Don Carlos kontra Don Carlo

  • Giuseppe Verdi hat für seine Opern vor allem seine beiden Hausgötter angezapft: Shakespeare und Schiller. Die letzte seiner vier Schiller-Opern war zugleich sein zweiter Anlauf, mit einer Grand Opéra Paris zu erobern - und sich damit den Weg zum Welterfolg zu ebnen. Zwei französische Librettisten sorgten dafür, dass nichts ausgelassen wurde: Der Beginn mit Fontainebleau, das obligate Ballett und das grandiose Autodafé. Die Uraufführung 1867 wurde ein Triumph.


    Doch in Italien gingen die Uhren anders. Italiener sind ungeduldig, wollen keine Opern mit 4 Stunden Musik und 2 Pausen erleiden. Und Verdi selbst war Italiener geblieben. Also ließ er sich ein italienische Libretto anfertigen (ohne Fontainebleau, ohne Ballett und (leider) ohne den Trauergesang um den Marquis Posa) und passte die Komposition dem neuen Text an. In Mailand ging 1884 die Oper (mit 3 Stunden Musik und nur einer Pause) unter dem Jubel der Italiener über die Bühne der Scala.


    Fortan spielte man in Frankreich die Pariser, im übrigen Europa vorwiegend die Mailänder Fassung - bis die Verfechter der Urfassungen sich zu Wort meldeten (nicht nur bei diesem Stück). Seitdem gibt es regelmäßig Streit, welche Fassung die echte, die praktikablere, die bessere ist.


    Ich schlage vor, dass wir uns in diese Diskussion einmischen. Das obige Vorwort soll die Erinnerung etwas auffrischen und zur Diskussion anregen. Sicher haben Opernfreunde, die das Stück in beiden Fassungen kennen, dazu eine Meinung. Die zu äußern, möchte ich euch bitten - und mich dann gern in die Diskussion einmischen.


    Auf eure Meinungen und Argumente freut sich


    Sixtus

  • Doch in Italien gingen die Uhren anders. Italiener sind ungeduldig, wollen keine Opern mit 4 Stunden Musik und 2 Pausen erleiden. Und Verdi selbst war Italiener geblieben. Also ließ er sich ein italienische Libretto anfertigen (ohne Fontainebleau, ohne Ballett und (leider) ohne den Trauergesang um den Marquis Posa) und passte die Komposition dem neuen Text an. In Mailand ging 1884 die Oper (mit 3 Stunden Musik und nur einer Pause) unter dem Jubel der Italiener über die Bühne der Scala.


    Zu den italienischen Befindlichkeiten vermag ich nichts zu sagen. Sagen (schreiben) kann ich, dass mich die französische Fassung - mit Fontainebleau, mit Ballett und dem Trauergesang für den Marquis - mehr anspricht. Außerdem halte ich die Handlung in dieser Version für stringenter, wird einiges klarer, als in der Mailänder Fassung. Das Ballett kann ich, wenn ich es nicht hören will, der Wiedergabe-Technik sei es gedankt, überspringen.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Zu den italienischen Befindlichkeiten gehörte es vor allem, dass die Italiener selbstverständlich die ihnen vorgesetzten Opern in ihrer Muttersprache hören wollten - und so war es auch für Verdi (nicht erst beim "Don Carlos"!) selbstverständlich, für die italienischer Erstaufführung einer in Paris uraufgeführten Oper, eine italienische Übersetzung anfertigen zu lassen. Ich finde das auch viel weniger verwunderlich als den jetzigen Zustand der Anbetung des goldenen Kalbs mit Namen Originalsprachlichkeit.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Don Carlo" war eine meiner ersten Opern und sogar meine erste Live-Erfahrung. So etwas prägt natürlich. An der Schreibweise erkennt man, dass es die italienische Fassung war. Die gefällt mir bis heute eindeutig besser. Mir kommt es gar nicht so vor, als wäre Italienisch hier nur die zweite Wahl. Das liegt wohl auch daran, dass Verdi selbst die italienische Fassung ausgearbeitet hat. Gibt es nicht auch eine italienische Fassung inklusive des Fontainebleau-Aktes?


    Bei den Aufnahmen haben mich bislang eigentlich auch nur die italienischen Versionen wirklich mitgerissen. Da muss in diesem Zusammenhang mal völlig zurecht der Name Herbert von Karajan fallen, der den "Don Carlo" sehr häufig dirigierte. Am besten gefällt mir seine späte Aufführung aus Salzburg von 1986, die auch auf DVD erschienen ist. Daneben ist wohl noch mindestens Riccardo Muti zu nennen. Sehr exzentrisch, aber auf seine Art und Weise phantastisch war die Live-Aufführung von Lorin Maazel an der Met im Jahre 2013, die ob ihrer zelebrierten Langsamkeit so völlig aus dem Rahmen fiel.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gibt es nicht auch eine italienische Fassung inklusive des Fontainebleau-Aktes?


    Es gibt insgesamt sieben gezählte Fassungen dieses Werkes, darunter zwei italienischsprachige Hauptfassungen, nämlich die Mailänder Fassung ohne Fontainebleau-Akt und (weil Verdi damit eben doch nicht zufrieden war) die Fassung Bologna mit Fontainebelau-Akt (wenn auch gekürzt).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Was Du da über die Befindlichkeit der Italiener - in der Oper die Muttersprache zu hören - mitteilst, lieber Stimmenliebhaber, findet meine Zustimmung. Ich selber, das als Antwort auf den letzten Satz deines Beitrags, bete nicht das Goldene Kalb der Originalsprachlichkeit an, es ist mir sogar lieber, eine fremdsprachige Oper in deutscher Übersetzung zu hören, kenne das ja auch noch aus meiner jugendlichen Theaterzeit. Ich konstruiere aber aus diesem Grund kein neues Goldenes Kalb, sondern nehme die Angebote der Labels wie sie eben sind.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Ich freue mich über die bisherigen Stellungnahmen, die alle ihre Berechtigung haben. Denn hier gibt es gleichsam zwei authentische Fassungen.


    Die französische Fassung hat natürlich den Vorzug, die Vorgeschichte zu erzählen und dadurch die Handlung schlüssig zu machen. Das wird allerdings erkauft durch Überlänge des Stücks. Die italienische Fassung hat den Vorzug größerer Kompaktheit, aber den Nachteil, dass ihr der wunderbare Trauergesang um Posa zum Opfer gefallen ist. (Den hat Verdi aber im Lacrimosa des Requiems in leicht veränderter Form gerettet.)


    Um Farbe zu bekennen: Ich bin Verfechter der Mailänder Fassung, aus ähnlichen Gründen, wie sie Joseph II, der mir hier aus dem Herzen spricht, so schön beschreibt. Auch ich hatte mein erstes entscheidendes Opernerlebnis mit der Oper in dieser Fassung, wenn auch in provinzieller Form (aber das spielt für einen 16jährigen Schiller-Enthusiasten und Opern-Anfänger keine Rolle). Und als ich die Pariser Fassung zum erstenmal hörte, war ich enttäuscht vom uninspirierten (vermutlich von Paris zur Bedingug gemachten) Fontainebleau-Akt und von der langen Durststrecke, bis es musikalisch "richtig losgeht".


    Das soll keine Herabsetzung der Gegenpartei sein, sondern eine ehrliche, wenn auch subjektive Meinung. Außerdem gibt es für die Demonstration des französichen Gesangsstils bessere Beispiele (Gounod, Massenet) als ausgerechnet die des Vollblut-Italieners Verdi. Aber "Chaqu´un à son gout!"

    Es gibt sicher noch mehr schlagende Argumente für die eine wie die andere Seite. Ich finde es luxuriös, dass wir hier sogar unter zwei Angeboten wählen können. Wir sind in einer privilegierten Lage!


    Ich bin gespannt, ob noch andere, bisher nicht beachtete Aspekte zum Vorschein kommen. In diesem Sinne grüßt herzlich


    Sixtus

  • Mir sind alle Fassungen gleich lieb und wert - mit einer Ausnahme: die italienische Fassung mit dem gekürztem Schluss: Carlos ersticht sich nach dem Eintreten von Philipp und dem Großinquisitor. Das ist mir persönlich zu kurz und passt nicht zu den vorhergegangenen Akten bzw. Aktschlüssen.

  • Die französische Fassung hat natürlich den Vorzug, die Vorgeschichte zu erzählen und dadurch die Handlung schlüssig zu machen. Das wird allerdings erkauft durch Überlänge des Stücks.

