Aktive Pianisten unserer Tage - Olga Scheps - "Kraft und Seele"

  • Ich habe bei flüchtiger Recherche keine Thread über sie gefunden - das muss ich sofort ändern, kehre ich gerade voll Begeisterung aus einem Konzert mit ihr zurück:


    Ihre Biographie, die ich hier übernehmen darf, stammt von ihrer Homepage http://www.olgascheps.de/:




    "Kraft und Seele, die Klavierpoetin Olga Scheps im Herkulessaal..." (Dr. Klaus Peter Richter, Süddeutsche Zeitung).


    Olga Scheps begann mit fünf Jahren die ersten Melodien und Stücke zu spielen und lernte Klavierspielen wie sie sprechen, laufen und lesen lernte. 1992 zog ihre Familie nach Deutschland, Olga Scheps’ neue Heimat.


    Die Pianistin mit russischen und israelischen Wurzeln spricht fließend Deutsch, Russisch und Englisch. Mit 16 Jahren begann sie als Jungstudentin an der Musikhochschule Köln ihr Studium bei Prof. Pavel Gililov, welches sie 2013 mit Auszeichnung abschloss. Prof. Pavel Gililov und ihre Eltern – beide ebenfalls Pianisten und Klavierpädagogen – sind bis heute wichtige Ratgeber. Weitere wichtige musikalische Impulse erhielt Olga Scheps bei Arie Vardi, Dmitri Bashkirov, Andrei Gavrilov und Alfred Brendel.


    Während des Studiums war sie Stipendiatin der Deutschen Stiftung Musikleben. Olga Scheps gab ihre ersten Konzerte unter anderem im Rahmen der Preisträgerkonzerte von „Jugend Musiziert“. Daraufhin wurde sie zu mehreren Konzertreihen und Festivals wie dem Rheingau Musik Festival eingeladen, all diese Konzerte waren sensationelle Erfolge. Bald debütierte sie beim Klavier-Festival Ruhr, bei dem sie auch bis heute regelmäßig und gerne auftritt.


    Seit 2009 ist Olga Scheps Exklusivkünstlerin von Sony Classical und spielte vor Kurzem ihr bereits siebtes Album ein. Dieses Solo-Album mit Werken von Erik Satie erscheint im Mai 2016. Für ihr Album „Chopin“ erhielt Olga Scheps einen ECHO Klassik in der Kategorie „Newcomerin des Jahres“. Alle ihre Alben stiegen in den Klassik Charts in den Top Ten ein. Olga Scheps lebt heute in ihrer Wahlheimat Köln, reist von dort aus zu Klassik-Festivals und Konzertreihen in verschiedenen Ländern und konzertiert mit weltweit führenden Orchestern und Dirigenten.


    Olga Scheps ist Steinway Artist.



    Es gibt auch einiges an CDs:



    Anbei meine Rezension des heutigen Konzertes:


    Hector Berlioz: »Le Corsaire« Konzertouvertüre op. 21
    Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37
    Sergej Prokofjew: Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100


    Olga Scheps, Klavier
    Saarländisches Staatsorchester
    Leitung: Nicholas Milton


    Die russische Ausnahmepianistin Olga Scheps, Beethoven Klavierkonzert Nummer 3. Was für eine grandiose Erscheinung; in einem feuerroten, glitzernden Kleid; sie thronte vor dem Flügel, kerzengerade, und gebot souverän über die Tasten. Noch nie habe ich einen Menschen gesehen, der so natürlich majestätisch wirkte, ohne die geringste Affektierheit, Aufgesetztheit oder Künstlichkeit. Ihr Lächeln war herzlich und fröhlich - allerdings überwog am Anfang die Anspannung; in der ersten Reihe konnte man deutlich beobachten, wie aufgeregt sie war, trotzdem aber auch selbstbewusst und souverän.
    Sie spielte bravourös, meisterte den Einleitungssatz und die Kadenz mit grandezza, beherzt und zupackend. Der zweite Satz verträumt, langsam und behutsam, ohne jedoch an Spannung einzubüßen. Das Rondo wiederum robust, fast eckig, jedoch ohne an Geschmeidigkeit zu verlieren.
    Eine phantastische Leistung, die zurecht bejubelt wurde. Als Zugabe schenkte sie dem Publikum Prokofiev einen Teil der Sonate Nr. 7, wuchtig, dröhnend, massiv, ein packendes, virtuoses Glanzstück, auch hier wieder mit Verve und Energie dargeboten. Eine der eindrucksvollsten Pianistinnen der jüngeren Generation. Sie hat mich nachhaltig beeindruckt und begeistert.
    Ebenso souverän das Orchester unter Leitung von Nicholas Milton.
    Neben dem Beethoven gab es ein effektvolles Stück von Berlioz Le corsaire, sowie die laute, grelle, aber nicht uninteressante Symphonie Nr. 5 von Prokofieff.


