Kritikerumfrage 2015 der „Opernwelt“: Oper Stuttgart dreifach prämiert

  • Wie vermutlich nur wenige wissen, werde ich von diversen deutschen Opernhäusern (noch) via e-mail-Verteiler über die wichtigsten Ereignisse an den jeweiligen Häusern informiert, und so er hielt ich auch diese Presseaussendung:


    Zitat

    Die Oper Stuttgart freut sich über gleich drei Auszeichnungen im Jahrbuch 2014/15 der Fachzeitschrift „Opernwelt“: Die Stuttgarter Neuproduktion Jakob Lenz (Musikalische Leitung: Franck Ollu, Regie: Andrea Breth) von Wolfgang Rihm wurde mit dem Titel „Aufführung des Jahres“ prämiert. Der österreichische Bariton Georg Nigl wurde für seine Interpretationen der Titelpartie in Jakob Lenz mit dem Prädikat „Sänger des Jahres“ ausgezeichnet. Das Kritikervotum in der Kategorie „Wiederentdeckung des Jahres“ fiel auf die Oper Berenike, Königin von Armenien (Il Vologeso) des Stuttgarter Hofkapellmeisters Niccolò Jommelli (Musikalische Leitung: Gabriele Ferro, Regie: Jossi Wieler und Sergio Morabito).

    Intendant Jossi Wieler: „Ich freue mich sehr über das Kritikervotum für Jakob Lenz als ‚Aufführung des Jahres‘, da diese Produktion aufs Beste die Relevanz der Kunstgattung Oper belegt, mit all ihrem ästhetischen und künstlerischen Vermögen Belange von existentieller Bedeutung zu verhandeln. Mein Dank und meine Gratulation geht an alle, die an dieser Produktion auf und hinter der Bühne beteiligt waren. Georg Nigl gelang im engen Zusammenwirken mit der Regisseurin Andrea Breth und dem Dirigenten Franck Ollu ein bewegendes und zutiefst bestürzendes Rollenporträt des Jakob Lenz. Er ist ein Ausnahmekünstler, der sich schonungslos den Tiefen und Untiefen dieser Figur ausliefert.


    Ich bin glücklich, dass ein Werk wie Berenike, Königin von Armenien (Il Vologeso), das 250 Jahre in Vergessenheit geraten war, in unserer Inszenierung mit solch herausragenden Sängerdarstellern, wie sie im Stuttgarter Solistenensemble versammelt sind, auf diese Weise gewürdigt wird. In erster Linie ist dies dem Chefdramaturgen der Oper Stuttgart, Sergio Morabito, zu verdanken, auf dessen Initiative hin Jommellis Werk diese Neubetrachtung erfahren hat.“


    Der Text war etwas länger - und zudem wurden freundlicherweise 2 Szenenfotos beigefügt - die hier allerdings nicht veröffentlicht sind. Man kann sie sicher im Internet ergoogeln.


    Es ist schon beeindruckend - wenn EIN Opernhaus - für seine Leistungen so vor den Vorhang geholt wird. Der Sachverstand und der gute Geschmack, deutscher Opernschaffender und Kritiker ist ja geradezu legendär - und man kann hier nur - völlig neidlos - bewundernd nicken. Ich würde allerdings gerne die Kritiker näher kennenlernen - dazu vielleicht später mehr von meiner Seite.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Die Jommelli-Inszenierung schaut ja gar nicht soo abwegig aus.
    :pfeif:


    Na ja ......
    Ich will hier gar keine Bewertung abgeben - ausser, daß ein eher mildes Urteil "schaut gar nicht so abwegig aus" mir von der Qualitätsstufe für eine "Prämierung" doch noch einigermaßen entfernt scheint.
    Aber um das soll es hier ja gar nicht gehen. Man bezieht sich immer wieder auf Kritiker, die ein Werk, eine Aufführung eines Konzerts, eine Inszenierung oder einen Film über alle Maßen loben. Und insgeheim fragt man sich, welchen generellen Geschmack diese Kritiker doch haben.


