Die Lustige Witwe (Lehár), Hamburger Theaterfabrik, 24.05.15

  • Operette ist eigentlich nicht mein bevorzugtes Genre, aber direkt vor unserer Haustür liegt die Theaterfabrik, die nach langem Leerstand jetzt für einige Zeit als Ausweichquartier der Bühnenklassen der Hochschule für Musik und Theater dient (das Gebäude in Pöseldorf wird renoviert), so dass unser zeitliches Opfer begrenzt war. Außerdem wurde ohne Pause über 90 Minuten durchgespielt. Da es sich bei der Theaterfabrik tatsächlich um die Halle einer ehemaligen Fabrik handelt, mussten natürlich bezüglich der Akustik Abstriche gemacht werden. Das Publikum saß seitlich und frontal zu Bühne, das Orchester war im Hintergrund postiert. Die arenaartig zwischen den Tribünen liegende Spielfläche bestand aus mehreren erhöhten Postamenten, zusätzlich erhielt eine Außentür als Zugang zu einem Zimmer dramaturgische Bedeutung. Die Wände waren schwarz ausgeschlagen, an den Decken hingen mehrere gold- und silberfarbene Kronleuchterimitationen.
    Alles in allem war es eine schöne Ausstattung (Bühne: Lani Tran-Duc), aber die Kostüme: Für Hanna Glawari hatte man sich ein sehr unvorteilhaft aussehendes, wie eine Wurstpelle auf dem Körper sitzendes rotes Kostüm ausgedacht (Kostüme Hannah Barbara Dittrich und Florian Parkitny), welches die Sängerin nur beim Hochreißen der Arme einigermaßen kleidete. Die Spielführung war mir zu exaltiert, die Handlung betonende Körperbewegungen wurden übermäßig eingesetzt, was nicht zur Verdeutlichung beitrug, sondern den Wert der Aufführung eher minderte (Regie: Philipp Himmelmann). Stets war sportliche Leistung gefragt, allein schon um mit Schwung auf die doch recht hohen Podeste zu springen. Außerdem musste jeder zeigen, was er sportlich so konnte, also Salti und ähnliches produzieren. Dennoch war die Handlung kurzweilig anzuschauen und, was die Leistung der Hamburger Symphoniker unter der Leitung von Willem Wentzel betrifft, auch gut anzuhören. Für mich war das Stück wie neu (obwohl ich es, wie ich hinterher nachschaute, schon 2002 mit Hildegard Behrens und 2009 mit Camilla Nylund als Hanna Glawari gesehen hatte), es reihte sich eine schöne Melodie an die andere. Es gab aber einen gravierenden Nachteil, kaum einer der Sänger reichte sprechtechnisch aus, abgesehen von der dänischen Sopranistin Signe Ravn Heidberg, die mit volltönender, mezzogefärbter Stimme die Hanna Glawari sang. Ihr Danilo, der Bariton Zak Njoroge Kariithi, der nach seiner Biographie bereits Mozarts Giovanni gesungen hat, war nicht schlecht, sprachlich aber eingeschränkt. Im Grunde scheint die Operette schwieriger als Oper zu singen zu sein. Man hört alles, mit nichts kann sich der Sänger hinter dem Orchester verstecken oder sich von diesem tragen lassen. Mit schöner Stimme fiel der Bariton Christian Lange auf, leider hatte er als Cascada nur wenig zu singen. Weitere Partien waren mit Axel Wolloscheck (Zeta), Na-Rea Son (Valencienne) und Cheng Li (Rosillon) besetzt.


    Gewiss kann man an eine Hochschulaufführung nicht denselben Maßstab wie an die eines Staatstheaters stellen. Vielleicht ist meine obige Kritik deshalb zu hart geraten. Die jungen Sängerinnen und Sänger waren mit Begeisterung bei der Sache und ich habe mich letztendlich gut unterhalten gefühlt. Unter diesem Aspekt ist die Aufführung, die mit unterschiedlichen Besetzungen noch achtmal bis zum 25. Juni gegeben wird, sehr zu empfehlen.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv