Gibt es auch heute noch grosse Sängerdarsteller?

  • Inspiriert durch den Thread von Sixtus möchte ich hier ein für mich essentielles Problem der derzeitigen Oper ansprechen:


    Über die Gesangstechnik der heutigen Generation ist man vielleicht verschiedener Meinung, aber was ich schmerzlich vermisse, sind die überragenden Charakterdarsteller. Hier ein paar Beispiele, die sich übrigens auch auf Youtube- und Tondokumenten nachvollziehen lassen.


    Wenn eine Callas, ein Gobbi, ein Christoff die Bühne betraten, gehörte sie ihnen, weil sie nicht mehr die Personen nur darstellten, sondern durch jahrzehntelanges Ausfeilen ihrer Partien eins mit der Rolle geworden waren. Die genannten Sänger sind nur Beispiele unter vielen der früheren Generationen, gleiches lässt sich auch von Mödl, Varnay, Greindl, Hotter, Windgassen usw. usw. sagen. All diese Leute vermochten durch verschieden Klangfarben, durch Körperhaltung usw., unabhängig von der Lautstärke zu überzeugen. Auch nur ähnliche Leistungen vermag ich heute nicht mehr zu sehen. Liegt der Grund vielleicht darin, dass in unserer schnelllebigen Zeit (auch durch die Regisseure) nicht mehr so lange, über viele Jahre hinweg an einzelnen Partien gearbeitet wird, dass die Spezialisierung gar nicht mehr erstrebt wird?


    Was meinen die Taminos?

  • Das Problem ist zum einen das es keine Ensembles mehr gibt, oder das in kleineren ind mittleren Häusern die Sänger einfach alles singen müssen. Das nächste Problem ist das der Komkurenzkampf immer größer wird . Fällt ein bekannter Sänger wie zum Beispiel KKaufmann aus, kann er ohne Probleme durch einen anderen Sänger ersetzt werden. Und ein nächstes Problem ist das sich die Akustik in d3n Opernhäusern nicht grade zum Vorteil geändert haben. Und dann natürlich ist der Bekanntheitsgrad auch größer durch Radio bzw TV liveübertragungen und mitlerweile den Livestreams im Internet. Ich weiß nicht ob es das früher auch schon geben hat, das Tenöre eher klingen wie ein Bariton. Was mir noch bei den früheren Sängern umgefallen ist das die Basisisten mehr Stimmenvolumen ht und die Stimmfarbe auch dunkler geprägt war als die ihrer heutigen Kollegen. Ist eine Spezialisierung überhaupt erstrebenswert ? es wurde ja zum Beispiel Frau Bartoli vorgeworfen, als sie sich mehr dem Barock zugewandt hat , das sie das nur aus aus Profitgründen machen würde oder das es in ihrer Opernkarierre nicht mehr weitergehen würde und welcher Sänger wäre glücklich darüber 7mer nur die gleichen Partien zu singen.r

  • Über die Gesangstechnik der heutigen Generation ist man vielleicht verschiedener Meinung, aber was ich schmerzlich vermisse, sind die überragenden Charakterdarsteller. Hier ein paar Beispiele, die sich übrigens auch auf Youtube- und Tondokumenten nachvollziehen lassen.


    Wenn eine Callas, ein Gobbi, ein Christoff die Bühne betraten, gehörte sie ihnen, weil sie nicht mehr die Personen nur darstellten, sondern durch jahrzehntelanges Ausfeilen ihrer Partien eins mit der Rolle geworden waren. Die genannten Sänger sind nur Beispiele unter vielen der früheren Generationen, gleiches lässt sich auch von Mödl, Varnay, Greindl, Hotter, Windgassen usw. usw. sagen. All diese Leute vermochten durch verschieden Klangfarben, durch Körperhaltung usw., unabhängig von der Lautstärke zu überzeugen. Auch nur ähnliche Leistungen vermag ich heute nicht mehr zu sehen.


    Zu der Frage würden mich Ton- und Bild-Beispiele früher vs. heute interessieren. Ich habe nämlich von den mir bekannten Opernaufführungen und Video-Mitschnitten einen ganz anderen, viel positiveren Eindruck von der Bühnenpräsenz heutiger Sänger. Gerade weil die Regie heute einen viel größeren Stellenwert hat und das "Rampensingen" kaum noch vorkommt. Man erwartet von einem Sänger, dass er auch ein guter Schauspieler ist, und das zu Recht, wie ich finde. Aber ich habe den Verdacht, dass Du etwas anderes meintest als das schauspielerische Talent des Sängers, daher noch einmal die Bitte um Unterfütterung durch Beispiele und weitere Erläuterung.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Gestern und heute hab ich mir ei ige Opern auf YouTube mit Calaf und Co angehört. Was mir aufgefallen ist, das sie war wunderschön gesungen haben und alle hohen Töne getroffen haben, aber zumindestes die Sopranistinen kamen mir vor wie die Olympia in Hoffmanns Erzählungen was ich vermisst habe war das Gefühl die sängerische Leidenschaft.
    Bei den heutigen Sängerinnen möchte ich vor allem Renee Flemming nenennen,. Sie ist nicht auf allen Opernbühnen präsent, macht den ganzen Medienrummel nicht mit und singt die Rollen die zu ihrer Stimme passen.

  • Ich würde mal als Ansatz zu einem Vergleich sämtliche Aufnahmen mit "the acting voice (Kesting)" Tito Gobbi ansehen, hier vor allem der zweite Akt Tosca von Covent Garden 64, aber auch der Rigoletto von 1949 usw.. Des weiteren ist der Peter Grimes mit Vickers von London 81 empfehlenswert, dann Salome und Elektra unter Karl Böhm mit Astrid Varnay, dann die Bohème von der Met 81 mit Carreras, Stratas, nicht zu vergessen die Schusterstube von Bayreuth 1963 mit Greindl ,Windgassen, Silja usw. usw. Ach, tempi passati.....!!!


    Pardon, Rodolfo, wer sind "Calaf und Co"? Solltest du die Callas meinen, kannst du wohl nicht von "wunderschön gesungen" reden, sondern von "Ausdruckstark", Für den Schöngesang sind andere zuständiger ;) !

  • Der Hauptunterschied zwischen den Sängerpersönlichkeiten gestern und heute ist für mich der der Selbst- oder Fremdbestimmtheit. Die Sänger wurden früher in Räume gestellt und da sollten sie singen. Und das taten sie. So gut sie eben konnten. Und sie spielten dann auch. So gut sie eben konnten. Und da erkannte man, wer ein Sängerdarsteller war, der eine Figur nicht nur gut singen, sondern auch glaubhaft darstellen konnte, und wer nicht. Diese Sängerpersönlichkeiten hatten eine innere Überzeugung davon, wie eine Partie ist und wie diese Sicht auf die Rolle am besten zum Ausdruck gebracht werden sollte. Heute ist das eher schädlich. Der Regisseur entscheidet, wie der Sänger seine Rolle sehen soll und wie er sie auf der Bühne darzustellen hat. Der Sänger muss sechs Wochen lang (oder wie lange die Proben dauern) diese "Gehirnwäsche" über sich ergehen lassen - wenn er nicht von Anfang an zufällig auf derselben Wellenlänge des Regisseurs schwimmt. Er kann fragen, diskutieren, widersprechen, aber letztendlich muss er doch machen, was der Regisseur von ihm verlangt, weil der die Verantwortung und damit das Letztentscheidungsrecht für die szenische Rollengestaltung des Sängers hat. Wenn der Sänger grundlegend anderer Auffassung ist, kann er zwar die Brockn hinschmeißen und aus der Produktion aussteigen, wobei er dann aber auch auf seine Gage und damit seinen Lebensunterhalt verzichten muss - oder aber er muss sich eben wohl oder übel fügen und so tun, als wäre er einverstanden. Er fügt sich also zumeist, um seine Ruhe und sein Auskommen zu haben. Sehr überzeugend ist das dann meistens nicht, weil er selbst von dem, was er tut, häufig nicht sehr überzeugt ist...
    Das ist meines Erachtens der Grund, warum ich heute keine ähnlich eindrucksvollen Sängerpersönlichkeiten mehr auf der Bühne erlebe, wie noch vor ca. 20 Jahren. Die Bedeutung des Sängers an der Verantwortung hat abgenommen. Er ist fremdbestimmt, szenisch durch den Regisseur und musikalisch durch den Dirigenten. Auch die heutigen Dirigenten haben viel konkretere Interpretationsvorstellungen als früher und sind häufig nicht bereit, sich denen der Sänger unterzurodnen, deren Tempiwünsche zu erfüllen, das Orchester zugunsten der Sänger zurückzunehmen und diese mal einfach zu begleiten. So ist der Sänger als Interpret "Diener zweier Herren", aber nicht mehr Herr seiner eigenen Interpretation, so wie das früher eigentlich selbstverständlich war. Er ist ein doppelt ferngesteuerter Automat, und Automaten sind eben keine Perönlichkeiten. Ja, die Sänger machen sich häufig schon gar keine eigenen Gedanken mehr, haben keine eigene Rollenaufassung, sondern sind offen für alles, beliebig auffülbare Gefäße, aber keine "Persönlichkeiten" mehr...


    Das mag jetzt alles viel zu überspitzt und polemisch klingen, aber unabhängig davon ist es zutreffend - das ist meine Meinung!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Stimmt lieber m.joho, ich meine Callas und Co. Was aber Ist der Unterschied zwischen Ausdrucksstarken und schönes singen. Was bedeutet , wenn Sängen vorgeworfen wird, sie würden zu selbstverliebt singen ?

  • Der Hauptunterschied zwischen den Sängerpersönlichkeiten gestern und heute ist für mich der der Selbst- oder Fremdbestimmtheit. Die Sänger wurden früher in Räume gestellt und da sollten sie singen. Und das taten sie. So gut sie eben konnten. Und sie spielen dann auch. So gut sie eben konnten. Und da erkannte man, wer ein Sängerdarsteller war, der eine Figur nicht nur gut singen, sondern auch glaubhaft darstellen konnte, und wer nicht. Diese Sängerpersönlichkeiten hatten eine innere Überzeugung davon, wie eine Partie ist und wie sie am besten zum Ausdruck gebracht werden sollte. Heute ist das eher schädlich. Der Regisseur entscheidet, wie der Sänger seine Rolle sehen soll und wie er sie auf der Bühne darzustellen hat. Der Sänger muss sechs Wochen lang (oder wie lange die Proben dauern) diese "Gehirnwäsche" über sich ergehen lassen, wen er nicht von Anfang an zufällig auf derselben Wellenlänge des Regisseurs schwimmt. Er kann fragen, diskutieren, widersprechen, aber letztendlich muss er machen, was der Regisseur verlang, der die Verantwortung für die szenische Rollengestaltung des Sängers hat. Wenn der Sänger grundlegend anderer Auffassung ist, kann er zwar die Brockn hinschmeißen und aussteigen, wobei er dann auf seine Gage und damit seinen Lebensunterhalt verzichten muss, oder aber er muss sich wohl oder übel fügen und so tun, als wäre er einverstanden. Er fügt sich, um seine Ruhe zu haben. Sehr überzeugend ist das dann meistens nicht...
    Das ist meines Erachtens der Grund, warum ich heute keine ähnlich eindrucksvollen Sängerpersönlichkeiten mehr auf der Bühne erlebe, wie noch vor ca. 20 Jahren. die Beutungs des Sängers an der Verantwortung hat abgenommen. Er ist fremdbestimmt, szenisch durch den Regisseur und musikalisch durch den Dirigenten. Auch die heutigen Dirigenten haben viel konkretere Interpretationsvorstellungen als früher und sind häufig nicht bereit, sich denen der Sänger unterzurodnen, deren Tempiwünsche zu erfüllen, das Orchester zugunsten der Sänger zurückzunehmen und diese mal einfach zu begleiten. so ist der Sänger als Interpret "Diener zweier Herren", aber nicht mehr Herr seiner eigenen Interpretation, so wie das früher eigentlich selbstverständlich war. Er ist ein doppelt gesteuerter Automat, und Automaten sind keine Perönlichkeiten. Ja, sie machen sich häufig schon gar keine eigenen Gedanken mehr, haben keine eigene Rollenaufassung, sondern sind offen für alles, beliebig auffülbare Gefäße, aber keine "Persönlichkeiten" mehr...


    Das hört sich für mich zumindest nachvollziehbar an. Aber wie Du ja auch selbst sagst: einige Sänger konnten eine Figur glaubhaft verkörpern, andere nicht. Ob dann unterm Strich die Resultate so viel besser waren als heute, wo der Regisseur die Sänger stärker an die Hand nimmt? Wir reden immer nur über die wenigen Stars, aber wie sah es in den 60ern oder 70ern bei einer typischen Repertoire-Vorstellung an einem durchschnittlichen deutschen Opernhaus aus? Wirklich so viel besser als heute?


    Außerdem ist mir das von Regisseuren gezeichnete Bild zu eindimensional. Es gibt sicher Regisseure, die auf Biegen und Brechen ihre Vorstellungen von der Gestaltung einer Rolle durchsetzen, aber es gibt auch andere, die die Rollen gemeinsam mit den Sängern erarbeiten. Wobei die Grundidee sicherlich nicht zur Disposition steht, aber darin sehe ich auch die Verantwortung des Regisseurs.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Aber wie Du ja auch selbst sagst: einige Sänger konnten eine Figur glaubhaft verkörpern, andere nicht. Ob dann unterm Strich die Resultate so viel besser waren als heute, wo der Regisseur die Sänger stärker an die Hand nimmt? Wir reden immer nur über die wenigen Stars, aber wie sah es in den 60ern oder 70ern bei einer typischen Repertoire-Vorstellung an einem durchschnittlichen deutschen Opernhaus aus? Wirklich so viel besser als heute?

    Hier gibt es für mich kein schwarz-weiß, kein Entweder-oder. Vor ca. 30 Jahren gab es halt diese Übergangszeit, wo es schon sehr akribisch arbeitende Regisseure gab und anderswo noch realtiver Leerlauf vorhanden war. Die besten resultate erzielten dann häufig die Sänger, die ihre Partien mit solchen großen Regisseuren erarbeiteten, und dann anderswo mit diesen Partien auftraten, also in andere Räume gestellt wurden und plötzlich viel mehr daraus machten als alle davor. ^^


    Ich meint also die, die gründliche Rollenauseinandersetzung erfahren haben, die dann aber anderswo auch noch die Chance hatten, in einem Raum aus wenig Vorgegebenem viel zu machen, also eigenkreativ tätig zu werden.



    Es gibt sicher Regisseure, die auf Biegen und Brechen ihre Vorstellungen von der Gestaltung einer Rolle durchsetzen, aber es gibt auch andere, die die Rollen gemeinsam mit den Sängern erarbeiten. Wobei die Grundidee sicherlich nicht zur Disposition steht, aber darin sehe ich auch die Verantwortung des Regisseurs.

    Das klingt jetzt zwar viel netter als das, was ich geschrieben habe, meint aber inhaltlich eigentlich genau Dasselbe. ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Es ist immer eine Frage der Epoche. Und es ist eine Frage was das Publikum erwartet, wenn es in die Oper geht.
    Zu Mozarts Zeiten wollte man eine NEUE Oper hören, und genauso wichtig war, daß die Primadonnen (und Tenöre etc) auch ihre Virtuosität unter Beweis stellen konnten. Das fand sich dann besonders ausgeprägt bei den Belcanto-Opern
    Bei Verdi und Wagner war die Geschichte besonders wichtig, und die entsprechenden Bühneneffekte, das Publikum wollte ÜBERRASCHT (im positiven Sinne) werden, ein wenig Götter und Geisterwelt erleben, aber es war nicht besonders anspruchsvoll in Hinblick auf das Aussehen der Sänger und ihrer schauspielerischen Fähigkeiten, zumindest nicht bezogen auf heutige Maßstäbe. Zeitweise wurde auch eine theatralische , einer natürlichen Gestaltung vorgezogen.
    Es gab viele Moden und die Anforderungen waren unterschiedlich.
    Derzeit soll ein Sänger oder eine Sängerin vor allem gut aussehen, den Willen des Regisseurs kritiklos respektieren, und sich auch sportlichen Anforderungen gewachsen zeigen, bzw in letzter Konsequenz auch Erotik ins Spiel bringen....
    So mancher Sänger wird mit den Umdeutungen der Regie nicht einverstanden sein, aber beim Gedanken an die Gage und Karriere lieber den Mund halten und lediglich - singen (das Paradoxon des Satzes ist gewollt)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch der Sänger macht sich ganz gewiss seine Gedanken über die Rolle, die er zu verkörpern hat. Ich kann deshalb nur eine Frage stellen: Kann der Sänger sich mit der Figur identifizieren, wenn ihm der Regisseur eine ganz andere Person aufzwingt als in dem Werk vorgesehen?
    Gute Darstellungen habe ich in letzter Zeit nur noch gesehen, wenn der Regisseur Achtung vor dem Werk zeigte und zusammen mit den Sängern die originalgerechte Darstellung des Werks ausgelotet hatte. Und was hier wieder über Rampengesang ausgesagt wurde: Den gibt es in den modischen Inszenierungen auch zur Genüge.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • Wirklich so viel besser als heute?



    Lieber Bertarido,


    Ob es soviel besser war, als heute, ist wohl Ansichtssache! Aber es war viel spannender!


    Selbstverständlich habe ich in Zürich viele Inszenierungen erlebt, die eher gelangweilt haben, aber selbst in den Repertoirevorstellungen waren Sänger aus dem Ensemble vorhanden, die heute manchen Starsänger in den Schatten stellen würden. Um ein paar Namen zu nennen: Norman Mittelman, Gery de Groot, Galde Peterson, Kari Nurmela.


    Sehr häufig wurden aber (was durch die Dominanz der Regisseure heute unmöglich geworden ist :cursing: !) die sog. Starsänger "als Gast" in die jeweilige Inszenierung geholt, um ihre jahrelang erprobten Partien vorzustellen und dann wurde die Vorstellung mit leicht (!!!!!) erhöhten Preisen zum Fest. Alle von mir geschätzten Sänger von Siepi über Gobbi bis zu Astrid Varnay habe ich hier erleben dürfen und es war für mich sehr spannend zu erleben, wie eine Partie durch diese Sängerdarsteller plötzlich über ganz andere Dimensionen verfügte. Ich bedaure wirklich sehr, dass dies heute nicht mehr sein kann, da die regiemässigen Interpretationen kein Einspringen mehr ermöglichen. So wird jede Aufführung +- zum Abbild der vorherigen. Im Extremfall ist es ja heute so, dass die Stimme aus dem Orchestergraben ertönt, während ein Double die Partie in der Regieauffassung auf der Bühne darstellt.

  • Stimmt lieber m.joho, ich meine Callas und Co. Was aber Ist der Unterschied zwischen Ausdrucksstarken und schönes singen. Was bedeutet , wenn Sängen vorgeworfen wird, sie würden zu selbstverliebt singen ?


    Lieber Rodolfo,
    da brauchst du doch nur an die unselige Debatte Callas vs. Tebaldi zu denken. Die Tebaldi hatte eindeutig die schönere Stimme, brachte aber manchmal von der Essenz der dargestellten Figur relativ wenig über die Rampe. Oder ich denke an Caballe - ich liebe zwar ihre Pianissimi, bin mir dabei durchaus bewusst, dass sie nicht selten reiner Selbstzweck sind.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Lieber Rodolfo,


    Ich möchte dir keineswegs widersprechen, dass es auch heute noch viele gute junge Sänger (vor allem für das "leichtere" Fach und den frühen Belcanto) gibt, die vielleicht sogar besser ausgebildet sind, als in früheren Zeiten.


    Worum es aber hier eigentlich gehen sollte, ist weniger die Stimmfähigkeit (die allerdings dafür unabdingbar ist), als um den Sängerdarsteller, was bei einer konzertanten Aufführung nur schwer erkennbar ist. ;)

  • Lieber m.joho,
    grade bei konzertanten Aufführungen kann man die wahren Sänger Darsteller erkennen, und zwar deshalb weil sie ohne Bühnenbild und Anweisungen des Regisseurs die Rolle glaubhaft rüberbringen müssen. Ich habe in Duisburg einen konzertanten Rigoletto erlebt , mit sing - und spielfreudigen Sängern. Die gleichen Sänger waren einen Monat später bei der szenischen Rigoletto Premiere in Düsseldorf und wirkten wie gehemmt. Man muss nur mal Frau Bartoli in einer konzertanten Afführung erleben, da braucht man wirklich kein Bühnenbild.

  • Man muss nur mal Frau Bartoli in einer konzertanten Afführung erleben, da braucht man wirklich kein Bühnenbild.


    Das stimmt, aber die ist in dieser Hinsicht wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Im allgemeinen können natürlich Sängerinnen und Sänger konzertant mit Mimik und eingeschränkt auch Gestik arbeiten, aber auf der Bühne geht da doch noch erheblich mehr.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Tut mir leid, aber für mich ist das durch die zu singenden Töne bestimmte Herumgackern von Frau Bartoli meilenweit von einer Darstellung entfernt ( Frau Kermes ist zugegebenermassen noch schlimmer). Dasselbe Problem hatte ich ehemals schon mit dem affektierten Gehabe von Jessy Norman...

  • Dasselbe Problem hatte ich ehemals schon mit dem affektierten Gehabe von Jessy Norman...


    Ich habe Jessye Norman nie auf der Bühne erlebt, kenne aber die Video-Aufzeichnung von "Les Troyens" aus der MET, und da habe ich nichts beobachtet, was affektiert gewesen wäre. Und ihre Fähigkeit zum stimmlichen Ausdruck finde ich unübertroffen, wobei ich sie zugegebenermaßen fast nur als Lied- und Konzertsängerin kenne.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Zitat

    Zitat von MJoho: Ich hingegen habe das, was ich als zelebrierte Künstlichkeit bezeichnen würde, sogar in einem Konzert erlitten!

    Lieber Marcel,


    so wirkt das in Opernkonzerten oder konzertanten Aufführungen auf mich in der Regel auch. Mit Darstellung der Handlung auf einer Bühne haben diese erzwungenen Gesten oft reichlich wenig zu tun. Glücklicherweise gibt es auch einige Sänger, die sich nicht bemühen, bei Konzerten etwas künstlich hervorrufen zu wollen, was nicht in diesen Rahmen passt. Eine konzertante Aufführung kann eine Darstellung auf der Bühne bei weitem nicht ersetzen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Natürlich kann sie das lieber Gerhard. Warst du schon mal in einer konzertanten Afführung? Ich wundere mich das du so dagegen bist, da kein Regisseur den Sängern vorschreibt wie sie zu agieren haben das hat ganz und gar nichts mit gekünstelt zu tun. Es gibt natürlich manche Sänger die übertreiben mir zu sehr wie Frau Kermes. Und dann hatte ich das große Vergnügen in Krefeld Helen Donath mit ihrem Mann, der sie am Klavier begleitet hat, erleben zu dürfen. Da gab es auch nichts küstliches. Sie sang , erzählte aus ihrem Leben und auch über die Zusammenarbeit mit Sängerkollegen und Regisseuren.Und in einer konventionellen Operninszenierung wirken die Gesten auch oft sehr erzwungen

  • Und dann hatte ich das große Vergnügen in Krefeld Helen Donath mit ihrem Mann, der sie am Klavier begleitet hat, erleben zu dürfen. Da gab es auch nichts küstliches. Sie sang , erzählte aus ihrem Leben und auch über die Zusammenarbeit mit Sängerkollegen und Regisseuren.Und in einer konventionellen Operninszenierung wirken die Gesten auch oft sehr erzwungen


    Künstlich wird es immer dann, wenn es gewollt, gemacht, gestellt ist. Es muss von innen, aus dem Herzen kommen, dann ist es meist natürlich,gefühlt und dadurch angemessen und richtig.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Das stimmt, aber die ist in dieser Hinsicht wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Im allgemeinen können natürlich Sängerinnen und Sänger konzertant mit Mimik und eingeschränkt auch Gestik arbeiten, aber auf der Bühne geht da doch noch erheblich mehr.


    Da hättet ihr mal gestern Joyce di Donato als Romeo in Berlin in der konzertanten Aufführung von Bellinis "Capuleti e Montecchi" erleben sollen Viel mehr wäre da mit Bühnenbild auch nicht gegangen. Mir persönlich war es beinahe schon zu viel des Guten für eine konzertante Aufführung. Musikalisch hat sie auch vor allem die dramatischen Seiten der Partie herausgestellt. Sie wollte wohl einen ganzen Kerl auf die Bühne bringen. Für eine Belcantorolle auch schon beinahe etwas zuviel.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich habe Jessye Norman nie auf der Bühne erlebt, kenne aber die Video-Aufzeichnung von "Les Troyens" aus der MET, und da habe ich nichts beobachtet, was affektiert gewesen wäre. Und ihre Fähigkeit zum stimmlichen Ausdruck finde ich unübertroffen, wobei ich sie zugegebenermaßen fast nur als Lied- und Konzertsängerin kenne.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ein kleiner amüsanter Nachtrag (Nix für ungut ):


    https://www.youtube.com/watch?v=vdQU-N8b3HA


    Danke, liebe m.Joho, für den Hinweis. Eine hinreißende Parodie - und eine entlarvende! Großartig!
    Jetzt geniere ich mich nicht mehr dafür, dass ich an Bartoli so gar kein Vergnügen habe , wenn sie virtuose Koloraturen zu singen hat.


    Im Übrigen würde ich zu dem Thema des Threads gerne was sagen, aber wenn das fundiert sein sollte - und das hat die Frage verdient!!! - bräuchte ich dafür mehr Zeit, als ich gerade habe.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Über diese Parodie konnte ich überhaupt nicht lachen. Jeder hat zum Glück einen anderen musikalischen Geschmack. Wie hat mal ein User im Forum des online Merker geschrieben : "Kann man nicht jemanden einfach einen schönen Opernabend bzw. Konzertabend gönnen ? Aber es muss ja von anderen immer gemeckert und kritisiert werden . "

  • Um wieder einen direkt auf das gestellte Thema eingehenden Beitrag zu bringen. Selbstverständlich gibt es heute ausgezeichnete Sängerdarsteller. In ihrer Ausbildung hat Schauspiel und Sprechunterricht sogar einen höheren Stellenwert als in vorigen Zeiten. Frühere große Sängerdarsteller waren zum Teil verdammt lausige Dialogsprecher. Aber die moderne Regie will den dominierenden, herausragenden Einzelakteur nicht. Heutige Regiekonzepte wollen das abgestimmte, funktionierende Kollektiv. Alles hat sich der Konzeption des Regisseurs unterzuordnen, also hat der einzelne Sänger gar nicht mehr den Raum, seine Eigenpersönlichkeit voll zu entwickeln. Darüber hinaus ist es enorm, was von den heutigen Sängerschauspielern an Körpereinsatz, Artistik, Tanzkunst, Gags und Klamauk verlangt wird. Die Opernmacher kennen offensichtlich die einfache Wahrheit nicht: Der Sänger hat nur einen Atem. Je mehr er diesen für körperliche Aktivitäten verbrauchen muss, um so weniger hat er dann für seine wichtigste Aufgabe, das Singen. Nicht die Sängerdarsteller sind weniger oder anders geworden. Die Erwartungen und Anforderungen an sie haben sich gewandelt. Das super schlanke Pin up Girl soll dramatisch mit großem Volumen singen. Ein Paradoxon!


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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