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  • Eine besondere Begabung und einen tiefen Zugang hat Olga Scheps m. E. zu Chopin. Auf dem vorliegenden Album kann man sich ein gutes Bild davon machen. Die ersten 12 Tracks wurden 2009 in Berlin in der Jesus -Christus Kirche aufgenommen (ein exzellenter Klangraum, der hier superb abgebildet wird - nicht zu hallig, jedoch mit Tiefe, und jede Nuance ist vollkommen klar zu hören) , Nummer 13 ist eine Zugabe vom Klavier-Festival Ruhr 2009. In beiden Fällen spielt sie einen Steinway-Flügel. Ihre Interpretation zeichnet sich durch einen sehr variablen Anschlag, großes Zartgefühl, feine Übergänge, jedoch auch durch markante, dramatische, wuchtige Akzente aus, wobei sie jedoch immer geschmeidig und ausgewogen bleibt. Ihre Virtuosität ist nie gehetzt oder effekthaschend, Ihre schwebende, traumverlorene Sehnsucht nie sentimental oder süßlich, ihre kraftvollen Akzente werden nie zur donnernden Kraftmeierei. Sie präsentiert von daher einen für mich nahezu idealen Zugang zu Chopin, der ebenso bebend, aufgewühlt und energisch wie auch sanglich, innig und zartfühlend ist, voll Empfindung, Raffinement und Esprit. Manche Tempi, Akzente und Phrasierungen lassen aufhorchen, wirken ungewohnt, jedoch immer überzeugend, fließend und organisch. Für mich in jedem Fall klanglich und interpretatorisch eine ganz herausragende, intensive, poetische, berührende, kostbare Einspielung. Auch die Presse ist in ihrem Urteil sehr positiv. Niemand Geringeres als Prof. Kaiser urteilt: "Olga Scheps ist eine echte Entdeckung. So habe ich Chopin noch nicht gehört." Der Stern vermeldet beim Erscheinen der CD: "Diese Etüden, Walzer und Mazurken leuchten in allen nur denkbaren Schattierungen. Glänzend." Die Welt: "Zärtlich tastend, aber mit kristallin klarer Technik spielt Olga Scheps sich durch die g-moll-Ballade, fein abgemischte Walzer, zwei sensibel genommene Nocturnes, zwei Mazurken und diverse Etüden." Die kölnische Rundschau bringt es so auf den Punkt: "Technisch virtuose Brillanz, innigster Ausdruck sowie Kraft und Leidenschaft gehen da eine besondere Symbiose ein." - Dieser publizistische Reigen könnte noch beliebig fortgesetzt werden. Auch die Auszeichnung mit einem Echo erstaunt daher nicht und erscheint mir vollauf gerechtfertigt. Näheres findet sich auch auf ihrer Homepage http://www.olgascheps.de/Olga-Scheps-Chopin.19.0.html Wie auch immer: ich wünsche dieser CD eine weite Verbreitung und auch einen großen Widerhall, nicht zuletzt unter den Klavierfreunden hier im Forum. Es lohnt meiner Meinung nach über die Maßen.

  • Nicht versäumen möchte ich es, auf den offiziellen youtube - Kanal der Künstlerin zu verweisen, der eine Fülle von interessanten Einblicken in ihre Spielweise bietet, meistens auch in vernünftiger Qualität - wiewohl ich mir bei vielen Beispielen auch eine Professionelle DVD bzw. BluRay wünschen würde; aber was ja nicht ist, kann ja noch werden. Unterdessen trösten wir uns hiermit:


    https://www.youtube.com/user/olgaschepsofficial


    Hier konkret ein Beispiel für ihren Chopin, aufgezeichnet im Rahmen des Luzern - Festivals:


  • Lieber Don,


    besten Dank für die Vorstellung! Olga Scheps habe ich auch schon länger im Blick. Mir scheint, dass hier eine lyrische Begabung vorliegt vom Typ einer Anna Gourari. Das zeigt ja auch ihr Repertoire. Sie bevorzugt die kleinen, lyrischen Stücke. Die spielt sie sehr differenziert empfindsam, sehr kultiviert. Die russische Schule ist natürlich nicht zu verleugnen. :) Im Moment sind ja einige CDs von ihr sehr günstig zu haben, wie ich gesehen habe. Ich werde da nächste Woche mal schauen. Im Blick habe die Chopin-Platte, die mit den russischen Stücken und den Satie. Dann schreibe ich natürlich eine Rezension.


    (Die Saalakustik in Luzern (Dein Youtube-Link) ist leider ziemlich schrecklich. Das ist das Kreuz der Pianisten, unter solchen Bedingungen spielen zu müssen!)


    Einen schönen Sonntag wünscht
    Holger

  • Lieber Holger,


    da stimme ich Deiner Einschätzung vollkommen zu! Anna Gourari (die kurioserweise hier im Forum ebenso selten Erwähnung findet, wie mir scheint, obwohl sie auch eine sehr hörenswerte Pianistin ist) habe ich vor ein paar Jahren ebenso live in Saarbrücken hören können, und ich pflichte Dir auch bei, dass beide eine ähnlich hohe Begabung aufweisen, was die lyrische Klanggestaltung angeht. Auch die akustischen Bedingungen der Aufnahmeorte sind oftmals ein Problem, wie Du richtig ausführst, und wenn sich dazu noch die zwangsläufig limitierte Youtube-Klangqualität gesellt, kann natürlich kein optimales Ergebnis erzielt werden. Jedenfalls bin ich sehr gespannt auf Deine Einschätzungen und freue mich auf Deinen Bericht. Ich habe auch noch nicht alle Aufnahmen, habe aber auch schon bestellt..


    liebe Grüße

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  • Lieber Holger,


    danke Dir für den Hinweis, da habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auch einen Beitrag für den von Dir verdienstvoll erstellten Thread zu verfassen. Aber da wir ja hier bei Olga Scheps sind, nutze ich den Moment, um auf diese youtube-Aufnahme hinzuweisen:



    Exquisit, originell und betörend gespielt, zudem liegt die Aufnahme in HD vor. Die Bildqualität ist sehr gut, der Ton kann, wie ich meine, dennoch nicht ganz mithalten –auch wenn sich das gut hören lässt– aber da gibt es bei youtube wohl selbst bei HD nur eine limitierte Klangqualität. Indes, solange keine bessere Quelle vorliegt, erfreuen wir uns an diesem sehr schönen Dokument – und natürlich an der CD mit den Klavierkonzerten von Chopin.

  • Lieber Holger,


    danke für Deinen Hinweis; genau diese CD ist bereits versendet worden und befindet sich auf dem Postweg zu mir, sodass ich hoffe, bald Bericht erstatten zu können. Zwischenzeitlich werde ich ihr russisches Album nochmals auflegen und mehrfach hören, um mich dazu dezidiert äußern zu können. Zwischenzeitlich geleitet mich dieses Nocturne in den noch jungen Tag:


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  • Lieber Holger,


    dann ist die Olga unterwegs zum Holger :thumbsup:
    das erfreut mich natürlich nicht nur aus metrischen Gründen, und ich bin sehr gespannt auf Deine Einschätzungen. Das Satie-Album fehlt mir auch noch in der Sammlung, wird aber auch nicht lange auf sich warten lassen. Unterdessen hier schon mal ein kleiner Ausblick auf Olga Scheps' Satie, den ich als sehr feinsinnig und warm empfinde; was sie da an Anschlagsnuancen auf ihrer Palette hat, finde ich ganz ungeheuer:


