Wie vergraule ich das Opern- und Operettenpublikum wenn Regietheater ausgeklammert ist

  • Vorweg - schon im Titel ist es angeklungen - hier geht es NICHT um veritable Regietheaterinszenierungen - das Thema kann gerne in anderen hiefür reservierten Threads erörtert werden - sondern um alternative Strategien, wie man dem Publikum auf andere Weise den Opernbesuch vermiesen kann.
    Der Thread wurde übrigens gestartet um den Hildesheim-Boccaccio Thread, der abzugleiten droht - nicht total zu zerschiessen.


    Wir müssen uns darauf einigen, daß die Versetzung einer Handlung in eine andere Zeit nicht ausgesprochenes Regietheater ist, so die Handlung und ihre Charaktäre ansonsten unangetastet bleibt (ist ohnedies nur bei wenigen Stücken möglich). Als ärgerlich empfinde ich es trotzdem. Es gibt eine ganze Kaskade von Dingen, die mir eine Aufführung vergällen können, aber zuerst lasse ich andere zu Wort kommen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn ich z.B. Freitags in die Oper gehe gibt es nichts schlimmmeres , als wenn die Vorstellung dann auch von einer Schulklasse mit Lehrern besucht wird, die dann natürlich in meiner Nähe sitzen, und wo man allen ansieht das sie auf diesen Abend eigentlich keine Lust haben . Oder wenn wie beim letzten Opernbesuch meine Sitznachbarn meinten vorher viel Knoblauch essen zu müssen. So schlimm fand ich das Bild von der Boccaccio Aufführung nicht.

  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: Wir müssen uns darauf einigen, daß die Versetzung einer Handlung in eine andere Zeit nicht ausgesprochenes Regietheater ist, so die Handlung und ihre Charaktäre ansonsten unangetastet bleibt (ist ohnedies nur bei wenigen Stücken möglich)

    Lieber Alfred,


    ich will hier einmal von solchen Horrorinszenierungen, wie sie ein Bieito verbricht, oder solchen verschandelten Handlungen, wie sie Bayreuth in den letzten Jahren seinem Publikum angeboten hat (Biogashäuser, Rattengrin, Öl-Ring), absehen. Dennoch bleibt auch eine Verfälschung von Zeit und Ort in den meisten Fällen für mich Verunstaltungstheater, weil ein Regisseur, der dem Werk zu dienen und nicht es zu verändern hat und damit die Intentionen von Komponist und Librettist missachtet, eben das, was man besser mit der Bezeichnung Regisseursverirrungen (statt Regietheater) nennen könnte, betreibt.
    Es gibt, wie du schon feststellst, nur sehr wenige Stücke, die von Konzeption her und von der Handlung nicht zeit- und ortsgebunden sind, so dass sie auch durchaus im modernen Gewand gespielt werden. Aber wenn der Komponist einen historischen Stoff als Hintergrund wählt - auch wenn dieser, wie im Sprechtheater oder auch im Roman nicht unbedingt tatsachengetreu ist (wo findest du das überhaupt?) - sollte er auch dort bleiben, wo ihn der Komponist und Librettist angesiedelt haben. Ob ein Julius Cäsar (dieses typische Beispiel muss ich leider hier noch einmal bringen), von dem uns auch noch in der Ansage weisgemacht wird, dass wir uns im Jahr 44 vor Chr. befinden, schon schon moderne Panzer, Raketen und Maschinengewehre besaß, und die Stahlhelme wie die moderner Soldaten aussahen, bezweifle ich nicht nur sehr, sondern halte es nach meinen Kenntnissen für gänzlich ausgeschlossen.
    Und wenn ein Sigmund in der "Walküre" singt:"Ein Schwert verhieß mir der Vater" und zieht ein Maschinengewehr aus dem Baumstamm, dann zweifle ich doch am Verstand dessen, der so etwas verbrochen hat.
    Und das sind auch wieder nur Beispiele für leider viele, wo Text und Musik nicht zu dem Gezeigten passen.
    Das Gleiche trifft für Opern zu, die in Art einer Popshow mit viel unnötiger "Action" (wie das auf neudummdeutsch heißt) völlig verhöhnt wird.
    Andere Faktoren habe ich in der Zeit, als ich, bevor hier die Krankheit der verfälschenden Inszenierungen einbrach, noch regelmäßig in unser Theater ging, nur einmal erlebt, als ein Schwarm aus dem Altenheim hinter mir in einer viel gespielten Operette saß, in dem regelmäßig mit Bonbonpapier geknistert und die bekannten Melodien mitgesungen oder gesummt wurden. Das ist dann so ähnlich, wie Michael Schenk hier einmal von der Hamburger (oder war es die Lübecker?) Oper berichtete, in der vor der Vorstellung mit dem Publikum der Pilgerchor geprobt wurde. Aber unserer Spaßgesellschaft scheint alles gefällig.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich bin da im Wesentlichen rodolfo39s Meinung (siehe auch hier):


    So manche, die da live die Oper hören,
    haben das Gefühl, die Gäste stören ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Gerhard!


    Zitat

    Dennoch bleibt auch eine Verfälschung von Zeit und Ort in den meisten Fällen für mich Verunstaltungstheater...


    Gilt das Deines Erachtens auch für den Dresdner Fidelio?


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Zitat

    ich will hier einmal von solchen Horrorinszenierungen, wie sie ein Bieito verbricht, oder solchen verschandelten Handlungen, wie sie Bayreuth in den letzten Jahren seinem Publikum angeboten hat (Biogashäuser, Rattengrin, Öl-Ring), absehen.

    Das entspricht ja auch den Spielregeln dieses Threads. - Das ist ein anderes Thema



    Zitat

    Ob ein Julius Cäsar (dieses typische Beispiel muss ich leider hier noch einmal bringen), von dem uns auch noch in der Ansage weisgemacht wird, dass wir uns im Jahr 44 vor Chr. befinden, schon schon moderne Panzer, Raketen und Maschinengewehre besaßß, und die Stahlhelme wie die moderner Soldaten aussahen, bezweifle ich nicht nur sehr, sondern halte es nach meinen Kenntnissen für gänzlich ausgeschlossen.

    Das wäre dann aber IMO schon Regietheater, weil der usprüngliche Inhalt NICHT in logischem Zusammenhang mit der Inszenierung stehen kann - Eine zeitliche Verschiebung verbietet sich hier geradezu - schon von den handelnden Personen her.


    Ich möchte hier nicht unbedingt Tipps geben, was machbar wäre. Oft sind es indes nur Kleinigkeiten, die einer "Zeittransformation" im Wege stehen. Cosi fan tutte würde theoretisch funktionieren - allerdings steht dem die Szene mit dem "Arzt", der angeblich mit mesmerischem Magnetismus die Todkranken wieder ins Leben zurückruft - eindeutig im Wege.


    Später mehr zu diesem Thema...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Gerhard!



    Gilt das Deines Erachtens auch für den Dresdner Fidelio?


    Gruß WoKa


    Woher soll Gerhard den denn bitte kennen? Natürlich war dies eine ungemein packende Inszenierung, die ich mehrfach gesehen habe, mehr als zehn Mal. Ich bin dankbar für solche Inszenierungen, die den Geist eines Werkes neu erlebbar machen, ohne die Ursprungsintentionen zu verfälschen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Zitat von Woka: Gilt das Deines Erachtens auch für den Dresdner Fidelio?

    Lieber Wolfgang,


    dazu kann ich wirklich keine Stellung nehmen, denn den habe ich nicht gesehen. Zwar behaupten hier Einzelne, dass ich auch Stellung zu solchen Dingen nehme, die ich nicht gesehen habe, was nicht der Wahrheit entspricht. Zwar werde ich mein bescheidenes Geld nicht mehr für irgendwelchen Unsinn aus dem Fenster werfen, aber zu behaupten, dass ich weder Augen noch Ohrenzeuge sei, wenn ich mir diesen Unsinn, den das Fernsehen häufig überträgt - voll oder zumindest im großen Querschnitt - ansehe, und dann dazu Stellung nehme ist doch wohl absurd. Außerdem kann ich mir heute auch Manches auf YouTube ansehen, um mir ein Bild von der Inszenierung zu machen. Wer will mir also verbieten, meine Stellungnahme dazu abzugeben. Es ist derselbe Unsinn, zu behaupten, ein Bild habe keine Aussage. Ein Bild - wie das schon häufig erwähnte lächerliche Papierschiffchen - lässt nach meiner Ansicht durchaus darauf schließen, dass zumindest ein Teil der Inszenierung lächerlich und absurd ist. Und es gibt hier Einzelne, die mir am liebsten verbieten wollen wollen, auch nur mal zu einem Bericht Stellung zu nehmen. Sie selber dürfen aber ihre Meinung zu allem sagen. Ich will sie nicht bekehren. Ich werde aber auch ihre Bekehrungsversuche ignorieren.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wie bereits öfters konstatiert, ist es schwierig, allgemein, ohne konkreten Aufhänger, solcherlei Fragestelltungen zu diskutieren. Es wurden ja vereinzelt Versuche unternommen, konkrete Aufführungen kontrovers zu diskutieren, was leider ein wenig ins Stocken geraten ist.


