Gidon Kremer - der Universalist

  • Man kann es kaum glauben, aber es gibt anscheinend bisher keinen thread über einen der ganz grossen lebenden Musiker, über Gidon Kremer.


    Kremer wurde 1947 in Riga als Sohn deutschstämmiger Eltern geboren. Großvater und Vater waren Geiger und Musikpädagogen, und so erhielt Kremer bereits als Kind Musikunterricht. 1954 besuchte er das Konservatorium von Riga und nahm Unterricht bei Voldemārs Stūresteps. Bereits mit sechzehn wurde er mit dem Ersten Preis der Lettischen Sowjetrepublik ausgezeichnet.


    1965 ging Kremer an das Moskauer Konservatorium, wo er Schüler von David Oistrakh wurde. 1967 war er Preisträger beim Concours Reine Elisabeth in Brüssel (3. Platz), zwei Jahre später gewann er den Paganini-Wettbewerb in Genua, 1970 wiederum den Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau. Er gab 1975 sein erstes Konzert in (West-)Deutschland, und 1976 spielte er bei den Salzburger Festspielen in der Uraufführung von Hans Werner Henzes Chaconne für Solovioline und Kammerorchester „Il Vitalino raddoppiato“. 1977 gab er sein Debüt in den USA. Im selben Jahr heiratete er die Pianistin Jelena Baschkirowa.


    1980 entschied Kremer sich, nicht mehr in die Sowjetunion zurückzukehren. 1981 gründete er das Kammermusikfest Lockenhaus, das seitdem jedes Jahr im Sommer stattfindet, seit 1992 unter dem Namen Kremerata Musica. 1997 gründete er das Streichorchester Kremerata Baltica mit jungen Musikern aus den baltischen Staaten. Im selben Jahr wurde er als Nachfolger von Yehudi Menuhin zum künstlerischen Leiter des Festivals in Gstaad ernannt. Seit 2002 ist er künstlerischer Leiter des Basler Festivals les muséiques und ist außerdem im Künstlerischen Beirat der Kronberg Academy. Seit 2004 veranstaltet er Ende Juni/Anfang Juli mit der Kremerata Baltica ein Festival in der lettischen Stadt Sigulda.


    Die Zahl der von Kremer aufgeführten und eingespielten Stücke dürfte kaum noch jemand überblicken. Er hat mit zahlreichen Orchestern unter fast allen bedeutenden Dirigenten gespielt. Zu seinen bevorzugten Kammermusikpartnern gehören u. a. Martha Argerich, Mischa Maisky, Oleg Maisenberg, Eduard Brunner, Kim Kashkashian, Isabelle van Keulen, Waleri Afanassjew und Tabea Zimmermann.


    Kremer spielt zahlreiche Werke zeitgenössischer Komponisten und nimmt sie in der Regel auch auf (als Uraufführungen: Sofia Gubajdulinas Offertorium, Arvo Pärts Tabula Rasa für zwei Violinen und Stabat Mater, Michael Nymans erstes Violinkonzert). Außer den klassischen Komponisten hat er Werke von Alfred Schnittke, Gija Kantscheli, Valentin Silvestrov, Luigi Nono, Aribert Reimann, Peteris Vasks, Kaija Saariaho und John Adams im Programm. In den neunziger Jahren kümmerte er sich ausgiebig um das kompositorische Werk von Astor Piazzolla.


    Kremer spielte ab 1980 auf der „Ex-Baron von Feilitzsch“ Stradivari, anschließend auf einer Guarneri del Gesù (ex David) aus dem Jahre 1730. Zurzeit spielt er eine Nicola Amati aus dem Jahr 1641.


    Ich liste nur einige wenige CDs:



  • Ein absolut überfälliger Thread, lieber Lutgra! Bernstein nannte ihn nicht von ungefähr den "besten Geiger der Welt". Sofia Gubaidukina hat er mit zum internationalen Durchbruch verholfen (wobei die Fernsehaufnahme des Offertoriums mit Masur wesentlich besser ist als die DGG-Aufnahme mit Dutoit, leider!). Eine meiner Lieblingsplatten mit ihm ist diese hier:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine ganze Reihe wichtiger Kremer-CD´s fehlen noch für diesen Thread eines der wichtigsten Violinisten (hört sich besser an als Geiger !)


    Voriges Jahr kaufte ich mir diese Vivaldi - CD mit 8 Jahreszeiten:
    Es spielt die Kremerata Baltica unter der Leitung von Giodon Kremer, der auch Solist ist. John Doe hatte vor wenigen Tagen im Vivaldi-Thread auch auf diese CD aufmerksam gemacht.



    Nonesuch, 1998, DDD


    Mein Anliegen für den Kauf war eine neue fetzig-spannende Aufnahme der Vivaldi-Jahreszeiten zu bekommen. Bei der solistischen Besetzung durch Gidon Kremer hatte ich sowieso vorab keine Zweifel.
    Die Erwartungen wurden voll erfüllt, denn mir gefällt diese Kremer-Aufnahme mit der orchestralen Originalbesetzung sehr gut. Kurzweilig, straff, fetzig und sehr virtuos von allen Beteiligten gespielt. Klasse !


