Heinrich von Herzogenberg - Streichquartette

  • Das cpo Label widmet sich dankenswerterweise seit einigen Jahren auch dem Kammermusikschaffen von Heinrich von Herzogenberg (1843-1900). Der wird auch gerne mit dem Etikett "Brahms-Epigone" abgetan und auch hier führt eine nähere Beschäftigung mit seinem Oeuvre zu ganz anderen Erkenntnissen.


    von Herzogenberg hat insgesamt 5 Streichquartette komponiert:


    op. 18 (1876)
    op. 42, 1-3 (1884)
    op. 63 (1890)


    Mit der kürzlich erschienenen Doppel-CD mit op. 42 liegen jetzt alle bei cpo vor. Da man das famose Minguet Quartett mit dieser Aufgabe betraut hat, kann man von einer Referenzeinspielung ausgehen, die zumindest zu meiner Lebenszeit sicher nicht mehr überboten werden wird. Op. 42, 1 liegt allerdings auch in einer zweiten ebenfalls spitzenmäßigen Aufnahme durch das Mandelring Quartett vor.




    Eine Beschäftigung alleine mit diesem Quartett zeigt wie oberflächlich das Epigonen-Quartett doch ist. Ja, der dritte Satz könnte tatsächlich auch von Brahms stammen. Die anderen drei allerdings mit Sicherheit nicht. Herzogenberg ist viel lockerer und gelöster und bei weitem nicht so vergrübelt wie der Hamburger Meister. Dem tut man sicher kein Unrecht, wenn man ihm für seine eigenen Quartette manchmal etwas mehr Herzogenberg wünschen würde.

  • In der Tat werden Herzogenberg (und auch Gernsheim) relativ schnell als Epigonen abgeurteilt- Zum Thema Epigonen plane ich übrigens einen eigenen Thread. Aus meiner sich ist Herzogenberg ein Komponist, der im Stile seiner Zeit komponiert, ein gewisses Naheverhältnis zu Brahms hat und deshalb als "Stilkopie" gesehen wird. Allerdings erst in unseren Tagen. Ich habe mit heute - durch diesen Thread angeregt, das Streichquartett op 18 angehört, welches Herzogenberg im Alter von 33 Jahren komponiert hat. Der erste Satz (Allegro moderato) beginnt eher verhalten, entwickelt sich aber schon nach kurzer Spieldauer und gewinnt an Temperament. Dennoch bleibt zwischendurch ein verhalten melancholischer Unterton, einige Passagen erinnern (mich) entfernt an Dvorak. Noch intimer uns - so man will -introvertierter schliesst der 2 Satz (Andante) an, der die Stimmung fast unverändert den gesamten Satz über hält. Ums größer der Kontrast als der fröhliche 3. Satz (Presto) einsetzt, zu Beginn noch spielerisch tändelnd. Spätestens ab hier wird man IMO keine Ähnlichkeit zu Brahms mehr feststellen können, ebensowenig wie ich weiß, warum der eher lieblich luftige Satz mit "Presto" überschrieben wurde. Der Finalsatz (Allegro con fuoco) ist noch etwas lebendiger und gleichermaßen klangschön wie sein Vorgänger, Brahmschen Ernst wird man hier vermissen.
    Im cpo- booklet finden wir noch Ausschnitte aus einer zeitgenössischen Kritik des Musikalischen Wochenblatts zu dieser Sinfonie. Hermann Kretzschmar (1848-1924) schreib damals:
    "Das ganze Werk ist im Quartettsatz wie geboren, das Andante enthält aber ein paar besondere Prachtstellen in dieser Beziehung, namentlich das Pianissimo vor dem zweiten Piu mosso, den Zwiegesang zwischen Violoncello und erster Violine"


    mfg aus Wien
    Alfred


    PS: Trotz beinahe täglicher Recherche im Internet ist mir das Erscheinen von Folge III der Streichquartette Herzogenbergs bis dato entgangen, deshalb meinen Dank an den Threadersteller. Die CD wurde schon auf meine Bestelliste für Dezember gesetzt.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir jetzt die Streichquartette Op. 42 1-3 angehört und muss meine Begeisterung mitteilen.




    Die Brahmsnähe wird durch die Einspielung des Minguet Quartettes nahegelegt, weil sich nun auch Brahms erstes Streichquartett darauf befindet. Ich finde das aber nicht ganz so stark, wie allgemein behauptet wird. Nähe ist natürlich auch immer etwas Symmetrisches :).


    Alle drei Quartette, die musikalisch tatsächlich einen sehr zusammenhängenden Eindruck hinterlassen und auch so gehört werden können, sind von wirklich beeindruckenden melodischer Kraft. Das Ganze kommt mal leicht, mal auch dramatisch, auf jeden Fall aber interessant. Es gibt eine ganze Menge Polyphonie darin und wie ich finde auch eine Menge formales Können, das beim Hören alles zu einem Erlebnis werden läasst. Der Eindruck der Musik ist eher leicht und tänzerisch und keineswegs von Brahmscher Schwere gezeichnet, wie man direkt im Anschluss hören kann. ;)


    Die Quartette wurden 1884 veröffentlicht und sind damit etwa 10-15 Jahre älter das hier veröffentliche Brahmsche Streichquartett op. 51 Nr. 1. Persönlich empfinde ich dieses Quartett, obwohl sicher auch hervorragend gespielt, manchmal etwas überlastet, ganz im Gegenteil zu den Herzogenbergschen Produkten. Das ist natürlich nur ein einfaches Geschmacksurteil.


    Das Minguet Quartett kenne ich nun von einer Menge moderner und zeitgenössischer Quartetteinspielungen her und bin seit Mendelssohn und jetzt Herzogenberg ziemlich begeistert vom Klang und der Feinsinnigkeit der Darstellung auch im klassischen Repertoire. Auf jeden Fall trifft die Musik meinen Geschmack.

  • Ich habe mir heute Das Streichquartett op 42 Nr 1 (bereits das 2. Mal ) angehört und möchte den positiven Einschätzngen beipflichten.Entgegen früherer Praktiken horch ich derzeit oft nur EIN Werk einer CD, und das eventuell mehrmals, man kann so tiefer in das Werk eindringen oder - einfacher ausgedrückt - in voller Schönheit geniessen oder ein voreiliges Ersturteil revidieren.

    Durch Lesen eines (guten) Booklet erfährt man somit einiges über die Hintergründe.

    Die Streichquartette op 42 Nr 1-3 sind Johannes Brahms gewidmet. Dieser scheint sie - im Booklet wurde das dezent angedeutet - nocht besonders geschätzt zu haben. Überhaupt dürfte die "Freundschaft", zwischen Brahms und Herzogenberg eine eher oberflächliche bis einseitige gewesen zu sein. Herzogenberg war ein unermüdlicher Bewunderer von Brahms, dieser war zu Herzogenberg zwar freundlich (selten bei Brahms) - aber doch leicht distanziert. Gegen diese Vermutung spricht indes, daß Brahms Elisbath Herzogenberg 2 Werke widmete.... (?)


    Das Quartett op 43 Nr 1 fand in Wien nur eine gemischte Aufnahme. Eher vorsichtig sind die Kritiken zu lesen, Hanslick betont die große Handwerkskuns, vermisst aber Originalität und Wärme, ein anderer Kritiker schreibt positiver aber ohne wirkliche Begeisterung. Die folgt dann andernorts, wo das Werk geradezu euphorisch als "großes Meisterwerk unserer Zeit" bezeichnet wurde - was es IMO in der Tat ist.

    Herzogenbergs Frau Elisabeth schrieb in einem Brief an Brahms, daß die Wiener Aufführung eher mit wenig Beifall aufgenommen wurde - aber ihr Mann darauf völlig gleichgültig ("Es hat ihn kalt gelassen") darauf reagierte. Und da muß man sagen: glücklicherweise. Denn Herogenberg hinerließ insgesamt 110 Werk mit Opuszahl und weitere 55 ohne. (WoO)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !