Der führende Beethoven-Dirigent der Gegenwart

  • Die entsprechenden Threads zu Mozart und Wagner stießen auf relativ viel Resonanz. Bei Beethoven sollten sogar noch mehr Mitglieder mitreden können, steht er doch gewissermaßen an der Schwelle von der Klassik zur Romantik. Für diejenigen, die von der Alten Musik kommen, ist er oftmals gerade noch von Interesse. Für diejenigen, die von der Spätromantik kommen, nicht selten der erste Komponist von Interesse.


    Wer aber ist derzeit in Sachen Beethoven-Dirigat führend? Natürlich werden wir uns schwerlich auf einen Namen einigen können, aber auch hier gilt wieder, dass man sicherlich Anregungen gewinnen kann, um den eigenen Horizont zu erweitern.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II. Das mit dem führenden Beethoven-Dirigenten ist sicher eine interessante Ergänzung zum Mozart- Thread (von Wagner verstehe ich nichts - und könnte allenfalls Thielemann benennen, was vermutlich die Sache träfe, aber unergiebig für einen Thread wäre)
    Allerdings ist hier die Problematik eine völlig andere, Während ich im Falle von Mozart gegenwärtig lediglich Dirigenten nomineren kann, die als Univeralisten AUCH MOZART gut dirigieren (und schon letzteres ist schwierig) werden wir im Falle der Beethoven Sinfonien seit gut 20 Jahren (wenn nicht länger) bis heute mit stets revolutionären Neudeutungen konfrontiet, Beethoven wird entstaubt was das Zeug hält - obwohl ich seine Sinfonien zu keiner Zeit als verstaubt empfunden habe.
    Während es im Falle Mozart also schwierig erscheint einen hervorstechenden Kandidaten zu finden, gibt es im Falle Beethoven geradezu ein Überangebot - was ja an sich durchaus erfreulich ist. Auch ich werde meine Beiträge zu diesem Thread leisten, möchte aber erst einsteigen, wenn sich andere zu Wort gemeldet haben...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Wenn mit "Gegenwart" noch aktive Dirigenten gemeint sein sollten, wovon ich fest ausgehe, dann scheidet Herr Gielen (leider) aus!


    Meine beiden besten live-Neunte-Dirigenten dirigieren freilich beide noch: Christian Thielemann und Marek Janowski.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Wenn mit "Gegenwart" noch aktive Dirigenten gemeint sein sollten, wovon ich fest ausgehe, dann scheidet Herr Gielen (leider) aus!


    Das ist zwar richtig, aber immerhin passt er zur Hälfte hierher. Es ist ja so, daß beispielsweise John Eliot Gardiner - der lebt glücklicherweise noch und hat uns einen seinerzeit hochgeliebten Beethoven-Sinfonien-Zyklus beschert - wird aber vermutlich keinen weiteren mehr aufnehmen - wenngleich er dies (im Gegensatz zu Gielen) niemals explizit verkündet hat.
    Gielen halte ich für diesen Thread für besonders interessant, weil er immer wieder als Geheimtipp genannt wird - sich aber eigentlich am "Klassikmarkt" zumindest hier in Österreich nie so richtig durchsetzen konnte - warum ist mir nicht bekannt.




    Aber ich glaube, daß ich hier ziemlich ins Schwarze treffe, wenn ich Christian Thielemann als einen der wichtigsten Beethoven-Dirigenten unserer Tage einreihe, seine Gesamtaufnahme ist noch ziemlich neu, und - wie es sich für einen prägenden Beethoven-Zyklus gehört - ziemlich umstritten. Vor etlichen Jahren hat Thielemann auch einige Beethoven Sinfonien für Deutsche Grammophon aufgenommen.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dann will ich mal einen weiteren Namen einwerfen: Herbert Blomstedt.


    Dass dieser ein vorzüglicher Beethoven-Dirigent ist, bewies er bereits in seiner Zeit als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden. Zwischen 1976 und 1981 spielte er in der damaligen DDR die neun Symphonien mustergültig ein. Aber auch heute noch dirigiert er regelmäßig diese Werke. Gerade erst letzten Silvester die Neunte im Leipziger Gewandhaus, im November die Zweite in Stockholm, im Oktober die Achte in Wien oder jetzt im März die Siebte in Boston. Doch damit nicht genug: Auch die Klavierkonzerte dirigierte er oft, spielte die Missa Solemnis wie auch "Leonore", die Urfassung des "Fidelio", ein.


    Ich denke also, dass der Name Blomstedt in diesem Thread nicht fehlen darf. Von den großen Alten dürfte er sowieso fast schon der letzte sein, den man in diesem Zusammenhang überhaupt noch anführen kann.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch "auf die Gefahr hin", dass mir aus einer gewissen Ecke wieder Gegenwind ins Gescht bläst, möchte ich einen Dirigenten nennen, der meines Erachtens auch in dieser Rubrik genannt werden müsste: Paavo Järvi. Beim diesjährigen Schleswig-Holstein-Musikfestival werde ich wieder Gelegenheit haben, diesen famosen Dirigenten mit seinem hervorragenden Klangkörper, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, mit Beethovens Erster und Achter zu erleben, dazu Haydns erstes und zweites Cellokonzert (mit Alisa Weilerstein):



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich würde auch Paavo Järvi nennen, seinen Beethoven Zyklus hab ich mir auf Classica aufgenommen. Ebenfalls sehr gut gefallen hat mir aus Paris der Beethoven Zyklus mit Phillipe Jordan, der vor einiger Zeit auf Arte Concert übertragen worden ist.

  • Phillipe Jordan


    Ein Dirigent, den ich sehr schätze und in der Oper auch schon häufig erlebt habe, allerdings noch nie im Konzert, seinen Beethoven kenne ich leider nicht mal als Mitschnitt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich möchte an dieser Stelle Daniel Barenboim nennen; er hat sich sein Leben lang mit Beethoven auseinandergesetzt, nicht nur als Pianist (er hat einen Gesamtaufnahme aller Klaviersonaten vorgelegt), sondern auch als Dirigent. Diese Aufnahme zum Beispiel aller Symphonien emofinde ich als superb:



    Sowohl von der Interpretation als auch von der Klangtechnik gefällt mir das ausgezeichnet. Er hat auch eine weitere Einspielung mit dem West-Eastern Divan Orchestra vorgelegt, die mich weniger überzeugt, was allerdings sicher auch dem Orchester geschuldet ist, das zwar sehr verdienstvoll und niveauvoll spielt, jedoch nicht an die oben gezeigte Aufnahme heranreicht. Außerdem hat Barenboim auch die Klavierkonzerte, selbst als Solist agierend, vom Flügel aus, dirigiert, und das Resultat ist meiner Meinung nach auf alle Fälle hörenswert.


  • Hallo!


    Obgleich ich kein ausgesprochener Anhänger historischer Aufführungspraxis bin, haben mich die Aufführungen, die ich mit Philippe Herreweghe erleben durfte, sehr beeindruckt und auch im Verständnis der Werke weiter gebracht. Die Aufführungen der Sinfonien 1-5 und des VK (mit Isabelle Faust) fanden mit dem Orchestre de Champs-Élysées statt. Die CD-Aufnahmen mit dem Royal Flemish Orchestra besitze ich hingegen leider nicht (vielleicht noch nicht).



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo


  • Lieber Willi,


    wie Don kann ich mich deiner Nominierung für Paavo Järvi ohne "wenn und aber" anschliessen.
    Mit fällt von den derzeit aktuellen Dirigenten keiner wirklich ein (auch nicht die bisher in diesem Thread Genannten), der die Beethoven-Sinfonien packender darbieten würde als Paavo Järvi.


    Damit stehen wir aber bei weitem nicht alleine da:
    Ich habe die Beethoven-Sinfonien-DVD´s in den Aufnahmen aus der Bethovenhalle Bonn 2010 bei Klassiknachmittagen schon mehrfach aufs Programm gesetzt. Ohne Ausnahme immer wieder mit einhelliger Begeisterung und bei den Zuhörern dem sofortigen Kaufwunsch für diese GA auf DVD. Diese war 2010 der vorerst krönende Abschluss seiner zuvor auf RCA entstandenen SACD-Aufnahme und zahlreicher LIVE-Konzerte.
    Mein erstes DVD-Exemplar (das nur aus den Einzel-DVD´s der Sinfonien Nr.1-8 bestand) wurde mir seinerzeit vom Tamino vivelamusic quasi aus der Hand gerissen; so gross war die Begeisterung für diese umwerfenden Aufnahmen.


    Auch meine Berichte über Meinungsverschiedenheiten und dass es Menschen geben könnte, die diesen Aufnahmen zu schnelles oder überhastetes Tempo andichten, stösst einhellig auf breites Unverständnis.
    :angel::thumbup: Die DVD-GA von Paavo Järvi wird immer wieder einhellig als Hammergesamtaufnahme empfunden und beurteilt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wenn ich so die letzten Jahre überschaue, dann habe ich mich von einer ganzen Reihe CD-Material von Chailly wieder getrennt, weil mir die Int oder die Auswahl der Version nicht wirklich zusagten:
    So zuerst die GA der "Mahler-Verstümmlung" der Schumann-Sinfonien (für mich ist das in dieser Form der Horror);
    dann die Brahms-Sinfonien in seiner 2.GA Chailly II mit dem Gewaandhausorchester .. welche Erlösung dagegen die GA Chailly I mt dem CGBO zu hören;
    vor kurzem dann auch die Mahler-Sinfonien - GA mit dem CGBO ("weder Fisch noch Fleisch").


    Aaaaaber die Beethoven - Sinfonien _ GA mit dem Gewandhausorchester Leipzig (Decca) hat bei mir eingeschlagen wie der Blitz.
    Sowohl vom Tempo, wie vom packendem Zugriff her eine aktuelle GA, die es in sich hat und in jeder Beziehung für vollen Hörspass sorgt. Absolut noch einmal aus der Chailly-GA herausragend muus die Sinfonie Nr.8 hervorgehoben werden. Ein Werk, das in vielen Aufnahmen oft Müde und abgeklärt wirkt ... selbst Karajan erreichte mich in seinen drei DG-Aufnahmen nie wirklich.
    :hail: Was Chailly für ein Feuerwerk mit Pepp abliefert sucht seinesgleichen.


    Von daher finde ich die Nominierung für Chailly als einen der führenden Beethoven-Dirigenten der Gegenwart angemessen.



    Decca, 2011, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Den Nutzen dieses Threads erkenne ich bereits jetzt, da hier nun Namen genannt wurden, die ich sogar in meinem Bestand habe, an die ich indes aber gar nicht spontan dachte. Gemeint sind Herreweghe und Järvi. Norbert hat ersteren ja immer so gelobt, wenn ich mich recht entsinne, und ich kann gut verstehen, wieso. Wolfgangs Lobpreisung auf Järvi unterschreibe ich auch. Etwas weniger gelungen kam mir Chailly vor, wobei das ein Dirigent ist, mit dem ich generell ein gewisses Problem habe (sein neuer Brahms hat mich z. B. überhaupt nicht erreicht, auch seinen Mahler und Bruckner finde ich jetzt nicht so überragend).


    Wenn ganz traditionell und konservativ interpretiert, muss ich wiederum eine Lanze für Blomstedt brechen, nachdem ich dieser Tage in einige ganz aktuelle Mitschnitte gehört habe. Das übertrifft die an sich schon sehr gute alte Gesamtaufnahme aus Dresden nochmal ganz erheblich. Feurig, kraftvoll, paukenstark, hervorstechendes Blech, bassgewaltig — kurzum grandios. Was für ein Weltklasse-Orchester das Gewandhausorchester ist, kann man bei Blomstedt am besten erleben. Daneben gibt es noch einige Rundfunkaufnahmen mit den Wiener und Berliner Philharmonikern sowie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Heute las ich zudem, dass Blomstedt im Mai Beethovens Fünfte mit letzerem Orchester in München dirigieren wird. Im Gewandhaus wird ebenfalls im Mai die "Pastorale" erklingen. Und bei den diesjährigen Salzburger Festspielen im August, wieder mit den Leipzigern, die Siebte und das 5. Klavierkonzert mit Sir András Schiff.

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    – Luís de Camões

  • So verführerisch die aktuell aufkommenden Threads nach dem Muster Der führende ...-Dirigent der Gegenwart auch sind, muss m.E. doch einmal mehr die Frage nach der Tiefe bzw. Sinnhaftigkeit gestellt werden. Ledigliches "Namedroping" führt kaum zu einem Gewinn an Erkenntnis. Vielmehr wäre es notwendig, sich darüber klar zu werden, was denn "führend" im Sinne des Threads bedeuten könnte. Was also sollte einen "führenden Beethoven-Dirigenten der Gegenwart" ausmachen?


    Ein Kriterium wäre vielleicht die Veröffentlichung eines Symphonien-Zyklusses in den letzten, sagen wir fünf oder zehn(?) Jahren. Nun, jeder einigermaßen namenhafte Dirigent hat Zeit seines Wirkens mindestens einen Beethoven-Zyklus vorgelegt, so dass dieses alleine kaum für die "Führung" ausreichend scheint. Vielmehr sollte die Interpretation zudem etwas wesentliches, neues oder einfach anderes zur Beethoven-Rezeption beitragen - schwierig bei der Vielzahl bereits vorhandener Aufnahmen. Immerhin, nehmen wir die relativ aktuellen Einspielungen von Järvi oder Chailly, so haben diese nicht nur einiges "Blätterrauschen" in der Kritik verursacht, sondern vielleicht auch die Art beeinflußt, wie heutzutage Beethovens Symphonien gespielt werden. Andererseits wurden sicherlich auch Järvi oder Chailly beeinflußt von älteren Zyklen beispielsweise Harnoncourt (HIP), Gielen oder Zinmann (Metronomangaben). Ein anderer Name, der hier bereits gefallen ist, wäre der Christian Thielemanns. Sein "romantisch" aufgefasster Beethoven geht vielleicht weiter zurück auf Karajan oder Furtwängler. In meinen Augen - wertfrei zu verstehen - ein eher solitärer Ansatz, der sich zumindest aktuell bei kaum einem anderen Dirigenten in dieser Form findet. Für eine Führung reicht dies m.E. in keinster Weise, wohingegen ich Thielemann sicher als führenden Wagner-Dirigenten in betracht ziehen würde.


    Auch bei jemandem, wie dem von mir außerordentlich geschätzten Herbert Blomstedt habe ich bzgl. der Führung meine Zweifel. Sein Beethoven-Zyklus, wenngleich von einiger Qualität, hat schon einige Jahre auf dem Buckel und mal im Ernst: Der Mann hat es schlicht nicht mehr nötig, sich zu beweisen - was er gleichwohl mit seinem Bruckner-Dirigaten, von denen ich einige live erlebt habe, fraglos tut. Und so wäre meine erste Antwort auf die Frage nach den führenden Bruckner-Dirigenten :hello: Barenboim ist ein ähnlicher Fall, zwar wird seine Einspielung der Beethoven-Symphonien mit der Staatskapelle Berlin auf classic today als Referenz geführt (siehe die aktuelle Besprechung des Nagano-9ers), aber selbiges gilt kaum für seinen letzten Zyklus mit dem West-Diwan-Orchestra.


    So ist die hier gestellte Frage zumindest für mich nicht wirklich zu beantworten und eigentlich ist das gut so!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Der Mann hat es schlicht nicht mehr nötig, sich zu beweisen - was er gleichwohl mit seinem Bruckner-Dirigaten, von denen ich einige live erlebt habe, fraglos tut. Und so wäre meine erste Antwort auf die Frage nach den führenden Bruckner-Dirigenten


    Da fällt mir die Antwort nicht allzu schwer. Der 87-jährige Bernard Haitink hat es erst kürzlich wieder bewiesen, obwohl er es nicht nötig hatte. Die Presse war jedenfalls begeistert.


    Frohe Ostern!

  • "Nötig", sich zu beweisen, hat es der alte Herbert Blomstedt natürlich nicht mehr, lieber Michael. Seinen Rang als ein bedeutender Beethoven-Interpret hat er seit gut 40 Jahren inne, will ich meinen. ;)


    Ich finde es schade, dass die Tonträgerindustrie selbst solch unbestreitbaren Größen die Veröffentlichung bedeutender Konzertmitschnitte nicht gerade leicht macht. Nur weil Blomstedt nicht die Gnade zuteil wird, dass seine Beethoven-Interpretationen der letzten 5-10 Jahre auf CD gebannt werden, sollte er indes bei den wichtigen Beethoven-Dirigenten der Gegenwart nicht ausgespart bleiben. Seine Breitenwirkung mag trotzdem ähnlich groß sein wie bei anderen mit einem aktuelleren Zyklus, schaut man sich seine, zumal für einen Mann seines Alters, ambitionierte Konzertplanung an, die ihn noch heute durch die halbe Welt führt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Gerade im hohen Alter steigt die "Not" wieder, sich zu beweisen bzw. zu beweisen, dass man immer noch sehr leistungskräftig ist und immer noch zur Spitze dazugehört. Wer sich nicht mehr beweisen muss, hat eigentlich ausgedient, vorher muss man sich immer wieder beweisen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Gerade im hohen Alter steigt die "Not" wieder, sich zu beweisen bzw. zu beweisen, dass man immer noch sehr leistungskräftig ist und immer noch zur Spitze dazugehört. Wer sich nicht mehr beweisen muss, hat eigentlich ausgedient, vorher muss man sich immer wieder beweisen.


    Da mag durchaus etwas dran sein. Allerdings, gingen Blomstedt oder meinetwegen Haitink jetzt sofort in den Ruhestand, würden sie trotzdem als prägende und große Dirigenten in die Geschichte eingehen. Und ob sich der alte Celibidache in seinen fast kultartigen späten Konzerten wirklich noch beweisen musste, wage ich auch in Frage zu stellen. Der war auch ein sehr beachtlicher Beethoven-Dirigent, wenngleich er in diesem Thread nicht nominiert werden kann.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Für mich jeweils besonders wichtige Dirigenten, die ich live und auf CD gehört habe und die zugleich für zwei unterschiedliche Lesarten stehen sind:


    Riccardo Chailly (fast alle Levine gehört) und Paavo Järvi
    Christian Thielemann


    Die Zyklen sind alle genannt worden, so dass ich mir hier das Posten der Cover erspare.
    Herrschen bei den beiden erstgenannten eher zupackende Ansätze vor, atmet die Musik bei Thieleman mehr. Ich finde, dass - auch je nach Sinfonie - bei Ansätze ihre Berechtigung haben (ich habe z. B. die 8. nur selten so gehört wie von Chailly, die 6. unter Thielemann finde ich aber ebenfalls von der Stimmung sehr gut getroffen). Ich würde alle vier zu den gegenwärtig führenden Beethoven Dirigenten zählen, ohne mich aber für einen entscheiden zu wollen. Blomstedt dirigiert einen sehr guten Beethoven, für mich persönlich liegen die anderen aber weiter vorn. Und die Frage nach dem Führenden kann doch nur die Frage nach dem im persönlichen Ranking führenden sein. Hier wäre in der Tat weitergehend zu fragen, warum. Bei mir persönlich spielt interessanterweise hier meine musikalische Sozialisierung keine wirkliche Rolle. Kennengelernt habe ich Beethoven mit Karajan und Szell, dennoch sagen mir die zupackenden Ansätze genauso zu.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zitat

