Hibla Gerzmava - Koloratorsopran mit Goldglanz

  • Die abchasisch-russische Koloratursopranistin Chibla Lewarsowna Gersmava oder auch Hibla Gerzmawa (Хибла Леварсовна Герзмава) wird heute nachmittag in der Metropolitan-Oper New York die Desdemona singen. Im Januar wurde hier ihr Geburtstag erwähnt, aber sonst gibt es bisher wohl keine Informationen über sie Tamino-Klassikforum und schon gar nicht Berichte über ihre Auftritte.
    Dabei ist sie ganz offensichtlich eine Sängerin, die besondere Aufmerksamkeit verdient! Ich habe sie erstmals im letzten Jahr in Moskau am Moskauer Stanislawski-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater gehört - und zwar als Lucia die Lammermoor. Dort ist sie wohl schon recht lange im festen Engagement. Sie ist keine junge Sängerin mehr aber erst jetzt scheint sie mit Gastspielen auch in großen Opernhäusern anderer Länder zu beginnen!


    Im Programmheft der heutigen Aufführung an der MET (Wird im NDR3 übertragen!) steht über sie


    This Season:
    Liù in Turandot and Desdemona in Otelloat the Met;
    Violetta in La Traviata, Antonia in Les Contes d’Hoffmann, Donna Anna in Don Giovanni, and the title roles of Lucia di Lammermoor and Cherubini’s Médée with Moscow’s Stanislavsky and Nemirovich-Danchenko Music Theatre; and concerts at Carnegie Hall, Vienna’s Theater an der Wien, and in St. Moritz.


    Met appearances:
    Mimì in La Bohème and Antonia (debut, 2010).


    Career highlights:
    She has sung Vitellia in La Clemenza di Tito and Donna Anna with the
    Vienna State Opera, Mimì at Covent Garden and for her debut with Munich’s Bavarian
    State Opera, and Violetta at Valencia’s Palau de les Arts. She has also appeared as Eva in
    Haydn’s Die Schöpfung and the Angel in Cavalieri’s Rappresentazione di Anima e di Corpo
    at Germany’s Ludwigsburg Festival, and as Lyudmila in Glinka’s Ruslan and Lyudmila , the
    Swan Princess in Rimsky-Korsakov’s The Tale of Tsar Saltan, Louisa in Prokofiev’s Betrothal in a Monastery, Rosina in Il Barbiere di Siviglia, Mimì and Musetta in La Bohème, and Adele in Die Fledermaus at the Stanislavsky and Nemirovich-Danchenko Music Theatr


    Bei Wikipedia gibt es Daten zum Leben und zur Karriere. In der deutschen Enzyklopädie weniger, in der englischen mehr!


    Bei der bisher einzigen Aufführung, die ich von Hibla Gersmava gehört habe, war ich vor allem von dem ganz besonderen Reiz der Stimme gefangen genommen. Sie hat einen agilen, wenn auch nicht eben virtuosen Koloratursopran, den sie technisch sicher beherrscht und mit Musikalität und Stilsicherheit einsetzt. Den Reiz der Stimme macht der warme Goldton aus, den man ja nun bei Koloratursopranen sonst eher selten hat. Schon bei ihrer Lucia hatte ich mir gut vorstellen können, dass sie genug Substanz und Potential hat, um auch im Lyrischen oder gar im Spintofach zu reüssieren.
    Ich bin sehr gespannt auf ihre Desdemona heute abend.


    Videos zum Kennenlernen:



    Caruso41

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  • Hallo, Weltenbummler Caruso!


    Das geht aber nicht: bei einer so hochkarätigen Sängerin wie Sondra Radvanovsky nach anfänglichem (punktuellem) Interesse gleich wieder ausklinken und wochenlang in der Versenkung verschwinden!


    Immerhin bist du jetzt wie ein Haubentaucher an unvermuteter Stelle wieder aufgetaucht und hast gleich als Beute eine Nixe aus Moskau (auf dem Umweg über New York) mitgebracht. Leider bin ich heute Abend verhindert, sie als Desdemona zu hören, verlasse mich also auf deinen fundierten Bericht.


    Vergiss nicht, bei Jolanthe vorbeizuschauen, wo ich versucht habe, als Platzhalter zu fungieren. Aber ich möchte nicht. dass das dort entstehende Ensemble der Diskutanten zum Duett verkümmert - und warte auf deine Beiträge, bevor ich mich wieder einklinke.


    Jetzt tauche ich erst mal ab (der Merker-Dienst ruft!) zur Saarbrücker Rusalka-Premiere, wo es kleinere Brötchen zu backen gibt als an der MET...


    Schöne Grüße aus dem Saarland von Sixtus

  • zwar als Mimi aus dem ROH aus dem Jahr 2009.


