sehr viele Aufnahmen die diesen Zeitraum beinhalten. Kein Wunder - ist es doch erklärtes Ziel des Labels speziell bisher unveröffentlichte Werke weniger bekannter Komponisten aufzunehmen und zu verbreiten. Da finden sich natürlich viele Komponisten des 20. Jahrhunderts darunter und auch noch lebende Komponisten.


    Hier - gewissermaßen ein "Aperitif" für die Zielgruppe:




    Nicht nur die Komponisten sind Geheimtips für insider - auch die Interpreten....


    Das Label hat im übrigen schon einen eigenen Thread, der zeitlich allgemeiner gehalten ist......
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !