Carl Czerny - Die Streichquartette

  • Neben Benjamin Godard's Quartetten sind meine zweite Entdeckung der letzten Wochen vier Streichquartette von Carl Czerny. Dass Czerny mehr drauf hatte, als Klavieretüden zu schreiben, spricht sich langsam herum und wer mal eine seiner Symphonien gehört hat - dazu gibt es einen eigenen Thread - wird staunen, von welcher Qualität diese sind. Insofern überrascht es letztendlich nicht, dass das auch für seine Streichquartette gilt. Warum Czerny all diese Werke in der Schublade verschwinden liess und offensichtlich gar nicht an einer Publikation oder Aufführung gearbeitet hat, ist eines der vielen Rätsel der Musikgeschichte. Er hatte es wohl finanziell auch nicht nötig, da er durch Klavierstunden und die unzähligen Etüden zu beträchtlichem Reichtum kam.


    Wieviele Quartette Czerny geschrieben hat, ist gar nicht klar, da das vorliegende Material noch gar nicht wissenschaftlich aufgearbeitet ist. Das Booklet spricht von mindestens 20, möglicherweise sogar 40 Werken (!). Dass wäre dann eine Produktion vergleichbar der von Ludwig Spohr. Die vorliegende CD bringt davon 4 jeweils knapp halbstündige Werke, die wohl um 1850 entstanden sind. Czerny bewegt sich in der Klangwelt der Wiener Klassik und Frühromantik, aber schreibt sehr ansprechende und zumindest für mich hörenswerte Musik. Gleich das erste Quartett in a-moll kann in allen vier Sätzen vollauf überzeugen. Es schürft vielleicht nicht ganz so tief wie das Rosamunde-Quartett von Schubert in der gleichen Tonart, aber es ist auch keine Welten davon entfernt.


    Das Sheridan Ensemble ist eine 2007 von Cellistin Anna Carewe ins Leben gerufene Kammermusiktruppe, die sich in unterschiedlicher Besetzung einer breiten Auswahl an Kammermusiken widmet. Für diese Streichquartette finden sich Yuki Kasai, Matan Dagan, Florian Donderer und die Gründerin ein. Ihr Zusammenspiel auf modernen Instrumenten ist makellos, transparent und kernig. Die Doppel-CD wird zu einem attraktiven Preis angeboten.

  • Darauf bin ich aber sehr gespannt! Es ist erstaunlich, welcher musikalische Reichtum sich in dieser Zeit findet, wenn man abseits der großen Namen ein wenig in der Musikgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts stöbert ...

  • Die Aufnahme der Czerny-Quartette haben mich sehr positiv überrascht. Sie sind tatsächlich frühromantische Musik, die mit einigen klanglichen Überraschungen aufwartet.



    Auf jeden Fall wird diese Überraschung eilen, wer Carl Czerny nur aus den niedlichen oder etwas virtuoseren musikalischen Kleinodien der Klavierübungsliteratur kennt. Ich habe mich als Schüler jedenfalls gefreut, mit Czerny nicht nur technische Studien, sondern wirklich kleine Charakterstücke üben zu können - das ist wirklich Musik, was man ja von Etüden leider nur selten behaupten kann.


    Weit darüber hinaus gehen die eingespielten vier Streichquartette. Man kann den Anspruch hören, den der Komponist selbst dabei gehabt hat. Die Quartette sind wirklich hervorragend gearbeitet, ein echter kammrmusikalischer Satz klingt hier. Hätte ich raten müssen, hätte ich die Entstehungszeit freilich doch 20 Jahre früher geschätzt. In den in den 1850er Jahren entstandenen Quartetten von Czerny klingt keinerlei Nähe zu Brahms an (zugegeben: dessen Quartette entstanden später), sondern eher eine zu Mendelssohn und Schubert. Stilistisch ist das eher frühe Romantik - was dem Hören freilich keinen Abbruch tut. Zu Czernys Lebzeiten sind die Quartette nicht erschienen - sie hätten dessen Image als Klavierpädagoge sicher auf interessante Weise erweitert.


    Allein: Von einer "Gesamteinspielung" kann eigentlich keine Rede sein. Angeblich gibt es 20 oder gar 40 Streichquartette Czernys; hier handelt es sich eher um eine Gesamteinspielung der bisher bekannten Quartette. Nun denn: Eine Entdeckung ist es allemal, und zwar eine positive. Die 4 Musiker spielen überzeugend und liefern ein klares Plädoyer.

  • Der Thread machte mich auf diese Aufnahme von 4 Streichquartetten Carl Cernys aufmerksam. Sie wurden im September von mir bestellt. Erst heute habe ich in die ersten beiden Quartette hineingehört und fand sie äusserst interessant. Sie sind gelegentlich ein wenig melancholisch, introvertiert und stellenweise sogar dramatisch oder "geheimnisvoll", niemals süsslich oder auch nur gefällig. Liebliche Stellen sind zwar vorhanden, indes recht zurückhaltend, was sie aber umso wirkungsvoller macht.
    Czerny hat keines seiner Streichquartette jemals veröffentlicht, worüber heute noch über die Gründe spekuliert wird. Persönlich vermute ich, daß er einerseits den Giganten Beethoven im Nacken fühlte , und ein vielleicht ablehnendes zeitgenössisches Publikum vorausahnte. In Sachen Musik für Piano solo galt er als anerkannte Autorität, und war unangefochten. Warum also experimentieren?
    Wie dem auch sei - die hier vorgestellten Streichquartette sind eine Bereicherung für das Repertoire und ich hoffe, daß weitere Editionen erscheinen mögen, denn für das Archiv sind diese Kompositionen zu schade.


    Ich habe mich entschlossen, die ersten beiden Quartette ein zweites mal zu hören, und mir die beiden anderen für eine weitere Hörsitzung aufzuheben. War ich beim ersten Mal hören sehr interessiert, so war ich beim wiederholten Hören schlechtwegs begeistert!!!


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !