Lucia di Lammermoor

  • In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr hatte ich endlich Gelegenheit, noch jungfräuliche DVD´s anzuschauen. Z. Bsp. "Lucia di Lammermoor", eine meiner Lieblingsopern in Bestbesetzung. Eine Life-Aufnahme der Metropolitan Opera. Eine hervorragende, dem Libretto entsprechende Inszenierung und auch klangmäßig sehr gut. Alle Sänger und Sängerinnen in Bestform, wobei ich kleine Abstriche bei der Sutherland machen muß, da ich sie auf CD besser in Erinnerung habe. Aber das ist eben keine Studio-Produktion. Jedenfalls eine sehr zu empfehlende Aufnahme:


    W.S.

  • Lieber Wolfgang,
    Das ist auch für mich die beste Lucia, die im Handel auf DVD erhältlich ist. Erstaunlicherweise habe ich auch eine Videoaufnahme von 1989 mit Sutherland und Kraus, in welcher letzterer ohne die Katzenfellperücke in noch besserer stimmlicher Verfassung ist.
    Mit freundlichem Gruss!

  • Lieber Erich,


    in dieser Aufnahme ist die Turmszene leider nicht enthalten. Warum hat Alfredo Kraus sich denn geweigert dieses Duett mit Enrico zu singen? Leider waren die beiden Hauptprotagonisten bei dieser Aufnahme schon nicht mehr gut bei Stimme.

  • Ist in dieser Aufnahme auch die Turmszene enthalten? Früher hat Alfredo Kraus sich stets geweigert, diese zu singen.


    (Leider)


    Erich


    Diese Oper wurde ja leider viel zu häufig als Torso aufgeführt - an der Deutschen Oper Berlin bis heute!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • c/o Rodolfo39:


    Alfredo Kraus war wie viele seiner Tenorkollegen der Meinung, dass diese Szene die Stimme strapaziert. Die Tenöre wollen sich in Ruhe auf die letzte Szene vorbereiten. Leider!

  • Zitat

    Ist in dieser Aufnahme auch die Turmszene enthalten?

    Leider nein! Aber diese Szene ist für mich in dieser Aufnahme nicht so entscheidend.



    Zitat

    War am Schluss die Glasharmonika im Einsatz?

    Ich muß gestehen, daß ich darauf nicht geachtet habe. Da müßte ich mir die DVD noch einmal vornehmen.

    W.S.

  • Lieber Wolfgang,


    die Aufnahme mit Joan Sutherland kenne ich noch nicht. Aber das ist ein guter Tipp. Wenn du sie nennst, kann man sich darauf verlassen, dass es eine vernünftige Inszenierung ist. Außerdem gibt es mit der Sutherland wohl kaum entstellte Aufnahmen. Vielleicht werde ich sie mir zulegen.
    Ich selbst habe eine Inszenierung aus der Scala mit Mariella Devia, Vincenzo La Scola und Renato Bruson, die ich auch sehenswert finde. Sie enthält auch die Turmszene. Allerdings ist meines Wissens auch hier die Glasharfe durch die Flöte ersetzt. Ich müsste noch einmal hineinhören.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Ist in dieser Aufnahme auch die Turmszene enthalten? Früher hat Alfredo Kraus sich stets geweigert, diese zu singen.

    Die Turmszene war früher ein eingebürgerter Strich. Erst in neuerer Zeit wird sie immer häufiger wieder gegeben.



    Ich muß gestehen, daß ich darauf nicht geachtet habe.

    Erstaunlich. Die Glasharmonika - welche in der Wahnsinnsszene zum Einsatz kommt und nicht "am Schluss" - ist derart prominent und auffallend, dass man sie eigentlich nicht überhören kann, wenn sie nicht durch die Flöte ersetzt wurde...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Erstaunlich. Die Glasharmonika - welche in der Wahnsinnsszene zum Einsatz kommt und nicht "am Schluss" - ist derart prominent und auffallend, dass man sie eigentlich nicht überhören kann, wenn sie nicht durch die Flöte ersetzt wurde...


    Ja, das hätte ich hören müssen. Aber es ist so, daß ich sonst kaum vor dem TV sitze (Ausnahmen gibt es) und mir selten eine DVD anschaue. Vielleicht höre ich bei einer Schallplatte oder einer CD intensiver zu als bei einer DVD. Eine andere Erklärung habe ich nicht dazu. :yes:

    W.S.

  • Für mich ist die Turmszene eine Schlüsselszene. Sie erklärt doch das auftauchen Edgardos am Friedhof und gibt in der Wahnsinnsszene der Sopranistin eine kurze Verschnaufpause durch das Eintreffen ihres Bruders.

  • Wer die Glasharmonika nicht nur hören, sondern auch sehen will, sollte von Ende Januar bis zum Februar Ende nach Düsseldorf kommen. Dort wird die Lucia mit Turmszene, mir dem Duett Lucia und Raimondo aufgeführt. Allerdings ist dies eine Inszenierung von Christoph Loy, also wahrscheinlich nicht jedermanns Geschmackssache...

  • Ja, das hätte ich hören müssen. Aber es ist so, daß ich sonst kaum vor dem TV sitze (Ausnahmen gibt es) und mir selten eine DVD anschaue. Vielleicht höre ich bei einer Schallplatte oder einer CD intensiver zu als bei einer DVD. Eine andere Erklärung habe ich nicht dazu.


    Wolfgang, das ist der Grund, warum ich eigentlich so gut wie nie DVDs anschaue: man guckt mehr als man hört.
    Und was sieht man? Großaufnahmen von Personen, die allzu oft nicht recht zu dem passen wollen, was der Gesang durchaus überzeugend darstellt.
    DVDs schaffe ich eigentlich nur an, wenn darauf eine ganz außergewöhnliche Besetzung zu hören ist, die es vergleichbar auf CD nicht gibt. Dann habe ich auch die Praxis, sie nur über die Anlage zu hören und verzichte ganz auf das Bild!


    Und zum Thema Sutherland: ich finde sie nach wie vor in ihren frühen Mitschnitten (London und New York) sowie in der Studioaufnahme mit Renato Cioni überzeugender als in allen späteren Aufnahmen und Mitschnitten. Und bei allem Respekt: sehen muss ich sie wirklich nicht. Meine Vorstellung von einer idealen Lucia oder Gilda, Donna Anna oder Lakme sieht anders aus! Mit ihrem Gesang kann sie die aber durchaus imaginieren!


    Beste Grüße


    Caruso41


    :angel:

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat

    Wolfgang, das ist der Grund, warum ich eigentlich so gut wie nie DVDs anschaue: man guckt mehr als man hört.


    Hallo, Caruso41!


    Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen! :thumbup:

    W.S.

  • das ist der Grund, warum ich eigentlich so gut wie nie DVDs anschaue: man guckt mehr als man hört.


    Als jemand, der Opern nahezu ausschließlich auf DVD oder eben im Opernhaus anschaut und anhört, würde mich interessieren, warum Du bei der DVD das Gefühl hast, mehr zu schauen als zu hören, im Opernhaus aber dann wohl nicht. Jedenfalls schreckt das Bild Dich offenbar nicht vom Besuch einer Opernaufführung ab.


    Die von Dir angesprochenen Großaufnahmen empfinde ich gerade als einen großen Vorteil der DVD selbst gegenüber dem Live-Erlebnis im Opernhaus, denn Gestik und Mimik stellen doch eine nicht zu vernachlässigende Komponente des schauspielerischen Ausdrucks dar. Immer vorausgesetzt, dass die Sänger auch gute Schauspieler sind. Wenn Sie nur ihre Rollen "absingen", dann ist das Bild für mich auch eher verzichtbar.


    Die Sutherland muss ich auch nicht unbedingt aus der Nähe sehen :untertauch:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • warum Du bei der DVD das Gefühl hast, mehr zu schauen als zu hören, im Opernhaus aber dann wohl nicht. Jedenfalls schreckt das Bild Dich offenbar nicht vom Besuch einer Opernaufführung ab.


    Lieber Bertarido!
    Das ist vielleicht zunächst am einfachsten biografisch zu erklären:


    In meiner Jugend - die liegt nun schon ziemlich weit zurück - gab es in der Städtischen Oper Berlin (heute Theater des Westens). in der Staatsoper Berlin (zunächst noch im Admiralspalast in der Friedrichstraße, später Unter den Linden) und in der Komischen Oper Berlin Stehplätze und/oder Partiturplätze! Die waren gewissermaßen meine Kinderstube und meine Schule, in denen ich Opernaficionado wurde!
    Um möglichst viele Werke kennen lernen zu können, bin ich lieber vier mal auf einen Platz gegangen, von dem aus ich die Bühne nur teilweise oder gar nicht sehen konnte, als einmal auf einen teueren Platz! Gerade auf den Partiturplätzen - oft mit Paritur vor mir - habe ich gelernt zu hören! Wir lernen in den Bildungseinrichtungen, die wir alle durchlaufen, normalerweise lesen, schreiben und auch sehen. Aber wo wird das Hören gelehrt?


    Ich habe ja öfter schon gesagt, dass ich nach wie vor eigentlich in der Oper immer in erster Linie Hörender bin. Wenn ich nicht höre , dass da ein Feldherr, ein Gralsritter, eine eisumgürtete Prinzessin oder eine Dame aus Burgos dargestellt wird, und wenn ich nicht höre, wie er resp. sie liebt oder leidet, rast oder träumt.....dann hilft mir die Bühne auch nicht mehr!


    Seit meiner Frühzeit als Opernbesucher bin ich den Galerien oder obersten Rängen treu geblieben! Während des Studiums bekam ich an allen möglichen Häusern öfter Studentenkarten im Parkett oder auf einem der vornehmen Ränge. Gut, da war man näher an der Bühne, hatte oft auch gute Sicht, aber aus akustischen Gründen zieht es mich immer wieder nach oben! Und da sehe ich dann das Geschehen auf der Bühne in der Totale. Ablenkendes, das sich vor die Musik schieben könnte, kommt einfach nicht nah an mich heran.
    Das ist im Video anders, weil eine Bildregie meine Aufmerksamkeit viel stärker auf das Optische lenkt - unter Umständen gar auf etwas, das die Konzentration eingrenzt, verengt, behindert oder stört. Interessant beispielsweise finde ich immer eine Beobachtung, die ich mache, wenn ich mal im Fernsehen eine Konzertübertragung verfolge. Da wird manchmal die eine und dann wieder die andere Instrumentengruppe herausgeholt aus der Totalen - und prompt merke ich, dass mir dabei das, was die spielt besonders nah kommt und ich eine für das musikalische Geschehen ganz wichtige andere Stimme - vielleicht sogar die Gegenstimme - nicht mehr angemessen wahrnehme.


    Ich verstehe nichts von der Hirnforschung, habe aber den Eindruck, dass die Wahrnehmung der Sinnesorgane unterschiedlich direkt und unterschiedlich intensiv ist. Vielleicht ist es ja so, dass unser Gehirn beim Zusammensetzen der Eindrücke, die ihm von den verschiedenen Sinnesorganen gemeldet werden, das, was von den Augen kommt, stärker gewichtet als das, was von den Ohren kommt.
    Setzen sich Bilder schneller fest als Klänge? Oder muss man fragen: sind wir eher fähig, Bilder aufzunehmen und zu verstehen als Klänge?


    Ich höre übrigens immer wieder von Opernbesuchern, dass sie Frau X oder Herrn Y in dieser oder jener Rolle einfach nicht akzeptabel finden, weil Figur, Physiognomie und Gestik nicht passen. Da ist es ihnen dann ganz und gar unmöglich, stimmliche Qualitäten oder sängerische Fähigkeiten zu genießen. Bei mir ist das eher anders herum. Ich kann mich mit Sängern, die stimmlich oder gesanglich einer Partie nicht gerecht werden, nicht anfreunden obwohl sie genau der richtige Typ dafür wären, oder - wie man früher sagte - die richtige Physique du role mitbringen.


    So, das gehört eigentlich alles gar nicht in diesen Thread, aber ich wollte doch versuchen, Deine Frage ordentlich zu beantworten. Sollte es einen Tread geben, in dem solche Fragen behandelt werden, kann das ja einer der Moderatoren dahin verschieben.


    Beste Grüße


    Caruso41



    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich habe ja öfter schon gesagt, dass ich nach wie vor eigentlich in der Oper immer in erster Linie Hörender bin. Wenn ich nicht höre , dass da ein Feldherr, ein Gralsritter, eine eisumgürtete Prinzessin oder eine Dame aus Burgos dargestellt wird, und wenn ich nicht höre, wie er resp. sie liebt oder leidet, rast oder träumt.....dann hilft mir die Bühne auch nicht mehr!


    Seit meiner Frühzeit als Opernbesucher bin ich den Galerien oder obersten Rängen treu geblieben!

    JA JA JA
    bei mir ganz genau gleich. Wer eine Parte "nicht mit der Stimme" spielen beleben und erfüllen kann, dem hilft das Spiel auf der Bühne auch nicht (viel).


    Und zu Lucia-Strichen: Wenn Nellie Melba die Lucia sang war nach der Wahnsinnsszene überhaupt Schluss...................

  • und zu Lucia-Strichen. Wenn Nellie Melba die Lucia sang war nach der Wahnsinnsszene überhaupt Schluss...................


    Und das war dann nicht die Aufführung des Werkes, sondern eines Torsos dieses Werkes.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • So, das gehört eigentlich alles gar nicht in diesen Thread, aber ich wollte doch versuchen, Deine Frage ordentlich zu beantworten. Sollte es einen Tread geben, in dem solche Fragen behandelt werden, kann das ja einer der Moderatoren dahin verschieben.


    Danke für die mehr als ordentliche Antwort. :hello: An dieser Stelle will ich nicht weiter darauf eingehen, vielleicht findet sich ein Thread, zu dem das thematisch passt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lucia di Lammermoor


    Meine Aufnahmen:


    La Scala Collection 1992



    Renato Bruson
    Mariella Devia
    Vincenzo La Schola
    Marco Berti
    Carlo Colombara
    Floriana Sovilla
    Ernesto Gavazzi


    Cond. Stefano Ranzani


    Vorbemerkung:
    Über die Lucia zu schreiben, ist für mich schwierig, weil ich befangen bin. Musikalisch und emotional stelle ich höhere Ansprüche an dieses Werk als Andere. Damit muß der geneigte Leser zurechtkommen. Ich musste es auch.


    Das Bühnenbild dieser Mailänder Produktion der frühen 90er ist sehr düster und nüchtern, die Kostüme sind überladen und wirken nicht sängerfreundlich. Die Protagonisten wirken wie in einen Panzer eingezwängt, was Ihnen sicher für die Erbringung von sängerischen Höchstleistungen hinderlich war.

    Musikalisch ist die Aufnahme durchwachsen; Chor und Orchester wirken professionell, der Dirigent lässt etwas vom Feuer vermissen, mit welchem diese Oper dem Publikum darzubringen ist.


    Zu Beginn das Positive:


    Mariella Devia ragt aus dieser Sängergilde hervor, ihre Lucia zählt bis heute stimmlich zu den besten, was der Markt hervorgebracht hat. Warum wurde diese Stimme der Öffentlichkeit nicht besser präsentiert?
    Darstellerisch wirkt sie etwas kühl. Vor allem in ihrer Wahnsinnsszene ist sie bei völlig klarem Verstand.
    Ihre Professionalität kann sie nicht verbergen, was in dieser Rolle von stimmlich weniger guten Sängerinnen darstellerisch besser gemacht wird.


    Vincenzo La Schola als Edgardo singt zu Beginn sehr gut und glänzt im ersten Auftritt mit metallischer Tenorstimme, später wirkt er streckenweise etwas überanstrengt, und im Finale macht seine Stimme zu, was bedauerlich ist, denn sein Timbre war für die Rolle das Edgardo prädestiniert. Sein „O bell' alma innamorata“ hört sich wirklich gebellt an - doch wer singt noch schön, wenn ihm der Dolch in der Brust steckt?
    (Ausnahme: Giuseppe di Stefano, s. unten)
    War er noch etwas zu jung? Kaum, denn andere Tenöre sangen auch mit Anfang 30 diese Partie. Nervosität, Kostüm, oder ein nur mittelprächtiger Tag? Wir werden es nicht mehr erfahren. Leider hat uns dieser sympathische Tenor vergangenes Jahr verlassen.


    Renato Bruson wirkt in dieser Partie des Enrico älter als er zur Zeit der Aufnahme war. Augen tief in den Höhlen, Stimme brüchig und fahl, Schweißperlen auf der Stirn. Eine Energieleistung, doch leider ohne Glanz. Daß er es besser kann, zeigen seine Auftritte als Rigoletto und Macbeth. Da ist er um Klassen besser!


    Die übrigen Sänger fielen weder positiv noch negativ auf, sie verrichteten ihre solide Arbeit, wenn man von einigen Ensembleschwächen absieht, wie die ungenauen Einsätze beim Sextett im 2.Akt.
    Ob das alles Scala-gerecht ist, will ich nicht beurteilen.
    Diese Aufnahme verfügt übrigens über das Duetto de la torre "Ah! O sole, più ratto" im 3. Akt (2.Szene).



    Mein Favorit ist diese m.E. vollendete Aufnahme:



    Hier zitiere ich der Einfachheit halber auszugsweise den Beschrieb auf jpc, dem ich nichts mehr hinzufügen kann:


    Die Assoluta
    Wie wunderbar, daß es nun die Mono-Einspielung der Lucia mit Maria Callas in einer klanglich so überragenden Aufnahme gibt. Beim ersten Abhören kam es mir vor, als würde ich im Orchester bzw. zwischen den Sängern sitzen. Man kann es gar nicht fassen, wie großartig das digitale Remastering von den Originalbändern geworden ist ... man hört sogar an bestimmten Orchesterstellen das Umblättern der Notenseiten. Es ist wie live! Herrlich!


    Aber wenn man erst Maria Callas singen hört, dann scheint, wie bei allen kongenialen Aufführungen großer Musik, die Zeit stillzustehen, so daß die Erlebniszeit zur eigentlichen Zeit wird. Auch Callas' Kunst ist - wie bei allen überragenden Musikern - eine, die Kunst verbirgt, aber nicht im Sinne der Überwindung oder Auflösung technischer Schwierigkeiten, sondern der im orphischen Mythos gedachten Beseelung und Erlösung. Wie auch Giuditta Pasta konnte sie die Unvollkommenheiten der Stimme zwar nicht unhörbar, wohl aber überhörbar und vergessen machen (so Jürgen Kesting in "Die großen Sänger unseres Jahrhunderts").


    Die von Serafin dirigierte Aufnahme von Lucia di Lammermoor war Callas' erste Produktion mit dem damaligen künstlerischen Leiter von Angel, die wahrhaftig allerhöchstes Niveau hält. Daran ändert nichts, daß Sutherland oder auch andere Sängerinnen vielleicht ein paar Ornamente und Kadenzen geläufiger exekutierten. Virtuosität liegt ja nicht nur in Flinkheit, erweist sich nicht durch ein paar gelenkige Stunts. Z. B. kann Sutherland zwar durch brillant-rasches Singen verblüffen, aber sie ist fade und ausdrucksarm in langsamen Cantilenen. Aus "Verranno a te" klingt, hat man einmal Callas' sehrenden Tonfall schmerzlicher Liebe im Ohr, bei der Australierin so etwas wie eine Matronen-Emotion. Die Koloratur-Girlanden und die Kadenz-Akrobatik zwischen Stimme und Flöte von "Ardon gl'incensi" als "Ausdruck von Wahnsinn" hat uns erst Callas nahegebracht, nachdem durch vier Jahrzehnte und bis zum heutigen Tage hindurch die Rolle der Lucia an die Glitzertöne der Soprani leggieri gefallen war. Allein durch Maria Callas' Klanggebärde für die Phrase "alfin son tua, alfin sei mia" wird Schmerz hörbar, wie er - um ein Analogon zu finden - in den Pietà-Darstellungen der Renaissance sichtbar ist. Dies allein schon ist eine Ausdrucksleistung nur der Callas. Selbst Kadenz und Cabaletta erlöst sie - durch eine subtile Kunst des Timings - von virtuoser Formelhaftigkeit.


    Durch die Farben der Stimme, die Finessen der Diktion, die Formung der Linien hat Maria Callas nicht nur dieser einmaligen Lucia-Aufnahme...ein ganz und gar unverkennbares Gesicht gegeben.


    :hail::hail::hail:

    Freundliche Grüße Siegfried