Alex Ross, The Symphony, Unfinished

  • Die Zahl der Sinfonien ist unabsehbar. Wenn ich daran denke, dass ich die klassischen Sinfonien doch zumeist kenne, sogar alle 105 Haydn - Sinfonien, ist die Zahl der unbekannten noch viel größer (Telemann soll über 1000 Ouvertüren = Sinfonien verfasst haben!) Ich bewundere meine Kollegen , wenn sie die Sinfonien aus der 2. Reihe hier besprechen. Wagner hatte ja den Tod der Sinfonie ausgerufen, aber nach der 9. von Beethoven war durchaus nicht Schluss. Schönberg hatte gesagt, dass jeder sterben müsse, der über die 9 hinausging - was auf Mahler ja zutraf. Die Stille hielt nicht lange. Dies hat jetzt Alex Ross, mein Lieblingsmusikkritiker (THE NEW YORKER) in der letzten Ausgabe beschrieben. Da der NEW Yorker hier wohl nicht so verfügbar ist, gebe ich eine verkürzte Darstellung dessen, was Alex Ross ("The Rest Is Noise") ausgegraben hat.
    Schostakowitsch: 15; Havergal Brian: 32; Alan Hovhaness: 67; Leif Segerstam: 286 (!). Auch die Dauer ist nicht mehr beschränkt. Havergal Brian, Gothic Symphony: 2 Stden., Kaikhosru Sorabji, "Jami Symphony": 4,5 Stunden, Dimitrie Cuclins 12.: sechs Stunden. Diese beiden harren noch der Aufführung.
    Ross konstatiert, dass die modernen Sinfonien "tonal in operation and spacious in design" sind und damit der Landschaftsmalerei vergleichbar. Nicht so spacious ist die "Spring Symphony" von Michael Wolters: 16 Sekunden.
    Neue Komponisten, denen sich Ross zugewandt hat, heißen Andrzej Panufnik, Edmund Rubbra und Eduard Tubin, dazu noch William Schumann. Die Besprechungen der einzelnen Sinfonien und ihre Aufnahmen überspringe ich jetzt. Zu erwähnen wäre noch Gloria Coates (6 Sinfonien) und Robert Simpson (1921-1997, 11 Sinfonien), von denen eine Reihe noch nie aufgeführt worden sind und nur auf CD verbreitet werden.
    Fazit: da hat ein Musikkritiker über mehr als ein Jahr eine Herkulesaufgabe gestemmt, um unser Weltbild zu erweitern.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ist es tatsächlich so, dass Simpsons Sinfonien noch nicht komplett im Konzertsaal aufgeführt wurden? Das erstaunt mich. Die Werke sind nun alles andere als extrem in der Anlage - zugänglich, im Umfang moderat, mit konventionellen Mitteln aufführbar, schlüssig, stringent, einen klaren Personalstil erkennen lassend.


    Robert Simpson: Die 11 Sinfonien


    Ansonsten ein möglicherweise sehr interessanter Einstieg, werter Doc!


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich bewundere meine Kollegen , wenn sie die Sinfonien aus der 2. Reihe hier besprechen.


    Danke, ich nehme das mal als Kompliment. Ich gebe zu, dass ich in diesem Bereich einen sehr großen Appetit habe. Aber ich stelle in letzter Zeit auch fest, dass die ewige Jagd nach Neuausgrabungen ein großes Problem schafft. Man hört die neuen Symphonien ein-, zwei-, dreimal, um sich eine Meinung zu verschaffen und dann wendet man sich der nächsten zu. Das ist - um mal ein Modewort zu verwenden - nicht sehr nachhaltig. Ich könnte von einigen Symphonien, über die ich vor ein, zwei Jahren hier geschrieben habe, kaum noch in Erinnerung rufen, wie die geklungen haben. Das gilt natürlich auch für die eine oder andere klassische Symphonie, aber ich würde sie zumindest recht schnell wieder erkennen und zuordnen können. Bei den Symphonien von Nystroem oder Milhaud oder Panufnik vermutlich nicht. Die Zahl der Musikwerke auf die man sich näher einlassen kann, ist doch irgendwie auch begrenzt.


    Ist es tatsächlich so, dass Simpsons Sinfonien noch nicht komplett im Konzertsaal aufgeführt wurden?


    Ich glaube zu erinnern, dass die 6. und 7. Symphonie auch gar nicht für den Konzertsaal sondern tatsächlich für den Kofhörer-Hörer zu Hause auf dem Sofa geschrieben wurde. Etwas ähnliches stand jedenfalls im Booklet.


    Die Artikel von Alex Ross habe ich auch immer mit Gewinn gelesen, hier ist er online verfügbar.