Vasco da Gama (Die Afrikanerin) in einem kindischen Papierschiffchen

  • Weil in dem Thema "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen" die Kommentare schon weit über die von Alfred geforderte Regel, nur die szenische Idee vorzustellen, und dabei nur Bühne und den Verunstalter zu nennen, in diesem Fall weit hinausgegangen wurde, will ich meinen Kommentar in einem eigenen Thema dazu geben.
    Für mich ist es tatsächlich eine mehr als blöde und überaus absurde Idee, wenn dem Regisseur und Bühnenbildner nichts Besseres einfällt, als ein Szenenbild zu schaffen, dass wie ein Papierschiffchen aussieht. Sind die Bühnenbildner nur noch in der Lage, Papierschiffchen herzustellen? Will man denn auf den deutschen Bühnen das Publikum nur noch mit solchen Kindereien versch..ßern Ich gebe Mme Cortese Recht, dass sie sich von so etwas nicht versch..ßern lassen will und würde selbst keinen Cent für solch eine Inszenierung ausgeben wollen. Ich kenne glücklicherweise "Die Afrikanerin" (bzw. "Vasco da Gama") aus einer sehr schönen Inszenierung und frage, warum eine solche Oper heute nicht mehr realistisch dargestellt werden darf. Ich habe nichts gegen gewisse Abstrahierungen im Bühnenbild, aber so etwas ist doch nun übertrieben lächerlich. Auch wenn die Leistungen des Orchesters und der Sänger nach der Meinung von Stimmenliebhaber durchaus gut gewesen sein mögen, würde mir, der ich eine Inszenierung als Harmonie von Bild und Ton ansehe, allein schon dieses Bild jeden Geschmack verderben.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da sich die Ideen zur Zeit bei den Regisseuren weiter vererben (siehe die schon mehrfachen Inszenierungen von Opern in Kranken- und Irrenhäusern, im Zirkus usw. die mit der Oper überhaupt nichts zu tun haben) dürfen wir uns künftig wohl auch über den Fliegenden Holländer (der schon in Bayreuth mit einem winzigen Ruderböotchen inszeniert wurde), den "Korsar" von Verdi oder - noch besser "Tristan und Isolde" im Papierböotchen "erfreuen". Einfach "grandios"!
    Sogenanntes "Regietheater", nein danke.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Kein Wort zu der Aufführungsfassung des Werkes, die doch wohl auf der historisch-kritischen Edition von Jürgen Schläder basiert?
    Kein Wort zu der Qualität der musikalischen Interpretation?
    Kein Wort zu den Leistungen der Sänger?


    Das scheint mir ärmlicher als die kritisierten Papierschiffchen!
    Zum Glück werde ich mir kommende Woche mein Urteil selber bilden können!


    In Chemnitz hat mich vor zwei Jahren das Werk, von dem man bisher ja nur den von François-Joseph Fétis erstellten Torso hat hören können (wenn überhaupt), sehr begeistert.
    Ich bin gespannt, wie es im Haus an der Bismarckstraße klingt!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Das scheint mir ärmlicher als die kritisierten Papierschiffchen!


    ... und die Frage stellt sich ganz unbefangen: Ist das nun eine "absurde und lächerliche Inszenierungsidee" oder nicht eher eine absurde und lächerliche Tamino-Diskussion, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist? Für letzteres spricht, dass sich die Taminos hier schamhaft mit Äußerungen zurückhalten und die Zahl der Klicks sehr mäßig ist. ?(

  • Es war ja klar, dass sich der "unglaublich operninteressierte" Dr. Kaletha auch hier einklinken musste.
    Und ja, lieber Caruso, soweit haben es die RT- Regisseure gebracht: Man ist gar nicht mehr bereit, sich auf ein durch sie entstelltes Werk durch einen Besuch der Aufführung näher einzulassen! Ein leider trauriges Faktum, das sich immer mehr in den Besucherstatistiken niederschlägt.

  • ... und die Frage stellt sich ganz unbefangen: Ist das nun eine "absurde und lächerliche Inszenierungsidee" oder nicht eher eine absurde und lächerliche Tamino-Diskussion, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist? Für letzteres spricht, dass sich die Taminos hier schamhaft mit Äußerungen zurückhalten und die Zahl der Klicks sehr mäßig ist. ?(


    Nun gut, ich denke, da diese Inszenierung keiner kennt, können sich auch wenig dazu äußern, außerdem ist Meyerbeer für die meisten höchstens dem Namen nach bekannt. Ich finde es erstmal sehr gut, dass die Deutsche Oper sich auf Meyerbeer besinnt und nach der konzertanten Dinorah mit dem Vasco nun so richtig begonnen hat. Morgen bin ich selbst dabei , deshalb enthalte ich mich vorerst, ich denke, regielich gibt es Licht und Schatten, aber wichtig ist für mich die Wiederbelebung von Meyerbeer auf der deutschen Bühne. Ich reduziere die Inszenierung jedenfalls nicht auf das genannte Schiffchen, sondern gehe völlig unvoreingenommen dahin. Bis bald wieder hier.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Wie man aus einem einzigen Szenenfoto den Schluss ziehen kann, da sei eine Oper entstellt worden, ist mir rätselhaft. Und dass a) Besucherzahlen sinken und b) dies auf "Entstellungen" von Opern durch Regisseure zurückzuführen wäre, ist eine bloße Legende, jedenfalls habe ich noch keine Belege dafür gesehen.


    Zu diesem Thread: da empört sich einer, weil er es nun mal gerne tut. Den Einschätzungen von Caruso und Holger habe ich nichts hinzuzufügen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nun gut, ich denke, da diese Inszenierung keiner kennt,

    Ich habe die Inszenierung gestern bei der Premiere gesehen und bin sehr gerne bereit, darüber mit Leuten zu diskutieren, die sie auch gesehen haben.



    Morgen bin ich selbst dabei , deshalb enthalte ich mich vorerst, ich denke, regielich gibt es Licht und Schatten, aber wichtig ist für mich die Wiederbelebung von Meyerbeer auf der deutschen Bühne. Ich reduziere die Inszenierung jedenfalls nicht auf das genannte Schiffchen, sondern gehe völlig unvoreingenommen dahin. Bis bald wieder hier.

    Also vielleicht schon morgen bzw. übermorgen mit dir.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Zitat von Timmiju: Ich finde es erstmal sehr gut, dass die Deutsche Oper sich auf Meyerbeer besinnt und nach der konzertanten Dinorah mit dem Vasco nun so richtig begonnen hat.


    Ehe man ein solches Meisterwerk auf diese Art verkitscht, sollte man es doch lieber bleiben lassen. Schade für Meyerbeer!!


    Liebe Grüße
    Gerhard

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  • Zitat

    Zitat von Caruso41: Kein Wort zu der Qualität der musikalischen Interpretation? Kein Wort zu den Leistungen der Sänger?


    Hier ging es weder um die musikalische Interpretation noch um die Leistung der Sänger, sondern lediglich um die Stellungnahme zu der Inszenierung, die uns unter "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen" von Mme Cortese vorgestellt wurde, weil es dort nach den Regeln, die Alfred nach Wiederzulassung des lange Zeit wegen persönlicher Auseinandersetzungen gesperrten aufgestellt hat, keine Stellungnahmen mehr abgegeben werden sollen.


    Die (für mich dumme) Frage, wie man aus einem Bild auf die Verunstaltung einer Oper schließen kann, wurde schon häufiger gestellt. Diejenigen, die so fragen, sind wohl noch nie von einem Bild ergriffen bzw. abgeschreckt worden, die wir - auch in anderen Bereichen - überall zu sehen bekommen. Ein Bild sagt mehr als tausende Worte. Ein Opernfreund, der die Oper als musikalisches Werk zur entsprechenden Darstellung auf der Bühne (also Ton und Bild als Einheit) sieht, wird von solch einem Szenenfoto, wie M.Joho richtig sagt, abgeschreckt und wird sich solch einen lächerlichen Schund nicht antun. Was kann man denn nach so einem schwachsinnigen Szenenfoto überhaupt noch von der Inszenierung erwarten?
    Wenn die Oper nicht für die dem Werk entsprechende Inszenierung vorgesehen wäre, könnte man die Opernhäuser abschaffen und nur noch konzertante Aufführungen im Konzertsaal durchführen. Wenn heutige Regisseure es nicht mehr verstehen, Opern libretto- und handlungsgerecht zu inszenieren, - ich könnte es zwar auch nicht, aber ich bin ja auch kein ausgebildeter und hochbezahlter Regisseur -, dann sollte man wirklich dazu übergehen, das Musikwerk in den Konzertsaal zu verlegen anstatt es in kindischen Papierschiffchen zu zeigen.


    Lieber M.Joho,


    wenn du als Professor, der "auf dem Boden geblieben" ist, die Stellungnahme eines "unglaublich Interessierten" liest, störe dich nicht daran. Diese Beiträge übergehe ich einfach.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die (für mich dumme) Frage, wie man aus einem Bild auf die Verunstaltung einer Oper schließen kann, wurde schon häufiger gestellt. Diejenigen, die so fragen, sind wohl noch nie von einem Bild ergriffen bzw. abgeschreckt worden, die wir - auch in anderen Bereichen - überall zu sehen bekommen. Ein Bild sagt mehr als tausende Worte. Ein Opernfreund, der die Oper als musikalisches Werk zur entsprechenden Darstellung auf der Bühne (also Ton und Bild als Einheit) sieht, wird von solch einem Szenenfoto, wie M.Joho richtig sagt, abgeschreckt


    Diese (für mich unglaublich dumme und bornierte) Antwort übergeht zum einen die Tatsache, dass Bühnenwerke aus mehr als einer Szene, einem Bild bestehen, und zum andern, dass sie als Gesamtkunstwerke sogar aus mehr als nur aus Bildern bestehen (Caruso41 hat in Beitrag Nr. 3 ja schon darauf hingewiesen). Da man wohl davon ausgehen kann, dass es nicht so leicht eine wirklich perfekte Inszenierung geben wird – irgendwas lässt sich vermutlich immer kritisieren –, scheint es mir recht leichtfertig (oder blind oder ignorant oder ...), das Wohl und Wehe einer Inszenierung an einem einzigen Bild festzumachen. Mit gleichem Recht müsste man eine Aufführung dann von vornherein abqualifizieren, wenn etwa das Orchester eine Wagner-Oper mit Stahl- statt mit Darmsaiten spielt oder wenn ein Sänger nicht die von der Rolle geforderte Statur hat. Nein, ein bisschen mehr Differenzierungsvermögen ist da schon gefordert.

  • Lieber Herr Stockert,


    Dass Sie sich als ebenso "überaus interessierter Opernkenner" hier melden würden, hatte ich erwartet. Sie haben einen Satz übersehen, den ich hier noch einmal wiederhole

    Zitat

    Was kann man denn nach so einem schwachsinnigen Szenenfoto überhaupt noch von der Inszenierung erwarten?

    Wie kann eine solche Inszenierung gut sein, wenn man solchen Schwachsinn integriert? Für mich lassen solche Fotos durchaus auf die Art der gesamten Inszenierung schließen, auch wenn Sie das für sich ableugnen.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Hier ging es weder um die musikalische Interpretation noch um die Leistung der Sänger, sondern lediglich um die Stellungnahme zu der Inszenierung, die uns unter "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen" von Mme Cortese vorgestellt wurde, [...] Ein Opernfreund, der die Oper als musikalisches Werk zur entsprechenden Darstellung auf der Bühne (also Ton und Bild als Einheit) sieht, [...]


    Und genau an diesem Widerspruch krankt der ganze unsägliche "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen"! Wird dort doch ständig nichts anderes versucht, als durch die vollkommene Dekonstruktion der Argumentation mittels Reduktion auf ein einziges Bild die Dekonstruktion des gesamten Werkes durch den jeweiligen Reggisseur zu "beweisen". Mithin fällt einem also nichts besseres ein, als sich gerade der so vehement angeprangerten Waffen des Feindes zu bedienen ... :hahahaha:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von M.Schenk: Wird dort doch ständig nichts anderes versucht, als durch die vollkommene Dekonstruktion der Argumentation mittels Reduktion auf ein einziges Bild die Dekonstruktion des gesamten Werkes durch den jeweiligen Reggisseur zu "beweisen".


    Dass den Befürwortern des Verunstaltungstheaters der "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen" ein "Dorn im Auge" ist, ist verständlich. Natürlich ist daher auch zu erwarten, dass sie ständig mit denselben Argumenten dagegen schießen werden. Aber gerade deshalb sollten wir nicht aufgeben, in diesem Thema weiterhin solche Absurditäten und Lächerlichkeiten an den Pranger zu stellen.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Nachdem ich durch Einstellen des Fotos diese Diskussion losgetreten habe, möchte ich hier eine Premierenkritik aus dem Magazin "Oprea Lounge" nachschieben, die zumindest mir zeigt, dass meine Skepsis angesichts der bereits vor der Premiere veröffentlichten Fotos durchaus berechtigt war:


    http://operalounge.de/


    Da ich nicht in Berlin wohne, hätte ich für diesen Murks An- und Abreise, Hotelübernachtung sowie das Ticket bezahlen müssen, und dazu habe ich wirklich keine Lust, auch wenn mich die Oper als solche schon interessiert hätte. Da wird die DOB bis zum Winter auf mich warten müssen zu den konzertanten Aufführungen von "La Favorite" (mit Garanca und Calleja) Und "I Capuleti ed i Montecchi"(mit Joyce di Donato).


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Lieber Herr Stockert,

    Ich sage bei so etwas ja gerne: »Für Sie immer noch Du, bitte!« Ich dachte, das Sie sei hier unüblich.



    Dass Sie sich als ebenso "überaus interessierter Opernkenner" hier melden würden, hatte ich erwartet.

    Ein paar wenige Opern habe ich in meinem Leben ja schon gesehen, aber mich als »Opernkenner« zu bezeichnen empfände ich als lächerlich – und es war von Dir ja auch nicht so gemeint (zumindest in diesem Punkt scheinen wir uns zu verstehen). Allerdings habe ich – vor allem durch das Mitlesen in diesem Forum – doch angefangen, ernsthafteres Interesse und vielleicht sogar ansatzweises Verständnis dafür zu entwickeln. Wenn ich das bisher noch nicht vertieft habe, so liegt es vor allem an der fehlenden Zeit. Vielleicht wird das im Verlauf des nächsten Jahres besser, wenn ich den Ruhestand antrete.



    Sie haben einen Satz übersehen, den ich hier noch einmal wiederhole

    Wie kann eine solche Inszenierung gut sein, wenn man solchen Schwachsinn integriert? Für mich lassen solche Fotos durchaus auf die Art der gesamten Inszenierung schließen, auch wenn Sie das für sich ableugnen.

    Natürlich habe ich das gelesen und darauf bezog sich auch meine Antwort, auch wenn es mir nicht gelungen zu sein scheint, das verständlich zu machen.

  • Dass den Befürwortern des Verunstaltungstheaters der "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen" ein "Dorn im Auge" ist, ist verständlich.


    Ach nein, das ist ein groteskes Missverständnis. Grundfalsch ist schon einmal die Bezeichnung »Befürworter«, schließlich geht es überhaupt nicht darum, jede Inszenierungsidee zu befürworten, sondern nur um die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, und zwar eben gerade nicht in der Form einer Vorverurteilung, wie ich das bei Dir erlebe, sondern ergebnisoffen. Und der »Dorn im Auge« besteht dann für mich keineswegs darin, dass es diesen Sammelplatz gibt, sondern allenfalls in der Art und Weise, wie hier im Forum von Dir »argumentiert« wird. Das hat ja nun mit Musik nur indirekt zu tun und deshalb fühle ich mich auch berechtigt und halbwegs kompetent, da mitzureden, auch ohne dass ich von Oper viel verstehe.

  • Zitat

    Gerhard Wischniewski: Für mich lassen solche Fotos durchaus auf die Art der gesamten Inszenierung schließen, auch wenn Sie das für sich ableugnen.


    Lieber Gerhard!


    Wie du mal wieder Recht hattest und ich dies schon vorher ahnte! Es waren doch bloß die Papierschiffchen...! X(:thumbdown:

    W.S.

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  • Es gibt zwei Kritiken im Netz zu lesen:


    http://www.br.de/radio/br-klas…lin-deutsche-oper100.html


    http://www.tagesspiegel.de/kul…nach-indien/12409654.html


    Die beiden durchaus gegensätzlichen Rezensionen werfen folgende Fragen auf: Ist Meyerbeers Oper wirklich ein "Meister"-Werk der Gattung Oper oder nicht vielmehr opulenter Kitsch? Und wenn Letzteres zutrifft, wäre dann nicht zu sagen: Wenn es im 19. Jhd. schon die Gattung "Musical" gegeben hätte, würde man diesen Monumentalschinken wohl entsprechend als aufwendiges "Spektakel" auf der Bühne mit eher seichtem Inhalt ansehen. Die Bewertung der Regieleistung hängt - wenn man sie wirklich seriös vornimmt - wohl nicht zuletzt von der Beantwortung dieser Grundfrage ab: Ist diese Oper nun hohe Kunst oder nicht eher unterhaltsamer Kitsch? Im Kitschfall befindet sich der Regisseur heute dann allerdings ganz objektiv in einem Dilemma. Er steht vor der kaum lösbaren Aufgabe: Wie tappt man nicht in die Kitschfalle, wenn das "Objekt" der Inszenierung im Grunde Kitsch ist? Die Gefahr ist, dass das Regieschiff statt im 19. Jhd.-Kitsch im Kitsch von heute landet. Sollte man sich dieser Problematik nicht erst einmal stellen, statt das üblichen Gezänk ums Regietheater ziemlich unbedarft anzuzetteln?


