BUNGERT, August: DIE ODYSSEE, Teil 3 ODYSSEUS' HEIMKEHR

  • August Bungert (1846-1915):


    ODYSSEE, Teil 3 ODYSSEUS' HEIMKEHR
    Musik-Tragödie in drei Akten mit dem Vorspiel „Telemachos' Ausfahrt“
    Libretto vom Komponisten


    Uraufführung am 12. Dezember 1896 in der Dresdner Hofoper



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG IM VORSPIEL


    Athene (Alt)
    Telemachos, Sohn des Königs Odysseus (Tenor)
    Hyperion, Antinoos, Eurymachos, Fürstensöhne und Freier der Königin (Tenor, Tenor, Bariton)
    Mentor, Freund von Odysseus (Bass)
    Eurykleia, Dienerin im Gefolge der Königin, einst Amme von Odysseus (Alt)
    Chor der Freier (Tenöre und Bässe)


    Ort der Handlung: Die Küste Ithakas in der Nähe Odysseus' Palast.



    INHALTSANGABE DES VORSPIELS
    Die Bühne ist fast dunkel; in den Wolken schwebt die Lanze und Schwert tragende Athene dahin. Zu erkennen ist der Strand Ithakas mit einem Teil des Königspalastes.


    Athene beobachtet das erwachende Leben am Palast des Königs Odysseus und sinniert:

    Was da lebet und webet, was da rastet und hastet im Weltendunkel, im Lichtgefunkel,
    in wallender Welle, in luftiger Helle: Alles ruht in der Götter Hand!
    Was da leidet und scheidet, was da kreiset und reiset, ob allen Wegen ist stets zugegen,
    ob Erden und Meeren, ob Wolkenheeren der Gottheit Auge Strahlenbrand.


    Was Athene - und das Publikum - sieht, ist beunruhigend: Eurymachos und Antinoos kommen mit anderen Freiern um die Hand der Königin Penelopeia erregt aus dem Palast: Was sich Telemachos, Sohn von Odysseus und Penelopeia, somit Thronfolger und ihnen allen im Weg, an Beleidigungen ihnen gegenüber erlaubt, ist eine Frechheit und muss unterbunden werden! Zumal auch das Volk zu murren beginnt. Antinoos bekommt Zustimmung für seine Lageeinschätzung, dass ihr gutes Leben bei Hofe in Gefahr ist, wenn jetzt nicht gehandelt wird. Er spricht aber auch noch ein Gerücht an: Angeblich ist Odysseus auf dem Heimweg und Telemachos will ihm entgegen segeln. Antinoos fügt hinzu, dass er dem Gerücht keinen Glauben schenkt, wird jedoch von einem anderen Freier darauf hingewiesen, dass im Hafen ein Schiff für eine große Fahrt ausgerüstet wird. Das heißt doch wohl, dass Telemachos das Gerücht für bare Münze nimmt.


    Antinoos übergeht den Einwand und kommt zur Sache: Telemachos muss getötet werden: Wer ihm begegne, der „stoße ihn nieder“! Der Vorschlag findet Zustimmung - nur Hyperion hat Skrupel und will sich heraushalten, denn Telemachos ist schließlich sein Freund. Antinoos greift Hyperion, von den anderen unterstützt, als Verräter an. Jetzt zeigt sich, dass Hyperion kein Held ist: Er stimmt, hin und her gerissen, stimmt dem Mordplan zu. Antinoos verlangt von allen Beteiligten einen Schwur:

    Wer Telemachos begegnet, auf einsamen Wegen, sei's im Gebirge, sei's auf dem Meere,
    der töte ihn mit eigner Hand!

    Nach diesem Gelübde gehen alle, immer wieder den Ärger und den Schwur auf Telemachos repetierend, in verschiedene Richtungen davon.


    Hyperion aber kommt zurück und stellt sich die Frage, ob er Telemachos und Penelopeia nicht über das Mordkomplott informieren muss. Plötzlich sieht er Eurykleia (einst des Odysseus' Amme, jetzt Penelopeias Dienerin) und Mentor (Freund und Diener von Odysseus) mit einigen jungen Männern, die Körbe mit Lebensmitteln und Wein in Richtung Hafen bringen, auf sich zukommen, kurz darauf auch Telemachos, der sich freut, dass Hyperion gekommen ist, um sich von ihm zu verabschieden. Die überraschende Begegnung bringt Hyperion auf einen Gedanken, der ihn der Gewissensqual um das Mordkomplott entheben soll: Er bittet Telemachos, ihn mitzunehmen, wird aber abgewiesen, da der Freund ihn lieber als Beschützer seiner Mutter im Palast sieht. Mit der Annahme, dass Hyperion wegen Despoina mit auf die Reise will, liegt er - wie wir wissen - allerdings falsch. Die Mahnung, Hyperion möge das „dunkle Reich des Sinnentaumels“ meiden, so wie er selbst auch der „wilden Melantho“ widerstanden hat, geht also ins Leere, aber Hyperion schweigt und akzeptiert. Nach dem letzten Abschiedsgruß erbittet die Mannschaft den Beistand der Götter und sticht dann in See. Eine Weile sieht Hyperion dem Schiff nach und eilt dann in den Palast. Ein Orchesterzwischenspiel leitet direkt in den ersten Akt über.



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG IM ERSTEN AKT


    Athene (Alt)
    Odysseus (Bariton)
    Telemachos (Tenor)
    Laertes, Odysseus' Vater (Bass)
    Eumaios, Verwalter der Güter von Odysseus (Bass)
    Chor: Hirten, Freier der Penelopeia, Najaden


    Orte der Handlung: Meeresbucht, Najadengrotte, der Neriton in der Ferne.



    INHALTSANGABE DES ERSTEN AKTES
    Landzunge in einer Meeresbucht von Ithaka. Auf einer Seite die Najadengrotte, davor der schlafende Odysseus, die andere Seite zeigt Eumaios' Hütte, in der Ferne der Neriton.


    Wenn der Vorhang aufgeht, sieht man Odysseus schlafend vor der Najadengrotte liegen und Hirten fröhlich singend vom Neriton kommen. Als sie bei Eumaios anlangen, singen sie ein Spottlied, das auf seinen unerschütterlichen Glauben an Odysseus' Rückkehr anspielt. Eumaios lässt sich aber von den Hirten nicht aus der Ruhe bringen:

    Geschlechter kommen, Geschlechter gehn, gleich wie die Blätter im Walde.
    Bei Herbstes Wehen fallen sie ab und finden ihr Grab.
    Der Frühling kehrt, der alles nährt und wieder grün ist die Halde.

    Odysseus erwacht und weiß nicht, wo er ist. Bereiten ihm die Götter neue Leiden, fragt er sich. Für ihn unsichtbar ist Athene herbei geschwebt und beobachtet ihn eine Weile, legt dann einen völlig zerschlissenen Mantel ab (den er später als Bettler benutzen wird). Dass ihm aber plötzlich, als habe man ihm eine Augenbinde abgenommen, die Erkenntnis kommt, in der Heimat zu sein, liegt an der Göttin, die ihm mit der Bewegung eines Zauberstabes den Bann nimmt. Aufgewühlt erkennt er die heimatlichen Berge, Wälder und Wiesen. Während Athene wieder davon schwebt und die Najaden Odysseus mit Jubelgesängen willkommen heißen, lässt er tief bewegt seiner Freude, wieder daheim zu sein, freien Lauf. Plötzlich springt er auf und will sofort zu Penelopeia, Telemachos und Laertes eilen.


    In diesem Augenblick bemerkt er einen alten Mann vor seine Hütte treten und erkennt ihn sofort als seinen Verwalter Eumaios. Er nimmt den alten Mantel, geht auf Eumaios zu und gibt sich als Bote von Odysseus aus, der Königin Penelopeia eine frohe Botschaft, nämlich die Rückkehr ihres Gatten, überbringen soll. Eumaios nimmt diese Mitteilung zunächst nicht wahr, schimpft fortwährend über die Freier um Penelopeias Hand, die rücksichtslos die Güter seines Herrn, der vor zwanzig Jahren nach Troja aufbrach, verprassen und das Volk darben lassen. So nebenbei macht er dann mit einer Bemerkung Odysseus froh: Bisher ist die Königin standhaft und treu geblieben. Als der Fremde die Botschaft von Odysseus' Rückkehr wiederholt, wischt Eumaios diese Aussage beiseite und gibt zu, daran nicht glauben zu können. Zu oft hat man schon davon gesprochen. Außerdem werde er jeden, der behaupte Odysseus zu sein, genauestens zu prüfen wissen.


    Plötzlich sind vom Meer her Stimmen zu hören, die auf einen Kampf hindeuten. Die beiden Männer horchen auf, begeben sich ans Ufer, beobachten und kommentieren das Geschehen. Dann erkundigt sich Odysseus bei Eumaios, wie sich Telemachos zu den Freiern verhält. Eumaios wiegelt ab: Der junge Mann ist zu jung und unerfahren, gerät zunehmend in Wut über die Prasser seines Erbes und zieht damit jeden Ärger auf sich. Als der Lärm vom Meer her lauter wird, konzentrieren sich beide wieder auf das Geschehen und stellen erstaunt und übereinstimmend fest, dass dort die Freier gegen Telemachos und seine Gefährten kämpfen. Zu Eumaios' Erstaunen schwingt sich der Alte plötzlich in Telemachos' Schiff und geht mit einem Schwert wütend auf die Freier los. Eumaios entfährt der Satz: „Ihr Götter! Der König!“


    Der Kampf ist durch Odysseus' Einsatz entschieden: Die Freier fliehen! Telemachos aber ist verletzt auf die Schiffsplanken gesunken und wird von seinem Vater ans Ufer getragen. Wieder erwacht hört er ungläubig von Eumaios, dass sein Vater lebt. Das glaubt auch ein alter Mann, der unerwartet auf die Szene tritt, zu wissen. Odysseus' erstauntes Gesicht lässt Eumaios ihm zuflüstern, dass der Alte des Königs Vater Laertes ist. Wie entrückt klingen dessen Worte:

    Es singen die Quellen, es rauschen die Wellen, ich hör's in den Lüften, ich atm' es in Düften,
    Odysseus kehrt! Gleich dem hochwandelnden Gotte spannt er den heilgen Bogen
    den Feinden zum Spotte! In Zorneswogen schwingt er sein Schwert! Lichtsohn Odysseus kehrt!

    Diese Worte sind für Odysseus ein Aufruf zur Tat und mit dem Aufruf zum Kampf gegen die Freier stürmt er, gefolgt von Eumaios und Telemachos, in Richtung Palast - der Vorhang fällt rasch.



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG IM ZWEITEN AKT


    Odysseus (Bariton)
    Penelopeia (Alt)
    Telemachos (Tenor)
    Eumaios (Bass)
    Eurykleia (Mezzosopran)
    Hyperion, Antinoos, Eurymachos (Tenor, Tenor, Bariton)
    Despoina, Melantho, Dienerinnen der Königin (Mezzosoprane)
    Chor der Freier und Dienerinnen


    Ort der Handlung: Odysseus' Palast und Umgebung.



    INHALTSANGABE DES ZWEITEN AKTES
    Ein Garten am Meer, vom Mondlicht beschienen. Unter verschiedenen Bäumen liegen, in lüsternen Umarmungen und dem Wein reichlich zusprechend, Freier und Mädchen, unter ihnen auch Despoina und Melantho.


    Der Chor der Mädchen und Freier leitet mit leidenschaftlich-erotischem Gesang den zweiten Akt ein. Eine Überleitungsmusik, während der Chor unsichtbar weiter singt, führt zur


    Verwandlung in den Festsaal von Odysseus' Palast.


    Hier sitzt Penelopeia an einem Webstuhl und beklagt ihr Schicksal. Seit Jahren muss sie sich der Freier erwehren, die das das Wohl des Landes bedrohen und Odysseus' Habe und Telemachos' Erbe verprassen. Bisher war ihr Sohn, zu unerfahren und hitzköpfig, keine Hilfe, jetzt aber ist er, einem Gerücht folgend, mutig dem - angeblich - heimkehrenden Vater entgegen gesegelt. Dieser Wagemut bereitet ihr zusätzliche Schmerzen.


    Gerade, als sie für die glückliche Heimkehr ihres Gemahls und Sohnes zu den Göttern betet, tritt Hyperion auf die Szene, bringt aber keine Neuigkeiten von Telemachos, wohl aber eine weitere Hiobsbotschaft für die Königin: Er berichtet ihr von dem Mordkomplott der Freier gegen ihren Sohn und gesteht, aus Angst ebenfalls den Eid auf den Mord geleistet zu haben. Penelopeia, die Hyperion wie einen eigenen Sohn liebt, ist entsetzt und nennt ihn (der die Königin abgöttisch liebt) einen Verräter an seinem Freund und an ihr.


    Plötzlich werden Stimmen laut und Hyperion rennt hinaus. Dafür kommen von einer anderen Seite Antinoos, Eurymachos, Despoina und Melantho mit der sich ihnen vergebens entgegenstellenden Eurykleia herein. Penelopeia verwahrt sich gegen den Überfall in ihr Privatgemach, aber Antinoos lässt sie nicht ausreden und fordert ultimativ, nach Jahren des Hinhaltens, von ihr eine Entscheidung über den zukünftigen Gatten und König. Eurymachos springt ihm bei:

    Wenn jenes Gewand, das du dort webest, für den greisen Laertes vollendet sei,
    so würdest du wählen unter den Freiern den neuen Gemahl!

    Das Argument nimmt Antinoos auf und behauptet, sie würde des Nachts das am Tage Gesponnene wieder auftrennen, mache ihr Heiratsversprechen damit zu einem Märchen! Außerdem solle sie sich damit abfinden, dass ihr Gemahl tot ist. Doch Penelopeia bleibt standhaft, lässt sich auch nicht von dem Argument, dass das Land einen neuen König brauche, überzeugen: Sie hält in Treue zu ihrem Gatten - bis zum Tode!


    Antinoos und seine Begleiter sind des Diskutierens müde, sie werden zudringlich, sind allen Worten Penelopeias nicht mehr zugänglich. Nach kurzem Gerangel zieht die Königin einen Dolch hervor und droht, den ihr am nächsten stehenden Antinoos zu töten. Aber Antinoos kann ihr die Waffe ohne Mühe entwenden. Auch, als es ihr gelingt, sein Schwert an sich zu bringen, mit dem sie sich zu töten droht, erreicht sie nur eine kurze Unterbrechung des Dramas. Die Hoffnung auf ein günstiges Ende bringt der in diesem Moment mit gezogenem Schwert hereinstürzende Hyperion. Doch ist der, trotz jugendlichem Wagemut, gegen die Männer machtlos: Eurymachos durchbohrt ihn mit seinem Schwert. Danach erhebt er schwere Vorwürfe gegen Penelopeia:

    Hier liegt durch deine Schuld, von unsrer Hand dem Tode geweiht Hyperion, den du uns allen vorzogst!
    Bei diesem Blute, das hier fließt, schwör' ich dir, Weib, zu töten deinen eigenen Sohn Telemachos!


    Plötzlich ist von außerhalb Lärm zu hören und kurz darauf stürmt Telemachos, mit einer Lanze in der Hand, in den Raum. Hinter ihm folgen unbewaffnet Eumaios und, in Bettlerkleidung, Odysseus. Die Überraschung, ihren Sohn wiederzusehen, bringt Penelopeia völlig durcheinander und sie lässt vor lauter Schreck Antinoos' Schwert fallen. Antinoos hebt sofort die Waffe auf und Eurymachos packt sich den überraschten Telemachos und entwaffnet ihn: Wieder verlangen die Freier von der Königin eine Entscheidung, sonst sei Telemachos tot! Die ernsthafte Bedrohung ihres Sohnes bringt Penelopeia zu einer folgenschweren Aussage: Anlässlich des morgigen Apollofestes werde es einen Wettkampf geben, dessen Sieger sie sich „zu eigen“ geben werde.


    In diesem Augenblick kommt der schwerverletzte Hyperion wieder zu sich und gesteht stockend, dass er durch seinen Verrat den Tod als gerechte Strafe verdient hat. Der Bettler bedauert ihn, weil er „ohne Lohn“ scheiden werde; Penelopeia fragt er, ob sie für den Sterbenden nicht ein tröstendes Wort, nicht einen Kuss übrig habe? Doch sie schweigt und Hyperion stirbt, während Penelopeia mit einem lauten Schrei zusammenbricht und von Eurykleia, Eumaios und Telemachos hinausgetragen wird.


    Allein auf der Szene äußert sich Odysseus in einem Selbstgespräch irritiert über die Ereignisse, die er in den letzten Stunden erleben musste. Als Eumaios allein zurückkehrt, verlangt Odysseus erneut von ihm, seine Identität vorerst geheimzuhalten, aber alles für seinen Rachefeldzug vorzubereiten. Nachdem Eumaios gegangen ist, tritt Penelopeia auf und möchte von dem „Bettler“ über Odysseus informiert werden. Bereitwillig, aber verklausuliert, gibt er ihr zu verstehen, dass ihr Gemahl lebt, nahe ist und Rache üben wird. Penelopeia gerät in Hochstimmung, hofft, dass sie endgültig von den Freiern befreit wird. Es ist Despoina, die das Gespräch mit einem wilden Auftritt unterbricht: Sie hat gehört, dass Hyperion tot sein soll und beschuldigt die Königin, seinen Tod verursacht zu haben. Sie trägt, erstaunlich für eine junge Frau, den Leichnam hinweg. Der Vorhang schließt rasch.



