Lyrische Anmut und stille Größe – die Sopranistin Magdalena Hajossyova

  • Bislang hat Magdalena Hajossyova hier bei TAMINO keine eigene Rubrik gehabt - es wird höchste Zeit, dass sich das (gerade heute an ihrem 70. Geburtstag) ändert! :yes:






    Liebeserklärung an eine Sopranistin anlässlich ihres heutigen 70. Geburtstages:


    Keine andere lyrische Sopranistin hat mich so geprägt und begeistert wie Magdalena Hajossyova. Als ich um 1990 anfing, die Staatsoper Berlin regelmäßig zu besuchen, gehörte die Slowakin quasi zum „Inventar“, also zum Solistenensemble des Hauses und sang dort die großen Partien des lyrischen Fachs mit einer Mühelosigkeit und Selbstverständlichkeit, wie ich es später kaum mehr vergleichbar erlebt habe.


    Leuchtende Höhen und doch eine gewisse Apartheit in der Phrasierung und Gestaltung bei einem leicht slawischen Akzent in ihrem ansonsten sehr guten Deutsch gehörten zu ihren Markenzeichen. Die Stimme klang für mich mädchenhafter als die aller anderen Sopranistinnen. Möchte man das „Elektra“-Vokabular bemühen, klangen Kolleginnen wie Anna Tomowa-Sintow oder Celestina Casapietra um 1990 „erkannt“, also fraulich-weiblich, während Madgalena Hajossyova unglaublich jugendlich-mädchenhaft, also noch „unerkannt“ klang. Dazu trug natürlich auch bei, dass sie die Tiefe leicht und hell sang also nicht so „brustig“ wie manche Fachkollegin. Die von mir vor allem als Verdi-Interpretin hochgeschätzte, ja heißgeliebte Julia Varady nahm beispielsweise die Tiefe immer so brustig, dass sie dort so dunkel wie eine Altistin klang. Das irritierte, ja verstörte mich mitunter. Magdalena Hajossyova blieb auch in der Tiefe ein Sopran, weshalb sie meinem Idealbild einer jugendlich-schwärmerisch-lyrischen Sopranistin so nahekam, ja dieses (neben Elisabeth Grümmer auf Schallplatte) entscheidend prägte: Elsa, Eva, Tatjana – das leicht naive, jugendlich schwärmerische Mädchen, niemand hat es für mich so überzeugend verkörpert wie sie. Und dazu dieses slawische Leuchte in der Stimme, vor allem in der Höhe – eine wunderbare Sängerin!!! :yes: :hail: :thumbup:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hier kann man die Sängerin gleich zwei Mal als Elsa erleben: bei einer konzertanten Aufführung zum Auftakt des Wagner-Jahres 1983 im Leipziger Gewandhaus (ein Vierteljahr vor ihrem szenischen Rollendebüt an der Berliner Staatsoper) neben Siegfried Jerusalem als Lohengrin und in einer szenischen Aufführung vom Mai 1991 in Berlin neben James O’Neal als Titelheld:








    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Magdalena Hajossyova wurde am 25. Juli 1946 in der slowakischen Hauptstadt Bratislava geboren. Ein Jahr vorher hatte die Slowakei ihre staatliche Unabhängigkeit verloren und war zusammen mit Tschechien zur CSR, bald CSSR (das zweite S stand für sozialistisch) fusioniert worden. Die junge Sopranistin studierte in ihrer Heimatstadt Bratislava (Preßburg) und begann am dortigen Theater auch ihre Bühnenlaufbahn. Schon bald wurde Prag auf die junge Slowakin aufmerksam, die viele Jahre regelmäßig in der Moldaumetropole gastierte.


    Ihren ersten Bühnenauftritt an der Deutschen Staatsoper Berlin, deren Ensemble sie für Jahrzehnte angehören sollte, hatte die Sopranistin am 28. Februar 1976 als Donna Elvira in „Don Giovanni“. Unter der Leitung von Otmar Suitner sang Celestina Casapietra die Donna Anna und Peter Schreier den Don Ottavio, Claudio Nicolai war kurzfristig für Theo Adam als Don Giovanni eingesprungen. Ein gutes Jahr später stand eine Neuproduktion von Gounods „Faust“ an und Frau Hajossyova wurde als Gast für die Margarethe verpflichtet- eigentlich alternierend mit Frau Casapietra, doch diese sagte ab und Frau Hajossyova wurde alleinige Besetzung für die weibliche Hauptrolle. Der Erfolg war so groß, dass Intendant Pischner ihr einen umfangreichen Gastvertrag für die folgende Spielzeit anbot und sie ein Jahr später ins Ensemble aufnahm. Bis etwa 2005 blieb sie Ensemblemitglied, auch wenn sie in den letzten Jahren auf Nebenrollen abgeschoben wurde – zu Unrecht, denn ihre Stimme blieb frisch und völlig intakt mit ihrem so typischen jugendlich-keuschem Leuchten – vielleicht war das Problem, dass zum immer noch mädchenhaften Anmut in der Stimme die Erscheinung immer weniger passte, denn die Hajossyova war längst Mutter und alterte so, wie (gerade slawische) Frauen nun einmal altern…


