Die Entführung aus dem Serail an der Met, 3.5.2016

  • Nachdem ich ein paar Tage beruflich in New York zu tun hatte, ist es mir gestern gelungen, auch der Metropolitan Opera einen Besuch abzustatten. Ohne es zu erwarten, durfte ich eine wunderbare Aufführung von der Entführung aus dem Serail erleben. Es handelte sich um eine der letzten Aufführungen von James Levine als Generalmusikdirektor der Met, nachdem dieser vor zwei Wochen nach über 40 Jahren seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen angekündigt hatte. Der grosse Dirigent dirigierte die Oper im Rollstuhl. Es war bewegend zu sehen, wie er zu Beginn der Vorstellung von Mitarbeitern des Opernhauses am Pult platziert wurde und sich beim Ausgehen des Lichts vor dem jubelnden Publikum zu verbeugen versuchte. Ein grosser historischer Moment und das Ende einer langen Ära. Es war wunderbar zu sehen und zu hören was der Maestro aus dem Met Orchester herausholte. Wie unglaublich spannungsvoll und Farbenreich er Mozarts Musik interpretierte. Wie differenziert er die "türkischen Instrumente" von Piccolo und Schlagwerk er einsetzten liess. Just Wow, wie die Amis sagen! Aber auch die wunderbare junge Besetzung liess keine Wünsche übrig. Albina Shagimuratova war eine virtuose Konstanze, die mit ihrer "geläufigem Gurgel" mühelos die halsbrecherischen Koloraturen der "Martern-Arie" erreichte und sonst auch mit Trillern und Verzierungen nicht geizte. Kathleen Kim war ein quirliges, liebliches Blondchen, mit strahlender Höhe, das einzig lernen sollte, dass ihre Arie "welche Wonne, welche Lust" heisst und nicht "Wonna" :-) . Paul Appleby war ein idealer lyrischer und gefühlvoller Belmonte mit viel Schmelz und tadelloser Höhe der auch die schwierige Baumeisterarie des 3. Aktes bravourös meisterte. Auch Brenton Ryans Tenorbuffo als Pedrillo begeisterte rundum, er verbreiterte viel Heiterkeit gemeinsam mit dem sensationellen Osmin von Hans-Peter König. Dieser begeisterte mit einem Feuerwerk an tiefen Tönen und kostete die ganze Bösartigkeit dieser Figur voll aus. "Ha, wie will ich triumphieren" war so ein wahrer Triumph! Im Saufduett durfte König zur Freude des Publikums vorführen, was er in Sachen Bauchtanz drauf hat! Obwohl die Sänger aus unterschiedlichsten Ländern kame, blieben sie den ganzen Abend über stets bestens Text verständlich. Der Münchner Schauspieler Matthias von Stegmann gab einen würdevollen Bassa Selim, man bedauerte jedoch, dass die Dialogfassung der New Yorker Inszenierung stark gekürzt worden war. Die Inszenierung von John Dexter ( der neben Schenk und Zeffirelli, zahlreiche Saisonen an der Met mitgeprägt hatte) stammte aus dem Jahr 1979, was man ihr jedoch zu keinem Zeitpunkt ansah. Die bunten, wie von Kinderhand gemalten Bühnenbilder, wirkten frisch und atmosphärisch zu Mozarts Musik passend. Die Kostüme im Stile des 18. Jahrhunderts es waren farbenfroh und rundum ein Fest für die Augen. Es war auch wunderbar, wie am Ende der Oper noch einmal eine offene Verwandlung stattfand und der Palasthof zu einem offenen Meer mit Schiffen wurde. Die Neueinstudierung der Personenführung durch den Spielleiter der Met war stets einfühlsam und humorvoll, aber in jedem Falle im Einklang mit Mozart. Was veranstalten nur die Regisseur- Holzköpfe in Europa regelmässig mit der Entführung aus dem Serail? Am Ende viel herzlichen Jubel des internationalen Publikums in dem auch viele Deutsche waren. Insgesamt: ein wunderbarer berührender und inspirierender Opernabend. Wo in Europa kann man so etwas noch spontan erlebe, ohne vorher detektivische Recherchen zu Aufführungs-Fotos im Internet machen zu müssen?

  • Lieber Figarooo,


    da ich erst jetzt aus den Urlaub aus Sardinien zurückgekommen bin (Ich habe im Urlaub keinen Computer und will ihn auch nicht haben), konnte ich deinen schönen Bericht erst jetzt lesen. Vielen Dank dafür. Ich freue mich für dich, dass du wieder einmal eine vernünftige Aufführung der "Entführung zu sehen bekamst. Du hast recht, wo kann man in Deutschland so etwas noch erleben, wenn man nicht - wie du sagst - detektivisch Recherchen anstellt und Bildmaterial zur Verfügung hat?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • ein wunderbarer berührender und inspirierender Opernabend. Wo in Europa kann man so etwas noch spontan erlebe, ohne vorher detektivische Recherchen zu Aufführungs-Fotos im Internet machen zu müssen?


    Lieber Figarooo,
    Du Glücklicher, wie schön, dass Du dieses Erlebnis hattest und es auch noch mit uns teilst. Ich habe auch den Eindruck, dass in anderen Ländern die Modernisierung der Oper behutsamer und geschickter angegangen wird und dadurch die "revolutionären Strömungen" und die Spaltung des Publikums durch diese kluge Anpassung weitgehend vermieden werden können. Wäre bei einem Opernhaus, das weitgehend auf Spenden und Zuwendungen angewiesen ist auch gar nicht anders möglich. Besonders freut mich, dass unser Freund Hans-Peter König so einen Erfolg als Osmin hatte. Er ist wahrscheinlich zur Zeit der einzige wirkliche voluminöse, schwarze, seriöse Bass im deutschsprachingen Raum mit orgelnder Tiefe in der Nachfolge der frühreren Tieftöner, Weber, Greindl und Frick. Gottlob Frick prophezeite dem damals noch in Ausbildung befindlichen jungen Sänger eine große Karriere, als dieser ihn besuchte und vom Lobl am Klavier begleitet vorgesungen hat.
    Den Bauchtanz des "Kolosses" Peter König hätte ich gerne sehen mögen. :hahahaha: Aber eher ein liebenswürdiger und ertragbarerer Gag und allemal besser als Blutorgien auf der Bühne.


    Herzlicht
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ihr Lieben,


    ich freue mich, dass Euch mein Bericht gefallen hat. Anbei verlinke ich noch ein paar Aufführungsbilder dieser Besetzung, damit man es sich noch lebhafter vorstellen kann. ;)


    LG,


    Figarooo







  • ich freue mich, dass Euch mein Bericht gefallen hat. Anbei verlinke ich noch ein paar Aufführungsbilder dieser Besetzung, damit man es sich noch lebhafter vorstellen kann. ;)


    Danke, lieber Figarooo,


    "ein Bild sagt mehr als tausen Worte" - das scheint eine Iszenierung zu sein, die Opernfreunde des alten Schlages und junge Traditionalisten sicherlich erfreuen wird. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass man die "Entführung" nicht aktueller deuten kann. Hoffentlich präsentieren uns die Regietheaterfreunde bald ein entsprechendes und überzeugendes Beispiel für die von Ihnen favorisierte Aufführungspraxis. Ich würde mich freuen und es würde unsere Diskussionen bereichern..


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Figarooo,


    vielen Dank für die schönen Bilder. Ja, das ist wirklich die "Entführung" und nicht irgend ein Hirngespinst, das man in keinen Zusammenhang mit der Oper bringen kann. So muss Oper sein! Ich freue mich mit dir, dass du solch ein schönes Erlebnis haben durftest, was wir in Deutschland leider entbehren müssen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)