    Ob man nun die Inszenierung, die musikalische Seite oder das "Drumherum" als Ärgernis empfindet, ist individuell sehr verschieden und hängt mit der jeweiligen Erwartungshaltung ab.


    Ich für meinen Teil habe - um auf die Fragestellung des Threads einzugehen - vor allem ein Problem, wenn die musikalische Seite unbefriedigend ist, das würde mich am ehesten "vergraulen".


    Eine uninspirierte Regiearbeit kann ich noch verschmerzen, wenn die musikalische Seite stimmt, und eine stimmige Charaktierisierung der Personen und Schilderung der Handlung durch die Sänger und das Orchester erfolgt; jedoch tröstet mich die brillanteste Inszenierung nicht darüber hinweg, wenn Gesang und Orchester schlecht sind.

  • Beginnen wir mal recht harmlos. Und holen wir und das gezeigte Szenenbild der Hildesheimer Bocaccio-Aufführung als Beispielobjekt. Die Aufführung an sich wurde von einem unserer Mitglieder als "vorbildlich" bezeichnet, eine Zeitung war hier - zumindest den ersten Akt betreffend - zurückhaltender, hat der Aufführung aber insgesamt gute Noten gegeben. Soweit so gut. Vermutlich ist diese Inszenierung - gemessen an allem was heute sonst geboten wird - wirklich "vorbildlich", man ist ja bescheiden geworden. Ich persönlich kann mit Bühnenbildern, die (mich) an Schülertheater erinnern, nicht wirklich was anfangen. An allen Ecken und Enden merkt man den Mangel an Geld und die Reduzierung aufs Wesentliche. Ich weiß, daß ein schönes Bühnenbild nicht alles ist beim Theater, und schon gar kein Garant für eine gelungene Aufführung, aber es es in meinen Augen die unverzichtbare Basis dazu (zu Kostümen äussere ich mich später)
    Ich war seit meiner Jugend gewohnt, dass beinahe jede folgende Inszenierung eines Stückes, die vorangehende zu übertrumpfen versuchte - und dass bei Bühnenbildern von (beispielsweise Schneider-Siemssen) schon nach Heben des Vorhangs in der Regel minutenlanger Applaus einsetzte. Von Zefirelli haben wir ebenfalls maßstäbliche Ausstattungen UND Inszenierungen bekommen - er ist eine lebende Legende.
    Wer Bühnenbilder wie die beiden unten geposteten Beispiele regelmäßig als Standard gesehen hat, der wird sich nicht mit weniger zufriedengeben.
    Stilisierende Bühnenbilder - in Deutschland hatte man teilweise schon in meiner Jugend ein Faible dafür (Erläuterungen folgen auf Wunsch in späteren Beitragen) sind zwar korrekte Lösungen aber sie töten die Lust aufs Theater. Als der Farbfilm in Cinemascope aufkam, wurde der Tod des Theaters vorhergesagt. Aber ein neues Zeitalter der Bühnentechnik und realistischer Ausstattung, wo fast jeder Effekt des Films erreicht - und gelegentlich sogar übertroffen werden konnte, strafte diese Prognose Lügen.
    Theater ist ebenso eine Traum- und Scheinwelt wie der Film und es gibt weder ein Limit noch eine Entschuldigung für Einsparungen oder Vergröberungen.