  • Ein aus vielen Gründen überraschendes Album. Die erste Überraschung bestand darin, dass bei der kostenlosen mp3-Version, die man beim Kauf der CD bei amazon mitgeliefert bekommt, noch ein zusätzliches Stück enthalten war, und zwar eine Live-Aufnahme eines Stückes von Nikolai Medtner, nämlich die Sonata Reminiscenza, Op. 38. Ein ebenso poetisches wie glutvolles Stück. Ansonsten bietet die CD verschiedene, eher kurze Stücke verschiedener russischer Komponisten. Manches mutet eher salonmusikalisch an, wie z.B. Tschaikowskys Natha Valse bzw. valse sentimentale, jedoch gibt es auch Stücke, die nicht nur Nonchalance und impressionistisch-parfümiertes Kolorit bieten (der Einfluss westlicher Musik und Chopins ist hier allgegenwärtig), sondern auch mitunter elegisch und melancholisch wirken oder sich zu energischen, kraftvollern Passagen steigern , wie dies z. B. bei Rachmaninovs Prélude der Fall ist. Olga Scheps kann hier die von Holger zurecht genannten Stärken voll zum Tragen bringen, ihr Talent für den lyrischen, poetischen Gehalt der Musik, die sie mit einem zartschmelzenden, gefühlvollen Ton zum Klingen bringt, der auch zu starken und markanten Akzenten fähig ist, wobei sie jedoch weder süßlich-sentimental einerseits noch grell oder abgehackt andererseits klingt, sondern immer eine sehr ausgewogene, stimmige Farbgebung wählt. Eine insgesamt sehr lohnende Entdeckungsreise, die neben Bekanntem auch weniger Vertrautes bietet, wie zum Beispiel die Walzer von Nikolai Titov, die mir bisher kein Begriff waren. Die Aufnahme aus dem Jahr 2010 wurde im kleinen Sendesaal des Kulturradios rbb realisiert und weist ein makelloses Klangbild auf, das die mannigfaltigen Nuancen und Differenzierungen dieser teilweise hauchfein gesponnen Kompositionen (man höre nur Anatoly Liadovs bezaubernde, betörend liebreizende "Musikdose" - spätestens hier lag ich auf den Knien ob der Zartheit und des Raffinements von Olga Scheps Anschlag.) Insgesamt eine weitere Einspielung der Pianistin, die mir höchst gelungen und hörenswert erscheint.[/align]


  • Ich erinnere mich noch an den Robert Schumann-Wettbewerb in Düsseldorf, den schließlich Anna Gourari gewann. Das war Zeit, wo junge Pianisten besonders aus Russland nach der Devise verfuhren, die Musik so laut und schnell wie möglich regelrecht zu Tode zu donnern. Vielleicht wollte die Jury (zu der u.a. Martha Argerich und Vladimir Ashkenazy gehörten) ein Zeichen setzen und vergab einem lyrischen Talent – Anna Gourari – den 1. Preis. Insofern kann man es nur begrüßen, dass man wieder das kultivierte Klavierspiel schätzt und junge Pianist(inn)en auszeichnet, die dieses im Grunde mechanische Instrument zum Singen bringen können. Bei einer Debut-Platte gibt man freilich eine Visitenkarte ab. Und bei Olga Scheps war dies offenbar erfolgreich: Für dieses Chopin-Album erhielt sie gleich den „Echo-Klassik“. Mir scheint allerdings, dass man hier dem „Phänomen“ Olga Scheps Starthilfe zu einer erfolgreichen Karriere geben wollte. Denn interpretatorisch macht einen diese Chopin-Zusammenstellung dann doch etwas ratlos. Da ist eine sicher hochbegabte Interpretin irgendwie noch unterwegs zu Chopin und nicht bei ihm angekommen. Die Trois nouvelles études sind gegenüber den Zyklen op. 10 und op. 25 scheinbar leichte pianistische Kost, interpretatorisch erweisen sie sich aber doch als heikel. So mancher – gerade aus der russischen Schule – ist hier schon gescheitert, wie etwa Anatol Ugorsky. Und Olga Scheps ergeht es leider kaum besser. Die Schwierigkeit ist hier, die für Chopin so entscheidende „Linie“ zu finden, einen großen schwingenden Bogen, der alles durchzieht. Genau den trifft Olga Scheps einfach nicht und auch nicht den spätreifen, morbiden Ton. Ihr Vortrag der als „Schlagermelodie“ bekannten, im Grunde aber wirklich schönen und musikalisch anspruchsvollen Etude op. 10 Nr. 3 verharmlost geradezu den dramatisch aufrührerischen, sprühend-virtuosen Mittelteil. So „zahm“ gespielt habe ich das noch nie gehört. Dass sie es anders kann, zeigt sie anschließend in der technisch schwierigen Schlussetüde aus op. 25, die sie kraftvoll und furios in die Tasten setzt. Nur kommt diese virtuose Demonstration unmittelbar nach der Kontrastminimierung, die sie in op. 10 Nr. 3 praktiziert. Man wundert sich und der Eindruck ist nicht zu verdrängen, dass der sehr jungen Interpretin ein interpretatorisches Gesamtkonzept hier einfach (noch?) fehlt. Und dann die Mazurken: Bei Olga Scheps kommt tänzerische Bewegung in lyrischer Emphase zum Stillstand. Hier hätte man ihr einen polnischen Lehrer gewünscht wie es einst Martha Argerich vor ihrem Chopin-Wettbewerb vergönnt war, als sie Stunden bei Stefan Askenase nahm. So betulich und zäh, so steif, so unelegant, sprich „unpolnisch“ habe ich die Mazurken noch nicht gehört. Das ist einfach nix – schlicht kein Gefühl für den Mazurka-Rhythmus vorhanden. Bei der großen G-moll-Ballade gelingt ihr dann auch nicht der große Wurf. Schon die Eröffnung ist zäh. Wenn man den ersten Teil verhalten spielt, was man selbstverständlich kann und darf, dann bedarf es aber einer geradezu hypersorgfältigen Nachzeichnung der Binnendynamik auf kleinstem Raum, wie man dies – um einen der „Großen“ zu erwähnen – bei ABM aufregend hören kann. Sonst geht eben wie Olga Scheps es passiert sämtliche Spannung verloren. Da nützt es auch nichts, dass sie um der Belebung willen die Tempi variiert. Weder die Wahl der Tempi, noch die Gegenüberstellung der Charaktere ist bei Olga Scheps wirklich schlüssig. In der technisch anspruchsvollen Coda zeigt sie endlich, was sie kann. Sicher, Klangsensibilität hat sie für die Nocturnes, die noch am besten gelungen sind. Doch auch hier fehlt die Kontrastschärfung, die Reibungen, das Gegeneinander musikalischer Charaktere, die es auch bei diesen empfindsamen Nachtstücken gibt, die man nicht im Grau in Grau verdämmern lassen sollte. Der Konzertmitschnitt der Fantasie op. 49 ist zweifellos sorgfältig und solide gespielt, aber für meine Begriffe auch ein bisschen langweilig. Wahrscheinlich spielt sie heute ihren Chopin deutlich reifer, wenn man den euphorischen Kritiken eines Joachim Kaiser etwa Glauben schenken darf.



    Peter Tschaikowsky verabscheute Virtuosen-Pomp. Davon zeugen nicht zuletzt seine lyrisch-intimen kleinen Klavierstücke. Olga Scheps trifft hier von Anfang bis Ende einfach den genau richtigen Ton, so dass das Hören dieses Albums die reine Freude ist. „Diskrete Poesie“ – da werden Geschichten auf dem Klavier erzählt, bedachtsam, mit Finesse, mit lyrischer Intimität ausgekostet und auch die leidenschaftlichen Töne nicht unterschlagen. Gespannt war ich auf die hochvirtuose Balakireff-Paraphrase von Glinkas schlichtem Stück „Die Lerche“. Jewgeny Kissin hat dies geradezu umwerfend vorgetragen mit glitzernden Läufen, Feuer und Dämonie. Olga Scheps macht es völlig anders: hochpoetisch, ebenso spätromantisch verfeinert, aber mit Ruhe und intimer Schlichtheit vorgetragen, die virtuosen Passagen prunken nicht, sie funkeln wie Sterne. Nicht minder beeindruckend! Das Rachmaninow-Prelude op. 23 Nr. 5 wird auch nicht zur Zirkusnummer, die Tonrepititionen ins sanfte Pedal gehüllt. Aber es passt – auch hier stimmt der Ton. Die berühmte musikalische Spieldose von Prokofieffs Lehrer Anatol Liadow, die in Russland jedes Kind kennt, spielt sie geradezu impressionistisch zauberhaft. Sehr originell: Die Spieldose bleibt langsam aber sicher zum Ende stehen. Wunderbar!


    Ich freue mich schon auf die Satie-Platte! :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es ist eine heikle Frage ob man in dem Gemütszustand in dem ich mich momentan befinde, Musik hören, ind sie dann auch noch "rezensieren" sollte, aber ich habe mich - trotz vieler Zweifel - dafür entschieden - weil es mich vielleicht vor dem sonst drohenden Wahnsinn bewahrt.
    Ich fürchte, die "Rezension" wird ein wenig davon beeinflusst sein, aber auch das muß ich in Kauf nehmen.
    Ist es meiner Stimmung zuzuschreiben, das ich den Eindruck habe, Olga Scheps spiele hier einen zwar klangschönen, aber sehr verhaltenen, milden um nicht zu sagen ein wenig traurigen Schubert ? Größere Kontraste kommen hier nur vereinzelt vor, was sie beispielsweise in ziemlichen Kontrast mit dem von mir erst neulich - ebenfalls mit Solo-Klavierstücken und Tänzen etc. von Schubert -
    gehörten Alberto Miodini stellt, dessen Italianitá auch bei Schubert kaum zu überhören ist.
    Ich habe auf diese Weise zwei völlig unterschiedliche, recht individuelle Lesarten von Schubert Stücken für Klavier Solo gehört, welche beide mehr als interessant sind. Zurück zu Olga Scheps: Ihre Schubert Aufnahme sollte man kennen oder idealerweise besitzen, was in Anbetracht des derzeit günstigen Preises kein Problem darstellen sollte. Auf weitere Einspielungen von ihr in Sachen Schubert darf man gespannt sein.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Holger,


    ich danke Dir sehr für Deine ausführliche, sehr lesenswerte Rezension. Auch wenn ich bei dem Chopin zu anderen Schlussfolgerungen gekommen bin, ist Deine Kritik hochinteressant und aufschlussreich für mich, zumal Du sicherlich auch über viel größere Vergleichsmöglichkeiten verfügst als ich. Bei dem Russian Album sind wir ja beide positiv gestimmt. Jedenfalls toll, dass dieser Thread endlich einmal Leben eingehaucht bekommt!


    Lieber Alfred,


    auch Deine Ausführungen erscheinen mir sehr interessant und wertvoll; dieses "Verhaltene", ich sehe bzw. höre es als etwas "Schwebendes", ist mir auch bei dem Chopin aufgefallen, und mir gefällt diese Lesart sehr gut (auch wenn ich Holger verstehe, wenn er sich stärkere Akzente bzw. schärfere Reibungen wünscht). Mir jedenfalls gefällt dieser sehr gesanglich-geschmeidige Ton, der ihr eigen ist, und der die Extreme eher meidet, sehr gut, zumal sie es m. E. dennoch nicht an Temperament und Ausdruck fehlen lässt. Jedenfalls sind die nächsten CDs schon eingetroffen und werden eifrig gehört, und auch hier bald rezensiert werden. Jedenfalls hoffe ich, lieber Alfred, dass Dir diese Musik auch in schwierigen Zeiten nahe gekommen ist und vielleicht ein wenig Trost spenden konnte, trotz allem.


    Unterdessen möchte ich, passend zur Jahreszeit, aus Tschaikowskys Jahreszeiten den Februar/ Karneval einstellen (Olga Scheps möchte dankenswerterweise jeden Monat ein Stück dieses Werks hochladen):


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  • Es ist eine heikle Frage ob man in dem Gemütszustand in dem ich mich momentan befinde, Musik hören, ind sie dann auch noch "rezensieren" sollte, aber ich habe mich - trotz vieler Zweifel - dafür entschieden - weil es mich vielleicht vor dem sonst drohenden Wahnsinn bewahrt.
    Ich fürchte, die "Rezension" wird ein wenig davon beeinflusst sein, aber auch das muß ich in Kauf nehmen.
    Ist es meiner Stimmung zuzuschreiben, das ich den Eindruck habe, Olga Scheps spiele hier einen zwar klangschönen, aber sehr verhaltenen, milden um nicht zu sagen ein wenig traurigen Schubert ? Größere Kontraste kommen hier nur vereinzelt vor, was sie beispielsweise in ziemlichen Kontrast mit dem von mir erst neulich - ebenfalls mit Solo-Klavierstücken und Tänzen etc. von Schubert -
    gehörten Alberto Miodini stellt, dessen Italianitá auch bei Schubert kaum zu überhören ist.
    Ich habe auf diese Weise zwei völlig unterschiedliche, recht individuelle Lesarten von Schubert Stücken für Klavier Solo gehört, welche beide mehr als interessant sind. Zurück zu Olga Scheps: Ihre Schubert Aufnahme sollte man kennen oder idealerweise besitzen, was in Anbetracht des derzeit günstigen Preises kein Problem darstellen sollte. Auf weitere Einspielungen von ihr in Sachen Schubert darf man gespannt sein.

    Lieber Alfred,


    das ist (den Hörschnipseln zufolge) eine wunderschöne Aufnahme und für Dich glaube ich genau die Musik, die Du brauchst. Gustav Mahler sprach vom "Schmerz als Tröster", hier ist es eine traurige Schönheit, die Trost spendet: "Consolations". Ich werde mir diese Schubert-CD wohl auch noch mitnehmen. Deine Charakterisierung ist glaube ich absolut treffend.


    Liebe Grüße
    Holger

  • Hier gibt es ein sehr sympathisches Interwiev von ihr. Der Vater ist Klavierprofessor in Köln, die Mutter Klavierlehrerin, die Schwester spielt auch Klavier. Wahrscheinlich hat sie eher Klavierspielen als Lesen und Schreiben gelernt :D :



    Auch der Prokofieff liegt ihr: So trefflich idiomatisch charakterisiert (vom Geist des Balletts durchdrungen auch im Maschinenrhythmus), so vielschichtig bekommt man die 7. Sonate kaum zu hören. (Das sehr langsame Seitenthema ist vom Zeitmaß her ein bisschen grenzwertig, aber dafür ungemein subtil ausgehorcht.) Da bekommt diese Klaviersonate fast symphonische Dimensionen einer ganzen "Welt", die hier erscheint. Großartig!



    Schöne Grüße
    Holger


  • Inzwischen habe ich ihre Satie-CD schon das zweite mal gehört - auch meine Frau ist begeistert. Eine bessere "Werbung" für Saties Musik der raffinierten Schlichtheit als diese wirklich in jeder Hinsicht gelungene Platte gibt es nicht. Dazu ist auch noch die Aufnahmetechnik hervorragend. Einfach ein "Muß" für den Klavierfreund. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ja, obwohl ich schon mit Anne Queflec "in Sachen Satie" gut bedient zu sein glaube, steht diese Aufnahme jetzt auch auf meiner Wunsch-Liste...

    Herzliche Grüße
    Uranus

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  • Zum Vergleich: Emil Gilels, November 1949



    Es kommt selten vor, dass ein Künstler ein Album mit seinem "persönlichen" Programm mit einem - ich muss es leider sagen - totalen Fehlgriff beginnt. Hier ist es der Fall.


    Chopins Nocturne op. 48 Nr. 1 ist dasjenige, das die größte Affinität zu Liszt aufweist mit seinem heroischen Ton und einer rauschenden Oktavpassage als Höhepunkt. Die Dramaturgie des Stückes hat Olga Scheps geradezu unkenntlich gemacht. Es beginnt "Lento", also sehr langsam. Olga Scheps spielt Lento - aber völlig ohne Rhythmus. Das leicht feierliche Schreiten, also der stetig fortschreitende, nie anhaltende "Schritt", das "Marschieren" und immer weiter Marschieren, das für die Gestaltung dieses Nocturne unerlässlich ist, ist schlicht nicht zu hören. Auf diese Weise hat sie gleich zu Anfang die Möglichkeit zerstört, den kontinuierlichen Aufbau an dramatischer Spannung zu zeigen. Nicht nur der Rhythmus fehlt, die Phrasierung wirkt geradezu ratlos, verfehlt die Idiomatik völlig. Dazu ist auch die dynamische Dramaturgie nicht schlüssig. Warum steigert sie sich sozusagen verfrüht zum Forte, wo der Forte-Höhepunkt erst Takt 23 erreicht wird vor der leichtern Tempobelebung, die von Chopin mit "poco piu lento" überschrieben ist? Durch den zusätzlichen dynamischen Höhepunkt zerfällt das Ganze in Episoden, es entsteht keine "Sogwirkung" auf die Oktavpassage hin, keine Kontinuität des Mehr-und-mehr-in-Bewegung-geratens. "Zulangen" kann sie, aber der Fortissimo-Oktavendonner entwickelt sich nicht organisch aus dem Vorherigen, so dass dann natürlich die Gefahr des Bombastes entsteht. Bombastisch klingt es bei Olga Scheps freilich nicht, aber auch nicht heroisch. Zudem wirkt einmal mehr die Phrasierung nicht idiomatisch treffsicher (Takt 46 ff.). Auch hier zerstört sie die dynamische Dramaturgie mit ihrem Ritardando Takt 48. Chopin möchte die folgende Passage "doppio movimento" gespielt haben, also im doppelten Tempo! Durch die Verlangsamung im Takt zuvor (die bei Chopin selbstverständlich nicht notiert ist!) kann Olga Scheps es sich erlauben, die Doppio-movimento-Passage langsamer zu nehmen, als sie tatsächlich genommen werden soll und damit auch die dramatische Bewegung reduzieren, abmildern. Der auch vom Notentext her erschließbare Sinn ist aber, dass das feierlich schreitende Nocturne-Thema vom Oktavenrausch sozusagen "infiziert" wird und alles in leidenschaftliche Bewegung gerät. Davon ist bei Olga Scheps kaum etwas zu spüren, das wirkt viel zu "vorsichtig" gespielt. Es gibt bei ihr einfach keine groß angelegte, das Ganze erfassende dynamische "Entwicklung" in diesem Nocturne, sondern das Ganze wird völlig episodisch.


    Zum Vergleich habe ich absichtlich einen "Großen" aus der russischen Schule gewählt, nämlich Emil Gilels, eine Aufnahme vom November 1949. Bei Gilels schreitet der Rhythmus von der ersten Note an, es gibt eine kontinuierliche dramatische Steigerung, die sich wie es organischer nicht geht auf den Höhepunkt der Oktavpassage hin entwickelt. Und was für eine Leidenschaft entfacht Gilels bei der Doppio-movimento-Passage! Das ist eine Interpretation wie aus einem Guss - wie immer bei Gilels eine ideale Balance von lyrischer Feinheit und dynamischer Kraft.


    Ich halte das, was Olga Scheps hier vorführt, für eine komplette Fehlinterpretation und ein einfach nicht schlüssig durchdachtes interpretatorisches Konzept. Schon bei ihren Mazurken ist mir aufgefallen, dass ihr da der Sinn für den Rhythmus fehlt. Ich hoffe doch, dass sie an ihrem Chopin noch weiter "arbeitet". Sokolov meint ja, er wolle sich von den Kollegen nicht beeinflussen lassen und so seine individuelle Aussage finden. Aber hier wäre Olga Scheps vielleicht doch zu empfehlen, einmal Emil Gilels zu hören.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich habe mich durch meine Sammlung "durchgehört": Alle haben eigentlich das tragende Prinzip des Rhythmus begriffen:


    Alexis Weissenberg (Mitschnitt aus Lugano) spielt ein fast extremes Lento - aber was er da aus dem Rhythmus, ihn zum subjektiven Ausdruck werden lassend, herausholt, ist atemberaubend! Stefan Askenase spielt fast schon objektivistisch neusachlich und nüchtern, aber absolut klar und präzise. Rubinstein nimmt ein flüssigeres Tempo und entfaltet tänzerische Beschwingtheit. Überragend! Pollini orientiert sich im Tempo an Rubinstein - gerade seine dynamische Dramaturgie ist aufregend. Ebenfalls eine außergewöhnliche Interpretation ist die von Tamas Vasary. Noch rhythmischer, flüssiger ist Guiomar Novaes. Auch diese singuläre Aufnahme beeindruckt mich. Claudio Arrau ist fabelhaft. Lento spielt er, der dynamische Aufbau stimmt und gerade die "Doppio movimento" Passage gelingt ihm besonders schlüssig. Ivan Moravec gefällt mir am wenigsten, die Phrasierung ist mir zu verwaschen, aber auch das ist schlüssiger als Olga Scheps. Überhaupt ist die "Doppio movimento" Passage ein Problem, wie dieser kurze Vergleich zeigt.


    Schöne Grüße
    Holger


  • Das ist wahrlich eine Entdeckung wert! Der lyrische Stil von Olga Scheps passt einfach zur kammermusikalischen Fassung von Chopins Klavierkonzerten. Hier kann sie es sich erlauben, auf den großen konzertanten Gestus zu verzichten. Dabei finde ich besonders das 2. Konzert kammermusikalisch zu hören einen Gewinn. Olga Scheps verzärtelt Chopin nicht, setzt wohldosierte dramatische Höhepunkte und verzichtet auch nicht auf virtuose Brillanz. Zudem ist wirklich jede Note bewusst gestaltet. Das ist der überzeugendste Chopin, den ich von ihr bislang gehört habe und eine wirkliche Bereicherung der Discographie.



    Leider ist diese CD von ihr - anders als die "russische" Platte, wo schlicht alles stimmt - ein Flop. Was ihr schon bei der Eröffnung, Chopins Nocturne op. 48 Nr. 1, nicht gelingt, die Balance zwischen Ruhe und musikalischer Vorwärtsbewegung zu gelingen, schafft sie auch in der Folge nicht mehr. Bezeichnend Sgambatis so gesanglich-schöne Transkription der Gluck-Melodie. Was vermag da eine Yuja Wang zu bezaubern mit einer durch schönes Spiel gebändigten inneren Glut! Bei Olga Scheps dagegen bleibt die Musik lyrisch verlangsamt regelrecht "stehn" - es bewegt sich einfach nichts. Der Brahms klingt nur empfindsam ohne grüblerische Schwere, selbst die Vocalise von Rachmaninow zerfällt in lauter Einzelepisoden. Auch wenn ich mich wiederholen muss, so sage ich es doch: Bitte Emil Gilels hören - auch dieser Rachmaninow hat eine "Form"! Und Schuberts so gefürchtete "Wandererfantasie" bewältigt sie zwar klaviertechnisch bravourös, interpretatorisch ist das für sie jedoch (noch) eine zu große Hürde. Weder der "Ton" stimmt, der bei ihr viel zu jugendlich unbedarft ist, noch hat sie Sinn für die komplexe Architektur des Werks.


