Gilbert Kaplan — ein Leben für Mahlers Zweite

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    Gilbert Edmond Kaplan, geboren am 3. März 1941 in New York City, ist ein US-amerikanischer Millionär, der sich als Amateuerdirigient weltweit einen Namen gemacht hat.


    Der Sohn eines Schneiders absolvierte ein Studium der Ökonomie und gründete im Jahre 1967 das Monatsmagazin "Institutional Investor", welches er 1984 mit erheblichem Gewinn verkaufen konnte.


    Sein "Erweckungserlebnis" war eine Aufführung der 2. Symphonie von Mahler im Jahre 1965 durch Leopold Stokowski. Das Werk beeindruckte ihn so nachhaltig, dass er sich, obwohl er keinerlei tiefere musikalische Ausbildung besaß, zunehmend dem Studium desselben widmete.


    1981 nahm er Dirigierunterricht bei Charles Zachary Bornstein und führte im selben Jahr erstmals den 1. Satz der Symphonie mit dem American Symphony Orchestra auf. 1982 dirigierte er die gesamte Symphonie in der New Yorker Avery Fisher Hall.


    In den folgenden Jahren machte er sich international einen Namen und führte die 2. Symphonie von Mahler mit mehr als 50 renommierten Orchestern auf, darunter das Los Angeles Philharmonic, das Pittsburgh Symphony Orchestra, das London Symphony Orchestra, die Wiener Philharmoniker, das NDR Sinfonieorchester, das Orchester der Deutschen Oper Berlin, das Bayerische Staatsorchester, die Prager Symphoniker, das Israel Philharmonic Orchestra, die Sankt Petersburger Philharmonie, das Beijing Symphony Orchestra (chinesische Erstaufführung des Werkes) sowie das Melbourne Symphony Orchestra. 1996 wurde er als erster Amateurdirigent zu den Salzburger Festspielen eingeladen.


    Bislang legte er zwei offizielle Einspielungen vor: 1987 mit dem London Symphony Orchestra und 2002 mit den Wiener Philharmonikern. Beide Aufnahmen wurden überwiegend stark gelobt, erstere wurde 1988 gar von der "New York Times" zu einem der "Records of the Year" gewählt. Mit 175.000 verkauften Exemplaren wurde sie die meistverkaufte Mahler-Aufnahme der Geschichte.


    Trotzdem sind seine dirigentischen Fähigkeiten nicht unumstritten. So hielten ihm Mitglieder des New York Philharmonic 2008 öffentlich handwerkliche Mängel vor.


    Neben der 2. Symphonie von Mahler widmet er sich lediglich dem Adagietto aus dessen 5. Symphonie sowie der Mahler'schen Bearbeitung von Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen".


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Googelt man Kaplan Vom Intellekt zum Sentiment findet man zu einem Artikel in Zeit Online aus dem Jahr 1995, in dem man noch mehr Aufschlussreiches über Gilbert Kaplan erfährt:


    So hat er hat das Autograph der 2. Sinfonie erworben und als Faksimile herausgegeben oder mit Leonard Bernstein über das Werk sich intensiv ausgetauscht.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Zitat

    Trotzdem sind seine dirigentischen Fähigkeiten nicht unumstritten. So hielten ihm Mitglieder des New York Philharmonic 2008 öffentlich handwerkliche Mängel vor.


    Also ich habe in dem Zusammenhang eher den Eindruck, daß sie gekränkt waren, weil der gebürtige New Yorker Gilbert Kaplan sie ignoriert - und anderen hochkarätigen Orchestern den Vorzug gegeben hat. Wer möchte nicht die "meistverkaufte CD von Mahlers 2. eingespielt haben ?


    Inzwischen hat Kaplan eine dritte Einspielung vorgelegt - und wieder waren es nicht die New Yorker Philharmoniker, mit denen er die Aufnahme machte. Er dürfte einen guten Geschmack haben, denn er entschied sich wieder für ein Orchester aus Wien, nämlich das Wiener Kammerorchester. Die Aufnahme entstand im Wiener Konzerthaus.
    Aus der "Werbe-Info" : "Gilbert Kaplan ist heute einer der maßgeblichsten und bejubeltesten Interpreten von Mahler’s Symphonie No. 2. Er dirigierte diese bei über 65 verschiedenen Orchestern auf deren Anfrage hin. Seine Aufgabe von 1987 zusammen mit den Londoner Symphonikern ist die am meisten verkaufte Aufnahme, mit nahezu 200.000 verkauften Exemplaren. In der New York Times wurde es als „Aufnahme des Jahres“ angepriesen. Eine zweite Aufnahme, mit der Wiener Philharmonie, wurde 2003 veröffentlicht und hat nahezu 50.000 Einheiten verkauft. Dies ist die am besten verkaufte Aufnahme seit seiner Veröffentlichung. Nun, mit dieser dritten Aufnahme, eine Live-Aufnahme aus einem Konzerthaus in Wien, wird Kaplan noch einmal Geschichte schreiben – nicht nur weil er die Phantasien seine Fans einfängt, auch weil er den Kammer-, Gemeinde-, und Regionalorchestern die Möglichkeit aufzeigt, dieses Stück mit weniger als 100 Musikern, in dieser Aufnahme sind es 56, aufzuführen. Die Aufnahme mit dem Wiener Kammerorchester hat hierbei den Maßstab gesetzt."