    Auch das Rätsel der Papierschiffchen klärt sich vor diesem Hintergrund ein wenig auf. Die Regisseurin wollte anscheinend der Kitschfalle entgehen, die Oper wie ein Mucical oder wie Seeräuberromantik aus Hollywood zu inszenieren mit Wanten, Säbeln und Kanonenkugeln. Meyerbeer ist weder Bollywood noch Hollywood, will sie wohl sagen und setzt den Helden wenig realistisch und dafür symbolisch in ein Papierschiff. Das ist nun alles andere als kindisch oder gar absurd (=sinnlos) - verlangt allerdings ein Publikum, was noch nicht von der Krankheit des Stumpfsinns befallen ist und Fantasie hat. Ein Papierschiffchen läßt man auf die Wasserfläche ins Ungewisse segeln um von der Ferne zu träumen. Der Held sitzt in einem übergroßen Papierschiffchen - also in einem Traumschiff, segelt so nicht in der Welt, sondern in seinem Traum. Das ist nicht absurd, sondern eine Aussage! Und dem Bühnenbildner gefällt das, weil er das Papierschiff wie ein Bildhauer abstrakt betrachtet: als geometrische Skulptur, die man schön verformen kann mit Wiedererkennungsfaktor. Was ist daran so lächerlich? Oder anders gefragt: Warum sind die ach so realistisch echten "Modell"-Kulissen mit Pseudo-Wanten und Gallionsfigur eigentlich weniger kindisch bzw. gegen den Lächerlichkeitsverdacht immun? Sind das nicht vielmehr die Fantasien von erwachsenen Männern, die mit der Modelleisenbahn spielen und verkitschten Romantikern, die ihre Gartenzwerge über alles lieben?


    Schöne Grüße
    Holger

  • Interessant was für eine Resonanz eine den meisten völlig unbekannte Oper in dieser ebenfalls allgemein unbekannten Neuinszenierung an der DOB hat. Aber es ist ganz gut, dass die Deutsche Oper Berlin in diesem Forum mal stattfindet und auch der im 19. Jahrhundert bis in die zwanziger Jahre gefeierte Giacomo Meyerbeer. Leider hat er nach der Verbannung von der Bühne im Dritten Reich anschließend nicht annähernd wieder zu dieser Bedeutung gefunden. Nun war ich gestern beim Vasco da Gama dabei, mir hat diese Inszenierung gefallen. Auch offenbar dem Großteil des Publikums. Dieser Thread hat als Aufhänger dieses Papierschiffchen, was als Symbol gedacht ist. Die dazu gegebene Erläuterung von Holger Kaletha teile ich voll und ganz und muss sie nicht wiederholen. Natürlich ist das alles Regietheater. Aber es bedarf ja auch einer Regie, um über 4 Stunden Handlung, wo nicht immer viel passiert, darzustellen und das Publikum nicht zu langweilen. Das ist der Regisseurin Vera Nemirova, die keinen einfachen Job hatte, gelungen. Man kann das so machen, wie sie es getan hat, natürlich kann man es immer auch anders tun. Das Bühnenbild ist interessant, eine große Weltkarte als Podium, die sich aber auch aufstellen lässt, im Hintergrund mit Segeln bestückt wird oder zur Kuppel gerät. Im 4. Akt versucht sie, dieses Fantasie-Indien, das der Komponist hatte, authentisch werden zu lassen, mit buntem Blütenteppich und indischer Kostümierung, das empfinde ich nicht als Kitsch. Dass die Flüchtlingsproblematik sich Ende des 1. Aktes ganz kurz wiederfindet, ein Zugeständnis an die "political correctness", unnötig, aber es hat auch nicht gestört. Und später, die Erstürmung des Schiffes durch schwer bewaffnete Piraten führte zu einigen Buhs im Publikum, brachte aber auch die Gewalt, der sich die Schiffsinsassen plötzlich gegenübersahen, sehr deutlich zum Ausdruck. Die Kostümierung war völlig passend zu dem gezeigten Umfeld, Matrosen waren Matrosen, Offiziere waren Offiziere, usw. Ich kann nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Es ist so, wie die Berliner Morgenpost schreibt: Dieser Fünf-Stunden-Schinken wirkt wie ein Historiengemälde des 19. Jahrhunderts: hübsch anzuschauen und zu hören, aber vollkommen aus der Zeit gefallen in seinem brutalen Kolonialismus. Musikalisch blieben kaum Wünsche offen. Für mich überragend mit ihren strahlenden Koloraturen Nino Machaidze als Ines. Sehr viel gab es zu tun für Sophie Koch als Selica, die das Pech hat, dass ihre tiefe Stimmlage nicht ganz zur Rolle passt. Roberto Alagna als Vasco hatte seine Premierenerkältung hörbar überwunden und überzeugte ebenso wie Publikumsliebling Markus Brück als Nelusco, der dieser Figur wirklich Leben einhauchte, wenn auch im 3. Akt mit der Vergewaltigungsszene etwas zu derb. Und Dirigent Enrique Mazzola dirigierte sicher, mit Schwung und ohne zu verschleppen. Mit dem Vasco da Gama begann eine kleine Meyerbeer-Serie an der DOB, der Auftakt gelang nicht schlecht und war überhaupt kein Murks und kein opulenter Kitsch. Sicher ist aber auch noch "Luft nach oben", wie es die Morgenpost schrieb.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Interessant was für eine Resonanz eine den meisten völlig unbekannte Oper in dieser ebenfalls allgemein unbekannten Neuinszenierung an der DOB hat.