    So, nun habe ich noch ihre Schubert-CD zu hören, wo mich schon die Hörschnipsel eingenommen haben. :)


    Schöne Grüße
    Holger


  • Bei ihrer Schubert-CD haben die Hörschnipsel mir deutlich mehr versprochen und entsprechend bin ich leider enttäuscht. Dieser Schubert von ihr ist einfach nicht mein Fall. Das klingt alles "gesoftet" - ein quasi "entweltlichter" Schubert als biedermeierliche Hausmusik - schön anzuhören, aber handzahm, völlig harmlos und zudem ohne Sinn für die wienerische Idiomatik vorgetragen - keine Eleganz, keine Aura. (Wenn man die Walzer im Ohr hat, die Horowitz freilich in der Liszt-Version "Soiree de Vienne" so atemberaubend wienerisch spielt, dann wird klar, was ich meine.) Die beiden Impromptus hat sie jeglicher dramatischer Innenspannung beraubt. Das ist zudem ohne Punkt und Komma gespielt - die eigentlich klare dreiteilige Form ABA mit dramatisch-bewegtem Mittelteil ist schlicht nicht mehr erkennbar. Schön-sensualistisches Klavierspiel und nur das ist eben auch eine Reduktion. Mit einem Wort: Langweilig! Die Platte ist nun ja schon 5 Jahre alt - ich hoffe, sie hat sich inzwischen doch weiter entwickelt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holgert, ich habe soeben diese Schubert- Aufnahme gehört und möchte Dir in einigen Punkten widersprechen, n anderen werde ich Dir beipflichten, da hast Du was richtiges gehört - aber IMO falsch -zumindest aber anderrs als ich - interptertiet.


    Schon im eher spartanischen Booklet (nichteinmal der verwendete Flügel - heute schon Standard - wird genannt) findet man ein Zitat aus einen Zeittunskritik des Hamburger Abendblat"s: "Zum Heulen schön - wunderbarer schepsscher Honigton"


    Und ich finde da ist schon viel gesagt. Als "langjähriger Leser" diese Forums ist mir sofort das Wort "Honigton" ins Auge gesprungen, und mir war die -sicher nicht beabsichtigte - Ambivalenz des Wortes voll bewusst. Honig kann auch klebrig und aufdringlich sein,
    Aber ich habe das nicht so empfunden.


    ein quasi "entweltlichter" Schubert als biedermeierliche Hausmusik - schön anzuhören, aber handzahm, völlig harmlos


    Hier offenbaren sich schon unsere Auffassungsunterschiede.
    Das WAR auch Hausmusik, und sie hat schön geklungen (wie uns die Quellen , die ich derzeit für meinen diesbezüglichen Thread lese, bestätigen)
    und mehr braucht sie nicht. Das Wort "handzahm ist vielleicht ein wenig übertrieben, sagt aber mehr über Dein persönliches Schubertbild aus als über die Interpretation.

    und zudem ohne Sinn für die wienerische Idiomatik vorgetragen - keine Eleganz, keine Aura.


    Einspruch ! Die wienerische Idiomatik ist hier IMO sehr gut getroffen, das gemütliche, volkstümliche, gelegentlich leicht Behäbige, ich fühlt mich direkt ins Wien des Biedermeier zurückversetzt, wo Bekannte ihre Briefe (ich hab geszaunt beim Durchlesen) mit "Herzensfreunderl" als Anrede begannen etc....
    Damit ist die Aura beschrieben, über die Eleganz muss separat verhandelt werden. Es gibt sie die Wiener Eleganz, aber ich bin mir nicht sicher, daß sie zu Schuberts Zeiten ausgeprägt war. Elegance kam aus Paris (man beachte meine Schreibweise und die daraus resutierende Aussprache) und würde ich eher bei Chopin suchen.


    Schön-sensualistisches Klavierspiel


    D' accord - Und das ist hier auch schon genug !!!!


    Ich mag sie nicht, die "Deutungen" der "großen" Pianisten - wie z. B. Richter im Falle Schubert, oder der IMO weit überschätzte Glenn Gould, dessen Mozart-Interpretationen ich als bösartige Parodien sehe.


    Sie verfälschen die Werle - setzten Schwerpunkte, die in der Komposition oft gar nicht enthalten sind, und (speziell) die deutsche Musikkritik erhebt sie dann zum Maß aller Dinge...


    Ich werde mit dieser Einschätzung in Deutschland, der Heimstatt des Regietheaters* nicht auf Zustimmung stoßen - aber damit kann und muß ich leben......


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred



    * Sorry- das musste sein- ein persönlicher überraschender Schwächeanfall mangelnder Selbstbeherrschung :stumm::hahahaha::hahahaha: Seid milde zu mir :untertauch:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Und ich finde da ist schon viel gesagt. Als "langjähriger Leser" diese Forums ist mir sofort das Wort "Honigton" ins Auge gesprungen, und mir war die -sicher nicht beabsichtigte - Ambivalenz des Wortes voll bewusst.

    Lieber Alfred,


    Honig ist erst einmal ziemlich klebrig und sehr süß. Irgendwie passt die Beschreibung. Ein Tanz sollte aber eigentlich nicht klebrig sein, sondern eine gewisse Beschwingtheit haben... Das mit dem Honig trifft das Problem dieser Aufnahme finde ich doch ziemlich gut... :D

    Einspruch ! Die wienerische Idiomatik ist hier IMO sehr gut getroffen, das gemütliche, volkstümliche, gelegentlich leicht Behäbige, ich fühlt mich direkt ins Wien des Biedermeier zurückversetzt, wo Bekannte ihre Briefe (ich hab geszaunt beim Durchlesen) mit "Herzensfreunderl" als Anrede begannen etc....
    Damit ist die Aura beschrieben, über die Eleganz muss separat verhandelt werden.

    Ich habe gerade noch einmal zum Vergleich den jungen Vladimir Ashkenazy (Aufnahme von 1966) herangezogen:



    Erst Ashkenazy mit der "Ungarischen Melodie" gehört, dann Olga Scheps. Der erste Eindruck: Der "Swing", der bei Ashkenazy zu spüren ist, der ist einfach völlig weg. Ich schlafe bei Olga Scheps nach zwei Minuten ein! :sleeping:


    Dann der Walzer Nr. 2 aus D145. Hier zeigt der junge Ashkenazy, dass er wirklich ein "Großer" ist. Da ist Leben und Leidenschaft drin, eine geradezu romanhafte Komplexität und Ambivalenz. Eine wirklich reife, wunderbare Aufnahme! Was hat Olga Scheps dem entgegenzusetzen: Betuhliches Schönspielen! Das ist zwar nicht undifferenziert, aber einfach ziemlich bieder. Auch hier fehlt der "Swing", das tänzerische Element. Honig halt, der süß ist und klebt. :D


    Liebe Grüße
    Holger

  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Olga Scheps - "Kraft und Seele"“ zu „Aktive Pianisten unserer Tage - Olga Scheps - "Kraft und Seele"“ geändert.

