Pierre Boulez ist tot

  • Der französische Komponist und Dirigent Pierre Boulez - einer der bedeutendsten Musiker der letzten Jahrzehnte - ist schon am Dienstag im Alter von 90 Jahren in Baden-Baden gestorben.


    Seine Bedeutung sowohl als Dirigent wie auch als Komponist im ausgehenden 20. Jahrhundert kann kaum überschätzt werden.



    R.I.P.

  • Mich haben besonders sein "Ring" und seine Mahlerinterpretationen berührt, und ich bin sehr traurig über seinen Tod.


    R. I. P.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eine traurige Nachricht, da ist ein weiterer ganz Großer von uns gegangen. Ich hatte das Glück, in den letzten Jahren in Berlin noch einige Konzerte unter seiner Leitung erleben zu dürfen und war sehr beeindruckt.


    Die ZEIT hatte Boulez zu seinem 90. Geburtstag in einem lesenswerten Artikel gewürdigt: http://www.zeit.de/2015/13/pie…ulez-komponist-geburtstag

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich habe ihn auch live als Konzert-Dirigenten erlebt (u.a. mit einem auf mich damals sehr merkwürdig wirkenden Konzertschluss zum Vorspiel 1. Akt "Parsifal") und schätze sowohl seine Wagner- als auch seine Mahler-Aufnahmen. Zu ihm als Komponisten habe ich ehrlich gesagt keinen Zugang.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ach, das macht mich nun aber doch betroffen! Gerade bin ich ihm so intensiv begegnet.
    Im Zusammenhang mit meiner Beschäftigung mit der Liedkomposition der Zweiten Wiener Schule habe ich auf die Aufnahmen von Schönberg- und Webern-Werken unter der Leitung von Pierre Boulez zurückgegriffen, - und war von vielen sehr beeindruckt.


  • Pierre Boulez wird mir immer sehr gut in Erinnerung bleiben.
    :angel: Seine fabelhaften Bartok-, Strawinsky-, Ravel- und Debussy-Aufnahmen, die mir auf CD vorliegen werden mich auch zukünftig immer positiv an ihn erinnern.
    Als Komponist wird er mir wohl immer verschlossen bleiben ... macht ja nichts !


    In den 80er-Jahren habe ich ihn auch mal LIVE in der Beethovenhalle Bonn erleben dürfen - und das u.a. mit einem Werk, das man bei ihm; zumindest auf CD, kaum vermuten würde:
    - die Siebte von Beethoven.
    Dann habe ich eine CBS-LP mit ebenfalls unüblichem Boulez-Repertoire:
    - Berlioz-Ouvertüren.


    Ein weiterer Grosser ist von uns gegangen.


    R.I.P.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zu den eindrücklichsten Opernaufführungen, die ich in den letzten Jahren erlebt habe, gehört Janaceks "Aus einem Totenhaus" in Amsterdam - in der Inszenierung von Patrice Chéreau und unter der musikalischen Leitung von Pierre Boulez.
    Spätestens seither ist mir Boulez als Dirigent wichtig geworden.
    Danach habe ich etliche Konzerte, die er in Berlin mit der Staatskapelle gemacht hat, besucht. Immer wieder ist mir seine Fähigkeit, musikalische Abläufe souverän zu gestalten und analytisch zu durchdingen, aussergewöhnlich erschienen. Im franzöischen Repertoire habe ich zudem seinen feinen Klangsinn stets bewundert.


    Er hat ein langes und wirklich großartiges Leben gehabt.
    Besonders bewundernswert fand ich seine Bereitschaft, zu lernen, Neues zu wagen und wieder zu lernen.
    Dass diese Bereitschaft auch für sein Verhältnis zur Oper galt, hat ihn mir besonders sympathisch gemacht.


