Rodion Schtschedrin/Shchedrin (1932-) - Russischer Komponist und Pianist

  • Rodion Konstantinowitsch Schtschedrin wurde am 16. Dezember 1932 in Moskau als Sohn eines Komponisten und Musiklehrers geboren. Er studierte am Moskauer Konservatorium bei Juri Schaporin (Komposition) und Jakow Flier (Klavier). 1964 wurde er zum Professor für Komposition am Moskauer Konservatorium, 1973 zum Präsidenten des russischen Komponistenverbandes ernannt.


    Nach dem Ende der Sowjetunion erhielt er den Russischen Staatspreis und den Dmitri-Schostakowitsch-Preis, im Dezember 2007 wurde er mit dem Verdienstorden für das Vaterland zweiter Klasse ausgezeichnet. Seit 1989 ist Schtschedrin Mitglied der Akademie der Künste (Berlin). Heute lebt er abwechselnd in München und Moskau.


    Rodion Schtschedrin war seit 1958 mit der 2015 verstorbenen Primaballerina Maja Plissezkaja verheiratet, die für seine Ballettmusiken mehrfach die Choreografien entwickelte. (Quelle: wikipedia)


    Schtschedrins Werkkanon umfasst vor allem 6 Klavierkonzerte, eine Reihe von Balletten (Carmen Suite, Anna Karenina, Die Möwe) und Opern (Die toten Seelen, Lolita) sowie Klavierwerke.


  • Rodion Schtschedrin ist vor allem durch seine Ballette (Anna Karenina), Ballettbearbeitungen (Carmen-Suite), Opern (Die Möwe) und Klavierkonzerte bekannt. Er hat aber bisher auch zwei Symphonien komponiert, von denen mir die erste auf einer frühen EMI/Melodiya-Stereo-LP vorliegt mit dem Moskau PO unter Nikolai Anosov (Aufnahme ca 1962).
    Das dreisätzige ca 30 minütige Werk wurde 1958 komponiert und ist ein schwermütiges und düsteres Werk, das mich an Prokofieff's 6. Symphonie erinnert. Auch die Klangwelt des Zeitgenossen Andrej Eshpai ist nicht weit weg. Für Freunde der tonalen russischen Symphonik ein durchaus empfehlenswerter Beitrag. Auf CD liegt das Werk in einer Einspielung durch Svetlanow vor, die ich aber nicht kenne.


  • Die zweite Symphonie von Schtschedrin entstand im Sommer 1964. Schtschedrin verbrachte diesen quasi Tür an Tür mit Dmitri Schostakowitsch in Armenien. Dieser arbeitete gerade an seinem 9. und 10. Streichquartett. Die Komponisten zeigten und spielten Teile ihrer neuen Kompositionen am Klavier. Die UA der 2. Symphonie fand am 11.4.1965 mit dem Moskau RSO unter Gennadi Roshdestvensky statt, Schostakowitsch war bei Proben und Konzert anwesend. Das Werk kam allerdings beim Komponistenverband nicht gut an und verschwand schnell von den Spielplänen.


    Dem Werk hat Schtschedrin eine kurze Sequenz aus einem Gedicht von Alexander Tvardovsky vorangestellt:


    To you, who have fallen in that world struggle
    For our happiness on this harsh earth.
    To you who are the equal of the living
    My voice addresses you in my every new song...


    Das Werk ist mit 55:28 recht lang und besteht aus 25 Preludes für Orchester, die in 5 Sätze untergliedert werden. Die Tonsprache ist von Schostakowitsch beeinflusst aber deutlich dissonanter und vergrübelter ohne allerdings in avantgardistische Tendenzen (Aleatorik etc) zu verfallen. Die Symphonie hat durchaus starke Momente vor allem die eher lyrischen Passagen sind eindrucksvoll. Kein Werk zum nebenbei hören.


    Die Aufnahme mit der BBC Philharmonic unter Vassily Sinaisky ist hervorragend, ich hoffe, Sie schieben die erste Symphonie noch nach.


    P. Heissler in FonoForum 2 / 98: "Von den Interpretationen beider Werke ist nur das beste zu sagen. Das BBC Philharmonic erweist sich unter Vassily Sinaisky als Orchester, das zu präsisem, virtuosem, farbigem Musizieren imstande ist, es ist sehr präsent in allen Gruppen und klingt hervorragend."

  • Meines Wissens nach hat Schtschedrin nur zwei Symphonien komponiert, allerdings später dann mindestens fünf Konzerte für Orchester. Das dritte entstand 1989 als Auftragswerk zum 100. Geburtstag des Chicago Symphony Orchestra. Es wurde am 29.10.1990 unter Lorin Maazel uraufgeführt. Wie bei vielen Kollegen hatte sich der Musikstil zu diesem Zeitpunkt in Richtung größerer Publikumsnähe gewandelt. Wie der Titel schon vermuten lässt handelt es sich um farbige eher fröhlich gestimmte Musik, die naturgemäß einem Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts Stravinsky's Petrushka nicht unähnlich ist.

