Andreas Staier - Spezialist für historische Tasteninstrumente

  • Immer wieder entdecke ich bedeutende Pianisten, die noch keinen eigenen Thread bei Tamino haben. Damit meine ich nicht etwa talentierte Nachwuchskünstlerm bzw Künster mit deren Berühmtheit über Nacht entstand oder entstanden wurde, sondern um allseits anerkannte und bekannte Größen, die aus dem Musikleben unserer Tage nur schwer wegzudenken wären. Solch ein Künstler ist Andreas Staier. Er ist damit kein Einzelfall, denn eigentlich wurden die Pianisten, die sich den Cembali und historischen Hammerklavieren oder deren Nachbauten gewidmet haben immer ein wenige vernachlässigt, bzw sehr selektiv hier ausgewählt, ohne dass es einen erkennbaren Grund dafür gäbe.
    Diesen Übelstand möchte ich in den nächsten Monaten vermindern, es wird zahlreiche Threads über diese Spezialisten geben,
    Ich beginne heute mit dem deutschen Pianisten Andreas Staier.
    Andreas Staier wurde am 13. September 1955 in Göttingen geboren, Seine Ausbildung als Pianist und Cembalist absolvierte er in Hannover und Amsterdam. Er war Mitglied des Ensembles „Musica Antiqua Köln“ sowie später freier Solist. Er war auch als Liedbegleiter erfolgreich – es gibt einige Aufnahmen mit Christoph Pregardien. Generell ist seine Diskographie recht umfangreich und er wurde mit zahlreichen Plattenpreisen und Auszeichnungen bedacht. Sein Repertoire recht vom Barock bis hin zu Schubert und Schumann. Wenngleich die Szene der historischen Tasteninstrumente in den letzten Jahren Zulauf bekommen hat, so ist Andreas Staier einer der bedeutendsten Vertreter dieses Genres in unserer Zeit.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    APUT

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als ich heute im Rahmen meiner Aktualisierungsarbeiten am Thread Directory diesen Thread aufrief, da hatte ich Angst, daß eigentlich über Andreas Staier schon alles gesagt sein könne. Umso überraschter war ich, als ich sah, da seit der Threaderstellung vor einem Jahr kein einziger Beitrag eingelangt war. Das erinnert mich einerseits an Aussagen "Im Forum wurde bereits alles gesagt" und andrerseits habe ich mich gefragt ob vielleicht die Mode der Aufnahmen mit historischen Hammerflügel schon wieder abgeklungen wäre, ohne daß ich dies bemerkt hätte, Ich erinnere mich, wie vor einigen Jahren alle Zeitschriften Staier als einen der führenden Spezialisten für Klavierspiel auf historischen Tasteninstrumenten bezeichneten, und daß Alfred Brendel einmal (sinngemäß) zu Staier gesagt haben soll, er verstehe nicht, warum er auf diesen alten Flügeln spiele, er sei doch ein erstklassiger Pianist. Und das ist er in der Tat. Aber darüber hinaus scheint er den Zustand der Instrumente. mit denen er Aufnahmen macht streng zu überwachen (oder überwachen zu lassen), denn da klappert und scheppert nichts, alles ist bestens abgestimmt.
    Ich habe mir ferner die Frage gestellt ob vielleicht viele von Staiers CDs gestrichen wurden - aber das ist nur teilweise der Fall. Ich bin wieder in die Falle getappt und habe für August die hier gezeigte 3 CD -Edition mit Klavierwerken von Robert Schumann auf meine Bestelliste gesetzt, Staier pielt hier auf einem Erard -Hammerflügel aus dem Jahre 1837, was das Projekt - wenn überhaupt möglich - noch interessanter macht.
    Die Kritik war begeistert, zwei Internet User (oder vielleicht gar nur einer, zweimal gevotet hat ?) haben die Aufnahme mit 2, bzw 3 Punkten (von 5 möglichen) bewertet, Ich rate jedem Musikfreund all die Punktevergaben von anonymen "Nobodys" konequent zu ignorieren, die aus der Anonymität her "Bewertumgem" abgeben, die nicht einmal begründet werden und sich selbst ein Urteil zu bilden.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich muss zustimmen, dass sowohl pianistisch als auch klanglich hier eine ganz hervorragende CD vorliegt. Habe gerade einiges davon in Ruhe auf Spotify-Premium gehört. So wie es sich anhört, werde ich mir die wohl bestellen müssen.
    Wenn ein altes Instrument so schön und gesanglich klingt, dann wird niemand etwas dagegen sagen wollen.