    teleton:....Aaaaaber die Beethoven - Sinfonien _ GA mit dem Gewandhausorchester Leipzig (Decca) hat bei mir eingeschlagen wie der Blitz.
    Sowohl vom Tempo, wie vom packendem Zugriff her eine aktuelle GA, die es in sich hat und in jeder Beziehung für vollen Hörspass sorgt. Absolut noch einmal aus der Chailly-GA herausragend muus die Sinfonie Nr.8 hervorgehoben werden. Ein Werk, das in vielen Aufnahmen oft Müde und abgeklärt wirkt ... selbst Karajan erreichte mich in seinen drei DG-Aufnahmen nie wirklich.
    :hail: Was Chailly für ein Feuerwerk mit Pepp abliefert sucht seinesgleichen.


    Hier kann ich mich für deine einhellige Zustimmung ebenso einhellig revanchieren, lieber Wolfgang, wenn ich die Erste und die Achte live mit dem Gespann Järvi-Deutsche Kammerphilharmonie in Hamburg erleben kann. Bei Chailly kommt noch hinzu, dass er in ähnlicher Zusammenarbeit mit dem GOL, wie Järvi mit seinem Orchester, diesen frappierenden Drive mit einem großen Orchester erreicht hat.


    Liebe Ostergrüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Kennengelernt habe ich Beethoven mit Karajan und Szell, dennoch sagen mir die zupackenden Ansätze genauso zu.


    Also ich würde besonders George Szell auch das Attribut "zupackend" zuerkennen. Die Cleveland-Studioaufnahmen leider allerdings an einem schwachen Bassfundament, das seine Gründe in den Vorstellungen Szells anhand seiner falsch eingestellten heimischen Anlage haben soll. Den Unterschied merkt man deutlich, wenn man das mit diversen mittlerweile zugänglichen Rundfunkmitschnitten vergleicht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat Joseph II.

    Zitat

    Den Unterschied merkt man deutlich, wenn man das mit diversen mittlerweile zugänglichen Rundfunkmitschnitten vergleicht.


    Das ist ein wunderbarer Hinweis, lieber Joseph II., ich habe die Cleveland Studioaufnahmen und bin gespannt, wie sich das im Vergleich anhört. Danke!


    Beste Grüße
    JLang


    @ Stimmenliebhaber, ja, ich habe eine extra Tamino Autokorrektur, die aus allem einfach Dirigentennamen macht :D

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • MSchenk über Thielemann:

    Zitat

    Sein "romatisch" aufgefasster Beethoven geht vielleicht weiter zurück auf Karajan oder Furtwängler. In meinen Augen - wertfrei zu verstehen - ein eher solitärer Ansatz, der sich zumindest aktuell bei kaum einem anderen Dirigenten in dieser Form findet. Für eine Führung reicht dies m.E. in keinster Weise,


    Ich würde fürs erste sagen, man sollte Thielemann nicht immer mit Furtwängler und Karajan in einem Atemzug nennen, denn die beiden genannten haben herzlich wenig miteinander gemein, ganz abgesehen davon, daß sie persönliche Feinde waren.
    Thielemann ist eine "erfrischend Konservative" Insel in diesem Meer von rabiaten "Neudeutern" und "Radikalisieren" der Beethovenschen Sinfonien. Und gerade deshalb ist er nicht nur wichtig, sondern wird vermutlich doch am ersten Platz landen. Natürlich nicht "offiziell" - denn dagegen weden sich alle wehren, denen Thielemann (angeblich!) zu weit rechts steht. Leider werde ich meine These nicht beweisen können, weil die Verkaufszahlen ja von den Konzernen gehütet oder aber bei Bedarf auch frisiert werden. Aber, während die ewigen "Erneuerer" und "Modernisierer" sich die Zustimmung ihrer Klientel teilen müssen belegt Thielemann das "konservative Segment" heute zu 100% für sich allein.
    Zur allgemeinen Beruhigung: Ich gehe davon aus, daß wir ebensowenig den führenden Beethoven Dirigenten unserer Tage werden finden können, wie uns das schon im Falle Mozarts nicht gelang.
    Aber, wie schon weiter oben geschrieben wurde, werden neue Namen genannt, alte wieder ins Gedächtnis zurückgerufen, sodass man seine vorhandenen Aufnahmen bewusster hört und gegebenenfalls durch neue ergänzt. In meinem Fall, bedeutet das, daß ich meine Blomstedt-Sammlung behutsam ergänzen werde.....


    Eine weitere Frage ist, ab die ältere Generation überhaupt bereit ist sich mit derzeitigen Dirigenten auseinanderzusezuen (im Sinne von dazukaufen) wenn bereits Karajan, Böhm, Bernstein, Klemperer, Fricsay, Rattle, Thielemann, Jochum, Gardiner, Zinman, Konwitschny, Sawallisch, Wand, Walter, Norrington, Szell und Krivine vorhanden sind - nicht alle komplett, aber kaum von einem der genannten weniger als 3 oder 4 Sinfonien. Ausserdem noch ein paar weitere......
    Ich glaube, man ist dann schon so fixiert, daß einen "Newcomer" nur in Ausnahmefällen interessieren. Die jüngeren Kritiker die gegenwärtige Dirigenten oft überbewerten, kennen die meisten der von mir genannten Dirigenten nur mehr namentlich....(???)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die führenden aktiven Beethoven-Dirigenten der Gegenwart sind für mich (ohne Rangfolge):


    Herbert Blomstedt
    Daniel Barenboim
    Jos van Immerseel
    Thomas Dausgaard
    Bruno Weil
    Emmanuel Krivine
    David Grimal
    Wojciech Rajski
    Jan Willem De Vriend
    Giovanni Antonini
    John Eliot Gardiner



    :hello: LT

  • Warum du Thielemann so vehement ablehnst, gleichzeitig aber Barenboim als "führend" hinstellst, werde ich nie verstehen.


    Trifft nicht eigentlich alles, was man Thielemann vorwerfen könnte, auch auf Barenboim zu?


    Und noch was anderes: Hat Barenboim eigentlich jemals Weber dirigiert?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es geht hier um Beethoven und die Interpretation seiner Werke und nicht um Weber! Und soll ich einen Dirigenten ablehnen, wenn er Weber nicht dirigiert? Ansonsten ist vieles ja Geschmacksache: ich persönlich konnte den Interpretationen Thielemanns mit den Wiener Philharmonikern weitestgehend nicht folgen. Seine Tempi-Vorstellungen und teilweisen Umbetonungen habe ich schon an anderer Stelle kritisiert. Ganz anders bei Barenboim: Seine Beethoven-Sinfonien-Einspielungen mit der Staatskapelle Berlin (besonders die DVD-Audio-Version) würde ich derzeit immer unter meinen Top-Ten nennen. Auch die Mitschnitte von den Proms mit dem WEDO finde ich sehr gut!


    :hello: LT

  • Ja, es geht hier um Beethoven und nicht um Weber, aber Weber war nunmal kein ganz unwichtiger Zeitgenosse Beethovens und ich finde es schon erstaunlich, wie sehr Herr Barenboim offenbar einen Bogen um ihn macht.


    Übrigens sehe ich mir am 3.4. in Freiberg die letzte konzertante Aufführung vom "Waldmädchen" an.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner