Romantikfreier Freischütz in Saarbrücken

  • Wie hätten Sie´s denn gern? Alles ist möglich - außer dem Werk der Autoren!


    Wieder mal Regie und Bühnenbild im Doppelpack. Keine schlechte Idee, wenn´s gut gemacht ist. Aber diesmal war´s von Patrick Schlösser.
    Schon die Ouvertüre durfte nicht sein. Mittendrin lief ein kleiner Junge auf die Bühne, der von einem großen männlichen Engel wieder eingefangen wurde. Die herrliche Musik war zerstört.
    Es gab keinen Wald, kein Försterhaus - weder von außen noch von innen. Und es gab keine Wolfsschlucht. Stattdessen jedesmal eine leere Bühne, auf der fünf Großbuchstaben in Form von riesigen Ikea-Regalen von sieben hinkenden Samiels hin- und hergeschoben wurden, bis sie, zur Belehrung des Publikums, das Wort ANGST ergaben. Die Rückseite dieser Belehrung diente dann in Agathes leerem Zimmer als Mobiliar...
    In diesem Rahmen hätte auch eine hochkarätige Besetzung nicht mehr viel retten können. Aber die gab es allenfalls, mit Einschränkungen, bei den Damen: Elizabeth Wiles verkörperte die fromme Agathe mit stiller Inbrunst und wunderbar schwebendem lyrischen Sopran, stieß aber in der großen Arie an die Grenzen ihres Volumens. Ihr zur Seite stand und trillerte tonschön und charmant Herdis Anna Jonasdottir als Ännchen.
    Die Herrenriege konnte weniger punkten. Algirdas Drevinkas spielte überzeugend den unglücklichen Max, blieb der Partie aber stimmlich viel Dramatik schuldig. Vollends Markus Jaursch als Kaspar: Sauber gesungen, aber mit sehr hellem Bariton und gänzlich bar der Dämonie. Ein Anti-Kaspar. Die kleinen Partien waren ordentlich besetzt.
    Enttäuschend auch der Dirigent. Christopher Ward gelang es selten, etwas Spannung aus dem Orchester zu kitzeln - es plätscherte eher dahin. Und der Jägerchor (Einstudierung Jaume Miranda) lieferte seine Glaznummer auch ohne ihn virtuos ab.
    So endete die (längst nicht ausverkaufte!) Premiere dieses Zugstücks, wie sie begonnen hatte: ohne Spannung, ganz zu schweigen von Romantik. So treibt man Zuschauer aus dem Haus...


    Leider nichts Besseres zu berichten hat, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

  • Lieber Sixtus,


    danke für Deinen ernüchternden Bericht zu dieser nüchternen Vorstellung - dann kann ich mir die schon einmal schenken. Wie toll war das damals in Saarbrücken vor vielen Jahren (muss um 1989 gewesen sein), als in herrlicher Kulisse mit Wolfsschlucht und allem Drum und Dran ein stimmgewaltiger Rudi Schasching sang, eine hervorragende Barbara Gilbert... Kaspar weiß ich gar nicht mehr..Stephen Bronk?


    Gerade bei dieser Oper konnte man sehr gut erleben, wie machtvoll sich die Wirkung im Zusammenspiel von Musik und Libretto entfalten kann, wenn man sie nicht aus ihrem romantisch geprägten Gefüge reißt. Ich war damals jedenfalls so begeistert, dass ich begann, Gesangsunterricht zu nehmen, ohne zu ahnen, dass ich ca. 11 Jahre später neben Rudi auf der Bühne im Extrachor stehen würde...tempi passati....


    Übrigens hätte Rudolf Schasching auch einmal einen eigenen Thread verdient - muss ich mal in Angriff nehmen.

  • LIeber Sixtus,


    auch wenn ich wahrscheinlich auf deiner Ignorliste stehe und du es noch nicht mal für nötig gehalten hast, auf meine Entschuldigung zu antworten, möchte ich mich doch kurz äußern. Was die musikalische Seite angeht, da hab ich auch selten einen Freischütz gesehen, der mich vollends überzeugt hat. An der Rheinoper hat meistens Wolfgang Schmidt den Max gesungen und einige Male hat auch Kurt Moll den Eremiten gesungen. Ich finde der Regisseur hat das Stück schon richtig gedeutet. Denn es geht doch hauptsächlich um Angst. Max hat Angst zu versagen, Agathe hat Angst um Max und der Rest hat Angst sich nicht so zu verhalten, wie es Alle tun, da sie sonst zum Außenseiter werden. Das einzig romantische und auch das was mir beim Freischütz am Besten gefällt, ist der Auftritt des Eremiten am Ende. Da kommt nämlich so etwas wie Hoffnung auf. Und das bespielte Vorspiel bedeutet wahrscheinlich, daß am Ende alles Gut wird .

  • Ich finde der Regisseur hat das Stück schon richtig gedeutet.


    Lieber Sixtus,


    ich muss Rudolfo Recht geben:
    So ganz falsch kann eigentlich das Konzept des Regisseurs nicht gewesen sein, wenn er die Angst in den Mittelpunkt gerückt hat.
    Angst ist doch ein zentrales Thema der Romantik. Etwas allgemeiner formuliert als von Rudolfo: Angst vor dem Unheimlichen, Angst vor dem Unbeherrschbaren und Angst vor der Zukunft! Davor haben die Menschen Angst.
    Hinter allem lauern Schrecken und Grauen.
    Gerade auch im Freischütz!
    Und man hört sie doch in der Musik.
    Da ist nichts heimelig, harmlos oder bieder.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ein "romantikfreier" Freischütz, das ist für mich zunächst einmal eine höchst positive Charakterisierung, wenn es um die Inszenierung geht. Und Angst ist sicherlich eines der zentralen Themen in diesem Stück, wie rudolfo und Caruso schon zu Recht angemerkt haben. Insofern ist der Ansatz der Regie sicher nicht verkehrt. Wie das ganze dann umgesetzt wurde, ist eine ganz andere Frage, die man nur beantworten kann, wenn man die Aufführung auch wirklich gesehen hat.


    @rodolfo: Der Auftritt des Eremiten am Ende ist nun allerdings für mich eine der größten Schwächen dieser Oper.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Da bin ich mal wieder gründlich missverstanden bzw. missinterpretiert worden worden. Ich habe doch nicht negiert, dass die Angst ein zentrales Thema dieser Oper ist. Da sind wir uns sofort einig, dass die Romantik keine Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung ist. Ich habe doch deutlich beschrieben, wogegen ich meine Kritik richte: gegen die primitiv-belehrende Methode, dies auf die Bühne zu bringen.


    Statt es atmosphärisch dicht zu veranschaulichen, statt dem Zuschauer und Zuhörer Schauer über den Rücken zu jagen, belehrt er mit unerträglicher Penetranz, indem er globige Buchstaben abwechselnd als Symbole und als Möbel benützt, die jede Atmosphäre zerstören.


    Es ist nicht die Deutung, die ich falsch finde, sondern ihre unkünstlerische Umsetzung, der ich kopfschüttend und fassungslos gegenüber stehe. Die Ratlosigkeit im Publikum hat es bestätigt. Aber wahrscheinlich ist das sprachlich nicht zu vermitteln, sondern nur zu erleben.


    Trotzdem: Mit herzlichen Grüßen Sixtus

  • Da sind wir uns sofort einig, dass die Romantik keine Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung ist. Ich habe
    doch deutlich beschrieben, wogegen ich meine Kritik richte: gegen die primitiv-belehrende Methode, dies auf die Bühne zu bringen.


    Lieber Sixtus!


    Dann war aber Deine Threadüberschrift zumindest arg mißverständlich.
    Das hat die kritischen Reaktionen geradezu provoziert.
    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat

    Ein "romantikfreier" Freischütz, das ist für mich zunächst einmal eine höchst positive Charakterisierung, wenn es um die Inszenierung geht.


    Das kann, werde, und will ich nicht verstehen. Wie kann man gutheissen, wenn die romantischeste aller deutschen Opern ihres Kerns beraubt wird. Der Freischütz ist geradezu der Gipfel deutscher Romantik. Nimmt man dieser Oper das "eigentliche Ich" - dann ist sie zerstört. Und ich habe den dunklen Verdacht, daß viele der heutigen Inszenierungen GENAU DAS beabsichtigen.


    mfg aus Wien
    Alfred



    PS: Es gibt übrigens innerhalb der Threadserie "Opern unter der Lupe" auch einen über den Freischütz, wo man auch über "Angst" - und inwieweit sie das Kernthema dieser Oper ist - diskutieren kann.
    Interessenten mögen bitte auch den Einführungsbeitrag lesen.
    Opern unter der Lupe -003- Carl Maria von Weber: Der Freischütz

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn ich die bisherigen, einander extrem widersprechenden Kommentare revuepassieren lasse, dann wird mir vor allem eines klar:
    Wenn meine Überschrift mit dem Terminus "romantikfreier Freischütz" den Regisseur kritisiert, dann gehe ich davon aus, dass in einem Opernforum jeder weiß, dass Romantik sich nicht in Idyllik erschöpft. Und wenn mir diese kitschige Verengung des Begriffs hier von einigen unterstellt wird, trifft das jedenfalls nicht mich, sondern die Absender.
    Außerdem habe ich im Text ausdrücklich das Fehlen einer Wolfsschlucht kritisiert, die diesen Namen verdient - und den zahmen Darsteller des Kaspar wegen fehlender Dämonie als Anti-Kaspar bezeichnet. Es ist also klar, was ich unter Romantik verstehe: die ganze Spannweite von zarter Idyllik bis zu Spuk und Dämonie. Aber wer nur drüberhin liest und sofort reflexhaft reagiert, dem ist nicht zu helfen.


    Umso mehr habe ich mich über die anderen Kommentare gefreut, die das angemessen eingeordnet haben.
    Besonders erfreut mich Alfreds Beitrag, dem ich Punkt für Punkt zustimme: Ein Freischütz ohne Romantik in diesem umfassenden Sinn ist hölzernes Eisen (bei Schopenhauer geklaut).
    (Am Rande bemerkt: Mein Freund S.Nimsgern, der unter der Regie von Loriot in Ludwigsburg den Kaspar gesungen hat, hat in der Pause fluchtartig das Theater verlassen, weil er das Regie-Gebräu nicht länger ausgehalten hat. Ich wäre ihm gern gefolgt, doch "meine Pflicht hab ich getan". Und heute stand in der Hofberichterstattung der Saarbrücker Zeitung "Ein großartiger Freischütz"!


    Na bitte, wir leben in herrlichen Zeiten, jeder Ignorant darf alles schreiben...


    Herzliche Grüße von Sixtus

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  • Vielen Dank für den Bericht lieber William. Aber das sind doch alles Ignoranten die keine Ahnung haben. Sixtus freut sich natürlich nur über solche Antworten, die seiner Meinung sind, da er zu keiner vernünftigen Diskussion bereit zu sein scheint. Und alle anders denkenden werden wie immer von ihm beschimpft. Da könnte er sich mal eine Scheibe von unserem lieben Operus abschneiden, der andere Meinungen akzeptiert und bereit ist auf andere zuzugehen.

  • Aus aktuellem Anlass:


    Jeder darf, aber niemand muss an meinen Threads teilnehmen.


    Aber wer teilnimmt, von dem erwarte ich ein Mindestmaß an Höflichkeit, z.B. eine höfliche Nichtbeachtung. Das musste ich im Forum auch zur Kenntnis nehmen; aber ich halte mich daran.


    Sixtus

  • Zitat

    Na bitte, wir leben in herrlichen Zeiten, jeder Ignorant darf alles schreiben...


    Das ist ja prinzipiell nichts Neues. Man hat ja sogar jahrelang erfolgreich versucht, jegliche Gegenmeinung als verzopft oder intolerant, ewiggestrig darzustellen, bzw zu unterdrücken.
    Das Tamino-Klassikforum ist eine der wenigen Plattformen, wo Regisseurtheaterfeinde unzensiert zu Wort kommen.
    Ich möchte auf das Argument "andere Meinungen akzeptieren und auf andere zugehen" kurz eingehen.
    Man hat Herrn von Karajan immer vorgeworfen, er vertrüge keinen Widerspruch. In einer seiner Biographien (hab vergessen in welcher) stand zu lesen: Diese Behauptung entspricht nicht der Wahrheit, Karajan konnte sehr wohl andere Meinungen akzeptieren, unter der Voraussetzung, daß er den Kontrahenten als ebenbürtig erachtete......
    Und das ist genau der Punkt. Es gibt Grenzen - Grenzen die von vielen weder wahrgenommen noch akzeptiert werden. Sie setzen sich über TABUS hinweg und meinen, jedermann müsse sie ungestraft gewähren lassen. Das beginnt schon bei der Erziehung. Eine linke These meinte, man solle Kinder "sich frei entwickeln lassen" damit sie ihr Potential entwickeln können.
    Was aber - wenn das Potential im positiven Fall aus Dummheit, im negativen aber aus Kriminalität oder Gewaltbereitschaft besteht? Soll man hier gewähren lassen? Ich sage NEIN.
    Ich gestehe, daß ich hier mein ästetisches CREDO verkünde und es dabei bewenden lasse, daß mir das möglich ist. Daß ich Gleichgesinnten in aller Welt signalisieren kann: "Ihr seid nicht allein "- Ich finde das ist doch schon was.
    Ich gehe natürlich in der Sache auf niemanden zu und diskutiere auch nicht. Es gibt eben Dinge, die sind nicht verhandelbar.
    Wenn jemand eine Vase aus der Ming Dynastie bemalt und das mit künstlerischer Freiheit rechtfertigt, dann gibt es kein Pardon.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, danke für diese klärenden Worte.


    Ich habe dese deine Haltung schon an anderer Stelle mit Genugtuung festgestellt. Wäre es anders, wäre ich nicht mehr hier dabei.


    Dass es immer Leute geben wird, die auch die Kunst demokratisieren wollen, weil sie nicht begreifen, dass sie ein zutiefst elitäres Terrain ist, müssen wir ertragen, weil heute der Begriff Kunst längst ebenso heruntergekommen ist wie der Begriff Demokratie. O tempora, o mores!


    Aber ich schweife ab ins Politische, und das soll ja hier nicht sein. Doch es ist leider alles mit allem verzahnt. Wie soll man trennen, was durch Gebrauch (und Missbrauch!) bis zur Unkenntlichkeit miteinander vermischt und verfilzt ist? Was wir hier machen, ist ohnehin ein Versuch, einen Felsen immer von Neuem den Berg hinaufzuwälzen. Sind wir trotzdem glückliche Menschen?


    Schlimmstenfalls geht es gut aus...! Also diskutieren wir weiter, in der Hoffnung, dass das nicht Verhandelbare irgenwann mal außen vor bleibt. Wir sind ja, wie behauptet wird, erwachsene, lernfähige Menschen.


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Um die Diskussion nicht abzuwürgen, komme ich nochmals zur Sache zurück.


    Nachdem der Begriff Romantik jetzt hoffentlich unter uns keine Dissonanzen mehr erzeugt, bleibt die Frage: Was bleibt vom Freischütz, wenn man ihm die Romantik austreibt? (Darin sind sich ja sogar Herr Schwambach und ich einig. Nur ziehen wir daraus entgegengesetzte Schlussfolgerungen.)


    Ich sehe in Schlössers Inszenierung nicht unbedingt ein Beispiel für Regisseurstheater, sondern einfach eine plumpe Nachhilfestunde in Sachen Angst. Das könnte genau so gut oder schlecht zu Fidelio, Lohengrin oder Troubadour passen. Es ist einfach eine naheliegende Idee, aber künstlerisch nicht umgesetzt. Auch so kann man das Publikum verarschen. In Saarbrücken blieb es nur ratlos, weil in der nicht mal ausverkauften Premiere offenbar die Ahnungslosen in der Überzahl waren. (Sonst hätte es einen Buh-Sturm geben müssen.) Und wenn schon eine Premiere so geschluckt wird, ist unschwer zu erraten, wie die Folgevorstellungen verlaufen werden.


    Mein Fazit: Die Produktion hat vielleicht ihr angestrebtes Ziel erreicht (unbedingt was Neues um jeden Preis), aber das Ziel der Autoren, besonders des Komponisten, völlig verfehlt. Nun bin ich gespannt, wie andere das sehen. In diesem Sinne


    herzliche Grüße von Sixtus

  • Es gibt eben Dinge, die sind nicht verhandelbar.


    Lieber Alfred,


    nun lass mal die Luft ab.
    Du mußt wirklich nicht gleich die hehrsten Werte bemühen.


    Was ist denn passiert?


    Sixtus hat in Saarbrücken eine Aufführung des "Freischütz" gesehen, die seiner Meinung nach schlecht war. Das kann vorkommen.


    Er hat einen Bericht über die Aufführung verfasst, der keine datailliertere Beschreibung der szenischen Vorgänge gab und schon gar keine systematische Analyse. Auch das kann vorkommen. Wäre auch der Rede nicht wert. Es war schließlich "nur" in Saarbrücken.


    Dann hat er dem ganzen eine Überschrift gegeben, die zumindest bei einigen Taminos zu Irritationen Anlaß gab: Die Überschrift behautete, der Freischütz in Saarbrücken sei "romantikfrei" gewesen, andereseits war dem Text aber zu entnehmen, dass in der Aufführung ein zentrales Thema der Romantik - nämlich die Angst - ganz entschieden in den Mittelpunkt der Inszenierung gerückt war. Wenn das vorkommt, ist es doch nicht verwunderlich, dass einige Taminos darauf hinweisen.


    Keiner hat eine "eine Vase aus der Ming Dynastie bemalt". Einige Taminos haben lediglich Sixtus kritisiert für einen Beitrag, der nicht stimmig war. Seine Bemerkungen in den folgenden Beiträgen haben leider deutlich gemacht, dass er bei dem Thema uneinsichtig ist und sich wohl bisher auch nicht wirklich mit der Romantik, ihren Ambivalenzen und ihrer Rätselhaftigkeit befasst hat.


    Sixtus Romantikverständnis oder -unverständnis braucht hier nicht weiter diskutiert zu werden.
    Aber dass die eher banale Angelegenheit kritischer Rückfrage von Euch nun zu einer Frage aufgeblasen wird, in der es um Meinungs- und Redefreiheit geht und natürlich auch um die Würde der Kunst und die Freiheit der Kunst, ist schlicht unangebracht!
    Eigentlich ist es zudem ungehörig gegenüber denen, die Sixtus die auf die Unstimmigkeiten in seinem Bericht hingewiesen haben. Zu der Inszenierung selbst hat ja niemand was gesagt. Ob das Konzept überzeugen konnte und ob die Inszenierung gut oder schlecht war, hätte man ja auch nur beurteilen können, wenn man dafür nach Saarbrücken gefahren wäre....


    Mit freundlichem Gruß
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Sixtus,


    ich bin der Meinung, dass man zwar durchaus die Angst als zentrales Leitthema im Freischütz ansehen kann, wenn man das so deuten will; allerdings denke ich, dass ein gewiefter Regisseur dies auch genauso deutlich hätte machen können, indem er ein auf dem Libretto basierendes, romantisches Bühnenbild verwendet hätte.


    Durch diese extrem plakative Reduktion auf ein einziges Thema denke ich ohnehin, dass dort ein monokausaler Ansatz verfolgt wird, um die Motivation der Figuren zu erklären, der zu kurz greift. Die Protagonisten im Freischütz sind sicher nicht nur von Furcht getriebene Angsthasen, da gibt es sicherlich auch noch ganz andere Emotionen.


    Dass durch diese nüchtern-karge Reduktion auch sehr viele andere Bedeutungsebenen auf der Strecke blieben, dass dies Bühnenbild für mein Dafürhalten auch wenig ästhetisch ansprechend ist, sei nur en passant erwähnt. Moderne Ikonoklasten mögen sich ja gegen das "Plüsch- und Ausstattungstheater" wenden; jedoch sehe ich keinen Grund, warum ein Bühnenbild nicht beides sein kann: schön, ästhetisch, formenreich und farbenfroh und dennoch auch tiefsinnig, symbolträchtig und anspielungsreich. Als ob nur die nackte Bühne aussagekräftig und modern wäre, und alles andere reaktionär!


    Jemand hat mal so schön geschrieben, dass im Freischütz eigentlich der Wald der Protagonist ist, und ich denke, dies ist eine sehr interessante Sichtweise. Er ist mehr als nur Lokalkolorit oder beliebig austauschbare Kulisse. Deswegen kann ich das "Waldsterben", dass der Regisseur hier praktiziert, mit meinen Vorstellungen nicht in Einklang bringen.

  • Lieber Don Gaiferos,


    du rennst bei mir offene Türen ein mit deinen Beiträgen. Auch ich meine, dass Angst zwar ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Aspekt ist, der im Freischütz thematisiert wird. Und dass es mir darum ging, zu zeigen, dass der Regisseur auch diesen einen Aspekt nur sehr dürftig veranschaulicht hat, haben offensichtlich nicht alle, die es gelesen haben, zu Ende gelesen. Sonst hätten sie meinen Bericht nicht so gründlich missdeuten können.


    Am meisten befremdet mich das bei Caruso, den ich bisher sehr geschätzt habe, wenn wir auch oft aneinander vorbei geredet haben. Aber die Schläge, die er mir hier versetzt, verdienen aus meiner Sicht nur den Aufruf "Besser lesen!"
    Ja, lieber Caruso, auf dieser Basis werden wir schwerlich weiter zusammenarbeiten können. Du wirfst mir mangelnde Systematik vor. Habe ich dir je Langatmigkeit vorgeworfen? Wir haben offenbar zwei grundverschiedene Methoden. Meine Methode ist der von markanten Fakten unterfütterte Bericht, aus dem ich mein Urteil abstrahiere. Über deine Methode maße ich mir kein Urteil an. Was mich aber befremdet, ist, dass du dir neben deiner keine andere vorstellen kannst - oder zumindest keine daneben duldest. Wähnst du dich unfehlbar? Ich hatte nie die Absicht, zu dir in Konkurrenz zu treten. Aber ich brauche für meine Art auch Luft zum Atmen.


    Ich hoffe, dass dieser Missklang für künftige Diskussionen keine ernsten Folgen hat - und grüße die, denen es um die Sache geht, herzlich!
    Sixtus

  • Jemand hat mal so schön geschrieben, dass im Freischütz eigentlich der Wald der Protagonist ist, und ich denke, dies ist eine sehr interessante Sichtweise. Er ist mehr als nur Lokalkolorit oder beliebig austauschbare Kulisse. Deswegen kann ich das "Waldsterben", dass der Regisseur hier praktiziert, mit meinen Vorstellungen nicht in Einklang bringen.


    Lieber Don Gaiferos,


    du hast Recht, wenn du sagst, dass der Wald im "Freischütz" eine ganz zentrale Rolle spielt. Die Frage ist nun aber, wie man dies auf der Bühne sichtbar macht. Will man dies naturalistisch eins zu eins, will man also die Wälder rings um Saarbrücken abholzen und die Baumstammleichen auf die Bühne stellen (würde ich nicht zu raten, wäre für jeden Bühnenboden viel zu schwer!)? Will man ihn in einer fantasievollen Umsetzung auf die Bühne bringen, will man also theateralisch behaupten, dass das der Wald sei? Oder will man überlegen, für welche Aspekte der Wald hier eigentlich steht (dazu gibt es viel gute Literatur) und sich dann entscheiden, welche Aspekte davon einem wichtig sind und welche man zeigen will? Für welchen Ansatz sich hier der Regisseur entschieden hat und ob er diesesn überzeugend vermitteln konnte, kann ich nicht beurteilen, weil ich die Aufführung nicht gesehen habe.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lieber Stimmenliebhaber,
    ich unterstelle niemandem hier im Forum, dass er erwartet, man müsse einen echten Wald auf die Bühne stellen, um romantische Atmosühäre zu schaffen. Ich bin kein Regisseur; aber ich könnte mir eine detaillierte Beschreibung der Wolfsschlucht vorstellen (und sie notfalls auch beschreiben!), die ohne einen Baum auskommt - und trotzdem diese Atmosphäre herstellt.
    In Saarbrücken war davon leider nichts zu sehen oder zu spüren.
    Leider bin ich bisher nicht dazu gekommen, mich über solche Details auszulassen, wie den vorangegangenen Beiträgen zu entnehmen ist. Das Opernforum scheint mal wieder einsturzgefährdet zu sein, und ich bin grade damit beschäftigt, mir nicht die Schuld daran in die Schuhe schieben zu lassen. Deshalb diese Kürze. Vielleicht ein andermal mehr!
    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Lieber Sixtus!


    Ich habe Dir doch keine "Schläge" versetzt! Ich habe lediglich kurz resümiert, was war:


    Er hat einen Bericht über die Aufführung verfasst, der keine detailliertere Beschriebung der szenischen Vorgänge gab und schon gar keine systematische Analyse. ....
    Dann hat er dem ganzen eine Überschrift gegeben, die zumindest bei einigen Taminos zu Irritationen Anlaß gab: Die Überschrift behautete, der Freischütz in Saarbrücken sei "romantikfrei" gewesen, andereseits war dem Text aber zu entnehmen , dass in der Aufführung ein zentrales Thema der Romantik - nämlich die Angst - ganz entschieden in den Mittelpunkt der Inszenierung gerückt war