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kaplan ist das beste Beispiel dafür, dass man sich mit genug Geld überall einkaufen kann. Nicht einmal die Wiener Philharmoniker schreckten davor zurück, diesen Hobbydirigenten ans Pult zu lassen. Da hatten andere, deutlich renommiertere Dirigenten weniger Glück. Ich kenne die Aufnahme. Schlecht ist sie nicht. Wobei schwer zu sagen ist, ob das letztlich an Kaplan oder doch am Orchester liegt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Du kannst Dich mit Geld einkaufen, das mag möglich sein. Die Kunst besteht eher darin, die Aufnahme dann zu verkaufen. Die Aufnahme aber zur meistverkauften der bisherigen Schallplattengeschichte zu machen - das ist wahre Kunst!!!


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Amateurdirigent hört sich irgendwie abwertend an.
    Ist er Amateur, weil er als Millionär kein Geld mit dirigieren verdienen muß? Oder ist er etwa doch Profidirigent, weil er Geld damit verdient?
    Oder ist er Amateurdirigent, weil er dirigieren nicht studiert hat (wenn man vom Unterricht bei Bornstein absieht)? Der Dirigent und Komponist Michael Gielen (der sich auch für Mahlers Sinfonien einsetzte) z.B. ist Autodidakt & ein erfolgreicher Selfmade-Dirigent.
    Amateurdirigent kann man also mit Hobbydirigent gleichsetzen. Nur warum wird Kaplan immer als Hobbydirigent bezeichnet, während andere Dirigenten nie als Berufsdirigenten bezeichnet werden? "Dirigent" reicht doch in beiden Fällen.

    mfG
    Michael

  • Ich kenne die Aufnahme. Schlecht ist sie nicht. Wobei schwer zu sagen ist, ob das letztlich an Kaplan oder doch am Orchester liegt.


    Wenn die Aufnahme nicht schlecht ist, wird es sowohl am Orchester als auch am Dirigenten liegen, der das Stück sehr gut kennt und das Ziel verfolgt, Mahlers detaillierte dynamische Vorgaben so authentisch wie möglich umzusetzen. Das unterscheidet ihn etwa von Simon Rattle, der da gerne sein eigenes Ding macht...
    Ich habe Kaplan um das Jahr 2000 mit Mahlers II. im Konzerthaus Berlin erlebt, es spielte das Orchester der Deutschen Oper Berlin, es gab auch einige Patzer und Wackler und am Ende bekam Kaplan auch zwei oder drei Buhs - trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Interpretation viel besser war als 1999 im Großen Festspielhaus Salzburg mit den Wiener Philharmonikern unter Rattle, was damals für mich (trotz des großartigen Spiels der Wiener, aber wegen der Rattleschen Vorliebe für dynamisch-agogische Extreme) einer Hinrichtung dieser wunderbaren Sinfonie gleichkam.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der vermögende Gilbert Kaplan setzt sein Geld nicht für den Kauf einer Yacht ein, sondern investiert in Kultur. Das macht ihn mir sympathisch. Die Konsequenz, mit der er sich für Mahler und die 2. Sinfonie einsetzt, nötigt mir Respekt ab.
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Mir war er immer sympathisch, weil er wusste was er wollte und dies auch erreichte. Damit meine ich nur in zweiter Hinsicht sein Geld, sondern daß er sich den Wunsch Mahlers 2 zu dirigieren erfüllt hat. Natürlich kann man sagen dabei habe ihm sein Geld sehr geholfen, aber allgemein wurden den Aufnahmen eine gute Qualität, und ihm selbst profunde Sachkenntnis zugestanden. Ein sogenannter Laie mit Profiqualitäten. Schade um diesen Musikfreund


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Was mir an Gilbert Kaplan imponiert, ist sein Einsatz für ein einziges Werk, das ihn in seiner Persönlichkeit total ergriffen hatte und für das er sich mit aller Kraft in der Folge einsetzte.


    Ihm haben die Freunde der mahlerschen Musik viel zu verdanken.


    Ich senke mein Haupt


    moderato

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Natürlich kann man safebm davei hat im sein Geld segr geholfen

    Ist das so etwas wie ein Neujahrs-Rätsel? 8-)



    Was mir an Gilbert Kaplan imponiert, ist sein Einsatz für ein einziges Werk, das ihn in seiner Persönlichkeit total ergriffen hatte und für das er sich mit aller Kraft in der Folge einsetzte.

    Ja, finde ich auch, und ganz sicher nicht das schlechteste Werk. :rolleyes:



    Ihm haben die Freunde der mahlerschen Musik viel zu verdanken.

    Ganz meine Meinung!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Mahler's Zweite war eines der "Erweckungswerke", die mich von der Popmusik zur Klassik brachten. Insofern fand ich die Geschichte von Gilbert Kaplans Passion für dieses Werk immer wunderbar. Auch fand ich seine erste Einspielung (die zweite kenne ich nicht) mehr als respektierlich, wenn sie auch nicht die liebsten Aufnahmen verdrängen konnte. Wenn ich über ähnliche Ressourcen verfügt hätte, hätte ich auch gerne so etwas gemacht.


    Gilbert, ich habe Dich immer ein wenig beneidet. R.I.P.