    Hier zwei Bühnenbilder, die ich als beispielhaft bezeichnen würde:
    Nein - in beiden Fällen handelt es sich NICHT um Aufführungen aus der Arena von Verona


    Verdi: "AIDA" - New National Theatre, Tokyo (2013)



    Offenbach: "HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN" - Metropolitan Opera - New, York (2004/2005)



    Dies - um potentiellen Interessenten aus dem Bereich der Jugend - einen Überblick zu geben, wie Opernaussatattungen historischer Werke idealerweise ausgesehen haben - und ausserhalb des deutschen Sprachraums - teilweise noch immer aussehen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Verdi: "AIDA" -New National Theatre, Tokyo (2013)


    Wie die Geschmäcker doch verschieden sind! :D Für mich ist das kaum erträglicher, purer Kitsch. Das erinnert mich an diese pseudohistorischen Hollywood-Schinken im Kino. Der Kardinalfehler einer solchen Ästhetik ist für meinen Geschmack, dass man eine Zeit zu "wiederholen" sucht, die nun mal unwiederbringlich vorbei ist. Die Folge: Man verkauft so wie hier zu sehen etwas angeblich Historisches mit historisierender Sentimentalität von heute und tappt auf diese Weise unweigerlich in die Kitschfalle des Unechten, das sich für echt ausgiebt. Dagegen gefällt mir das von manchen so geschmähte Bocaccio-Bühnenbild sehr gut - weil es eben an die Fantasie appelliert. Das ist weit lebendiger und ehrlicher als so eine tote Kulisse mit viel Blattgold... :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • Ergänzung zu Alfreds letztem Beitrag (10): Die alte Meistersinger Inszenierung der Rheinoper. Damals gab es auch Applaus, als sich der Vorhang hob. Übrigens auch ein Bühnenbild von Schneider-Siemssen.
    Eine der schönsten Inszenierungen, die ich gesehen habe. Und die naturalistische Darstellung Nürnbergs schmälert die Reflexionen zB über die Kunst, die Liebe, das Altern im Stück keineswegs. Ich bin aus dem Alter für Theaterpädagogik heraus. Aber es ist wohl in der Tat auch eine Kostenfrage. Allerdings erzählt man uns ja z. Zt. andauernd, dass der Staat aufgrund hoher Steuereinnahmen im Geld schwimmt ...........

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Wie die Geschmäcker doch verschieden sind! Für mich ist das kaum erträglicher, purer Kitsch. Das erinnert mich an diese pseudohistorischen Hollywood-Schinken im Kino. Der Kardinalfehler einer solchen Ästhetik ist für meinen Geschmack, dass man eine Zeit zu "wiederholen" sucht, die nun mal unwiederbringlich vorbei ist. Die Folge: Man verkauft so wie hier zu sehen etwas angeblich Historisches mit historisierender Sentimentalität von heute und tappt auf diese Weise unweigerlich in die Kitschfalle des Unechten, das sich für echt ausgiebt. Dagegen gefällt mir das von manchen so geschmähte Bocaccio-Bühnenbild sehr gut - weil es eben an die Fantasie appelliert. Das ist weit lebendiger und ehrlicher als so eine tote Kulisse mit viel Blattgold...


    Lieber Holger, Du sprichst mir aus der Seele! :jubel: Wenn es in der Oper nur noch solche Inszenierungen gäbe, würde ich definitiv zu Hause bleiben.


    Was vergrault mich sonst noch? Von einer unzureichenden musikalischen Leistung abgesehen - da sind wir uns wohl alle einig - stören mich Inszenierungen mit allzuviel Klaumauk. Das gilt nicht nur für ernste Stücke, bei denen es nicht zum Charakter des Stückes passt, sondern auch für Opere buffe. Das ist sicher auch eine Frage des Humors, den man persönlich goutiert, ich habe es da ganz allgemein nicht so mit dem allzu Klaumaukhaften oder Derben.


    Was mir auch gelegentlich auffällt und mich massiv stört: manche Regisseure haben offenbar einen "horror vacui": sie ertragen es nicht, wenn auf der Bühne einmal einige Minuten nichts passiert. Ich erinnere mich an eine Inszenierung an der Komischen Oper in Berlin - ich glaube es war der "Orlando Furioso" von Händel -, in der bei einer wunderschönen Liebesarie ständig Personen zweckfrei über die Bühne rannten, so dass die Versenkung in die Musik nicht mehr möglich war.