    Hier kann man sie mit 53 Jahren u.a. mit Fiordiligis Felsenarie hören (19:10!!!). Die Stimme klingt noch immer wunderbar jugendlich frisch und mädchenhaft anmutig. Bei dieser Arie hört man auch, dass ihr beide Extremlagen, die Höhe aber eben auch die Tiefe, wie selbstverständlich zu Gebote standen:




    Siegfried Lorenz in einem Vortrag (1996) über Magdalena Hajossyova:


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  • Das Repertoire von Magdalena Hajossyova war sehr umfangreich, wenn auch nicht unbegrenzt. Die Barockwelt konnte sie sängerisch ebenso überzeugend verkörpern wie die Klassik und Romantik, allein die Moderne mied sie in Berlin, sofern man Richard Strauss nicht mehr dazu zählt. An der Deutschen Staatsoper Berlin sang sie Händel (Alcina) ebenso wie Gluck (Iphigenie in Aulis) und natürlich Mozart (Elektra in „Idomeneo“, „Figaro“-Gräfin, Donna Elvira und Donna Anna in „Don Giovanni“, Fiordiligi in „Così fan tutte und Pamina in „Die Zauberflöte“), Weber (Agathe im „Freischütz“, Euryanthe), Wagner (Eva und Elsa, später auch
    die Elisabeth im „Tannhäuser“) und wie gesagt Richard Strauss (Marschallin, Arabella und „Capriccio“-Gräfin). Neben dem deutschen Fach sang sie auch französisches (Margarethe und Micaëla) und natürlich auch russisch-slawisches Repertoire (Jaroslawna in „Fürst Igor“, Tatjana, Rusalka), ja mit der Violetta in Verdis „La Traviata“ auch italienisches Repertoire, das allerdings die Ausnahme blieb (die geplante Alice Fords sagte sie ab, Puccini sang sie auch nicht). Komische Rollen mied sie ebenfalls, das passte weder zu ihrer lyrischen Veranlagung noch zu ihrem schwärmerisch-melancholischen Bühnennaturell. Ihr einziger (mir bekannter) Operettenausflug war der Csárdás der Rosalinde aus der „Fledermaus“, gesungen beim Opernball 1982 (im folgenden Video ab 27:42!), wo man sich gerne einmal anders als gewohnt präsentierte. Die ungarische Gräfin passte zur slowakischen Sopranistin sehr gut, schließlich gehörte die Slowakei lange zu Ungarn. ;)


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  • Ernst Krause über Magdalena Hajossyova
    in seinem gemeinsam mit Marion Schöne herausgegebenen Buch „Opernsänger. Sechzig Portraits“, Berlin (Henschelverlag) 1979

    Zitat

    Magdaléna Hajóssyová, die Margarete singend: Das ist (bei aller Aversion gegen Superlative) ein hervorragendes Zeugnis typisch romanischen Gesangsausdrucks: Diese Marguérite des lyrischen Schwärmers Gounod, der sich aus Goethes „Faust“ die französisch angehauchten Liebesszenen herauspickte, erweist sich bei allem naiv-leidvollen Ausdruck als stimmlich vielschichtige Aufgabe: voll süßer Lyrik, geläufiger Arabesken und dramatischer Faszination. All dies ist in dieser Sopranpartie verborgen. Bei der Hajóssyová geht die Rechnung auf. Sie vereint die Poesie der Müller und Teschemacher mit der funkelnden tonlichen Reinheit der Sutherland. Sie, die Slowakin, bewegt sich untrüglich sicher in dieser Rolle, verleiht ihr empfindsame Wärme, anrührende Mädchenhaftigkeit, Hingabe, Glanz. Aus schelmischer Naivität zu wirklich menschlicher Größe der Kerkerszene wachsend.