    Ist das die Aufführung unter Andris Nelsons?
    Und wie gefällt sie Dir da? Wäre ja interessant!


    Beste Grüße


    Caruso41

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  • Lieber Caruso,
    mir gefällt die Aufnahme sehr gut Die Mimi gestaltet Frau Gerzmava stimmlich und darstellerisch sehr anrührennd. Das ist die Aufnahme mit Andris Nelsons.; ihre Desdemina gestern aus der MET war ganz hervorragend und ich meine das im Vergleich zur Mimi ihre Sopran noch voller ? ( weiss nicht ob dad der richtige Ausdruck dafür ist ) gworden ist.

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  • Danke, lieber Rodolfo, dass Du uns gesagt hast, wie Du Hibla Gerzmava findest. Ich kann mir schon vorstellen, dass Dein Eindruck, ihr Sopran habe in der Desdemona voller geklungen als in der Mimi, die ja schon vor einigen Jahren aufgezeichnet wurde, zutreffend ist.


    Den Otello gestern abend habe ich selber noch nicht gehört, aber aufgenommen. Vermutlich werde ich nichtganz so schnell dazu kommen, ihn sorgfältig anzuhören, aber gespannt bin ich sehr. Zum einen natürlich auf Frau Gerzmava aber dann auch auf Antonenko, den ich sehr schätze seit ich ihn vor vielen Jahren im Verdi-Requiem erstmals hörte.


    Beste Grüße
    Caruso41

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    Mitschnitt eines Konzertes - nicht optimal aber mit hörenswerten Aufnahmen!

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  • Gerzmava ist ein lyrischer Sopran mit Koloraturfähigkeit, aber sie ist sicher kein klassischer Koloratursopran. Der Titel des threads passt nicht zu dem Repertoire welches sie eigentlich singt. Denn da finden sich hauptsächlich Partien wie Mimi, Boccanegra-Amelia, Desdemona oder Liù. Ihre Ausflüge in den Belcanto, der ja eine Vielzahl an Koloraturpartien bieten würde, sind daher eher spärlich gesät. Die Probleme mit Verzierungen bei ihrer Lucia beispielsweise sind nicht zu überhören, kommen diese doch sehr unausgeglichen und mit einer gewissen Schärfe. Die Stimme wird von Hörern generell als eher dramatisch empfunden, der für den Belcanto die Leichtigkeit fehlt.
    Sie hat auch klugerweise die Olympia aus Hoffmann’s Erzählungen aus ihrem Repertoire gestrichen. Geblieben sind ihr Antonia und Giulietta mit denen sie auch deutlich mehr Erfolg hat.
    Als sie in Wien die Donna Anna gesungen hat wurde ja auch in den Kritiken auf ihr eher herb-dramatisches Timbre hingewiesen.


    Leider konnte die Sängerin gestern mit der Desdemona in der Radioübertragung des Otello aus New York nicht überzeugen. Stimmliche Probleme waren unüberhörbar. Spitzentöne gerieten nicht nur immer wieder zu scharf sondern wie ein Hörer gestern auch ganz richtig sagte: "She is short on top notes." Warum konnte sie Spitzentöne nicht halten? Warum war sie so kurzatmig? Im dramatischen Ausbruch gesellte sich ein unangenehmes Flackern hinzu. Doch das hört man bei ihr leider oft. Das war ja auch bei ihrer Vitellia an der Wiener Staatsoper der Fall. Doch Gerzmava war nicht die einzige die in dieser Otello-Aufführung stimmliche Probleme hatte, denn es war ja nicht zu überhören dass Aleksandrs Antonenko in der Titelrolle wahrlich nicht seinen besten Tag und offensichtlich mit einer Indisposition zu kämpfen hatte. Im letzten Akt musste er von seinem Cover ersetzt werden, einem italienischen Tenor namens Francesco Anile. Die Umbesetzung wurde übrigens nicht angekündigt, plötzlich hörte man eine ganz andere Tenorstimme. Wie muss das auf das Publikum gewirkt haben als sie plötzlich einen ganz anderen Otello auf der Bühne erblickten? Den besten Eindruck hinterließ Zeljko Lucic als Jago. Auch das Dirigat war äußerst farblos. Keine berauschende Matinee-Vorstellung an der MET.