    Willst Du behaupten, du hättest eine "detailliertere Beschriebung der szenischen Vorgänge" gegeben?
    Willst Du behaupten, Du hättest das Konzept des Regisseurs vorgestellt und analysiert?
    Du meinst jetzt, du hättest halt eine andere Methode als ich. Tut mir leid: eine Methode kann ich nicht erkennen, da Du eben gar keine Analyse gemacht hast.
    Da hätte sich doch gar keiner drüber aufgeregt. Aber weil Du dem Ganzen eine wertende Überschrift gegeben hast, die nicht nur durch nichts gedeckt war, sondern auch - wie immerhin mehrere Taminos kritisiert haben - zu Irritationen Anlaß gab, hat es Widerspruch gegeben. Nur deshalb.
    Mit Widerspruch aber kannst Du offenbar nicht umgehen.
    Du behauptest, etwas gemeint zu haben, was nun wirklich nicht geschrieben war!
    Nun rätst du rätst:

    "Besser lesen!"


    Das hat nichts geholfen! Wir sind ja hier in keinem Oberseminar! Aber ich denke, dass ich Texte lesen kann. Ich muss aber unterstellen dürfen, dass auch das geschrieben wurde, was gemeint war.


    Ich hätte mich ja überhaupt nicht eingemischt - zu dem, wás Du Regietheater nennst, pflege ich mich nicht zu äußern - , aber die Ungereimtheit in Deinem Bericht hat mich schon sehr irritiert. Dazu habe ich mich geäußert.
    Damit hätte ich es bewenden lassen, wenn die Tatsache, dass Dir widersprochen wurde, jetzt nicht zu einer Grundsatzfrage aufgeblasen würde. Dass Alfred sein "ästetisches CREDO" (sic!)verkünden musste und an die "Gleichgesinnten in aller Welt" ein Zeichen geschickt hat: "Ihr seid nicht allein" , das mochte ich halt nicht einfach übergehen!


    Wie immer :
    mit besten Grüßen


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Dass es immer Leute geben wird, die auch die Kunst demokratisieren wollen, weil sie nicht begreifen, dass sie ein zutiefst elitäres Terrain ist, müssen wir ertragen, [...]


    Entschuldige, lieber Sixtus, aber diese Aussage zeigt m.E. genau, wo das Problem liegt: Nicht die Kunst ist elitär, sondern höchstens die Kunstrezeption; und insbesondere versuchen die, die sich elitär wähnen, Kunst für sich als elitär zu okkupieren, was genau zo solchen Aussagen führt, die Kunst sei elitär. Klar, das diese Kreise es nicht ertragen, wenn Kunst für alle zugänglich, also demokratisiert wird. Und weiter, inwiefern ist denn der Kunstschaffende und der Kunstausübende elitär?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Sixtus,


    es gibt auch in der modernen Theologie ein "Entmythologisierungsprogramm" was die Liturgie angeht, was damals heftig umstritten war, aber zeitgemäß und nicht schlecht begründet. Warum darf man also eine romantische Oper (die Romantik mit ihrem Programm einer Remythisierung durchkreuzend) nicht ebenfalls entmythologisieren?


    Hier in Münster gibt es demnächst eine Neuinszenierung des Freischütz, die werde ich mir natürlich anschauen und bin in dieser Frage gespannt, denn das Regieteam neigt zum Brecht-Theater.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Das war ja mal ein Tipp, lieber Holger. Der Regisseur Carlos Wagner ist ja schon viel herumgekommen, wie ich auf der Homepage der Deutschen Oper am Rhein lesen konnte. Das wäre auch für mich ein Grund, mal nach einem guten halben Jahrhundert wieder in Münster in die Oper zu gehen, noch dazu in eine meiner Lieblingsopern. Und ich könnte dann einen schönen Vergleich ziehen zwischen einem venezolanischen und einem russischen Regisseur, da ich für Karfreitag 2017 den Parsifal in der Berliner Staatsoper gebucht habe, den ein Russe inszeniert.


    Liebe Grüße


    Willi


    P. S. In der Nacht von Mittwoch auf Donnterstag werde ich mich auf den Weg nach Teneriffa machen, via Düsseldorf. In der Zeit gibts keinen Beethoven, nur Erinnerungen und Glückwünsche.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Das war ja mal ein Tipp, lieber Holger. Der Regisseur Carlos Wagner ist ja schon viel herumgekommen, wie ich auf der Homepage der Deutschen Oper am Rhein lesen konnte. Das wäre auch für mich ein Grund, mal nach einem guten halben Jahrhundert wieder in Münster in die Oper zu gehen, noch dazu in eine meiner Lieblingsopern.