    Nun: Es wäre verwegen, über eine Sängerin zu schreiben, die wir nur in dieser Partie gehört und gesehen haben. Wir sind ihr schon in Bratislava begegnet, und wir haben vor allem ihr Berliner Staatsopern-Debüt im Januar 1977 in der riesigen Festhalle von Osaka miterlebt. Osaka? Die Lindenoper brauchte für ihre vierwöchige Japan-Tournee eine zweite Donna Elvira. Die Wahl fiel auf die Sängerin aus der Slowakei. In der vorzüglichen Suitner-Aufführung (im italienischen Original) gefiel sie dem verwöhnten japanischen Publikum über alle Maßen. In ihrem Gesang waren Wonnen und Wunden, bewegend in der Führung der Vokallinie wie im Gefühl, das ihr entströmt. Die Berliner Margarete war entdeckt; Hans Pischner fiel (hörbar) ein Stein vom Herzen. Auch eine neue stilklare „Figaro“-Gräfin und eine vom heimatlichen Zauber umwehte Rusalka stand in Aussicht. Magdaléna Hajóssyová wurde Mitglied des Ensembles der Deutschen Staatsoper, ohne dass sie sich von ihrer Heimatstadt lösen will. (Vor achtzehn Jahren war eine andere Sopranistin von da gekommen: Ludmila Dvořaková.) Ihre große Force liegt in der lyrischen Leggierezza, die weder eine quellklare Tongebung noch einen hohen Grad Erlebnisfähigkeit ausschließt, in der unverstellten Emotion. Mit solchen Tugenden war sie inzwischen auch eine jungfrauliche Jaroslawna, die auf den vom Kriege heimkehrenden Igor wartet.
    Eine ausgezeichnete Liedersängerin obendrein, sich im Konzertsaal bei Brahms, Dvořák, aber auch Suchoň bewährend. Sie lässt noch viel erhoffen.“

    Die erwähnte Gounod-Margarethe in einer konzertanten Aufführung in der Berliner Philharmonie (1986):





    Außerdem noch der erwähnte Liederabend vom Mai 1978:





    Und die ebenfalls erwähnte Rusalka, wenn auch fast zwei Jahrzehnte später:





    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Aus einer „Onegin“-Rezension für die Aufführung am 9.9.1990 an der Staatsoper Berlin in „Der Neue Merker“ (Heft November 1990)

    Zitat

    „Nun verkörpert seit Jahren Magdalena HAJOSSYOVA die Tatjana, und auch sie folgt mit eindringlichem Spiel auf ihre ganz persönliche Weise den Ideen des Regisseurs. Sie ist zuerst kindlich scheu, lässt sich dann spontan und im Überschwang des aufblühenden Gefühls zum Bekenntnis ihrer Liebe hinreißen, und dann ist sie durch die demütigende Zurückweisung durch Onegin so rührend hilflos und verletzt, dass diese Szene zu den berührendsten der ganzen Oper gehört. Im 6. Bild (Ballsaal) ist Tatjana dann als junge, bewunderte Fürstin zwar Mittelpunkt des Festes, aber das unerwartete Gegenübertreten Onegins trifft sie doch bis ins Herz, und sie kann ihre Verwirrung nicht ganz verbergen. Im letzten Bild, das in dieser Inszenierung nicht in TatjanasZimmer, sondern im Park spielt, hat sie ihre Fassung nur mühsam wiedererlangt. Aber durch die tiefe Liebe ihres Mannes ist Tatjana so gereift, dass sie sich zwar zu der noch nicht erloschenen Liebe zu Onegin bekennt, aber durch die Entscheidung ihres Herzens förmlich getrieben, in die Arme ihres Mannes zurückkehrt. Theo ADAM (Regisseur/Gremin) hat diese Entwicklung Tatjanas besonders verdeutlicht dargestellt. Der mit seinen Gästen im Park flanierendeFürst Gremin kommt gerade vorbei, als sich Tatjana von Onegin gelöst hat und davoneilt. Sie wirft sich ihrem Mann förmlich in die Arme, der beruhigend den Mantel um sie legt.
    Magdalena Hajossyova vollbringt eine beifallsumrauschte Glanzleistung, darstellerisch und stimmlich gleichermaßen vorzüglich.

    Hier die Wiederaufnahmevorstellung im Februar 1989, anderthalb Jahre vor der von der Journalistin I.P. rezensierten Vorstellung:



    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Madgalena Hajossyova hat viel aufgenommen, vor allem Konzert und Lied.


    Unter den Opernaufnahmen ragt die Füchsin Schlaukopf in Janáčeks „Schlauem Füchslein“ heraus, es gibt aber auch u.a. eine Donna Elvira (in der Prager Fassung ohne die „Mi tradi“-Arie), eine Königin der Erdgeister in Marschners "Hans Heiling", eine Gounod-Margarethe (mit Peter Dvorsky), eine „Werther“-Sophie und eine Marina in Dvořaks Oper „Dimitri“.


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    Hier kann man sie in Beethovens „Neunter“ und Mahlers „Zweiter“ unter Otmar Suitner sowie in Mahlers „Vierter“ unter Vaclav Neumann hören:







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