  • Lieber Lutgra,


    schön, hier etwas mehr über Rodion Schtschedrin zu erfahren. Ich kenne leider bisher nur sein Ballett "Carmen", darin er die Musik von Bizet für Streicher und Schlagzeug gesetzt hat und etwas verfremdet hat. Ich habe dieses Ballett schon mehrfach gesehen und auf CD und DVD. Die Musik ist sicherlich zunächst gewöhnungsbedürftig. Ich konnte mich aber schon nach dem ersten Hören damit anfreunden. Danke für dieses Thema.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard


    das ist wohl das bekannteste Stück von Schtschedrin. Ich habe kürzlich die folgende CD erstanden, aber noch nicht gehört. Das Ballett habe ich auch noch nie gesehen, leider.


    Liebe Grüße
    lutgra


  • das ist wohl das bekannteste Stück von Schtschedrin. Ich habe kürzlich die folgende CD erstanden, aber noch nicht gehört.


    Lieber Lutgra,


    dann aber los, denn die CD gehört zu dem Repertoire, bei dem ich sage "Hörspass pur".
    Die Aufnahme überzeugt zudem auch klanglich auf ganzer Linie. Ich hatte auch mal zum Interpretationsvergleich die Naxos-Aufnahme mit Kuchar, die aber in keinem Punkt an die Pletnew - Aufnahme heranreicht.
    Bei allen positiven Worten für Pletnew ... :angel: die Referenzaufnahme bleibt die mit Roshdestwensky (Melodiya/Eurodisc) , bei dem noch mehr Herzblut zu spüren ist:


    Ich finde diese Hammeraufnahme nur noch in der reinen Melodiya-Version (ich habe die Eurodisc-CD, ohne weitere Kopplung).

    Melodiya, 1970, ADD



    Schtschedrin ist allgemein bei eine Reihe seiner Werken kein "leichtes Fressen" ... oft durchzogen mit atonalen Experimenten. Das merkt man auch bei den Concertos for Orchestra Nr.1 und 2, die auf deiner DG-CD enthalten sind. Da sind die Naugthty Limericks noch "geniessbar". Von daher habe ich auch von Schtschedrin bisher nur die Carmen-Suite und das KK Nr.2 angeschafft.


    Die Klavierkonzerte würden mich aber alle Sechs interessieren; sowie die 2 Sinfonien.
    Das Klavierkonzert Nr.2 hatte ich vor Jahren eher zufällig mit dem Kauf der Schostakowitsch KK Nr.1 und 2 auf der abgebildeten CD in den Aufnahmen mit Hamelin/Litton (Hyperion) erstanden. Letztendlich war das eine sehr positive Überraschung, denn Schtschedrin war und ist hier ein Ohrenöffner erster Klasse mit seinem KK Nr.2 - ein tolles Werk mit Hörspass und voll ohne Ausnahme geniessbar.
    Das Klavierkonzert Nr.2 (1966) ist dreisätzig und dauert in dieser ausgezeichneten Aufnahme 9:02 - 4:21 - 7:57 = 21:26.



    Hyperion, 2003, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • chtschedrin ist allgemein bei eine Reihe seiner Werken kein "leichtes Fressen" ... oft durchzogen mit atonalen Experimenten.


    Lieber Wolfgang


    Du solltest auf alle Fälle mal in die Symphonien reinhören. Auch wenn sie teils recht dissonant sind, atonal sind sie jedenfalls nicht.

  • Lieber Lutgra,


    das werde ich auf jeden Fall tun und mir die 2 Sinfonien anschaffen.
    Auch die 6 Klavierkonzerte hätte ich gerne alle.


    Leider gibt es nur eine Swetlanow-Aufnahme (Melodiya) der KK Nr.1 -3 und dann eine neue CD mit dem KK Nr.5 ... aber da sind schon wieder die Schostakowitsch - KK dabei, die ich ohnehin massig habe.
    ;) Die Preise der angebotenen CD-Auswahlen sind mir auch nicht "heiss" genug ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • 1961 komponierte Schtschedrin seine erste Oper mit dem Titel "Nicht nur Liebe". Es geht in dieser Oper um Liebe und Verzicht auf einer Kolchose - sozialistischer Realismus pur - und Schtschedrin ahnte wohl, dass diese Oper außerhalb seines Heimatlandes nicht aufführbar sei. Vielleicht hat er deshalb eine gut halbstündige Suite in 6 Sätzen daraus extrahiert, mit einer großen Arie im 5. Satz. Die Musik ist stark von Prokofieff (Romeo und Julia lassen an vielen Stellen grüßen) beeinflusst, auch Eshpai und Schostakowitsch schauen vorbei, es gibt auch einige etwas modernere Sequenzen. Aber Rodion wusste, "what a good tune is" und ich finde die Suite nicht unattraktiv. Dass sie bei Kyrill Kondrashin und Irina Archipova in guten und authentischen Händen liegt, muss nicht besonders hervorgehoben werden. Die LP die mir vor einigen Tagen in die Hände fiel, klingt hervorragend, die Aufnahme hat fast audiophile Qualitäten. Die CD gibt es derzeit nur gebraucht und recht teuer. Eine GA der Oper scheint es nicht zu geben.



    P.S. Wie man hier lesen kann, ist die Oper dieses Jahr am Marinsky Theater neu herausgekommen mit Gergiev am Pult, eine GA dürfte also in nicht ferner Zukunft Realität werden.

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