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG IM DRITTEN AKT


    Laertes (Bass)
    Mentor (Bass)
    Theoklymenos, ein Seher (Bass)
    Phemios, Sänger unter den Freiern (Bass)
    Medon, Herold (Bariton)
    Leiodes, ein Freier (Bariton)
    Prokne, Mädchen im Gefolge der Königin (Alt)
    Athene (Alt)
    Chor: Freier und Gefolge der Königin


    Ort der Handlung: Hofraum und das Innere von Odysseus' Palast; Neritongebirge.



    INHALTSANGABE DES DRITTEN AKTES
    Das Bühnenbild zeigt den Hofraum des Palastes; auf einer Seite stehen die Thronsessel des Königs und der Königin. Die Freier und Mädchen lagern, trunken vom Wein, auf den seidenen Pfühlen und bieten das Bild eines ausgelassenen Gelages. Im Hintergrund eine Apollo-Statue.


    Nach dem Orchestervorspiel eröffnet der Chor der Freier den dritten Akt mit jubelndem Gesang, der die Freude über den Festtag Apollos und die bevorstehende Entscheidung Penelopeias' über ihren neuen Gemahl zum Ausdruck bringt. Odysseus erscheint als Bettler verkleidet und lässt Apollo hochleben, macht aber dadurch die Freier wütend: Was hat ein Bettler hier zu suchen? Antinoos beruhigt seine Kumpane und bittet sie, den Alten einfach nicht zu beachten.


    Unter Trompetenklang treten Penelopeia und Telemachos auf; sie geht zögernd auf ihren Thron zu und wird, unter dem Jubel aller Anwesenden, von Dienerinnen mit Geschenken geehrt, die vor ihr abgelegt werden. Dann gibt sie in einer Rede an die Freier das Wettkampfziel vor:

    Seit Jahren drängt ihr mit Werbungen mich. Doch treu und besonnen blieb ich dem Gemahl. [...]
    Ich habe gelitten und ausgekämpft. Meine Kraft ist am Ziel. Am heutigen Tag wenden die Götter wohl mein Geschick! Ich bin die Tochter des Ikarios und bis zur Stunde Odysseus' Weib! […]
    Sehet dieses Geschoss! Durch Iphitos stammend von Herakles, zu eigen nun dem Odysseus!
    Wessen Hand von Euch nun diesen Bogen spannt und durch die zwölf Beile den Pfeil durch schießt:
    Sehet, dem werd' ich folgen als sein Gemahl!


    Nachdem Eumaios mit einigen Freiern Beile in das Erdreich gerammt und die gerade Schusslinie geprüft haben, bestimmt sich Telemachos als Sohn von Odysseus als ersten der Wettkämpfer. Die Glückwünsche, die ihm zugerufen werden, klingen von Seiten der Freier eher ironisch als wahrhaft, einige rufen sogar Verrat - Telemachos kann schließlich nicht seine Mutter heiraten. Mentor reicht ihm den Bogen seines Vaters, doch er vermag ihn nicht zu spannen; unter dem Gelächter der Freier gibt er auf. Der triefende Spott macht ihn natürlich wütend und verleitet ihn zu der Aussage, dass auch sie die Aufgabe nicht lösen werden. Das nicht enden wollende Gelächter, gewürzt mit rohem Spott reizt Telemachos derart, dass er sein Schwert zieht und gegen Antinoos, der ihn am heftigsten schmäht, vorgeht. Nur mit Mühe können Mentor und Phemios ein blutiges Ende verhindern. Aber der Bettler zieht ihn zu sich und gibt sich ihm zu erkennen, gebietet aber gleichzeitig, zu schweigen und einfach abzuwarten.


    Penelopeia ist erregt aufgesprungen und schimpft, dass die Beleidigung ihres Sohnes auch sie treffe; sie ist nicht bereit, zu bleiben „wo nicht die Sitte herrscht“ und befiehlt den Mädchen, ihr zu folgen. Als sie bei dem Bettler vorbei kommt, raunt ihr Telemachos zu, dass „der Vater nah“ ist, sie solle nur „den Göttern“ vertrauen. Penelopeia schüttelt ungläubig ihren Kopf, als der Bettler ihr jedoch einen Handkuss gibt, erinnert sie diese Art an ihren Gemahl - doch verwirft sie den Gedanken sofort wieder und eilt mit ihrem Gefolge hastig davon.


    Inzwischen versuchen die Freier, einer nach dem anderen, Odysseus' Bogen zu spannen, aber keiner hat Erfolg; jeder misslungene Versuch wird mit großem Gelächter kommentiert. Schließlich tritt mit Leiodes einer der Freier vor und empfiehlt, den Wettkampfes aufzugeben, denn, so argumentiert er, keiner werde es schaffen. Der gleichen Ansicht ist auch der Seher Theoklymenos, während Eumaios prophezeit, dass allen Freiern durch Zeus Verderben drohe, wenn sie nicht aufgeben. Der reichliche Weinkonsum lässt alle Mahnungen an den Freiern abprallen; sie verwünschen den Seher und wollen ihm sogar die Zunge herausreißen.


    In diesen Tumult mischt sich die mahnende Stimme des Bettlers, der daran erinnert, dass alle hier Gäste sind und die Königin nur den würdigsten Bewerber aus ihrem Kreise erwählen wird. Soll das heißen, dass dieser merkwürdige Bettler keinen der Fürstensöhne für würdig hält, Penelopeias Gatte und damit Ithakas König zu werden? Die Freiern haben durchaus richtig verstanden und sie fordern ihn aufgebracht auf, zu verschwinden. Anstatt dieser Forderung zu folgen, überrascht der Alte alle mit der zurückhaltend vorgetragenen Bitte, auch einen Versuch mit dem Bogen wagen zu dürfen. Dafür erntet er zunächst höhnisches Gelächter. Als sich jedoch Despoina einmischt und behauptet, die Herrin habe sich mit ihm unterhalten und dabei möglicherweise das Geheimnis jenes Bogens verraten, wird die Stimmung gegenüber dem Bettler äußerst aggressiv:

    Hinaus mit dem Hund aus unsrer Mitte! Zu lange schon duldeten wir ihn!


    Es ist Telemachos, der jetzt für die Entscheidung sorgt: Er übergibt Odysseus den Bogen und der murmelt leise von dem „edlem Geschoss“, das „Jugendkräfte“ in ihm wecke, was von den Freiern als Zauberformel gedeutet wird. Während Odysseus den Bogen zu spannen versucht und absichtlich verzögert, lässt er die Umstehenden wissen, dass die „Freite“ zu Ende ist, wenn es ihm gelingt. Von allen ungesehen ist Athene mit ihrem Gorgoschild erschienen. Und jetzt geschieht das Unfassbare: Der Bettler spannt den Bogen, legt einen Pfeil an und trifft als ersten Antinoos tödlich. In dem folgenden Tumult versuchen die Freier zu fliehen, stehen jedoch vor verschlossenen Toren. Jetzt ergreift Odysseus sein Schwert, wirft seinen Bettlermantel ab, ruft Apollo und Athene um Hilfe an und dringt gegen die Freier vor. Die schreien um Erbarmen, doch Odysseus ist dieses Wort fremd, er fordert seine Getreuen auf, keinen der Prasser am Leben zu lassen:

    Wähntet ihr, Hunde, dass nimmer ich heimkehrt vom Lande der Trojer?
    Ihr verprasstet mein Gut, verführet die Mägde und buhltet frech um mein eigen Weib!
    Nein, kein Erbarmen! Schlagt sie tot!


    Inzwischen ist Penelopeia auf die Szene gekommen, hat das Geschehen beobachtet und streckt die Arme zu Odysseus aus: Die Ehegatten fallen sich in die Arme. In einem Liebesduett lassen sie ihren Empfindungen freien Lauf. Das Schlussbild vereint alle Hauptpersonen und das Volk von Ithaka zu einem eindringlich gestalteten Lobgesang auf eheliche Liebe und Treue.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Auch an dieser Stelle (wie schon bei der Inhaltsangabe zu „Kirke“) sei auf den lesenswerten Thread des Tamino-Mitglieds Joseph II. hingewiesen, der sich mit August Bungert befasst:
    August Bungert — Der Mann, der Richard Wagner übertreffen wollte



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2016
    unter Hinzuziehung des Klavierauszugs aus dem Kommissions-Verlag C. F. Leede, Leipzig, 1902

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    MUSIKWANDERER

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