  • Wer sich beeilt, kann Olga Scheps neueste CD handsigniert beim Werbepartner erhalten. Sie spielt nicht nur bekanntes klassisches Repertoire -Beethoven, Haydn, Mozart sind vertreten, alles wunderschön, geschmeidig, balanciert, quicklebendig und zupackend gespielt-, sondern auch weniger Bekanntes, Filmmusik, Adaptationen, ein Stück, das Chilly Gonzales für sie komponiert hat - alles sehr hörenswert, wie ich finde.


    Zudem habe ich auch, inspiriert durch Olga, einige Gedichte über sie und ihr Klavierspiel geschrieben, die auch Niederschlag in meinem 1. Gedichtband gefunden haben, der im Berliner Treibgut-Verlag erschienen ist. Olga kennt die Gedichte und mag sie sehr, sie hat mich enorm inspiriert und ausdrücklich ermutigt, das Ganze auch herauszugeben. Das Buch kann direkt beim Verlag, in jeder Buchhandlung, oder auf Wunsch mit Widmung gerne auch bei mir (Kontakt über Alfred) geordert werden.


    https://www.buchhandel.de/buch…ernschlaege-9783947674374


    https://www.treibgut-verlag.de/Lyrik

  • Lieber Boris,


    das ist eine wirklich tolle Überraschung! :) Natürlich will ich von Dir ein Exemplar mit Widmung haben! Also melde Dich bei Alfred, er gibt Dir dann meine private Mail-Adresse - hiermit autorisiert! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • picture-400?_=17c04272a00


    Wimpernschläge sind kurze Momente des Augenaufschlags oder des Schließens eines Blicks - die Abkehr von der äußeren Welt ins Innere oder aber einer Erneuerung des Blicks. Mit anhaltender Freude lese ich seit Tagen in dem Gedichtband von Boris herum, der mit fantasievoller, aber immer natürlicher Sprache das Alltägliche und Gewöhnliche auf ungewöhnliche Art beleuchtet, oder aber das Außergewöhnliche versucht unserer alltäglichen Empfindung nahe zu bringen. Dazu gehören einige Gedichte, die vom Spiel von Olga Scheps inspiriert sind. Berührend etwa das über ihren Vortrag von Nr. 1 aus den Trois nouvelles Etudes, diesem melancholischen, sich behutsam um nicht zu sagen unschlüssig sich vortastenden Stück. Ist es Verunsicherung, oder Resignation? Sehr schön wie Boris das sachte Aufheben der Zeit im Ansatz zeigt, ohne dass es vollendet wäre mit dem Komparativ "langsamer rinnt die Uhr". Eine ambivalente Zeit: Verrinnen der Zeit als Ausdruck von Vergänglichkeit und zugleich ein Weg, durch die Erfahrung des Traurig-Schönen "die Zeit in der Zeit" aufzuheben - wie Friedrich Schiller es formulierte. Die Zeit ist ein stetig wiederkehrendes Thema in der Lyrik von Boris. Lyrik kann uns auch zeigen, dass die Dinge eine "andere Seite" haben. Eindrücklich aufrüttelnd etwa "Ich Zwei Punkt Null" S. 72 - mit der Vertauschung von Fantasie und Wirklichkeit angesichts der virtuellen Welt, in der wir uns bewegen. In "Zeilen und Gedankensprünge" geht es wiederum um einen solchen Umschlag, wie ihn ein Wimpernschlag erzeugt - durch den Blick des Anderen. Nicht ein Blick, der - wie bei Sartre - die "Hölle" ist, sondern aus dem Gefängnis der eigenen Gedanken und Vorstellungen befreit.


    Ich hoffe, mir ist es ein wenig gelungen, die Neugier anderer Taminos zu wecken für diesen wunderbaren Gedichtband! Ein ganz herzliches Dankeschön jedenfalls an Boris!:)


    Natürlich habe ich mir auch die "familiäre" CD von Olga Scheps zu Gemüte geführt, auf die sich einige der Gedichte beziehen.


    Boris hat mit sehr einfühlsamen Worten das zugleich empfindsame, dabei aber niemals sentimentalisierende Spiel von Olga Scheps beschrieben: Ein frischer und zugleich graziös-anmutiger Haydn und Mozart, dazu ein wie ich finde umwerfender Beethoven - eine "Wut über den verlorenen Groschen", welche wie selten die Hast und funkensprühende Energie mit hoch virtuoser Leichtigkeit vermittelt. Auch die Debussy-Arabeske ist wirklich schön gespielt - traumversunken und bis in die letzte Note durchgestaltet. Das ist ein eher "russischer" als "französischer" Debussy freilich - aber einfach wunderbar, die einzelnen Girlanden kommen aus einem Kontinuum des Schönklangs heraus. Schade, dass sie nicht auch die Arabeske Nr. 2 angefügt hat! Mit den Momenten von Filmmusik kann ich allerdings eher wenig anfangen. Das sind musikalisch entsubstanzialisierte Stimmungsmomente, wo es nur um das "Gefühlige" an sich geht - etwa in der Reduktion von Griegs "Morgenstimmung" auf das reine Morgenlicht, abstrahiert von der musikalischen Landschaft, die beleuchtet wird. Das sind Avancen an den Pop-Hörer - freilich sehr geschmackvoll und klangschön gespielt. Nach dem "Sinn" dieser Zusammenstellung fragt man allerdings besser nicht. Es fehlt bezeichnend ein Klappentext - es gibt statt dessen von Olga Scheps eine sehr persönliche Widmung der Aufnahme an die Familie. Verständlich natürlich angesichts der für Künstler so schwierig zu bewältigenden Corona-Situation. Aber warum sollte dieses Album eine Ausnahme machen davon, was eben das Problem so vieler selbst gut gemeinter "Cross-Over"-Geschichten ist: Es fehlt dem Programm, was den heterogenen Inhalt angeht, die verbindende Verbindlichkeit.


    Aber allein wegen des wirklich toll gespielten Haydn, Mozart und Beethoven bin ich froh, auch diese neue CD von ihr in meiner Sammlung zu haben.



    :) :) :) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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