    Gregor

  • Lieber Gregor,
    hab Dank für Deinen eingehenden Beitrag. Ich habe ihn mit großem Interesse und reichlich Vergnügen gelesen. Das hilft doch sehr, sich von der Sängerin ein klareres Bild zu machen.
    Wie gesagt: ich hatte sie bisher nur einmal gehört und eben als Lucia. In Moskau singt sie schon einige Partien, die ich dem Koloratursopranfach zurechnen würde: von der Ludmilla bis zur Leila. Deshalb habe ich sie als Koloratursopran bezeichnet. Aber ich hatte ja auch geschrieben, dass ich annehme, sie würde ihre Zukunft im lyrischen oder sogar im Spinto-Fach haben. Ob das allerdings wirklich die richtige Perspektive für sie wäre, kann ich nicht recht beurteilen. Meine Zweifel habe ich, da die Stimme eigentlich in den tieferen Lagen nicht besonders ergiebig ist.
    Was Du über die Probleme schreibst, die bei ihrer Desdemona zu hören waren, könnte in die Richtung gehen. Die Partie liegt ja stellenweise ziemlich tief. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, das viele genuin lyrische Soprane da ihre Probleme in der Höhe bekommen, weil sie über weite Strecken unten so sehr beansprucht werden, dass schließlich die Freiheit, die Rundung und die Farbe in der Höhe leiden, im schlimmsten Fall sogar die Kraft. Selbst eine Freni oder Ricciarelli waren - live - da nicht ausgenommen. Nur lyrische Soprane, die wirklich eine gut sitzende Tiefe haben und da auch Fülle entfalten und Akzente setzen können, kamen mit der Partie problemlos zurecht: etwa Zylis-Gara oder Lorengar. Ansonsten ist es offenbar besser, die Partie mit einem Spinto zu besetzen also etwa Tebaldi oder Crespin.


    Gut, aber das gehört jetzt natürlich nicht in diesen Thread. Nach allem, was Du über die Aufführung geschrieben hast, bin ich nicht sicher, ob ich sie mir ganz anhören werde. Vielleicht beschränke ich mich mal auf eine paar Ausschnitte.


    Beste Grüße


    Caruso41

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  • Hallo Caruso,
    wie inzwischen zu erfahren war, kam es so kurzfristig zu einer Umbesetzung, dass dem Cover nicht mal mehr die Zeit blieb, um sich noch umziehen zu können. So stellte Antonenko die Rolle im vierten Akt nur noch mimisch dar, während Anile die Partie stehend am rechten Bühnenrand gesungen hat.


    Was Gerzmava betrifft stellt sich in der Tat die Frage ob es eine gute Entscheidung wäre noch mehr ins Spinto-Fach zu wechseln. Die Stimme ist sehr lyrisch und wenn sie gezwungen ist forte zu singen neigt sie schnell zum Forcieren. Und dann scheppert die Stimme deutlich. Wie bei der Desdemona mehrfach zu hören war. Dazu gequetschte Spitzentöne, die Stimme einfach nicht frei und ihr kurzer Atem verhinderte es, Töne so auszuformen wie es die Musik vorgibt.


    Habe mir übrigens gerade den Terminplan von Gerzmava zurück bis 2006 angesehen. Die von dir erwähnte Leila habe ich da zwar nicht gefunden, doch findet man, um beim Belcanto zu bleiben, die Adina sehr oft. Auch eine Tatjana soll sie 2008 in London mal gesungen haben.
    Im Herbst wird sie die Donna Anna an der MET singen. Die Vorstellung des Don Giovanni am 22. Oktober 2016 wird übrigens weltweit live in den Kinos übertragen.


    Gregor

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  • Was Gerzmava betrifft stellt sich in der Tat die Frage ob es eine gute Entscheidung wäre noch mehr ins Spinto-Fach zu wechseln. Die Stimme ist sehr lyrisch und wenn sie gezwungen ist forte zu singen neigt sie schnell zum Forcieren.



    Ja, lieber Gregor,
    das sehe ich genau so! Ich denke, dass sie gut beraten wäre, einweilen das lyrische Koloraturfach und vielleicht auch einige Partien des lyrischen Faches zu singen. Aber - wie schon gesagt - die Desdemona sehe ich nicht als lyrische Partie. Ich habe nie verstanden, dass man dafür Sängerinnen einsetzt, die zwar im ersten, zweiten und vierten Akt durchaus ihre Stärken haben, im dritten aber schlichtweg überfordert sind.


    Leider scheint auch Gerzmava dazu zu gehören. Ich habe jetzt mal ein paar Passagen von dem Otello-Mitschnitt angehört. Da ihre Stimme ja eigentlich den faszinieren Goldklang nur in der oberen Lage entfaltet, bleibt sie den Stellen der Partie, die tief liegen, einiges schuldig. Hinzu kommt dann das schon vermutete Problem: da sie doch so viel in der tieferen Lage gefordert ist, fehlt der Stimme die Mühelosigkeit und Freiheit in der Höhe. Dass sie dann auch noch Druck macht weil sie die Töne und Bögen nicht auf dem Atem fluten kann, ist natürlich ein Alarmsignal! Ich erinnere an Hilde Güden, Mirella Freni, Katja Ricciarelli oder Renée Fleming, die alles das gleiche Problem hatten.


    Beste Grüße


    Caruso41

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