Tschaikowski: Eugen Onegin - welche ist die beste Aufnahme?

  • Ich starte heute mit diesem Thread eine geplante neue Reihe, in der es darum gehen soll, die empfehlenswertesten Aufnahmen diverser Opern zu eruieren. Freilich kann objektiv gesehen selten die unbestreitbar beste ermittelt werden, weil es mehrere Kandidaten gibt. Natürlich gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Threads, aber erstens ist das ewig her, zweitens ist es ja durchaus im Einklang mit dem Forenbetreiber, dass es mitunter auch parallele Threads geben darf. Also lassen wir uns nicht abhalten von aktuellen Diskussionen, anstatt vorvorgestrige wieder aufzuwärmen.


    Vorweg: Es dürfen hier neben Stereo- auch Monoaufnahmen genannt werden. Allerdings wäre es doch gut, würde man neben einer etwaigen Monoaufnahme noch eine Stereoaufnahme nominieren, weil gerade Anfänger oft sehr abgeneigt sind, was Mono anbelangt. Und wenn ich ehrlich bin: Zum Kennenlernen eines Werkes behagt es mir auch wenig. Hörspaß entsteht für mich da selten.


    Ganz bewusst beginne ich mit einer Oper, die nicht ganz so sehr im Fokus steht auf den Spielplänen im deutschsprachigen Raum, ohne andererseits als "Nischenrepertoire" zu gelten. "Eugen Onegin" (bzw. eigentlich ja "Jewgeni Onegin") ist zweifellos die berühmteste und meistgespielte Oper von Tschaikowsky und neben "Boris Godunow" vermutlich auch die am öftesten aufgeführte in russischer Sprache. Allerdings wird sie, was das anbelangt, von etlichen italienischen und auch deutschen Opern an den Opernhäusern in Deutschland, Österreich und in der Schweiz doch an Aufführungshäufigkeit überflügelt (was ausdrücklich kein Qualitätsmerkmal sein soll).


    Gehen wir in medias res: Welche sind eures Erachtens die besten Aufnahmen des "Eugen Onegin"?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe hier selbst leider keine Empfehlung, weil diese Oper bei mir bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Ich würde mich daher freuen, wenn hier auch Empfehlungen nicht nur für CD, sondern auch für Video-Aufzeichnungen auf DVD oder BluRay ausgesprochen würden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nicht nur aus aktuellem Anlass nominiere ich diese Aufnahme:



    Und wer es gerne wie ich in der eigenen Sprache hat:



    Eine Alternative findet sich hier:



    Meinen ersten "Onegin" habe ich im Januar 1992 an der Staatsoper Berlin mit Magdalena Hajossyova als Tatjana, Jürgen Freier als Onegin und dem blutjungen René Pape als Gremin erlebt, weshalb ich an diesem noch drei Jahre früher entstandenen Mitschnitt hänge:


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo,
    ein besonders schöner Onegin in deutscher Sprache ist der Mitschnitt der B-Premiee aus München von 1962, Er existiert als CD und DVD in gleicher Besetzung: Hermann Prey als Onegin, Fritz Wunderlich als Lenski, Ingeborg Bremert als Tatjana, Mino Yahia als Gremin, Ferry Gruber als Triquet, Brigitte Fassbaender als Olga, Hertha Töpper als Larina..



    https://images-na.ssl-images-a…/images/I/61MbMaoOX1L.jpg


    Schöne Grüße
    wega

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  • Gott, diese Oper macht mich jedesmal fertig!


    Hier meine deutsch gesungenen Empfehlungen in absteigender Reihenfolge:
    mit Jurinac und Schock


    mit Rysanek und Dermota


    mit Bak und Dermota


    Und hier die DVDs:


    Das ist die legendäre Bolshoi-Inszenierung, die leider einer grässlichen Regietheatervariante weichen musste. SEHENSWERT!!!!


    EIN MUSS!!!!


    Und hier noch der Film von Petr Weigl:

  • Das Problem bei Eugen Onegin ist , dass die einzige rundum überzeugende Aufnahme in eher bescheidenem MONO aufgenommen ist.



    Aber wie kein anderer versteht es Melik-Pasheyev den Szenen der Oper - natürlich ausgenommen die große Ballszenen - die notwendige Intimität zu geben und doch die inneren Leidenschaften und Spannungen der Figuren ungemein intensiv und farbenreich auszumalen.
    Zudem hat er eine ideale Besetzung: Yelena Dimitrievna Kruglikova ist eine mädchenhafte Tatjana, mit quellklarem Timbre ohne die bei slawischen Sopranen häufig anzutreffende Schärfe. Sie erfüllt geradezu ideal die Idee Tschaikowskis, dass die Briefszene ein inneren Monolog sein soll, und erliegt nicht der Versuchung, sie als Prunkstück für lyrische Soprane auszustellen. Und im Schlußduett hat sie Reife und frauliche Wärme, bewahrt aber konsequent auch die Intimität, die Tschaikowski ja auch hier vorschwebte.
    Panteleimon Nortsov als Onegin und Ivan Kozlovsky als Lenski passen sich ebenfalls großartig in Melik-Pasheyev Konzept ein. Wenn man Kozlovskis spätere Aufahmen kennt, wird man staunen, wie uneitel, intim und lyrisch dicht er hier singt. Nicht nur das Arioso und die Arie sind ungemein eloquent, auch in den Parlando-Passagen hat er eine Nuancierung und Beredtheit wie kein anderer!
    Das Timbre von Panteleimon Nortsov ist schon etwas gewöhnungsbedürftig aber auch er beherrscht die Wortmalerei. Als erster hat er übriges das hohe F am Ende der Arie gesungen - und wie!!!
    Ein Juwel ist die Triquet-Szene von Sergei Ostraumov. Mit einer Delikatesse, die an Tito Schipa erinnert, macht er die Szene unvergesslich.


    Alle anderen Gesamt-Aufnahmen, die ich kenne, sind entweder zu extroventiert oder sie leiden darunter, dass einzelne Partien unpassend oder unzureichend besetzt sind.


    Wenn es primär um die Sänger geht :
    Die beste Tatjana ist meiner Meinung nach die Galina Vishnewskaya in der Aufnahme unter Boris Khaikin mit Eugene Belov als Onegin (1956). Leider kam sie für Sergei Lemeshev zu spät.



    Die Stereo-Aufnahme unter Mstislav Rostropovich allerdins kam dann für die Vishnewskaya zu spät - entschieden zu spät. Aber die exzentrische und schrecklich äußerlich pathetische Interpretation von Rostropovich wäre eh nicht im Rennen um die beste Aufahme - trotz des großartig singenden Yuri Mazurok als Onegin.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Etwas Recherche brachte zutage, dass es nicht weniger als zehn Aufnahmen des Moskauer Bolschoi-Theaters gibt:


    - Nortsow, Lemeschew, Schukowskaja; Nebolsin (1936)
    - Nortsow, Koslowski, Kruglikowa; Melik-Paschajew (1937?)
    - Iwanow, Koslowski, Kruglikowa; Orlow (1948)
    - Below, Lemeschew, Wischnewskaja; Chaikin (1956)
    - Kibkalo, Grigorjew, Wischnewskaja; Chaikin (1958) (VHS)
    - Masurok, Atlantow, Wischnewskaja; Rostropowitsch (1970)
    - Masurok, Atlantow, Milaschkina; Mansurow (1975) (live)
    - Masurok, Atlantow, Milaschkina; Ermler (1979)
    - Redkin, Baskow, Gawrilowa; Ermler (2000) (live; DVD)
    - Kwiecien, Dunajew, Monogarowa; Wedernikow (2008) (live; DVD)


    Als ob das nicht bereits verwirrend genug wäre, scheint es noch Ungereimtheiten bei der genannten Aufnahme von Alexander Melik-Paschajew zu geben. Naxos nennt als Aufnahmejahr 1937, doch wurden offensichtlich Teile von Alexander Orlow dirigiert und stammen wohl eher aus dessen 1948er Aufnahme, die es auch separat gibt.



    Ich habe in einige der genannten mal hineingehört, soweit das möglich war. Die Aufnahme von Orlow von 1948 war tontechnisch deutlich genießbarer als die beiden ganz frühen. Der große Vorteil ist hier für mich, dass Koslowski dabei ist. Eine Erstempfehlung würde ich hier trotzdem nicht aussprechen, dazu klingt es mir zu historisch.



    Die Abwertung der Rostropowitsch-Aufnahme wird so scheinbar nicht allgemein geteilt. Das Opera Magazine urteilte etwa: "One of the most beautiful experiences in today’s world of opera." Sie entstand während einer Tournee des Bolschoi-Theaters im Jänner 1970 in Paris unter Studiobedingungen für EMI/Melodia. Auf CD war die Aufnahme leider nur kurz erhältlich (Chant du Monde). Mir liegen digitalisierte LPs vor. Sehr brauchbares Stereo, was wohl auf CD noch ungleich besser klänge.



    Gar nicht genannt wurde die Studioeinspielung von Mark Ermler, der m. E. immer ein Garant für hervorragende Dirigate im russischen Opernrepertoire war (die Ausgabe von Alto nennt fälschlicherweise Tscherkasow als Dirigenten). Die Besetzung mag nicht ganz so erlesen sein wie die vorherigen, dafür ist der Klang von 1979 1A und die Verfügbarkeit problemlos. Über zwanzig Jahre später dirigierte er, nunmehr Musikdirektor des Bolschoi-Theaters, noch eine auf DVD erhältliche Aufführung, die wohl in erster Linie wegen der Inszenierung von Interesse ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber JosephII!

    Ich habe in einige der genannten mal hineingehört, soweit das möglich war


    Kann man gerade bei dem Werk sich so mit Stichproben ein verantwortbares Urteil bilden?


    Die Abwertung der Rostropowitsch-Aufnahme wird so scheinbar nicht allgemein geteilt.


    Die extrem langsamen Tempi, die oft bedeutungssüchtigen - und nicht in der Partitur stehenden - rallentandi, das Aufplustern des Klanges, die extrovertiert ausgestellten Leidenschaften, all das mag ja Freunde finden. Mit dem Werk haben sie herzlich wenig zu tun. Erstaunlich, dass Rostropovitsch so gar kein Vertrauen zu den sprechenden Linien hat.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lyrische Szenen lautet der Untertitel, den Tschaikowsky seiner Oper Eugen Onegin gegeben hatte. Die Briefszene der Tatjana ist unter diesem Blickwinkel das Herzstück. Wie der Komponist Dramatik erzeugt, Arien mit ergreifenden Melodien einsetzt oder schmissige Ohrwürmer kreiert hat, nötigt mir grössten Respekt ab. Ein Meisterstück.


    Eugen Onegin war die zweite Oper, die ich mir als Teenager nach der Wunderlich-Böhm Zauberflöte angeschafft hatte und ist mir bis heute lieb und teuer geblieben.


    Ich hatte mir die Partitur meiner Lieblingsoper besorgt. Es gibt darin unzählige kompositorische Kostbarkeiten, die sich beim Studium der Stimmen zeigen. Ein Beispiel: Wie er die beiden Freunde Lenski und Onegin in der Duellszene miteinander bzw. gegeneinander singen lässt löst bei jedem Hören bei mir Gänsehaut aus.


    Gerne nehme ich die Empfehlungen der Oper-Fachleute unseres Forums entgegen und werde mir die eine oder andere Aufnahme anschaffen.


    Ich habe auf einer alten Videokassette den Mitschnitt der bereits erwähnte Aufnahme mit Fritz Wunderlich und Hermann Prey (YouTube Film in Beitrag 3). Ein ergreifendes Dokument, wie die miteinander befreundeten Sänger, Lenkski und Onegin mit Leben füllen. Danke für den Hinweis in Beitrag 4, dass es dieses Filmdokument auf DVD gibt.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Hallo und guten Tag,

    Ich möchte mir am 23.12.2019 Pjotr Iljitsch TSCHAIKOWSKY, EUGEN ONEGIN in der Oper Freiburg anschauen.

