La Traviata, die 28. Aufführung seit der Premiere der Autoscooter-Oper (Bühne Annette Kurz, Inszenierung Johannes Errath), hinterließ erneut einen zwiespältigen Eindruck. Die russische Sopranistin Irina Lungu, der im aktuellen „Opernglas“ ein vierseitiges Portrait gewidmet wurde, sang die Violetta mit runder, durchaus weicher, in der Höhe und im Forte aufblühender, und auch im Piano klangvoller Stimme; was zu erwarten war. Sie war, wie es sich für eine Traviata-Aufführung gehört, sozusagen eine sichere Bank. Gleiches gilt für Andrzej Dobber, dessen kräftiger und klangvoller Bariton den zweiten Akt zum Höhepunkt des Abends werden ließ.
Massimo Giordano hätte vom Optischen her gut zu der attraktiven Violetta gepasst, wenn er nicht wie ein Stock gespielt hätte. Die Chemie stimmte zwischen den beiden überhaupt nicht, und das lag nicht an Frau Lungu. Girodano überzeugt auch stimmlich nicht völlig. Er sang zwar mit kräftiger, sehr tragfähiger, aber wenig biegsamer, eher steif klingender Stimme; hinzu kamen einige eingesprengte Schluchzer, von denen man nicht wusste, ob sie gewollt waren oder nicht. Vielleicht hemmt auch die unemotinale, gegen jede Empathie anarbeitende Inszenierung die Sängerinnen und Sänger. Meist ist die Bühne völlig leer und schwarz, nur die Ballakte (1 und 3) werden durch zahreiche, von der Decke herabgelassene Autoscooter bemöbelt. Häufig wird die große Drehscheibe in Gang gesetzt, mit der die Sänger wieder ihre Schwierigkeiten hatten. Violetta muß bei ihrer großen Arie im ersten Akt spazieren gehen, was sich mit dem Singen schwer vereinbaren lässt. Besonders beim Forte bleibt sie stehen (genauso wie Herr Dobber im 3. Akt), um sich ganz auf die Tonproduktion zu konzentrieren. Anschließend ist sie mit der Drehscheibe weit in den Hintergrund gefahren worden und muss sich sputen, um wieder vorn, wo alle Zuschauer sie sehen können, ihre Arie fortzusetzten.
Das ist handwerlich schlecht durchdacht und lenkt auch den Zuschauer vom Gesang ab (als Frau Lungu einmal von der Drehscheibe trat, stolperte sie fast). Über die Mätzchen, die Errath sich sonst noch ausgedacht hatte (ein Violetta-Double spielte eine Leiche, die von Alfredo aus dem Grab gezogen werden musste; mehrere weiß gekalkte, fast lemurenhaft erscheinende, offenbar die Schwindsucht und den Tod symbolisierende Statisten schlichen mehr order weniger oft über die leere Bühne), wäre ansonsten hinwegzusehen gewesen.
Das Haus war ausverkauft mit offenbar vielen wenig opernerfahrenen Besuchern im Haus (bezogenauf den sehr häufigen Zwischenbeifall; selbst Violettas erste Arie wurde zwischenverklatscht), der Jubel für Frau Lungu und Herrn Dobber am Ende groß. Es blieb zudem der Eindruck nach, als ob besondere Jubler im Haus waren: Herr Giordano erhielt nach seiner ersten Arie zwei sehr laute Bravorufe, bei sonst eher verhaltenem Beifall.
Man kann den häufigen Zwischenbeifall, selbst nach Violettas Schlussszene „Addio el passato“ wurde ausgiebig geklatscht, auch anders interpretieren. Der Beifall galt der Gesangskunst von Frau Lungu, Violettas Schicksal war dagegen offenbar nicht ergreifend genug, um still und in sich gekehrt dem Ende der Oper zu lauschen. Das wäre der unempathischen Regie anzulasten. Das Philharmonische Staatsorchester wurde übrigens von Alexander Joel geleitet, ich fand das Orchesterspiel zu uninspiriert und zu Humtata-betont. Das sahen viele Zuschauer aber anders, Alexander Joel empfing etliche Bravorufe.