    Nicht alle Aufnahmen Staiers mag ich so, wie diese hier.
    Nebengesagt mochte ich ihn sehr gerne als Continuospieler bei Musica Antiqua Köln. Er war in dieser Rolle richtig gut, aber es wird ihm wahrscheinlich wie aus einem anderen Leben vorkommen, denn es ist ja schon lange her.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Noch eine Einschränkung zu Staiers Schumann, weil eben erst gehört:


    Bei den Kinderszenen gibt einige Stücke, die ich in seiner Interpretation so nicht nachempfinden kann, z.B. "Von fremden Ländern und Menschen" und die "Träumerei". Das klingt für mich viel zu schnell und bewusst "unromantisch", auch "Am Kamin" ist in meinen Ohren vom Lyrischen her weniger gelungen. "Kind im Einschlummern" ist mir auch zu schnell.
    Ob er damit Rücksicht auf weniger sangliche Qualitäten des Flügels nimmt?
    Ich meine, eher nicht. Er würde es mit einem Steinway wohl auch so spielen - aber überzeugend finde ich das nicht....


    Gerade hat diese Random-Funktion bei Spotify mir eine andere "Träumerei" vorgespielt, ohne dass ich es wollte. Ich dachte: " Wow, hier ist alles so, wie ich es mir schon immer vorgestellt habe - hervorragend". Ich staunte nicht schlecht und wurde hinsichtlich meiner Vorurteile in Richtung Asien eines Besseren belehrt. Die Künstlerin heißt Zu Xiao Mei, und spielt mit erstaunlicher Reife und Klangschönheit. Hier die CD:



    Es gibt also aus China auch wirklich seriöse und wunderbare Klaviermusik zu hören.
    Ich weiß nicht, ob Holger das liest, aber vielleicht wäre es für ihn als Klavierliebhaber interessant.
    "Von fremden Menschen und Ländern" klingt hier für mich auch so, wie ich es mir immer wünschte.
    Die Frau ist ja richtig gut!!


    Ganz passt es nicht in den Staier-Thread, aber weil es der Zufall so wollte, wollte ich es einmal erwähnen.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zhu Xiao-Mei ist eine fantastische Pianistin, die seit langem in Paris lebt! Es gibt ganz wunderbare Aufnahmen von ihr.
    Ich empfehle sehr ihr Buch "Von Mao zu Bach - Wie ich die Kulturrevolution überlebte"



    Grüße
    Christian

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  • Für mich die Neuentdeckung des Jahres im Bereich Klavier!


    Gruß
    Glockenton

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  • Ich komme zurück zu Staier und seinem "Kinderszenen"


    Zitat

    Bei den Kinderszenen gibt einige Stücke, die ich in seiner Interpretation so nicht nachempfinden kann, z.B. "Von fremden Ländern und Menschen


    Ich konnte natürlich auch nur in die Samples hinein hören - und grade bei "von fremden Ländern und Menschen" dachte ich mir, daß diese alternative, schnellere Lesart besonders überzeugen ist - allerdings nicht vergleichbar mit irgend eines mir sonst bekannten Interpretation. Wie man siehr sind Klangvorstellungen doch sehr subjektiv.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Diese Staier-Aufnahme habe ich tatsächlich vollständig auf Spotify gehört, also nicht in Schnipseln.
    Zu den fremden Menschen und Ländern dieser Aufnahme:


    Es klingt in der Tat sehr anders, fast so als wenn einer einen Kinderreim singt und dazu mit der Gitarre ein paar Akkorde anschlägt.
    Ob es Schumann so meinte? Vielleicht ja ! ....doch dann wären die bekannten poetischen Versionen vorsichtig gesagt ziemlich etwas Anderes als seine Intention.
    Aber es kann sogar sein, dass die uns bekannteren Interpreten in dem Stück mehr hören und erkennen, als es Schumann selbst wollte und erkannte, und dass sie damit sogar im Recht wären (!)


    Auch das ist dann noch - eine zugegeben sehr gedehnte Form von- Werktreue, weil man dem, was das Werk faktisch enthält, nachspürt und es seriös und überzeugend zum Ausdruck bringt.
    Hier allerdings bin ich nach dem Hören der Staierschen Version dann doch froh, wenn ich es mir von einem Herrn Brendel oder einer Frau Xiao-Mei auf die poetische Art vorspielen lassen kann. Das finde ich überzeugender bzw. einfach "schöner", weil singender und ernsthafter.


    Wie gesagt, ich meine nicht, dass man es nicht auch wie Brendel oder Xiao-Mei auf dem Originalinstrument spielen könnte. Staiers Instrument ist sehr gut und gäbe auch diese poetisch-romantische Spielweise her, wenn man es denn wollte.


    Von daher ist es wohl eher eine Sache der Interpretation, also der Umsetzung einer abstrakten Vorstellung musikalischer Parameter, als eine Frage der realen Klangvorstellung im Sinne dieses historischen Klangbilds dieses Flügels, es sei denn, dass man eine ganze Spielweise auch als "Klang" im Sinne von "Sound" sprachlich benennt/meint, wie es ja auch die Engländer/Amerikaner tun ( "I like this sound " kann auch im Sinne von "ich mag diese Spielweise" übersetzt werden).
    Es ist ja gar nicht so einfach, über empfundene Schallwellen überhaupt zu reden, insbesondere über das Internet...;-)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo,


    mit Andreas Staier kann ich zum Beispiel bei der Harmonia Mundi absolut empfehlen:


    JS Bach: Goldberg-Variationen auf dem Cembalo
    LvBeethoven: Diabelli-Variationen, welche von einigen der 'anderen ' Diabelli'-Variationen mit einem genialen von Staier komponierten Interludium im Geiste Beethovens übergeleitet werden. Alles sehr sehr empfehlenswert!


    LG Siamak

  • Meine erste CD von Andreas Staier sind die Klavierkonzerte Nr. 2 und Nr. 3 von John Field, die 1816 erstmalig publiziert wurden. Staier spielt hier ein Broadwood Fortepiano von 1802 aus seiner eigenen Instrumentensammlung. Das Fortepiano - etwas "dünner" im Klang als ein moderner Flügel - passt jedoch ganz ausgezeichnet zu der luftigen und stellenweise perlenden Musik von Field. Eine sehr poetische Interpretation, auch technisch hervorragend eingefangen.


    Es grüßt
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

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  • Staier spielt Cembalo in der "legendären" Einspielung der Brandenburgischen Konzerte mit MAK (die übrigens im 5. Konzert nicht in solche Tempoextreme gerät wie im 3. und 6.) Noch aufsuchenswerter ist eine CD mit Doppelkonzerten von WF und CPE Bach, ebenfalls aus der Mitte der 1980er.



    Auch später hat sich Staier für die Musik des zweitältesten Bach-Sohnes eingesetzt; diese CDs sind alle empfehlenswert; der Dreierpack enthält im wesentlichen die drei vorher gezeigten Scheiben.




    Da mir Staier, besonders in den letzten Jahren, eher mehr interessantes auf dem Fortepiano gemacht hat, vorerst eine letzte Cembalo-CD, mehr aufgrund des extra für Staier gebauten Prunkinstruments als der Musik wegen. Von Kennern habe ich eher kritische Bemerkungen zu den Interpretationen der enthaltenen älteren (Böhm, Buxtehude) Musik gelesen; die Händel-Chaconne und die Telemann-Arrangements sind aber jedenfalls ein Riesenspektakel... vgl. die Amazon-Rezensionen (nach knapp 10 Jahren ist die CD anscheinend leider nicht mehr ohne weiteres lieferbar). Das Instrument wird auf einigen weiteren der (neueren) Einspielungen Staiers, etwa den GBV und den 6 Hamburger Konzerten Carl Philipp Emanuels eingesetzt.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)