    Ich werde ihn nicht so schnell vergessen!
    Möge Pierre Boulez in Frieden ruhen!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Auch ich habe Boulez mehr als Dirigent wahrgenommen, denn als Komponist. Seine Bedeutung auf diesem Gebiet ist für mich mehr Ahnung, denn verbürgtes Wissen. Mit seiner Musik kann ich nichts anfangen. In Berlin erlebte ich ihn mehrfach am Pult, zum Beispiel mit der "Jakobsleiter" von Schoenberg. Danach hatte ich das Gefühl, ja die feste Überzeugung, etwas ganz Großartiges erlebt zu haben. Das ist ja auch schon mal was. In Bayreuth hörte ich noch seinen zweiten "Parsifal". Im Gegensatz zur ersten Serie, die 1970 mit einem Mitschnitt für die Platte endete, fand ich ihn noch klarer, schlichter, nicht aber strenger. Mir gefiel, dass er sich der etwas abenteuerlichen Inszenierung von Schlingensief nicht verschloss, dass er sich an dessen Seite vor dem Vorhang zeigte und den Protest mit einsteckte. Er suchte die Zusammenarbeit mit jungen Künstlern und erwies sich dabei als Partner und nicht als Besserwisser. So war es ja auch beim "Ring" von Chereau, mit dessen musikalischer Seite ich nicht so warm geworden bin wie mit dem "Parsifal" von 1970, den ich auch nur als Tondokument kenne - und schätze. Neulich beschäftigte ich mich wieder einmal mit dem Leipziger "Parsifal" von Herbert Kegel und war plötzlich ganz hingerissen, wie er noch vertiefte, was Boulez in Bayreuth begann. Er nimmt der Musik die Schwere, nimmt ihr aber auch viel von der mystischen Wirkung, die vor allem Knappertsbusch zugeschrieben wird.


    Ein erfülltes Leben hat sich vollendet. Grund zur Rückschau und Dankbarkeit.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In Berlin erlebte ich ihn mehrfach am Pult, zum Beispiel mit der "Jakobsleiter" von Schoenberg.


    Ja, 1993 mit Siegfried Lorenz in der Hauptrolle und dem von Dietrich Knothe (letztmals) einstudierten Rundfunkchor Berlin. Wurde auch im Radio übertragen, ich habe einen Mitschnitt davon. (Allerdings lange nicht gehört, weil ich das Werk nun nicht sooo toll finde...)



    Die Staatsoper Berlin hat auf ihrer Homepage auch schon reagiert:


    http://staatsoper-berlin.de/de_DE/staatsoper-aktuell

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Die Staatsoper Berlin hat auf ihrer Homepage auch schon reagiert:


    http://staatsoper-berlin.de/de_DE/staatsoper-aktuell


    Auch in Hamburg wurde seiner gedacht: Komme gerade aus einer berückenden Aufführung von Pelléas et Mélisande unter GMD Kent Nagano, welche in einer kurzen Ansprache zu Beginn dem Komponisten und Dirigenten Piere Boulez gewidmet wurde. Eine schöne und passende Geste, wie ich finde!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Auch in Hamburg wurde seiner gedacht: Komme gerade aus einer berückenden Aufführung von Pelléas et Mélisande unter GMD Kent Nagano, welche in einer kurzen Ansprache zu Beginn dem Komponisten und Dirigenten Piere Boulez gewidmet wurde. Eine schöne und passende Geste, wie ich finde!


    Absolut. Dass Nagano selbst gerade ein französisches Werk, welches das Tor zur französischen Moderne weit aufstieß, dirigierte, hätte kaum besser geplant sein können, als es dieser Zufall wollte.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auch in New York gedenken sie natürlich ihres ehemaligen Chefdirigenten (1971-77), u.a. mit einer zweistündigen Hommage, die zum 90. Geburtstag entstand. Alle NYPO Konzerte diese Woche sind Boulez gewidmet.

  • Ohne von seinem Tod erfahren zu haben hörte ich eine der schönsten Boulez-Kompositionen:



    Traurig - nun ist wiederum einer der letzten "großen" Persönlichkeiten der Neuen Musik von uns gegangen - und ein großer Dirigent, dem ich die Entdeckung eines großen Teil des Orchesterrepertoires verdanke. Die Welt wird einmal mehr ärmer! Aber so ist das Schicksal! Er wird unvergessen bleiben! :angel:

  • Traurigkeit über die Nachricht auf der einen Seite, aber zugleich Dankbarkeit für all das, was er in seinem langen Leben hinterlassen hat, das sind die beiden Empfindungen, die die Nachricht bei ausgelöst haben. Ich habe so meine Probleme mit ihm als Komponisten, daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Als Dirigent sind mir seine Aufnahmen von Mahler und Bartòk besonders ans Herz gewachsen, sicher liegt sein bis in die Extreme getriebener Sinn für das Analytische nicht jedem (ihm wurde immer mal wieder "Zergliederung" vorgeworfen), mir hat sein Ansatz insbesondere bei Bartok geholfen, die Werke besser zu verstehen. Dafür werde ich immer dankbar sein.


    Mit herzlichem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich entsinne mich noch gut, als ich zum ersten Mal auf den Namen Boulez stieß, den ich bis heute ausschließlich als Dirigenten wahrgenommen habe. Damals war es sein Wagner, der mir seinerzeit "zu schlank" vorkam. Die Ansicht musste ich revidieren und würde ihn mittlerweile sogar als einen der bedeutendsten Wagner-Interpreten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ansehen. Natürlich war sein Stil nicht der eines Knappertsbusch, Furtwängler oder Goodall. Der "Parsifal" ist ja ein Klassiker, genauso der "Jahrhundert-Ring", den ich übrigens eindeutig aus dem Premierenjahr 1976 vorziehe, wo ein unglaubliches Engagement aller Beteiligten vernehmbar ist, das mir im offiziellen Mitschnitt von 1979/80 abgeht. Damals wurde tatsächlich mit den Konventionen gebrochen, nicht nur bei der Regie.


    Erst spät entdeckte ich das viel breitere Repertoire von Boulez. Für die Klassische Moderne hat er bekanntlich viel getan; seltsamerweise meine ich das in dem Zusammenhang gar nicht. Eher seine seltenen Aufnahmen der klassisch-romantischen Ära. Der Mann hat doch tatsächlich eine kaum für möglich gehaltene, sehr getragene Einspielung der 5. Symphonie von Beethoven vorgelegt. Da versteht man gut, wieso der uralte Klemperer im jungen Boulez noch am ehesten einen Nachfolger sah (so würde er heute dirigieren, wäre er jünger, oder so ähnlich). Daneben kenne ich noch eine packende Live-Aufnahme der 7. Symphonie vomselben Komponisten. Aber auch Bruckner lag ihm: Neben der bekannten Aufnahme der Achten gibt es noch eine Fünfte aus Chicago. Dann natürlich noch sein Mahler, den ich auch für sehr gelungen erachte. Leider wies sein Repertoire zwischen etwa 1800 und 1900 doch zahlreiche Lücken auf, Dinge, die man gerne in seiner Deutung gehört hätte, etwa auch andere Opern von Wagner.


    Eine lebende Legende ist von uns gegangen. Ein Name, der nicht verblassen wird. Im Falle von Pierre Boulez keine leeren Worthülsen, sondern meine tiefste Überzeugung. Adé, Maestro, wir werden dich vermissen!


    R. I. P.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der Mann hat doch tatsächlich eine kaum für möglich gehaltene, sehr getragene Einspielung der 5. Symphonie von Beethoven vorgelegt.


    Die (ich gehe davon aus, dass Du die Einspielung mit dem New Philharmonia meinst) habe ich mir eben nochmal angehört um meinen ersten Höreindruck zu überprüfen: Ich halte Boulezs Interpretation für misslungen. Die in der Tat sehr getragenen Tempi führen dazu, dass sich das Stück in weiten Teilen wie eine zu dick aufgetragene Polka anhört. Der kritische Übergang zwischen dem dritten und vierten Satz läuft bei mir "so durch", d.h. die Anfangssteigerung im vierten gelingt nicht wirklich gut. Insgesamt packt mich hier wenig, das Werk wirkt langweilig.


    Fraglos hat Boulez großartige Aufnahmen vorgelegt. Diese Beethoven-Einspielung gehört für mich leider nicht dazu.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Heute um 16:05 auf Arte: PIERRE BOULEZ - AUF DER SUCHE NACH DER ZUKUNFT


    Hommage an den großen französischen Komponisten Pierre Boulez, der am 5. Januar in Baden-Baden verstarb: Regisseur Barrie Gavin präsentiert die Arbeit des Komponisten, Dirigenten, Lehrers und Denkers. Er begleitete Boulez über vier Jahrzehnte.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auch mich hat die Nachricht von Pierre Boulez' Tod traurig gemacht - und daß, obwohl ich erst vor sehr kurzer Zeit begonnen hatte, überhaupt erste Teile seines Kompositionswerkes kennen- und liebenzulernen.


    Passiert ist das anläßlich des Antrittskonzertes von François-Xavier Roth als neuer Chefdirigent des Gürzenich-Orchesters zu Beginn dieser Saison in Köln. Gespielt wurde dort u. a. die Orchesterfassung seiner Notations. Und wenn das Orchester stellenweise auch noch Luft nach oben hatte (ich bin sicher, FXR wird da einiges bewirken), so war es doch eine fesselnde und begeisternde Erfahrung für mich. Wer das selbst einmal nachhören möchte, kann dies via Youtube tun:


    https://www.youtube.com/watch?v=NiXPwwEJDPY


    Jedenfalls konnte ich in seiner Musik nichts von dem kühlen, im Übermaß vergeistigten Sachwaltertum entdecken, von dem ich im Vorfeld immer meinte, gelesen zu haben - ganz im Gegenteil meinte ich, viel Spannung, Tiefe und durchaus auch Wärme zu spüren. Ich war immerhin so angetan von dem dort Gehörten, daß ich mir kurze Zeit später die DG-Box mit dem kompositorischen Gesamtwerk von Boulez gekauft habe. Ich werde nicht versäumen, mich mit selbiger bei Gelegenheit näher zu beschäftigen.


    Von seiner Dirigententätigkeit kenne ich bislang nur seine 8. Bruckner mit den Wiener Philharmonikern, die mir seinerzeit meiner Erinnerung nach zur akademisch daherkam. Aber Geschmäcker ändern sich auch zuweilen: ich werde die Aufnahme beizeiten noch einmal zur Hand nehmen. Desweiteren steht die DVD-Box mit der Aufnahme seines Bayreuther Jahrhundert-Rings mittlerweile bei mir im Plattenschrank, harrt aber bislang noch ihrer Entdeckung und, so hoffe ich, Bewunderung.



    Edit: danke für den Tipp, Bertarido! :) Ich denke, das werde ich mir gleich einmal zu Gemüte führen...

  • Die 8. Sinfonie Bruckners ist auch für mich nicht der "Weisheit letzter Schluss".
    Pierre Boulez selbst hatte sinngemäß gesagt, dass er bei der Aufnahme von den Wiener Philharmonikern mehr gelernt hätte als umgekehrt.
    Und das meine ich der Aufnahme anzuhören. Es wird ein sehr schöner Orchesterklang geboten, die Tempi sind straff, aber die Frage des "warum" (musste diese Aufnahme entstehen) konnte mir nicht beantwortet werden.


    Bei Mahler hingegen kommt mir Boulez' "analytischer Ansatz" eher entgegen, wobei ich feststellte, dass in Live-Aufnahmen (z.B. Mahlers 7. aus Amsterdam oder Mahlers 2. mit der Staatskapelle Berlin) wesentlich mehr "Wärme" zu verspüren war als in den Studioeinspielungen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Boulez wollte ja kein "Orchestertyrann" sein, sondern den Musikern zu "ihrem" Musizieren verhelfen. Besonders gelungen finde ich das z.B. bei den Wunderhornliedern von Mahler mit dem Cleveland Orchestra. Man merkt den großen Ernst bei Boulez, dass er sich der Tradition - der überragenden Aufnahme des Orchesters mit George Szell - bewußt ist. Das Ergebnis ist beeindruckend und braucht den Vergleich nicht zu scheuen! :)


    Schöne Grüße
    Holger