    Interessant und teilweise auch völlig absurd (das hat Holger Kaletha hier in seinem ersten Beitrag durchaus zutreffend beschrieben).
    Schön, dass du nun auch drin warst und darüber geschrieben hast. Mit dir und anderen, die diese Inszenierung auch gesehen haben, tausche ich mich gerne darüber aus, schließlich habe ich sie ja auch schon gesehen und gehe auch nochmal rein.
    Mit den Fundamentalisten auf beiden Seiten, die sich in ihren Gräben verschanzen und denen auf der einen Seite ein Szenenfoto ausreicht, um eine komplette Produktion in Grund und Boden zu verdammen, denen, die sich eigentlich nur gegenseitig in ihrem Vorhaben bestärken, nicht mehr in die Oper zu gehen (außer vielleicht in konzertante Aufführungen), und denen, die auf der anderen Seite der Meinung, sind, dass jede Opernregie gelungen sei und Kritik daran Unsinn, weil es sich ja auch überhaupt nicht um ein Meisterwerk der Oper handeln würde (letztere Auslassung stieß mir genauso übel auf wie die von der Gegenseite davor), hat es für mich hingegen wenig Sinn, sich über Opernproduktionen auszutauschen.



    auch der im 19. Jahrhundert bis in die zwanziger Jahre gefeierte Giacomo Meyerbeer. Leider hat er nach der Verbannung von der Bühne im Dritten Reich anschließend nicht annähernd wieder zu dieser Bedeutung gefunden.

    Ich bedauere das auch, denn Meyerbeer war einer der zentralen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts und seine Musik ist wirklich gut, hörens- und aufführenswert, letzteres gilt auch für die ganze Oper (wobei es ein paar Striche mehr schon hätten sein dürfen).




    Nun war ich gestern beim Vasco da Gama dabei, mir hat diese Inszenierung gefallen.

    Ich fand sie insgesamt auch akzeptabel, wenn auch nicht durchweg gelungen und mit Details, an denen ich durchaus Kritik habe, aber das ist alles überhaupt kein ausreichender Grund, sich diese Produktion dieser selten gespielten Oper nicht anzusehen. Selten habe ich in den letzten Jahren an einer Berliner Bühne eine so werkgerechte Inszenierung erlebt.



    Dieser Thread hat als Aufhänger dieses Papierschiffchen, was als Symbol gedacht ist.

    Dieser ganze Thread und seine Überschrift ist ja eine einzige Zumutung, weil er schon in der Überschrift eine unwahre Behauptung aufstellt, nämlich dass die ganze Oper in einem Papierschiffchen spielen würde, was natürlich grober Unsinn ist. (Die Klammer hinter dem Namen der Titelfigur beweist, dass das ganze Werk gemeint war). Dieses Schiff wurde am ganzen Abend genau zwei Mal bestiegen: im 1. Akt von Ines, die sich vor Sehnsucht nach Vasco verzehrt und am liebsten (in ihren Träumen) zu ihm segeln würde, und im 2. Akt vom gefangenen Vasco, der sich aus seiner Gefangenschaft auf Abenteuerfahrt sehnt. Eine sehr gelungene Metapher bzw. ein sehr gut geeignetes Symbol - wie es überhaupt albern ist, sich bei einer "Vasco"/"Afrikanerin"-Inszenierung darüber aufzuregen, dass Schiffe und/oder Segel zu sehen sind. Ich fand diese Grundgestaltung der Bühne sehr gelungen.


    Wie albern es ist, eine komplette Inszenierung anhand eines einzigen Szenenfotos beurteilen zu wollen, sieht man schon daran, wenn ich hier jetzt einfach ein anderes Szenenfoto dieser Inszenierung einstelle:



    Plötzlich wird die ganze Inszenierung scheinbar zu einer völlig traditionellen (was sie ja - teilweise - auch war: das Stück fand statt, die Geschichte wurde erzählt und nicht stattdessen eine x-beliebige andere, zur Musik von Meyerbeer unpassende).



    Aber es bedarf ja auch einer Regie, um über 4 Stunden Handlung, wo nicht immer viel passiert, darzustellen und das Publikum nicht zu langweilen. Das ist der Regisseurin Vera Nemirova, die keinen einfachen Job hatte, gelungen. Man kann das so machen, wie sie es getan hat, natürlich kann man es immer auch anders tun.

    Die Premiere ging sogar 5 Stunden, begann um 17 Uhr, der letzte Ton des 5. Aktes verklang um 21.49 Uhr, 21.58 Uhr endete der Applaus.
    Komplett gelungen fand ich die Inszenieurng wie gesagt nicht, aber man kann es in der Tat so machen und sich dabei auf das Stück berufen, es war alles andere als die Hinrichtung eines Werkes, was man ja leider auch immer wieder mal erleben muss. Nein, diese Regisseurin hat sich schon Gedanken über das Stück gemacht und hat dieses zusammen mit ihren Gedanken dazu auf die Bühne gebracht. Wenn das nicht mehr akzeptabel sein soll, könnten wir tatsächlich alle Opernhäuser schließen, aber das wäre wirklich ein großer Verlust an Kultur für unser Land - außer für die, die schon jetzt nicht mehr in die Oper gehen...



    Das Bühnenbild ist interessant, eine große Weltkarte als Podium, die sich aber auch aufstellen lässt, im Hintergrund mit Segeln bestückt wird oder zur Kuppel gerät. Im 4. Akt versucht sie, dieses Fantasie-Indien, das der Komponist hatte, authentisch werden zu lassen, mit buntem Blütenteppich und indischer Kostümierung, das empfinde ich nicht als Kitsch.

    Gerade die Bühnenbild- und Kostümgestaltung hat mich positiv überrascht. Die bekannten Klischees des extremen Regietheaters hatten hier überhaupt keinen Platz.



    Dass die Flüchtlingsproblematik sich Ende des 1. Aktes ganz kurz wiederfindet, ein Zugeständnis an die "political correctness", unnötig, aber es hat auch nicht gestört.

    Ich fand diese Flüchtlingsproblematik weder unnötig noch störend, denn auch darum geht es ja in dieser Oper: die Intoleranz einer Kultur gegenüber einer anderen, die dann zu individuellen Tragödien und teilweise bis zum Massenmord (Ende 3. Akt) führt.



    Und später, diie Erstürmung des Schiffes durch schwer bewaffnete Piraten führte zu einigen Buhs im Publikum, brachte aber auch die Gewalt, der sich die Schiffsinsassen plötzlich gegenübersahen, sehr deutlich zum Ausdruck.

    Diese Szene fand ich besonders gelungen, weil sie sehr drastisch genau das visualisiert, was im Textbuch steht, nämlich dass sofort getötet wird (mindestens die Männer, die Frauen werden laut Libretto erst gefangen genommen und dann später "sanft" getötet. Aber dieser religiöse Fanatismus sowohl bei den christlichen Portugiesen als auch auf der anderen Seite, beim Volk Selikas, das ist schon sehr aktuell - leider!



    Die Kostümierung war völlig passend zu dem gezeigten Umfeld, Matrosen waren Matrosen, Offiziere waren Offiziere, usw.

    Genau diese deine Beobachtung bestätigt, was ich gerade schon dazu ausgeführt habe.



    Mit dem Vasco da Gama begann eine kleine Meyerbeer-Serie an der DOB, der Auftakt gelang nicht schlecht und war überhaupt kein Murks und kein opulenter Kitsch. Sicher ist aber auch noch "Luft nach oben", wie es die Morgenpost schrieb.

    Das sehe ich ganz genauso und ich freue mich sowohl auf den Besuch weiterer "Vasco"-Vorstellungen als auch auf die Fortsetzung des Meyerbeer-Zyklus' mit den "Hugenotten" und dem "Propheten". :) :yes: :jubel: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber timmiju, lieber Stimmenliebhaber,


    vielen Dank für die interessanten Berichte. Sie haben mir Lust gemacht, diese Aufführung auch einmal zu besuchen. Und sie haben hoffentlich für jeden deutlich gemacht, wie unsinnig es ist, die Bewertung einer Inszenierung auf der Grundlage allein eines Szenenfotos vorzunehmen.



    Mit den Fundamentalisten auf beiden Seiten, die sich in ihren Gräben verschanzen und denen auf der einen Seite ein Szenenfoto ausreicht, um eine komplette Produktion in Grund und Boden zu verdammen, denen, die sich eigentlich nur gegenseitig in ihrem Vorhaben bestärken, nicht mehr in die Oper zu gehen (außer vielleicht in konzertante Aufführungen), und denen, die auf der anderen Seite der Meinung, sind, dass jede Opernregie gelungen sei und Kritik daran Unsinn, weil es sich ja auch überhaupt nicht um ein Meisterwerk der Oper handeln würde (letztere Auslassung stieß mir genauso übel auf wie die von der Gegenseite davor), hat es für mich hingegen wenig Sinn, sich über Opernproduktionen auszutauschen.


    :jubel::jubel::jubel:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • die auf der anderen Seite der Meinung, sind, dass jede Opernregie gelungen sei und Kritik daran Unsinn, weil es sich ja auch überhaupt nicht um ein Meisterwerk der Oper handeln würde (letztere Auslassung stieß mir genauso übel auf wie die von der Gegenseite davor)

    Hallo Stimmenliebhaber,


    Deinen Beitrag wie auch denjenigen von timmiju habe ich sehr gerne gelesen - genau so stelle ich mir ein gelungenes Opernforum vor. Nur die betreffende Ausführung von mir hast Du mißverstanden. Im 19. Jhd. war man wahrlich nicht zimperlich mit Opernkritik. Hanslick - der Kritikerpapst dieser Zeit - hat z.B. Wagners Rienzi für alles andere als meisterlich gehalten. Sein Urteil zu Meyerbeer (den er Wagner gegenüber in Schutz nimmt) viel doch sehr zwiespältig aus: einerseits bewundernd, andererseits hielt er ihm Tendenzen zur Effekthascherei vor. Die "Afrikanerin" findet er - mit Licht und Schatten - letztlich schwächer als die Hugenotten. Gemeint war in Bezug auf die Inszenierung: Es ist wohl schwerer, eine solche durchaus umstrittene Oper zu inszenieren als einen unumstrittenen Opernklassiker. Die Möglichkeit des Scheiterns ist hier um einiges höher. Das immunisiert selbstverständlich eine solche Regieleistung nicht gegenüber Kritik.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Zitat von Stimmenliebhaber: Wie albern es ist, eine komplette Inszenierung anhand eines einzigen Szenenfotos beurteilen zu wollen, sieht man schon daran, wenn ich hier jetzt einfach ein anderes Szenenfoto dieser Inszenierung einstelle:



    Dieses Bild habe ich in den Berichten auch gesehen und es bestätigt mir, was ich schon aus dem Papierschiffchen auf Weiteres in dieser Inszenierung geschlossen habe. Als ich dies Bild sah, hatte ich die Empfindung: Ähnlich albern, einfach nur kitschig.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Schönen Dank , lieber Stimmenliebhaber für deine ausführliche Replik zu meinem Beitrag. Ich freue mich, dass wir im Großen und Ganzen übereinstimmen. Nur eine Kleinigkeit, betr. Striche: Es sind die Ballettmusiken gestrichen worden, die die Handlung nicht voranbringen, das war sinnvoll. Mehr Striche bedarf es aber nicht, ich fand es überhaupt nicht langweiig und alles hatte irgendwie seinen Sinn. Die Chemnitzer Inszenierung betrug 255 Minuten, die Berliner etwas weniger weil ja von den fast 5 Stunden Dauer die beiden Pausen abgehen. Natürlich geht immer etwas besser zu machen, aber insgesamt war das in Berlin erstmal ein großer Erfolg, was auch der große Beifall incl. mehrfachen Szenenapplauses beweist. Auch wenn es der eine oder andere beckmesserische Kritiker anders sehen mag.


    Beste Grüße
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Sein Urteil zu Meyerbeer (den er Wagner gegenüber in Schutz nimmt) viel doch sehr zwiespältig aus: einerseits bewundernd, andererseits hielt er ihm Tendenzen zur Effekthascherei vor. Die "Afrikanerin" findet er - mit Licht und Schatten - letztlich schwächer als die Hugenotten. Gemeint war in Bezug auf die Inszenierung: Es ist wohl schwerer, eine solche durchaus umstrittene Oper zu inszenieren als einen unumstrittenen Opernklassiker. Die Möglichkeit des Scheiterns ist hier um einiges höher. Das immunisiert selbstverständlich eine solche Regieleistung nicht gegenüber Kritik.

    Hallo Holger,


    natürlich war Meyerbeer im 19. Jahrhundert umstritten, gerade, weil er so erfolgreich war. Aber welcher erfolgreiche Opernkomponist des 19. Jahrhunderts war denn nicht umstritten und hat mit seinen Opern nicht polarisiert? Rossini? Wagner? Verdi? Ehrlich gesagt fällt mir kein einziger ein.


    Natürlich fällt das Urteil der Nachwelt, wenn es über Meyerbeer vom Standpunkt der Wagnerschen Musikdramen aus urteilt, nicht ganz so rosig aus: Zu heterogen sind seine Werke, als dass sie einen ähnlich ungebrochen vom ersten bis zum letzten Ton in ihren Bann ziehen könnten wie ein "Tristan" oder ein "Parsifal". Aber dieser Stand- und Ausgangspunkt ist der falsche, und das wird auch in der Musikwissenschaft, wo nicht nur der Komponist, sondern auch der Musikschriftsteller Richard Wagner tiefe Spuren hinterlassen hat, gerade revidiert.
    Zweifellos ist "Vasco" bzw. "Die Afrikanerin" als Abschlusswerk er so wichtigen Gattung wie der Grande Opéra von diesem so einflussreichen (und das meine ich hier künstlerisch!) Giacomo Meyerbeer eine der 50 wichtigsten Opern, die im 19. Jahrhundert komponiert wurden. Dass er sie nicht vollenden konnte, ist ähnlich tragisch wie im Fall von "Hoffmanns Erzählungen" von Offenbach. Trotzdem sind beide Opern Meisterwerke ihrer Zeit, die jahrzentelang gespielt wurden, bis die Nationalsozialisten in Deutschland weitere Aufführungen von Opern jüdischstämmiger Komponisten verhinderten.


    Für mich ist nicht entscheidend, was Hanslick oder Wagner (der allen Grund gehabt hätte, Meyerbeer dankbar zu sein, persönlich, finanziell und auch künstlerisch!) über Meyerbeer gesagt oder geschrieben haben, sondern was ich höre. Und ich höre eine ganze Perkenkette von musikalischen Juwelen, beginnend mit der wunderbaren Ouvertüre über die Arie der Ines über den Aufzug zum Rat im 1. Akt bis zu vielen weiteren grandios gestalteten Solo-, Duo- und Massenszenen, herrliche Chöre und Ensembles usw. - dazwischen gibt es freilich auch einigen Leerlauf, nicht enden wollende musikalisch gehaltlose Rezitative usw. - das Konsumierverhalten des Pariser Publikums, wenn es die Grande Opéra besuchte, war ein anderes als das des Publikums im wenig später eröffneten Bayreuther Festspielhaus - und diese Heterogenität ist ein Merkmal von Meyerbeers großen Opern, macht sie musikalisch aber alles andere als wertlos.



    ... und die Frage stellt sich ganz unbefangen: Ist das nun eine "absurde und lächerliche Inszenierungsidee" oder nicht eher eine absurde und lächerliche Tamino-Diskussion, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist?

    Hier war ich mit dir völlig einer Meinung, ich hatte schon daran gedacht, exakt das gleiche zu schreiben, hatte dann aber doch darauf verzichtet, weil ich folgendes nicht verändern wollte:



    Für letzteres spricht, dass sich die Taminos hier schamhaft mit Äußerungen zurückhalten und die Zahl der Klicks sehr mäßig ist. ?(

    Das hast du mit diesem deinem Satz dann natürlich verändert, was kein Vorwurf ist, sondern nur eine Feststellung.


    Letztlich macht es aber nur so richtig Sinn, sich über konkrete Inszenierungen auszutauschen mit Diskussionspartnern, die diese auch gesehen haben, weswegen ich gewartet habe, bis noch jemand, der drin war (in diesem Fall timmiju) sich dazu äußert. Dass er es - im Gegensatz zu denen, die nicht drin waren und aufgrund eines Fotos den Daumen nach unten senkten - die selbst erlebte Inszenierung so positiv erlebt hat, hat mich nicht überrascht, obwohl ich wie bereits erwähnt auf einige Details durchaus einen kritischen Blick habe, auch auf die relative Ungestrichenheit der Aufführung.



    Nur eine Kleinigkeit, betr. Striche: Es sind die Ballettmusiken gestrichen worden, die die Handlung nicht voranbringen, das war sinnvoll. Mehr Striche bedarf es aber nicht, ich fand es überhaupt nicht langweilig und alles hatte irgendwie seinen Sinn.

    Ich finde schon, dass die Heterogenität von Meyerbeers Partituren zu Strichen geradezu einlädt und den Werken aus heutiger Perspektive nicht schadet, sondern vielmehr nützt. Ein dreistündiger "Vasco" wäre überzeugender gewesen und auch besser angekommen als ein fünfstündiger. Und ob Meyerbeer alles, was er mal dafür komponiert hat, bei einer von ihm betreuten Uraufführung auch wirklich komplett gebracht hätte, das ist doch sehr die Frage. Er war ja ein erfahrenenr Theaterpraktiker, fern des Dogmatismus, mit der jetzt gewisse Verlage auf die vollständige Aufführung ihrer Neuausgaben drängen...