    Zur Vorbereitung bitte ich um euer Wissen.

    Ich kenne die Oper nicht. Eure Berichte von der Oper machen mich neugierig. Lyrische Szenen in 3 Akten (7 Bilder) und das Libretto nach Alexander Sergejewitsch Puschkin: Da ist bei mir wenig Hintergrundwissen.


    Was sollte ich den unbedingt vorab lesen damit ich die Lyrischen Szenen besser verstehe?

    Was sollte ich unbedingt lesen oder anschauen um die Musik des Komponisten halbwegs erfassen können?


    MfG Wilfried

  • Lieber Wilfried,


    ein deutsches Libretto findest du unter http://www.opera-guide.ch. Etwas zur Werksgeschichte kann man auch in Wikipedia nachlesen. Am ausführlichsten wärst du wohl mit dem entsprechenden rororo-Opernbuch informiert, das neben vielen Texten, Materialien und Kommentaren auch das Libretto und einiges über die literarische Vorlage von Puschkin enthält.

    Allerdings gibt es diese Bücher nicht mehr im Handel (warum, weiß ich auch nicht). Aber vielleicht kannst du es im Internet erwerben, wo man ab und zu gebrauchte oder Restexemplare dieser Bücher erwerben kann.

    Um eine Oper vollinhaltlich zu verstehen, habe ich selbst mir immer das Libretto erworben. Von Reclam gibt es zum Preis von jeweils etwa 3 € (gebraucht) sowohl den Versroman von Puschkin als auch das Libretto von Tschaikowsky. Schau mal im Internet unter "Textbuch zu Tschaikowsky Eugen Onegin".


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lyrische Oper = es passiert nicht viel.


    Mit der recht unkomplizierten und selbsterklärenden Handlung kann man sich leicht vertraut machen. Zur Vorbereitung würde ich raten, die Briefszene, erste Ballszene, Lenski-Arie und Duellszene, Polonaise, Arie des Gremin hören.





    Er hat Jehova gesagt!

  • Hallo und guten Morgen,

    Euch Beiden, danke ich für die hilfreichen Informationen. Habe mir bei Amazon/Kindle, das Libretto in Deutsch und Eugen Onegin - Ein Roman in Versen -besorgt.

    MfG Wilfried

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  • Lieber Wilfried


    Diese von Siegfried gesetzte Aufzeichnung des Eugen Onegin aus dem Jaht 1962 mit Hermann Prey in der Titelrolle und Fritz Wunderlich als Lenski, deutsch gesungen, wird dir für das Verständnis der Handlung hilfreich sein. Meine Begegnung mit dieser Oper hatte ich in meinem Beitrag 10 beschrieben.


    Die Videokassette mit dem Dirigenten Joseph Keilberth und dem Bayerischen Staatsorchesterm ist inzwischen nicht mehr in meinem Besitz. So freut mich der Hinweis, dass der Film auf You Tube abrufbar ist.


    Auf CD ist die Inszenierung auch erhältlich, allerdings Finger weg. Ich besitze diesen Mitschnitt nicht. Die Edition wird von einem Käufer auf der Seite des Werbepartners unter dem Titel "Eine einzige Katastrophe" so beschrieben:


    1.)Trackliste stimmt nicht mit Musik überein

    2.) der mittlere Teil der Oper fehlt

    3.) das Finale ist doppelt zu hören

    4.) schlechte Klangqualität; selbst gebrannte CD?"


    Schade, wirklich schade!



    Es dankt für das Posten des You tube Filmes


    moderato

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  • Die Anzahl Postings in diesem Thread ist eher bescheiden. Diese Aufnahme in russischer Sprache mit dem Dirigat von James Levine und der Staatskapelle Dresden steht neben vier weiteren Aufnahmen in meinem Regal.


    Mirella Freni ist als Tatjana überzeugend. In der Rolle muss sie das junge Mädchen wie die reife Frau verkörpern, was ihr vorbildlich gelingt.



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