    *** Man würde bei der CD ja annehmen, dass zuerst die 4 Jahreszeiten mit je 3Sätzen von Vivaldi folgen und dann nachfolgend die 4 Piazzola-Jahreszeiten mit je einem Satz kommen ... mit Nichten !
    Nach jeder Vivadi Jahreszeit folgt als 4.Satz der Piazzola-Jahreszeiten-Einschub. Der absolute Barock-Fan mag das verurteilen. Ich finde das sehr gut als moderne Auflockerung dazwischen jeweils den Piazzola geliefert zu bekommen. Piazzola ist auch hier seinem "Tango-Style" treu geblieben und liefert seine 4 Jahreszeiten, mit rhythmischem Hörspass.


    Die 8Jahreszeiten so gemixt auf der CD zu präsentieren war für mich ein Genuss:

    Vivaldi - Frühling
    Piazzolla - Sommer
    Vivaldi - Sommer
    Piazzolla - Herbst
    Vivaldi - Herbst
    Piazzolla - Winter
    Vivaldi - Winter


    Mit vorgehaltener Hand muss ich sagen : Ich finde die 4 Piazzola-Stücke noch besser als Vivaldi :untertauch:
    Kremer = 1.Sahne !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kann es immer noch nicht fassen, warum Gidon Kremer keine Aufnahme des grossen Violinkonzertes Nr.1 aufgenommen hat ? :?: Hat er es jemals gespielt ?


    :thumbup: Dafür meine Kremer-Lieblings-CD mit dem Schostakowitsch Violinkonzert Nr.2, die ich für die beste Aufnahme dieses VC halte:



    DG, 1992, DDD



    Das Ganze ist gekoppelt mit Schostakowitsch´s Orchestrierung des Schumann-Cellokonzertes mit dem von Schumann selber herausgegebenen Violinpart, den Kremer auch ganz hervoragend zaubert.
    Wie bereits bei Tamino bemerkt halten dieses Unternehmen viele für überflüssig ... trotzdem bleibt das eine interessante Sache, die einmal mehr hörenswert ist !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Danke Schneewittchen für die INFO,
    das ist wirklich ein fabelhafte Konzertaufführung von 2004 mit dem VC Nr.1 mit Kremer/Jansonsaus der Royal Albert Hall.
    Schade das es das nicht auf CD oder DVD gibt - aber ich bin auch mit dieser YT-Version zufrieden, die leider kein Konzertvideo ist.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Das ist ein Hammer! :)


    Ja! Besonders das Cover ... wird eigentlich nur noch von der Brille auf diesem hier übertroffen :untertauch:


    Aber ernsthaft: Die oben gezeigte Einspielung des Beethovenschen Violinkonzertes muss hier natürlich schon wegen der von Kremer gewählten Schnittke-Kadenz genannt werden. Diese ungewöhnliche Wahl ist sicher nicht aufgesetzt, sondern entspringt m.E. Kremers echter Liebe auch zur Musik des 20ten Jahrhunderts.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Allerdings ist das Beethoven-Cover anscheinend ein ernstes/normales Foto, während das Paganini-Cover offensichtlich eine Anspielung auf Paganinis Erscheinungsbild sein soll.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Allerdings ist das Beethoven-Cover anscheinend ein ernstes/normales Foto, während das Paganini-Cover offensichtlich eine Anspielung auf Paganinis Erscheinungsbild sein soll.


    :thumbsup: Ein TOP-Musiker muss sich in den Komponisten hineinversetzen, als wäre er es selber. Insofern ist das absolut korrekt, was man auf dem Cover sieht, wenn Kremer seinen Paganini fetzt und seinen Beethoven zelebriert ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Was leider unverknüpfbar und unkopierbar war und seine Bandbreite abbildet ist
    La lontananza nostalgica utopica Futura von Luigi Nono


    Alles ist kopierbar.
    Firefox-Browser: Rechter Mausklick auf Abbildung und Grafikadresse kopieren.
    Dann einfügen bei "Bild einfügen" (statt "Link zu Amazon").


    mfG
    Michael

  • Nachdem ich gestern zum ersten Mal Gidon Kremer als Künstler persönlich erleben durfte und musikalisch wie menschlich beeindruckt bin, stiess ich auf dieses Interview, das ihn mir noch sympathischer macht: http://www.concerti.de/de/3618…uegen-und-aggression.html. Er scheint quasi der Antipode zu einem Sergei Roldugin zu sein.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Nachdem ich gestern zum ersten Mal Gidon Kremer als Künstler persönlich erleben durfte und musikalisch wie menschlich beeindruckt bin, stiess ich auf dieses Interview, das ihn mir noch sympathischer macht: http://www.concerti.de/de/3618…uegen-und-aggression.html. Er scheint quasi der Antipode zu einem Sergei Roldugin zu sein.


    Herzliche Grüße


    Christian


    Danke für den Link auf das Interview, lieber Christian, der mir den ohnehin schon hoch geschätzten Gidon Kremer noch sympathischer macht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Den Glückwünschen schließe ich mich gern an. Wer sich zu Gidon Kremers Geburtstag selbst beschenken möchte, empfehle ich diese Doppel-CD.