Arthur Honegger - Die Streichquartette

  • Arthur Honegger hat drei Streichquartette hinterlassen, das erste entstand 1916/17 während des 1. Weltkrieges, die anderen beiden Mitte der 30er Jahre. Über seine Quartette sagte Honegger 1951 in einem Radiogespräch: " Ich habe eine gewisse Zahl an "Kraftarbeiten" geschrieben: so bezeichnet man besonders schwierige Entwürfe...Ich betrachte sie ein wenig als Beethovensche Nebenprodukte. Sie werden mir entgegnen: Beethoven für arme Leute! Einverstanden, aber hier ist es, wo sich meine wahre Natur offenbart. In dieser Kategorie habe ich eine geheime Vorliebe für gewisse Stücke, die nicht immer sehr geschätzt wurden: die Quartette und vor allem das erste, da es genau die Persönlichkeit des jungen Mannes widerspiegelt, der es 1917 geschrieben hat. Es hat Fehler und Längen, aber ich erkenne mich darin wie in einem Spiegel".


    Das erste Quartett hat drei Sätze und dauert knapp 25 min. Das Werk gilt als erstes Hauptwerk des noch jungen Komponisten. Die Satztitel lauten:


    Appassionato (Violent er tourmente)
    Adagio (Tres lent)
    Allegro (Rude et rythmique)


    Die Satztitel der Ecksätze deuten schon an, dass es hier ziemlich zur Sache geht. Die Tonsprache ist düster, teils aggressiv und dissonant, der Tonsatz ist sehr dicht und erinnert dahingehend an die Musik von Reger, Schönberg und Berg. Eines der wenigen französischen Werke, die dem deutschen Expressionismus nahestehen. Das Adagio enthält einige Passagen, die das Ganze etwas auflockern und auch im Finale gibt es den einen oder anderen Hoffnungsschimmer. Aber insgesamt ein nicht einfach zu hörendes Werk, das vermutlich deshalb auch noch nicht im Repertoire der meisten Streichquartette gelandet ist. Seit heute besitze ich drei Aufnahmen des Quartetts, eine mit dem Amati Quartett (gekoppelt mit Frank Martins SQ), und zwei im Rahmen von GA mit dem Quatuor Erato und dem Quatuor de Geneve. Letzteres habe ich gerade gehört.


      

  • Das war mir bisher wirklich entgangen, danke für den Hinweis!
    Ich habe mal Honneggers Solosonate für Violine geübt (die ersten drei Sätze sind für fleißige Amateure erreichbar) und bin seitdem von der "Tonsprache" begeistert.

  • Den Eindruck, dass es beim 1. Streichquartett zur Sache geht, teile ich mit lutgra, meine Empfindung ist jedoch nicht, dass die Tonsprache düster ist. Vielmehr empfinde ich es durch die klare Ansprache eher als hell und beweglich. Das kommt meines Erachtens auch daher, dass ich neben den Anteilen der geschilderten Vorgänger besonders Anteile von Debussy oder Ravel empfinde, wie z.B. die gebrochenen höher gelegenen Akkorde der Violinen als Unterlegung für markante Bratschenthemen. Für mich scheint in diesen Stellen immer wieder Licht durchzuscheinen und aufzulockern.


    Im 1. Satz kommt Honegger ohne viel Einleitungsgeschnörkel direkt zur Sache, was mich etwas an Mendelssohns op. 80 erinnert. Nichts gegen gute Einleitungen; in Honeggers Quartettmusik scheinen sie kaum notwendig zu sein. Der zweite Satz ist enorm ruhig und gelassen. Es ist erfrischend, dass er ohne Höhepunkte oder hervorstechende Passagen auskommt bzw. die Musik ist so stark und homogen, dass Aha-Effekte nicht notwendig sind. Der Adagiosatz ist übrigend etwa so lang, wie die beiden Ecksätze zusammen; vielleicht hält er die beiden turbulenteren Sätze zusammen oder, wie lutra es formuliert, er lockert das Ganze etwas auf. Der 3. Satz ist ein etwas typischer Schlusssatz: er steuert mit etwas Dampf dem Ende entgegen.


    Das erste Quartett finde ich das gelungendste der Honeggerquartette. Ich kann gut nachvollziehen, dass der Komponist an diesem emotional sehr gehangen hat. Ein solch gutes Quartett mit 24-25 Jahren scheint eigentlich ein guter Grundstein für eine Kammermusikkarriere, weswegen es etwas bedauerlich ist, dass nur noch zwei Streichquartettkompositionen folgten. Ich finde es nicht fein, dass die Kammermusik Honeggers so wenig verbreitet ist. Der Reclams Kammermusikführer "entwürdigt" den Komponisten mit lediglich insgesamt 9 nichtsaussagenden Zeilen, der Harenberg widmet zumindest eine dreiviertel Seite.


    Meine einzige Aufnahme der drei Quartette ist die des Erato Quartetts wie abgebildet:



    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)