    Und nun bin ich sehr gespannt, wie sich andere Besucher dieser Produktion über ihr persönliches Erlebnis äußern werden. "Caruso41" hat seinen Besuch ja bereits angekündigt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ... vielen Dank für die interessanten Berichte. Sie haben mir Lust gemacht, diese Aufführung auch einmal zu besuchen.


    Lieber Bertarido,


    ich kann Dich nur ermuntern, Dir die Aufführung in Berlin nicht entgehen zu lassen. So schnell dürfte man dieses sehr aufwändige Werk nicht wieder zu sehen – und zu hören bekommen. Die Inszenierung hat mich im Grundsatz nicht gestört, nur in vielen Einzelheiten nicht befriedigt. Aus einem einzelnen Versatzstück wie diesem Schiff würde ich aber nicht aufs Ganze schließen. Ein Gericht kann uns doch auch dann schmecken, wenn der Teller nicht nach unseren ästhetischen Vorstellungen ist. Zunächst war ich an der Musik interessiert, an der Wirkung, die sich daraus ergibt. Lässt sich eine Grand opéra wie diese überhaupt aufs rein Musikalische reduzieren? Kann sie ohne die prachtvolle Ausstattung, für die sie komponiert wurde, überhaupt bestehen? Sie kann, so mein mich selbst überraschendes Urteil. Ich bekomme die Musik gar nicht aus dem Kopf heraus (zum Glück kommt die Oper auch ins Radio) und habe mich diese fünf Stunden nicht einmal gelangweilt – auch wenn mir die Inszenierung nicht sehr gefiel. Wie aber sollte Meyerbeer heute aufgeführt werden? Seine Opern waren wie Kino, die haben etwas Kinematographisches. Sie lebten vom Prunk der Ausstattung wie man sie sich heute nicht mehr vorstellen kann. Es gibt genug Beschreibungen und Darstellungen. So geht das nicht mehr – auch wenn ich es mir persönlich manchmal wünschte. Denn ich bin ein ziemlich zurückgewandter, altmodischer Mensch. Hundertfünfzig Jahre können aber nicht zurückgedreht werden, wie in allen Lebenslagen so auch in der Kunst nicht. Das ist Gesetz. Persönlich glaube ich nicht daran, dass Meyerbeer zukunftsfähig ist. Er wird seine elitäre Position behalten. Als Dauererscheinung dürfte er sich kaum halten auf den Spielplänen. Dafür setzt er zu vieles voraus. Seine Werke sind so ungemein komplex. Ohne Ballett geht es nach meinem Dafürhalten auch nicht. Es sei denn, die Struktur soll zerstört werden. Dann ist es keine Grand opéra mehr. Man kann nicht mal schnell in den VASCO gehen wie in einen TROVATORE. Das beginnt schon mit der Fassungsgeschichte, die ein musikgeschichtliches Kapitel für sich ist. Diese Oper ist nicht die AFRIKANERIN. Wie soll gesungen werden? Mit Französisch allein ist es nicht getan. Mir scheint, dass das spezielle Idiom dieser Werke verloren gegangen ist. Ich habe mir dieser Tage mal wieder die AFRICAINE mit Domingo und der Verret angehört, die es bei Arthaus auf DVD gibt. Wunderbar gesungen – aber eben mehr Verdi oder Puccini denn Meyerbeer. Diese ganz bestimmte Leichtigkeit fehlt.


    Meyerbeer ist ja über der Vollendung seiner letzten Oper gestorben. Die Librettist Eugène Scribe war schon vorher gegangen. Eine verbindliche Fassung gibt es also nicht. Damit fangen auch die Probleme der Umsetzung an. Und noch etwas: Die erste Fassung – L’Africaine“ – wurde im selben Jahr uraufgeführt wie Wagner „Tristan“, nämlich 1865. Das sagt ja auch manches.


    Und nun habe ich mal ein paar Bilder aus der berühmten Liebig-Fleischextrakt-Serie herausgesucht, die eine Vorstellung davon geben, wie Meyerbeer einst über die Bühne ging.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Zitat von Rheingold: Ich habe mir dieser Tage mal wieder die AFRICAINE mit Domingo und der Verret angehört, die es bei Arthaus auf DVD gibt. Wunderbar gesungen – aber eben mehr Verdi oder Puccini denn Meyerbeer. Diese ganz bestimmte Leichtigkeit fehlt.


    Lieber Rheingold,


    ich besitze die DVD mit Domingo und Verret, die mich sehr begeistert. Zwar habe ich nicht - wie du - den Eindruck, dass die musikalische Interpretation mehr nach Verdi oder Puccini als nach Meyerbeer klingt, aber das ist wohl Gefühlssache. Ich frage aber ausdrücklich, warum es in unserer Zeit nicht mehr opportun sein soll, eine Oper in einer solchen Weise zu inszenieren, sondern durch blöde und kitschige Mätzchen zu entstellen.
    Die musikalische Interpretation der Berliner Inszenierung mag ja in deinen Ohren mehr nach Meyerbeer klingen. Für mich, der eine Oper nicht nur nach der Musik, sondern auch nach der optischen Darstellung beurteilt (mein Auge "hört" sozusagen mit), zerstört eine solche Darstellung einfach auch einen erheblichen Teil der Musik. Deshalb werde ich wegen der vielleicht Meyerbeer näher stehenden Interpretation niemals eine solche Aufführung besuchen.
    Da setze ich mich lieber vor den Fernseher und die Stereoanlage und schaue mir die DVD an. Das ist billiger und kein hinausgeworfenes Geld für einen durch die Optik verdorbenen Abend.
    Wenn das Fernsehen - wie in der letzten Zeit meistens - eine verunstaltete Oper überträgt, habe ich glücklicherweise den Abschaltknopf für das Bild, wobei ich immer noch auf der Stereoanlage weiterhören kann, was ich häufig auch tue.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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