    Ach, dieses Argument zieht bei mir nicht, da gäbe es bei Wagner diesbezüglich wesentlich mehr zu bemängeln. ;) Wenn ich hier einmal den Wiener philharmonischen Sekondgeiger Johann Czapauschek (der noch unter Gustav Mahler bei den WP am Pult saß) zitieren darf: Der hatte in seiner Geigenstimme an der Stelle im Lohengrin, wo der Schwanenritter "Elsa, ich liebe dich" bekennt, handschriftlich vermerkt, dass er an dieser Stelle ein Tusch in A-Dur und damit das Ende der Oper empfehle. :D


    Aber in deinem Beitrag, lieber Sixtus, steht ja auch (und da stimme ich Dir zu)


    Zitat

    Ich finde es luxuriös, dass wir hier sogar unter zwei Angeboten wählen können. Wir sind in einer privilegierten Lage!

    und bin damit gleichzeitig auch bei dem Beitrag von Operngernhörer Erich:


    Zitat

    Mir sind alle Fassungen gleich lieb und wert - mit einer Ausnahme: die italienische Fassung mit dem gekürztem Schluss: Carlos ersticht sich nach dem Eintreten von Philipp und dem Großinquisitor. Das ist mir persönlich zu kurz und passt nicht zu den vorhergegangenen Akten bzw. Aktschlüssen.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Der Fontainebleau-Akt ist sowohl handlungstechnisch als auch musikalisch unverzichtbar. Die Handlung erschließt sich nicht, wenn die Oper mit dem Klosterbild beginnt, also erst, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. Die Frage, warum Elisabeth einwilligt, statt dem geliebten jungen Mann dem ungeliebten alten Mann das Ja-Wort zu geben, wird in diesem Akt beantwortet: die Kriegsnot des friedensdürstenden eigenen Volkes nötigt Elisabeth geradezu, die Staatsraison, also das Wohl des eigenen Volkes, über die Verwirklichung ihres persönlichen Glücks zu stellen.
    Die musikalischen Gründe, auf den Fontainebleau-Akt nicht zu verzichten, wiegen ähnlich schwer, denn hier werden wichtige Themen exponiert (z.B. das Liebesthema von Carlos und Elisabeth), die dann in den Folgeakten unvollständig zitiert werden, also als Erinnerungsmotive fungieren. An was soll man sich dann erinnern, wenn diese musikalischen Hauptmotive in der Aufführung gar nicht exponiert, als vollständig vorgestellt und damit eingeführt wurden? Man lässt ja bei der Aufführung einer Sinfonie auch nicht die Exposition weg und steigt gleich mit der Durchführung ein...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lieber Stimmenliebhaber,


    da kann ich natürlich argumentativ wenig dagegensetzen, wenn du so differenziert musikalisch begründest, dass der 1. Akt als Exposition unverzichtbar ist. Dem kann ich nur zustimmen.


    Aber die Oper ist dann für Verdis Verhältnisse doch ziemlich lang. Und wenn man sie schon öfter gesehen und gehört hat und die Geschichte kennt, ist eine kompaktere Fassung auch nicht zu verachten. Zudem hat die Fassung, die mit der Mönchszene beginnt und auch aufhört (was dem Ganzen eine mystische Klammer und zudem eine schöne Symmetrie gibt) einen besonderen Reiz (zumindest für einen Freund der Symmetrie wie mich).


    Der Luxus der Auswahl führt eben auch zur Qual der Wahl!


    Herzliche Grüße an die Freunde beider (oder aller) Fassungen


    von Sixtus

  • Ich meine mich erinnern zu können, das mal in einem Interview gesagt wurde, das der Hauptgrund dafür ist, das die Version mit dem 1. Akt nicht so häufig inszeniert wird der ist, das es nur wenige Tenöre die Arie im Repertoire haben. Für mich ist dieser Akt auch unverzichtbar. Wir hatten an der Rheinoper einige Jahre die französische Fassung mit dem 1. Akt.

  • Mir ist die 5-aktige französische Fassung am liebsten. Der Trauergesang um den Marquis Posa gehört für mich zu den schönsten Stellen der Oper und darauf möchte ich nicht verzichten.


    :hello:


    Jolanthe

  • Ich meine mich erinnern zu können, das mal in einem Interview gesagt wurde, das der Hauptgrund dafür ist, das die Version mit dem 1. Akt nicht so häufig inszeniert wird der ist, das es nur wenige Tenöre die Arie im Repertoire haben.

    Aber ausgerechnet diese Arie ist doch nun das einzige, was in den Folge-Akt rübergerettet wird, wenn der Fontainebleau-Akt gestrichen wird...



    Mir ist die 5-aktige französische Fassung am liebsten. Der Trauergesang um den Marquis Posa gehört für mich zu den schönsten Stellen der Oper und darauf möchte ich nicht verzichten.

    Das kann ich gut nachvollziehen! :)


    -

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Damit es uns nicht zu wohl wird in unserer Verständigung darüber, dass hier der Luxus der Auswahl ein Vorzug ist, streue ich noch etwas Pfeffer in die Debatte:


    Bei der bisherigen Diskussion ist ein Aspekt noch gar nicht zum Tragen gekommen: die beiden verschiedenen Sprachen.


    Die französische Sprache gilt ja als besonders geschmeidig und wird für ihre clarté et élégance gerühmt. Das vertont zweifellos bei den höfischen Szenen dieser Oper deren Formenstrenge und Unnahbarkeit. Andererseits kommt das Italienische dem südlichen, mediterranen Flair des Stücks sehr entgegen und würzt das Geschehen mit mehr Temperament.


    Spätestens jetzt, denke ich, brauchen wir mindestens von jeder Fassung ein Exemplar in unserer Mediathek, um dem Reichtum des Werks gerecht zu werden!


    Das meint, in einer Mischung aus Vermittlung und Bosheit,


    Sixtus

  • Die italienische Fassung ist natürlich die kompaktere, und trotz des Wegfalls des Fontainebleau-Bildes handelt es sich um ein in sich geschlossenes Werk. Auch dramaturgisch ist die vieraktige Fassung genial. Man denke an den Beginn mit dem Erscheinen des Mönchs.


    Ein wichtiges Kriterium scheint mir aber auch die Sprache zu sein. Auch wenn Verdi den Don Carlo für Frankreich geschrieben hat, bleibt Verdi ein italienischer Komponist und seine Musik so eindeutig italienisch. Was heißt da schon "Originalsprache"?
    Die Oper wirkt schon ganz anders wenn man sie in Französischer Sprache hört. Das O Don Fatale beispielsweise erklingt im Französischen doch viel weicher als die wuchtigere italienische Fassung. Kommt natürlich auch darauf an wie die Sängerin es gestaltet. Ich habe einmal Nadia Krasteva in beiden Versionen als Eboli gehört. Als französische Eboli wirkte sie in ihrer Rolle ganz anderes als in der Italienischen Fassung. Da war es nicht nur die Sprache die den Unterschied machte, ihr Vortrag war ein ganz anderer.


    Natürlich ist auch die Französische Fassung mit dem Fontainebleau-Akt hervorragend. Schließlich ist das Verdi at its best! Aber abgesehen von der Musik ist es die italienische Version, die wirkungsvoller ist.


    Auch wenn die erste Fassung Französisch sein mag, bleibt der Don Carlo für mich eine Italienische Oper, weil Verdi's Musik förmlich nach der Italienischen Sprache schreit. ;)



    Gibt es nicht auch eine italienische Fassung inklusive des Fontainebleau-Aktes?

    Ja, das ist die Modena-Fassung. ;)


    Gregor

  • Bei der bisherigen Diskussion ist ein Aspekt noch gar nicht zum Tragen gekommen: die beiden verschiedenen Sprachen. Die französische Sprache gilt ja als besonders geschmeidig und wird für ihre clarté et élégance gerühmt.


    Hier gehe ich nicht mit Dir konform. Unabhängig davon, dass ich keine Fremdsprache beherrsche, muss ich sagen, dass ich dem Französischen nichts abgewinnen kann, wohl aber dem Italienischen. Ich muss natürlich bei französischen Opern die ungeliebte Sprache hinnehmen, weil sie von den Labels bei internationalen Besetzungen vorgegeben ist. Das Italienische dagegen ist für mich die Opernsprache schlechthin, ich höre sie, nicht nur in Opern, sehr gerne.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Dann machen wir doch alles auf Italienisch, nicht nur die französischen, sondern auch die deutschen, tschechischen und russischen Opern! ;)


    Aber mal im Ernst: Die Affinität vieler zur (zumeist vieraktigen) italienischen "Carlo(s)"-Fassung hat doch wohl auch sehr viel mit Gewöhnung zu tun. :yes:


    Witzig finde ich nur, wenn sich dann ausgerechnet Verfechter des italienischsprachigen "Don Carlo" bitter darüber beklagen, wenn in anderen Fällen Verdi-Opern mal nicht in der Originalsprache gespielt werden! :D :P :hahahaha: :untertauch:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Dann machen wir doch alles auf Italienisch, nicht nur die französischen, sondern auch die deutschen, tschechischen und russischen Opern! ;)


    Nein, nein, lieber Stimmenliebhaber, so wollte ich meine Äußerung nicht verstanden wissen. Mir liegt halt Französisch zu hören überhaupt nicht, wohl wissend, dass es, ob Bizet, Gounod (oder auch Verdi) etc., nicht anders geht. Italienisch zu hören geht halt bei mir immer.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Italienisch zu hören geht halt bei mir immer.


    Es gibt einen sehr schönen "Parsifal" unter Vittorio Gui, war sogar mal meine Lieblingsaufnahme dieses Werkes, als ich mich noch sehr mit dessen Inhalt schwer tat! ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Das mit der Arie hatte ich so gemeint, dass viele Tenöre sie zwar auf italienisch singen können, aber nicht auf französisch.

  • Lieber Musikwanderer,


    ganz so weit gehe ich da nicht mit. Bei den echten französischen Opern kann es schon seltsam klingen, wenn man in historischen Aufnahmen, die einem Starsänger zuliebe entstanden sind, etwa Massenets Des Grieux von Di Stefano auf Italienisch zu hören bekommt.
    Gelegentlich hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, bei Stuttgarter Gastspielen von Del Monaco einen italienischen Don José zu verdauen. Selbst als erklärter Freund dieser Sprache hatte ich bei solchen Anlässen den Impuls: Das muss nicht unbedingt sein! (Ich empfand es als stilistisch daneben.) Heute macht man es auch nicht mehr.


    Bei den Opern, die Verdi für Paris geschrieben und später für Mailand umgearbeitet hat, ist mir das Italienische auch lieber, weil Verdi auch hier stärker Italiener geblieben ist als etwa Rossini beim Tell oder Donizetti bei der Favorite. (Jedenfalls ist das mein Höreindruck.)


    Aber vieles auf diesem Gebiet hängt natürlich auch von den Interpreten ab (von ihrem Geschmack und Stilgefühl).
    Wo kämen wir sonst hin, wenn wir keinen Stoff mehr hätten, an dem wir uns reiben können...


    herzliche Grüße von Sixtus

  • Für mich ist beim DON CARLOS nichts verzichtbar. Die für Paris komponierte originalen Version, die bekanntlich so nicht zur Uraufführung gelangte, halte ich für eine der in sich geschlossendsten und stimmigsten Opern, die ich kenne. Wie hier zu lesen ist, stehe ich mit dieser Meinung nicht allein. :hello: Die Szene mit den Holzfällern, die dem so geannnten Fontainebleau-Akt noch vorangestellt ist, finde ich deshalb wichtig, weil sich darin Elisabeths soziale Verantwortung zeigt. Sie schenk einer bettelarmen Soldatenwitwe ihre goldene Halskette und ist voller Zuversicht, dass der Krieg mit Spanien bald sein Ende finden werde. Dass sie selbst Teil dieses Friedens werden würde, indem sie dem spanischen König die Hand reichen muss, weiß sie da noch nicht. Also wenn schon Fontainebleau, dann das ganze. Warum wird nur das große Ballett, das ja ein Handlungsballett ist, immer zuerst gestrichen? Es bildet als prunkvolles und ausgelassenes Tanzfest ein starkes Gegengewicht zum düsteren Autodafé. Und es passiert am Rande etwas, was die folgene nächtliche Szene in den Gärten der Königin dramaturgisch nicht so unwahrscheinlich erscheinen lässt, wie in den vielen gekürzten Fassungen, wo man sich immer fragt, warum der Carlos die Eboli für die Königin hält. Elisabeth verlässt nämlich heimlich die feststliche Ballettaufführung, indem sie Eboli ihren Mantel, ihr Geschmeide und ihre Maske überlässt. "In dir meint jeder, mich zu sehen" singt sie und verschwindet. Eboli nun aber im Überschwange: "Kurze Zeit bin ich nun Königin." Als vermeintliche Königin lässt sie dem Infanten, in den auch sie verliebt ist, ein anonymes Billett mit der Einladung zu dem verhängnisvollen Rendevouz wenige Stunden später zukommen. Carlos ist sich also ganz sicher, ein Schreiben von Elisabeth in den Händen zu halten.


