Johann Rufinatscha - Romantiker aus Südtirol

  • Die Zahl der im 19. Jahrhundert in den deutsch-österreichischen Musikmetropolen herumgeisternden Musikern, die es nur zu einer historischen Randnotiz gebracht haben, ist kaum überschaubar und steigt gefühlt ständig weiter an. Einer davon ist Johann Rufinatscha. Geboren wurde Rufinatscha am 1. Oktober 1812 in Mals im Vinschgau, das heute zu Italien gehört.
    Im Alter von 14 Jahren kam der musikalisch begabt Junge nach Innsbruck, wo er Violine, Klavier und Musiktheorie studierte. Um 1833 siedelte er nach Wien über und wurde Schüler von Simon Sechter. Rufinatscha blieb bis zu seinem Tode am 25. Mai 1893 in Wien und genoß einen Ruf als geachteter Lehrer für Klavier und Musiktheorie. Zu seinen Schülern zählten u.a. Julius Epstein und Ignaz Brüll. Als Freund von Brahms ging er als Randnotiz in die Musikgeschichte ein.


    Johann Rufinatscha gilt als der bedeutendste aus Tirol stammender Komponist des 19. Jahrhunderts. Seine Werke gelten als eine Art Bindeglied zwischen Franz Schubert und Anton Bruckner. Rufinatscha hat um 1870 also lange vor seinem Lebensende mit dem Komponieren aufgehört, ob aus der Erkenntnis heraus, nicht zu den Großen zu gehören, ist nicht näher bekannt.


    Sein Werkverzeichnis umfasst:


    6 Symphonien, 1 Klavierkonzert, mehrere Konzertouvertüren, je 2 Streich- und Klavierquartette und ein Klaviertrio plus Klaviermusik.


  • Vor einigen Jahren hat das Chandos-Label eine erste CD mit Musik von Johann Rufinatscha auf den Markt gebracht, die CD sollte wohl die erste von dreien sein, deshalb Volume 1. Dabei ist es allerdings bisher geblieben und das wäre ja nicht die erste Serie, die bei diesem Label eingestellt wurde.


    Die CD wurde seinerzeit recht unterschiedlich aufgenommen, David Hurwitz bei classicstoday z.B. konnte der Musik wenig abgewinnen und auch Tamino Garaguly sprühte nicht gerade vor Enthusiasmus.


    Ich bin geneigt, die Musik etwas positiver einzuordnen. Zugegeben, 57 Minuten ist etwas lang für das gebotene Material und weder Schuberts 9. noch Bruckners Symphonien taugen als Vergleich. Diese Musik ist ganz anders gestrickt. Rufinatscha ist kein echter Dramatiker, sondern eher Lyriker. Deshalb verdichtet sich die Musik auch nie so richtig zu großen Ausbrüchen. Aber ich finde sie melodisch ansprechend, optimistisch und gut instrumentiert, eine Art lyrisches Pendant zu Joachim Raff. Ich kann das jedenfalls gut hören und werde die CD sicher noch öfter auflegen.
    Das BBC PO und Andrea Noseda machen ihre Sache gut, aber wie häufig bei Komponisten der 2. Reihe hätte ein kongenialer Dirigent wie z.B. Leonard Bernstein vermutlich mehr herausgeholt.


  • Ich habe mal in die CD hineingehört und auch in diese mit Klaviermusik:



    Mein erster Eindruck war:


    sehr ansprechend, jeweils mehrere Tempowechsel, wirklich romantisch mit dunkler Grundtönung- ich mag das; wunderbar die Einleitung des Finales der D-dur-Symphonie. Vielleicht schaffe ich mir das an. Auf jeden Fall habe ich mir Rufinatschas Lebensdaten notiert und werde sie nach meiner Rückkunft in meine Dateien aufnehmen. Am 1. Oktober ist ja sein 204. Geburtstag. Das wäre ja noch schöner, ein (noch) unbekannter Komponist mit neuem Thread und ohne Erinnerungen :D .


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auf Youtube gibt's noch mehr … :pfeif:


    Klavierkonzert


    Die Sinfonien No 4 und No 5:


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Angeregt durch den Hinweis, dass auch unser Liedweiser Helmut in diesem Thema unterwegs ist, habe ich mal in die Lieder-CD hineingehört. Auch das gefällt mir:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auf jeden Fall habe ich mir Rufinatschas Lebensdaten notiert und werde sie nach meiner Rückkunft in meine Dateien aufnehmen. Am 1. Oktober ist ja sein 204. Geburtstag.


    Das freut mich. Der 200. Geburtstag, für den wohl die CD-Serie gedacht war, hat ja wohl nicht so nachhaltiges Interesse erzeigt.

  • Das BBC PO und Andrea Noseda machen ihre Sache gut, aber wie häufig bei Komponisten der 2. Reihe hätte ein kongenialer Dirigent wie z.B. Leonard Bernstein vermutlich mehr herausgeholt.


    Nein, das glaube ich kaum, da gerade Noseda zu den Dirigenten zählt, die aus "Non-Mainstrem-Werken" das optimale herausholen. Beispiel: Man denke an die grossartige Casella-Sinfonie Nr.2, was er da gegenüber der so laschen Naxos-Italo-Aufnahme für ein brio rüber bringt. Seine Chandos-Aufnahme ist haushoch überlegen und unerreicht.


    Ich denke in diesem Falle: Wo nicht mehr drin ist, kann man auch nicht viel mehr rausholen ... glaube mir ... ;) sonst wäre er ungleich bekannter.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich werde mich noch im LAufe dieses Jahres mit diesem Komponisten beschäftigen. Eigentlich hatte ich in _Erinnerung die besprochene CD bereits erworben zu haben, aber ich finde sie nicht und eine Abfrage meiner Bestelliste bei jpc verlief auch negativ. Diese reicht aber dummerweise nur 4 Jahre zurück. Hätte ich die Aufnahme also 2011, kurz nach ihrem Erscheinen gekauft, so wäre das nicht verzeichnt. Da sich bei mir inzwischen an die 60-70 doppelt gekaufte CDs häufen bin ich ein wenig vorsichtiger geworden und sichte zuvor meine Sammlung ganz genau, bevor ich mich zum Kauf entschliesse....


    Um aber bereits heute etwas beitragen zu können, habe ich zum 60 bändigenStandardwerk österreichischer Biographien bis Ende des 19. Jahrhunderts, dem "WURZBACH" gegriffen. Dort wiederum nimmt man Bezug auf einen Artikel der "Leipziger musikalischen Zeitung"


    Zitat

    Die Leipziger musikalische Zeitung. Welche bei Gelegenheit der Beurteilung mehrerer Werke Rufnatschas diesen einen längeren, nicht panegyrischen Artikel widmet. Bezeichnet R. in seiner Eigenschaft als Compositeur als einen gewissermaßen abgeschlossenen Charakter, in dessen Werken sich eine gewisse Selbständigkeit des Wollens ausspricht; er steht mehr auf eigenen Füßen und ordnet fremde Einflüsse seinem eigenen Wesen unter, und wenn es seinen Arbeiten mitunter an durchsichtige Klarheit, an Schönheit der Form, an feinem Geschmacke fehlt, doch nie an Adel der Gedanken….


    Wie immer man das beurteilen mag, mein Interesse an Rufinatscha wird das nicht schmälern.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,



    Johann Rufinatscha (1812-1893)
    Orchesterwerke Vol. 1: Symphonie Nr. 6; Die Braut von Messina-Ouvertüre


    BBC Philharmonic Orchestra, Gianandrea Noseda
    Chandos, DDD, 2010


    Diese CD ist wirklich klasse! Rufinatscha war mir bis dato gänzlich unbekannt. Seine romantische Musik ist groß gedacht, dramatisch und ausdrucksstark. Die 6. Sinfonie dauert rund 56 Minuten und vereinigt für mein Empfinden Anklänge an Brahms, Dvorak und vielleicht sogar Bruckner und Berlioz. Jedenfalls für meinen Geschmack eine sehr ansprechende und gelungene Sinfonie, die den Wunsch nach mehr von diesem Komponisten aufkommen lässt. Obwohl die Scheibe mit "Vol. 1" betitelt ist und bereits aus 2010 stammt, scheinen weitere Volumina nie produziert worden zu sein - sehr schade.
    Das BBCPO unter Noseda spielt einmal mehr tadellos und die Produktion reiht sich qualitativ nahtlos ein in die Reihe der hervorragenden Aufnahmen, die Noseda mit Werken von Casella hinterlassen hat. Die Chandos-Klangqualität ist wieder einmal exzeptionell. Kaufen!