    Jemand, der über jeden Verdacht des Parteiisch-Seins erhaben ist hat uns sein Kritikerbild in Form eines Videos hinterlassen, das sich - welch unvorhersehbarer Zufall - mit meinem persönlichen Bild doch einigermaßen deckt.
    Vicco von Bülow hat hier ein IMO sehr realistisches Bild von Filmkritikern gezeichnet, das sich auf andere Bereiche der Kunst mühelos übertragen lässt:


    Voila:



    Nach mehrfachem eingehenden Genuss dieses Kurzvideos wird sich die Frage - warum so viele Auszeichnungen vergeben werden, deren Ursache wir nicht verstehen - nicht mehr stellen, bzw. von selbst beantworten.
    Und wir - von Kunst und Kultur unbelekten Laien - werden nicht mehr fragen: "WARUM" sondern wir können jetzt mit Fug und Recht sagen: "AHA" - Weil alle bisherigen Zweifel jetzt ausgeräumt sind...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kenne zwar die Stuttgarter Oper nicht, aber unter dem, was in den letzten Jahren von dort im Fernsehen übertragen wurde, war nichts Gescheites. Die Kritiker sind aber immer noch in dem modische Irrglauben befangen, dass es ohne Verunstaltungen nicht mehr geht. Nur einige wenige von ihnen haben bisher erkannt, dass das eine Sackgasse ist, und wagen inzwischen in ehrlichere Kritiken. Auf diese Krönungen gebe ich schon länger nichts mehr.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Mit persönlich geht es ja bei diesem Thread nicht in erster Linie um die Stuttgarter Oper an sich -
    sondern um die Persönlichkeiten von Kritikern. Hier orte ich subjektiv eine "Wesensverwandtschaft" mit den RT-Machern.
    Somit ist zu hinterfragen welchen Aussage- und Beurteilungswert solche Auszeichnungen überhaupt haben.
    Wenn man oft liest, Opernhäuser, wie die Wiener Staatsoper seien aus "internationaler Sicht" "nicht interessant" -
    weil nicht experiomentierfreudig, links und progressiv, so ist das in meinen Augen ein "no go" für die Kritiker - und die Zeitungen die vertreten - und ich boykottiere diese Medien um nicht Geld zu meinen Feinden zu tragen.
    Solche Auszeichnungen sind ja in vielerlei Hinsicht gefährlich, suggerieren sie "Otto Normalverbraucher" doch Qualität, wo oft gar keine ist. Es erinnert mich an die Aussagen von Unternehmern, die immer wieder den Leuten einreden, der Abbau von Sozialleistungen würde "Arbeitsplätze sichern" - um sie dann umso gezielter einzusparen.
    Ebenso wie das ewige Jammern um "qualifizierte Fachkräfte", die es angeblich nicht gibt. Es gibt sie - aber in Wahrheit werden "qualifizierte Fachkräfte" gesucht, die nahezu umsonst arbeiten oder/und das unternehmerische Risiko durch üble Tricks auf sich abwälzen lassen......


    Das scheint hier eine grobe Thremenabweichung zu sein - aber es ist keine, sondern ein einleuchtendes Vergleichsbeispiel aus einem Bereich (Arbeitswelt), den fast jeder Kennt, der deutlich machen soll, was mediale Kritiker- und "Expertenaussagen" für einen Stellenwert haben - und vor allem WARUM sie gemacht werden....


    Bei allem Ernst des Themas möchte ich erneut auf den Loriot-Clip in Beitrag Nr 3 hinweisen, der nicht nur entlarvend, sondern auch sehr unterhaltsam ist.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mich interessiert das RT zwar nicht, aber natürlich kann man argumentieren, warum etwas Regietheatralisches ganz toll ist, wenn man die Prämissen des RT akzeptiert. Das Problem ist mE die Ausschließlichkeit, mit der das RT gelobt und zugleich der Rest als kitschig abgetan wird. Immerhin ist die Presse in Österreich eine Zeitung, in der das nicht geschieht. Aber sogar im Standard wurde vor einiger Zeit ein Schenk-Rosenkavalier gelobt. Und wenn der ausgezeichnete Jommelli gar nicht so abwegig ausschaut, ist das für mich ein Grund zur Freude, nicht weil er meinen Erwartungen an eine Jommelli-Inszenierung entspricht, sondern weil die Kritiker-Scheuklappen nicht mehr so eng geschnürt scheinen.