Schumannfest 2016, Düsseldorf: Eröffnungskonzert (21.05.2016), mit Gidon Kremer, Mikhail Pletnev und dem Russischen Nationalorchester

  • Das diesjährige Schumannfest, so die einleitenden Worte des Intendanten Michael Becker, ist dem „Jahr ohne Sommer“ gewidmet, 1816, das Jahr nach dem Ausbruch eines Vulkans in Indonesien, als Aschenwolken Ernten ausfallen liessen, es eine Hungersnot in der Schweiz gab und Getreidelieferungen vom russischen Zaren. Die Kunst immerhin profitierte davon in Form von Schauerromanen wie Shelleys „Frankenstein“ oder den besonderen Farben der Sonnenuntergänge, die William Turner in seinen Bildern verarbeitete. Schumann war in dem Jahr erst sechs Jahre alt, mag sich aber möglicherweise daran erinnert haben. Die Erlebnisse des Jahres 1816 inspirierten Byron zu seinem Gedicht „Darkness“, und Byron wiederum inspirierte Schumann später zu dem „dramatischen Gedicht“ Manfred - wovon nur noch die Ouvertüre regelmäßig gespielt wird, die aber dafür als eines seiner stärksten, dichtesten Werke gilt, und mit ihren etwas mehr als 10 Minuten Länge eine Essenz von Schumann enthält.


    Die „Manfred“-Ouvertüre op. 115 war die Eröffnung des Konzertes in der Tonhalle Düsseldorf, dargeboten vom Russischen Nationalorchester unter Alexander Sladkovsky, der sein Ensemble mit tänzerischem Feuer und ausladender Gestik leitete.


    Nach diesem gelungenen Entré spielte Gidon Kremer, nicht mehr der Jüngste und in einer seltsamen Frackjacke ohne Ärmel, aber sehr präsent und sympathisch, das Violinkonzert a-Moll nach dem Cellokonzert op. 129, welches Schumann für Joseph Joachim angefertigt hat. Es war eine musikalische Sternstunde und auch der Höhepunkt des Abends. Kremer fand den idealen Ton: immer klar und sprechend, ohne Schärfe, lyrisch und mit Schmelz, ohne jeden Anflug von Sentimentalität. Für mich persönlich ist das transkribierte Cellokonzert Schumanns „besseres“ Violinkonzert, ich mag es deutlich lieber als das in d-moll, auch wenn ich dieses kürzlich in der Interpretation mit Patricia Kopatchinskaja endlich lieben gelernt habe.


    Nach verdientem Applaus erklärte Kremer, dass er „viel zu spät“ die Musik von Mieczyslaw Weinberg entdeckt hätte, und bei ihm auch etwas gefunden habe, dass einen Bezug zum Schumannfest habe. Sprachs, und spielte ein Prelude für Cello solo, transkribiert für Violine, welches das Kopfthema aus Schumanns Cello-Konzert verarbeitet.


    Nach der Pause gab es leider nicht die angekündigte Violinsonate Nr. 1 a-Moll op. 105, da sich die Veranstalter offenbar zeitlich verkalkuliert hatten - die Gäste sollten noch genügend Zeit haben, vom Konzertsaal der Tonhalle auf den Balkon überzuwechseln, um dem Feuerwerk des Japanfestes beiwohnen zu können. Ärgerlich. Immerhin gab es nach einer überdurchschnittlich guten Interpretation von Schumanns Klavierkonzert a-Moll op. 54 durch Pletnev (übrigens an einem Kawai Flügel, eventuell auch eine Reverenz an den Japantag) doch noch ein kurzes kammermusikalisches Duo zwischen Pletnev und Kremer: Das Intermezzo aus der F.A.E.-Sonate (die einem Düsseldorfbesuch Joseph Joachims zu Ehren komponiert wurde). Ein I-Tüpfelchen mit Ortsbezug, das begeistert goutiert wurde.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."