Wie schreibt man über eine neue moderne Oper, über ein Werk, bei dem die Vergleichsmöglichkeit fehlt. Gestern bei dem Musical im Cuvilliertheater berücksichtigte ich hilfsweise vier Kriterien: Inhalt, Musik, Gesang und Inszenierung
Inhalt: Amundsen und Scott auf getrenntem Weg zum Südpol, des einen Freude, des anderen Leid fast dokumentarisch in einer Oper dargestellt, ist interessant.
Musik: Das von Kirill Petrenko geleitete Bayerische Staatsorchester war riesig, der Klang beeindruckend, es quietsche, jaulte, waberte, blieb für Momente dominant, häufig aber auch fast unhörbar leise den Gesang begleitend. Anfangs erinnerte es stark an den Film A Space Odyssee von Kubrick, zum Beispiel wenn der Monolith erscheint (Musik von Ligeti), später wird es lautmalerisch wenn es stürmt oder die großen Streichinstrumente betonen drohendes Ungemach (Petrenko hatte geschätzt DINA 2 große Partiturblätter vor sich liegen). Zusammengefasst, das Musikalische war durchaus interessant, es hätte auch gut einen Naturfilm begleiten können.
Gesang: Die Sänger waren alle gut, sie hatten allerdings oft die nicht einfache Aufgabe, in Schreistärke auf verschiedenen Höhen den Ton zu halten und dabei nicht unschön zu klingen, das gelang. Die Norweger unter Amundsen (Thomas Hampson) sind nur mit Baritonen, die Engländer unter Scott (Rolando Villazon) nur mit Tenören besetzt. Ergänzend setzt der Komponist eine hohe Sopranistin (Landlady: weißgewandet Mojka Erdmann, Geliebte Amundsens) bei den Norwegern und einen Mezzosopran (schwarzgewandet Kathleen Scott: Tara Erraught) bei den Engländern ein. Beide Frauen treten in den Tagträumen der beiden Polarforscher auf. Zu bewundern sind beide Damen, ihre Stimmen blieben ohne jede Schärfe stets klangschön. Villazon sang gut, aber für mein Gehör mit wenig greifbarer Klangqualität. Wenn ich ihn nicht gesehen hätte (er ist ein guter Sängerschauspieler und auch daran zu erkennen), könnte es auch ein anderer Tenor gewesen sein. Im Vergleich mit dem mächtigen Bariton von Hampson wirkte er auch etwas leise.
Inszenierung: Hans Neuenfels, der neben Katrin Connan auch für die Bühne verantwortlich war, gelang eine interessante und überzeugende Inszenierung. Die Bühne bestand aus einem großen weißen Guckkasten, der in der Mitte durch einen am Boden liegenden Balken in eine linke und eine rechte Bühnenhälfte unterteilt wurde. Links spielten die Engländer, rechts die Norweger. Es gab einige realistische Requisiten wie ein Kettenrad-Fahrzeug, Schlafsäcke, Fahnen, gefrorene Fleischstücke, Gletscherspalten darstellende Falltüren und, glücklicherweise auch Übertitel, links für Scott und seine Leute, rechts für Amundsen, der als unsympatischer Egomane dargestellt wurde (er verbot seinen Kameraden Papier und Bleistift, damit nur seine Empfindungen und Meinungen der Nachwelt erhalten bleiben sollten). Das ganze wurde insgesamt sehr realistisch, fast schon dokumentarisch dargestellt. Etwas übertrieben geriet das lang andauernde Erschießen der mitgeführten Tiere (Ponys bei Scott, Hunde bei Amundsen). Das war aber nicht dem Regisseur anzulasten, sondern dem Komponisten, der für jedes Tier einen gesonderten Todesschuss in die Partitur hineingeschrieben hatte.
Alles in Allem hat sich die Aufführung gelohnt. Ob sich das Werk allerdings im Repertoire halten wird, mag zu bezweifeln sein. Nach der Pause blieben in dem ausverkauften Haus doch nicht wenige Plätze leer. Der Beifall war freundlich, bei Teilen des Publikums auch begeistert.