    Mit diesen beiden Beispielen - weitere sind bereits im Verlauf dieses Threads aufgezählt worden, wollte ich begründen, warum ich die komplette Fassung, die wir übrigens der Musikwissenschaftlerin Ursula Günther zu verdanken haben, bevorzuge.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    ich habe großen Respekt vor deinen dramaturgisch wohlbegründeten Argumenten. Sicher waren diese Gesichtspunkte auch Verdi wichtig.


    Doch auch seine späteren Änderungen, vor allem die Kürzungen für das italienische Publikum, haben einiges für sich. Es ist vielleicht nicht ganz so politisch, aber dafür umso mehr theaterpraktisch und unmittelbar bühnenwirksam (wenn auch vordergründiger). Und es ist insofern, im Sinne einer Opernlogik (für die ich viel augenzwinkerndes Verständnis habe), durchaus berechtigt.


    Wir werden hier keine perfekte Lösung finden. Da beide Haltungen gute Gründe haben, können wir, denke ich, beiden ihr Recht zuerkennen. Und in beiden steckt (wenn auch schwer vereinbar) ein gutes Stück Verdi.


    "Es eifre jeder seiner unbefangnen (?), von Vorurteilen freien Liebe nach!" (meint Lessing in seinem Plädoyer zur Toleranz).


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Diese kurze nächtliche Szene zwischen Elisabetta und Eboli die Rheingold angesprochen hat, hat Karajan zum besseren Verständnis bei den Salzburger Festspielen 1958 in der Felsenreitschule übernommen.

  • Lieber Sixtus, die diversen gekürzten Fassungen in Italienisch haben natürlich ihre Berechtigung und Wirkung, und ich habe da auch einige Aufnahmen von, die ich an Ende öfter höre als das französische Original. Es kann aber nicht verkehrt sein, es gut zu kennen. Und seit ich es kenne, bin ich so hingerissen davon. Sogar in deutscher Übersetzung klingt manches sehr schön. Mein erster "Carlos" war ein deutsch gesungener Querschnitt. Wenn aber eine Produktion nicht über zwei CDs hinaus kommt und noch Platz für einen Bednus bleibt, wird es für mich kritisch. Der zweite Vers des so genannten Schleierliedes der Eboli muss schon sein!


    Mir hat gefallen, was Du zur Symmetrie in Bezug auf Karl V. in Mönchsgestalt geschrieben hast. Was für eine Idee, den Kaiser derart in die Handlung einzuführen! Grandios! Es gibt ja einige Kompositionen mit Karl im Mittelpunkt. Nichts kommt da an Verdi ran, wie ich finde. Neben der Oper von Krenek ist auf die Sammlung von vier histrosichen Balladen mit dem Titel "Kaiser Karl V.", op. 99 von Carl Loewe zu verweisen, von denen ich sehr viel halte. Aber das gehört hier nicht hin. So eine Symmetrie wie Du beim Mönch sehe ich auch zwischen Tanzfest und Autodafé.


    Herzlich grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Diese kurze nächtliche Szene zwischen Elisabetta und Eboli die Rheingold angesprochen hat, hat Karajan zum besseren Verständnis bei den Salzburger Festspielen 1958 in der Felsenreitschule übernommen.


    Schön, dass Du das erwähnst, lieber Erich. Es gibt bei Karajan sogar einen kurzen Ballettausschnitt mit den Mandolinen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es gibt nicht sehr viele Opern, die solche großartige Symetrien aufweisen können wie Don Carlo.
    (Aber dieses Thema wäre doch einen eigenen Thread wert)


    Viele Grüße -
    Erich

  • Lieber Rheingold, lieber Erich!


    Zum Thema Symmetrie ließe sich tatsachlich ein eigener Thread eröffnen. Die Frage ist: Wer von uns hat hier den Vortritt, ihn einzuführen? Wenn sich kein Widerspruch erhebt - ich hätte da einiges im Hinterkopf, nicht nur Verdi betreffend. Wenn ihr einverstanden seid, könnten wir heute noch damit anfangen, bevor wir morgen mit dem Vatertagsbier unsre Köpfe vernebeln.


    Ich glaube nämlich, dass das Thema Don Carlo(s) zwar nicht erschöpft ist, aber doch eine schöpferische Pause vertragen könnte.


    Mit fragender Miene grüßt herzlich


    Sixtus