    Viele Grüße
    Frank

  • Na dann können wir bald einen Fan-Club aufmachen. Die oben eingestellte vierte Symphonie habe ich gestern das erste Mal gehört und fand sie ebenfalls ansprechend. Ich werde mich noch mehr mit diesem Komponisten beschäftigen.

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  • Zitat

    Na dann können wir bald einen Fan-Club aufmachen.


    Ich bin ein weiteres Mitglied in diesem RUFINATSCHA FAN CLUB!!
    Ich habe mir heute die Sinfonie Nr 6 in der Chandos-Aufnahme mit dem BBC Philharmonic Orchestra unter Gianandrea Noseda angehört und bin zu einem äusserst positiven Urteil gekommen. Ich sehe Rufinatscha weder als Bindeglied zwischen Schubert und Bruckner, noch sehe ich in Rufinatscha einen Komponisten der zweiten Reihe (Ebensowenig wie Gernsheim und Herzogenberg etc) Letzters wurde schon im 19. Jahrhundert gern behauptet (Man siehe die von mir zitierten Stellen aus der Leipziger Musikalischen Zeitung). Mehr an geistlosen Allgemeinplätzen wird man wohl kaum wo finden.
    Hübsch auch die immer wieder gern ins Spiel gebrachte Story, der Komponist habe sein "Mittelmaß" erkannt und deshalb zu komponieren aufgehört. Ich vermute eher, daß er gesehen hat, daß man als Musikpädagoge sein Geld leichter verdient.
    Rufinatscha hast mit der 6. Sinfonie ein Werk vorgelegt, das teilweise durch betörend schöne Stellen und Fanfaren gekennzeichnet ist und über eine Klangsprache verfügt, die einem irgendwie vertraut vorkommt, ohne daß man sagen könnte wieso. Im Booklet fand ich indes einen Hinweis darauf. nämlich daß Rufinatschas Musik typisch "österreichisch" sei. Vermutlich ist das so, und möglicherweise erscheint sie mir so vertraut. Aber das ist letztlich bei Raffs Musik, der kein Österreicher ist, ebenso der Fall. Das Werk setzt weder auf überzogene Kontraste, noch auf exzessive Dynamik, sondern auf ein ausgewogenes Ganzes und erzielt dennoch eine superbe Performance.
    Das Orchester und sein Dirigent, Gianandrea Noseda lassen IMO keine Wünsche offen.
    Es wäre wünschenswert, daß CHANDOS den geplanten Zyklus fortsetzt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit jedem Hördurchgang gefällt mir Rufanitscha's letzte Symphonie besser, so dass ich inzwischen überzeugt bin, dass sie eine der besten ist, die in den "dunklen Jahren" zwischen Schumann 4 und Brahms 1 komponiert wurde. Der Komponist ist seinen eigenen Weg gegangen und trotzdem klingt es vertraut, auch vertraut österreichisch, wie Alfred schon vermerkte. Auch nehme ich meine Bemerkung zurück, dass ein besserer Dirigent mehr daraus gemacht hätte. Noseda und das BBC PO machen ihre Sache hervorragend. Nur schade, dass Chandos offensichtlich nicht gewillt ist, die Serie fortzusetzen. Wäre mit einem britischen Komponisten vermutlich nicht passiert. Also sind cpo oder österreichische Label gefordert, hier Abhilfe zu schaffen. Die verfügbaren weiteren Symphonien sind auf dem Weg zu mir.


  • Es gibt ja eine weitere Aufnahme mit einer Sinfonie Rufinatschas, nämlich der Dritten. Hört man die Aufnahme (bzw die Soundschnippsel davon) NACHDEM man die bislang beschriebene CHANDOS Aufnahme gehört hat, dann wird man erst ermessen können wie ausgezeichnet Noseda sein Orchester im Griff hat, und daß dem Klang des Orchesters im Falle Rufinatschas ein hoher Stellenwert zukommt. Vermutlich wird in absehbarer Zeit Klaus Heymann zuschlagen und uns Aufnahmen weiterer Sinfonien dieses Komponisten anbieten..... (?)

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine der CDs, die auf dem Weg zu mir sind, als Zwischenstopp bevor es besseres gibt. Die anderen Symphonien sind zumindest mal mit der Cappella Istropolitana aus Bratislava eingespielt, die wenigsten einen gewissen Ruf besitzt.

  • Bei den Symphonien von Rufinatscha gibt es ähnlich wie bei Franz Schubert Nummerierungsprobleme. Ursprünglich hat er wohl 6 Symphonien komponiert.


    Sinfonie Nr. 1 D-Dur (1834)
    Sinfonie Nr. 2 Es-Dur (1846)
    Sinfonie Nr. 3 c-Moll (1846)
    Sinfonie Nr. 4 c-Moll (1846; Fragment, nur im vierhändigen Klavierauszug erhalten)
    Sinfonie Nr. 5 h-Moll (1846)
    Sinfonie Nr. 6 D-Dur (1865)


    Symphonie Nr. 3 galt irrtümlich als verschollen, wohl weil vorhandene Streicherstimmen im Nachlass falsch kategorisiert waren. 2012 hat der Tiroler Komponist Michael F. P. Huber von der Dritten eine Neufassung mit hinzukomponierten Pauken- & Bläserstimmen erstellt, die am 25. Nov. 2012 in Innsbruck uraufgeführt wurde (200. Geburtstag des Komponisten). Daraus entstand vermutlich die in Beitrag 14 gezeigte CD, die auch 3 Konzertarien enthält. Symphonie Nr. 4 liegt nur als Fragment und im Klavierauszug vor. Solange diese Symphonie nicht komplettiert und instrumentiert wird, ist sie nur von wissenschaftlichem Interesse. Deshalb wird sie teilweise nicht mitgezählt. So jedenfalls bei den in Beitrag 4 geposteten youtube Aufnahmen. Die dort als Nr. 4 aufgeführte ist die h-Moll Symphonie von 1846. Die dort als Nr. 5 geführte ist somit die gleiche wie die oben gelistete 6. und bei Chandos eingespielte in D-Dur von 1865. Es handelt sich allerdings um eine andere Aufnahme, nämlich mit der Cappella Istropolitana unter Edgar Seipenbusch. Gleiches gilt für die h-Moll Symphonie.


    Die h-Moll Symphonie bestätigt meinen Eindruck, dass mit Rufinatscha ein origineller und potenter Sinfoniker übersehen wurde, der weit über viele seiner bekannteren Kollegen, die zur 2. Riege der Komponisten der Epoche gezählt werden, hinausragt. Was für ein Luxus, fast alle Länder außerhalb des austro-germanischen Raums wären wahrscheinlich froh und begeistert, wenn sie aus dieser Epoche so einen Komponisten vorweisen könnten. Ich bin gespannt auf die frühen Werke.

  • Johann Rufinatscha studierte als junger Mann am Innsbrucker Musikverein und schloss diese Studien 1832 mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Sein Kompositionslehrer dort war Martin Goller (1746-1836). 1834 - kurz vor Abreise nach Wien - beendete Rufanitscha seine erste Symphonie, die er mit "Mein erstes Studium" betitelte. Das Werk geht laut Booklet-Text bereits über das hinaus, was Goller seinem Schüler vermitteln konnte.
    Das Werk hat vier Sätze


    Grave-Allegro con spirito 11:54
    Adagio 9:27
    Menuetto. Allegro vivace - Trio. Piu tosto meno allegro 3:16
    Finale 8:35


    Das Werk ist bereits ein vollgültiges, nichts studienmässiges haftet ihm an. Auch ist bereits ein Personalstil auszumachen, auch wenn Beethoven und Schubert als Einflussgrößen natürlich wahrnehmbar sind. Die Einleitung des ersten Satz erinnert mich etwas an eine Passage aus einer der Symphonien von Franz Berwald, die jedoch später entstanden. Das Adagio ist sicher der wertvollste Satz der sich durch "eine zwingende Symbiose von melodischer Ekstase und harmonischem Reichtum" auszeichnet. Das Menuetto ist von Tiroler Volksmusik beeinflusst. Insgesamt ein Werk, dass sich nicht vor zeitgleich entstandenen anderen Erstlingen verstecken muss.


    Die Aufnahme entstand 2006 in der Basilika von Stift Sams, Edgar Seipenbusch dirigiert die Cappella Istropolitana, Bratislava. Dieses Orchester hat auch schon einiges für Naxos eingespielt und es wäre zu wünschen, dass die diese Aufnahme in ihr Programm übernehmen, denn ansonsten ist sie nur direkt vom Tiroler Landesmuseum erhältlich. Die Interpretation ist ansprechend, die Klangqualität o.k. Solange es nichts besseres gibt, eine nützliche Einspielung.