    Ansonsten stört mich ein undiszipliniertes Publikum, zum Beispiel während der Aufführung flüsternde Besucher. Vielleicht werde ich auch nur empfindlicher, aber ich habe den Eindruck, dass das zunimmt. Und nicht etwa bei jüngeren, vielleicht noch unerfahrenen Opern-Gängern, sondern meist bei älteren Damen und Herren, die während der Aufführung einander die Handlung erklären oder sich Kommentare zuflüstern. :no: Eindeutig eine Erscheinung der letzten Jahre ist der schnelle Blick auf das Smartphone während der Aufführung - es könnte ja in den letzten fünf Minuten jemand eine Nachricht per WhatsApp geschickt haben, die man nicht sofort zur Kenntnis genommen hat, wie schrecklich. Woran die Leute nicht denken: der Bildschirm leuchtet auf, und die Blicke des dahinter sitzenden Besuchers werden unweigerlich von der Bühne und der Musik abgelenkt :cursing: .

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Misha,


    diese Meistersinger Inszenierung habe ich auch gesehen. Leider wurde diese ins Ausland verkauft. Falls möglich kopiere doch bitte auch mal ein Photo von der Schusterstube und der Festwiese im dritten Akt in diesen Thread. Als diese Inszenierung zum letzten Mal in Duisburg gezeigt worden ist, war ich in allen Aufführungen und jede war ausverkauft.

  • Mich stört, wenn der jugendliche Liebhaber dick und unattraktiv ist und wenn die Sänger ihren Part zwar schön absingen, aber keine Versuche unternehmen, ihn auch zu spielen. Ansonsten ist die fehlende Aufmerksamkeit eher mein Problem und niemand sonst ist Schuld daran.

  • Mich stört, wenn der jugendliche Liebhaber dick und unattraktiv ist und wenn die Sänger ihren Part zwar schön absingen, aber keine Versuche unternehmen, ihn auch zu spielen.


    Ja, das kann ich auch unterschreiben, besonders den zweiten Teil des Satzes. Mein Ideal ist das eines Sänger-Schauspielers. Bloßes Absingen ohne eine bühnentaugliche Darstellung der Rolle langweilt mich, und sei der Gesang auch noch so perfekt.


    Optisch nicht zur Rolle passende Sängerinnen und Sänger sind auch für mich eine klare Beeinträchtigung, die ich allerdings nicht als so stark empfinde, dass ich mich dadurch "vergraulen" lassen würde.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Ergänzung zu Alfreds letztem Beitrag (10): Die alte Meistersinger Inszenierung der Rheinoper. Damals gab es auch Applaus, als sich der Vorhang hob. Übrigens auch ein Bühnenbild von Schneider-Siemssen.
    Eine der schönsten Inszenierungen, die ich gesehen habe. Und die naturalistische Darstellung Nürnbergs schmälert die Reflexionen zB über die Kunst, die Liebe, das Altern im Stück keineswegs. Ich bin aus dem Alter für Theaterpädagogik heraus. Aber es ist wohl in der Tat auch eine Kostenfrage. Allerdings erzählt man uns ja z.Zt. andauernd, dass der Staat aufgrund hoher Steuereinnahmen im Geld schwimmt...........


    Da ist mir doch das Nürnberg, wie es Andreas Homoki in Berlin auf die Bühne gebracht hat, wesentlich lieber :D :


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Misha,
    diese Meistersinger Inszenierung habe ich auch gesehen. Leider wurde diese ins Ausland verkauft. Falls möglich kopiere doch bitte auch mal ein Photo von der Schusterstube und der Festwiese im dritten Akt in diesen Thread. Als diese Inszenierung zum letzten Mal in Duisburg gezeigt worden ist, war ich in allen Aufführungen und jede war ausverkauft.



    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Mich stört, wenn der jugendliche Liebhaber dick und unattraktiv ist.......


    Deswegen ist wohl der schöne Jonas so erfolgreich :untertauch:
    Da ist m.E. eine adipöse Mimi oder Violetta aber noch schlimmer ;)

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Da ist mir doch das Nürnberg, wie es Andreas Homoki in Berlin auf die Bühne gebracht hat, wesentlich lieber :D :


    So verschieden sind die Geschmäcker, ich finde das schon recht armselig.
    Dann ziehe ich mir doch die neue Staatsoperninszenierung vor, über die hier im Forum noch keiner was berichtet hat.


    Und dazu die Festwiese in kleinem Ausschnitt:


    Aber über das Regietheater soll ja hier nicht geschrieben werden. Ganz vermeiden lässt es sich wohl nicht.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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  • Was ich auf den Tod nicht ausstehen kann, ist das Kaputtklatschen einer Gesangsdarbietung vor deren Ende. Die wohl krasseste Entgleisung dieser Art musste ich beim Nabucco-Gefangenenchor in der Arena von Verona erleben. Der letzte Ton schwebte noch pianissimo ausklingend in der Luft, da blökte so ein irrer Claqueur lauthals los: "Bravissimo! Da capo! Bravissimo!" Und nach der obligatorischen Wiederholung dasselbe. Die ganze Freude und Ergriffenheit der Darbietung war dahin. :thumbdown:


    Eine andere Unsitte musste ich an der New Yorker MET erleben: Mit dem Ausklingen des letzten Tons erhoben sich gefühlt 3000 Amis von ihren Opernsitzen und eilten den Ausgängen zu, um pünktlich ihre nächste Subway zu bekommen.
    Weltstars wie Anna Netrebko und Piotr Beczala mussten sich bei ihrer Verbeugung den Anblick Tausender verlängerter Rücken zumuten, anstatt ihren Applaus, ihren Künstlerlohn genießen zu können. Das ist die Kunst mit Füßen getreten.
    Von der "Theatergarderobe" ganz zu schweigen, die nicht selten aus Cowboyhut, Schaftstiefeln und großkarierten bunten Hemden bestand. Kulturbanausen! :no:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • ...
    Eine andere Unsitte musste ich an der New Yorker MET erleben: Mit dem Ausklingen des letzten Tons erhoben sich gefühlt 3000 Amis von ihren Opernsitzen und eilten den Ausgängen zu, um pünktlich ihre nächste Subway zu bekommen.
    ...........


    Darüber ärgere ich mich analog selbst in der Leipziger Oper: Manche Leute rennen in diesem Moment zum Ausgang, als ob gleich die letzte Tram geht oder das Parkhaus in 5 Minuten verriegelt wird.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Wenn schon andere hier Bilder einstellen, "lasse ich mich auch nicht lumpen" und stelle hier einen ganzen Akt der schönsten Inszenierung ein, die ich je live erleben durfte, auch wenn ich weiss, dass dieses Kunstwerk von Pierluigi Samaritani gewissen Teilnehmern zutiefst zuwider sein wird.
    Ja, vor 40 Jahren konnte auch ich noch ohne Ekel in die Oper gehen:


  • Es ist wohl ein Zeichen unserer unbedingt nüchtern sein wollenden und hektischen Zeit, dass schöne Bühnenbilder, wie Alfred sie hier eingestellt hat, von manchen Leuten als kitschig empfunden werden und nur noch das Stilisierte oder die leere Bühne als Zeitgerecht gilt. Man will einfach alles Überlieferte über den Haufen werfen. Tradition? Weg damit!
    Es gibt aber sehr viele Leute - und wie ich weiß auch jüngere Leute, sogar hier in Forum - den wissenschaftlichen Untersuchungen nach, die hier schon einmal vorgestellt wurden, sogar mehr als die Befürworter der modischen Nüchternheit, die die Tradition mehr schätzen als die neueren Darstellungen. Wer bestimmt denn, was als "Kitsch" zu gelten hat? Es wäre sicherlich interessant, eventuell auch unter den Besuchern dieses Forum, eine Bewertung stattfinden zu lassen, welches der beiden hier vorgestellten Bilder von Nürnberg sie mehr anspricht. Wolltet ihr lieber in einer Umgebung wohnen, wie sie Schneider-Siemssen oder wie sie Homiki dargestellt hat?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wolltet ihr lieber in einer Umgebung wohnen, wie sie Schneider-Siemssen oder wie sie Homiki dargestellt hat?


    Ich habe die Bühnenbilder von Opern bislang nicht danach beurteilt, ob ich darin gerne wohnen würde :hahahaha:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Da sind mir die Bilder von der Staatsoper (von welcher eigentlich?) weitaus lieber als die in jeder Hinsicht billigen von Homoki (die womöglich dann mehr gekostet haben als sonst was). Es kommt auch auf die Oper an. Bei den "Meistersingern" oder beim "Rosenkavalier" möchte ich lieber nicht Bühnenbilder mit Raumschiffen oder Kreuzfahrtschiffen oder Schwimmbädern (aber auch sonst bei keiner Oper). Und es gibt auch ungewöhnliche Bühnenbilder, die durchaus Sinn machen und gleichzeitig beeindruckend sind. Es kommt auch viel auf die Lichtregie und natürlich die Personenregie an. "Tristan und Isolde" kann man etwa optisch relativ abstrakt machen - aber so, dass es beeindruckt und bewegt im Sinne des Stücks. Da gilt oft: weniger ist mehr. Lieber eine leere Bühne mit tollem Licht, als eine Bühne mit allerlei störendem Unsinn.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Da sind mir die Bilder von der Staatsoper (von welcher eigentlich?) weitaus lieber


    Pardon, ich meinte die Berliner Staatsoper als Gegensatz zur Komischen Oper, die es auch in Berlin gibt.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Bertarido meinte im Beitrag Nr 17:

    Zitat

    Da ist mir doch das Nürnberg, wie es Andreas Homoki in Berlin auf die Bühne gebracht hat, wesentlich lieber


    Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. (Das glauben zumindest die alten Römer - die Realität sieht indes anders aus.)
    Ich sehe hier die Sparversion für eine Schüleraufführung. Solche Aufführungen sollte man boykottieren, denn sie sind das Eintrittsgeld nicht wert, das verlangt wird. Aber auch gratis würde ich meine Zeit nicht damit verschwenden, meine Augen mit derlei zu beleidigen. Solch ein Bühnenbild kann ein Dreizehnjähriger entwerfen!!!
    Einer der Reize von Opern ist - neben der Musik - auch jener - in ein anderes Zeitalter eintauchen zu können - in eine - mitunter auch gruselige oder blutrünstige - Märchen- oder Sagenwelt .......


    Schon in meiner Jugend wurden teilweise Versuche unternommen, Stücke zu "stilisieren" - Bühnen ohne Bühnenbild, mit lediglich wenigen Dekorationsstücken ausgestattet die für die Handlung unerlässlich waren. Kostüme aus billigen Stoffen, ohne Verzierungen, die in jener Zeit, wo das Stück spielte, einfach üblich waren. Ich empfand das schon damals als Stimmungstöter. Herr von Karajan soll einmal die Verwendung von Kunstseide in historischen Stücken beanstandet haben, dies sähe so billig aus....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ah, interessant, Berliner Staatsoper. In der Wiener Staatsoper gibt es ja immer noch die alte Produktion von Otto Schenk - stört mich überhaupt nicht, obwohl man sie etwas auffrischen könnte. Das Stück selber gibt so unendlich viel her, dass ich keine "Neuinterpretation" (bloß nicht!) brauche. Und die Aufführungen (besonders Neueinstudierungen) sind in der Regel erstklassig. Was will man mehr? Nichts!


    Um auf Alfreds Einleitung zurückzukommen: Ich hoffe, ich verstehe den Thread richtig, also kein "Regietheater", und wie kann man trotzdem das Publikum vergraulen. Es kann einem einiges vergällt werden. Etwa desinteressierte Personen im Publikum - mit allen denkbaren Auswirkungen: lautes Plaudern, Geräusche machen, demonstratives Husten, im Takt mitwippen etc. Dirigenten, die auf die Sänger wenig Rücksicht nehmen. Darsteller, die sich vorne hinstellen und ins Publikum singen, wenn sie eigentlich in diesem Moment mit anderen Protagonisten interagieren sollten. Chormitglieder, die in einem Stück, das im Mittelalter angesiedelt ist, Armbanduhren und Brillen tragen. Vielleicht fällt euch noch mehr ein.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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