    Dann, lieber Willi, verabreden wir uns jetzt offiziell zum gemeinsamen Opernbesuch in Münster! :) :) :)


    P. S. In der Nacht von Mittwoch auf Donnterstag werde ich mich auf den Weg nach Teneriffa machen, via Düsseldorf. In der Zeit gibts keinen Beethoven, nur Erinnerungen und Glückwünsche.

    Viel Spaß! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • da ich für Karfreitag 2017 den Parsifal in der Berliner Staatsoper gebucht habe, den ein Russe inszeniert.

    Längst inszeniert hat, lieber Willi! ;)


    Der Regisseur Carlos Wagner ist ja schon viel herumgekommen, wie ich auf der Homepage der Deutschen Oper am Rhein lesen konnte. Das wäre auch für mich ein Grund, mal nach einem guten halben Jahrhundert wieder in Münster in die Oper zu gehen

    Du willst dir den "Freischütz" in Münster ansehen, wo Eremit und Samiel von ein und demselben Darsteller übernommen werden sollen? Ich glaube, da würde ich aus genau diesem Grund nicht mal reingehen, wenn ich vor Ort wäre...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Sixtus,


    durch meinen Krankenhausaufenthalt lese ich deine Beschreibung leider erst heute. Also schon wieder ein "Freischütz total vermasselt. Ich kann absolut nicht verstehen, wie vernünftig denkende Leute an diesem dummen und äußerst primitiven Einfall überhaupt noch etwas Positives finden können.

    Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: Nimmt man dieser Oper das "eigentliche Ich" - dann ist sie zerstört. Und ich habe den dunklen Verdacht, daß viele der heutigen Inszenierungen GENAU DAS beabsichtigen.

    genau das ist es, lieber Alfred. Selbst Nichtkennern muss das aufgehen. Nur Blinde können das nicht erkennen.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat von »Don_Gaiferos«


    Lieber Stimmenliebhaber,


    auch wenn man den saarländischen Wald nicht eins zu eins auf die Bühne wuchten muss :D so kann das Theater doch mit ganz eigenen Mitteln eine ganz hervorragende, opulente Illusion eines Waldes auf die Bühne bringen; die Saarbrücker selbst haben ja bewiesen, wie glanzvoll und grandios das möglich ist; leider habe ich von dieser damaligen Aufführung keinerlei Bilder im Internet gefunden, aber es lassen sich sicher genügend andere Beispiele finden.


    Natürlich kann ich auch nicht en detail das Regiekonzept kritisieren; ich möchte das auch gar nicht abwerten, was da an gedanklicher und interpretatorischer Arbeit geleistet worden ist; ich kann nur für mich selbst sprechen, und meinem Verständnis und meiner Interpretation, die ich im Hinblick auf den Freischütz habe (und die auch durchaus offen ist für gewisse kreative Spielräume) läuft dieses waldfreie, abstrakte, ungegenständliche, karge, leere Bühnenbild zuwider, und ich denke, dass gerade in dieser Oper, noch mehr als in anderen, schlichtweg ein wesentliches Element verlorengeht, wenn man die Geschichte einfach aus allen Kontexten herauslöst.


    Natürlich funktioniert diese Geschichte dennoch, und es lassen sich sich auch ohne Wald und Wolfsschlucht alle möglichen Dinge darstellen, möglicherweise sogar auf ganz interessante Weise; nur hat dies für mein Empfinden dann nur noch am Rande mit Webers Freischütz zu tun, und stellt für mich eher eine Variation dar, eine Inszenierung nach Motiven von Webers Freischütz...


    Aber wie gesagt, ich möchte niemandem seinen Interpretationsansatz abspenstig machen, auch wenn ich einen anderen bevorzuge; und dass Oper das Herz jeden Musikfreundes erreichen kann, soll und muss, und nicht nur das einer elitären Oberschicht, denke ich auch. Wiewohl gerade solche modernen und postmodernen Inszenierungen den Zugang zu solchen Werken wie dem Freischütz m. E. eher erschweren als erleichtern, und sie dadurch viel eher zu einem intellektuell verbrämten, abstrakten und elitären Event werden, als wenn wirklich das wilde Heer, das da besungen wird, auch tatsächlich sinnfällig und deutlich wahrnehmbar durch die Wolfsschlucht galoppieren darf... ;)

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