Joseph Haydn - Die Divertimenti HOB II und HOB IV

  • Die Divertimenti Haydns führen in diesem Forum (und wahrscheinlich nicht nur hier ) bislang ein Schattendasein. Auch ich habe sie nicht näher beachtet. Das hat vielerlei Gründe. Zum einen werden sie von vielen als "Nebenwerke" betrachtet, zum andern ist ihre Katalogisierung schwierig, denn sie laufen teilweise unter anderen Bezeichnungen etc. Durch eine bestimmte CD aufgerüttelt, nämlich duch die Schönheit der betreffenden Werke, habe ich heute ein wenig recherchiert und bin draufgekommen, daß alle Werke mit den HOB Gruppen II und IV den Divertimenti zuzurechnen sind.


    Damit gewinnen wir fürs erste einen Überblick um wie viele Werke es sich eigentlich handelt. Ich war ganz erstaunt:


    Hob II: Divertimenti zu vier oder mehr Stimmen (1–47)
    Hob IV: Divertimenti zu drei Stimmen (1–11)
    Hob XIV: Divertimenti für Klavier mit Begleitung (1-13)


    Also 71 Stücke - Nicht schlecht.
    Eine Gesamtaufnahme aller Divertiment gibt es ja meines Wissens derzeit nicht . und vermutlich würde sie auch niemand kaufen.


    So rege ich an, daß wenn jemand eine Aufnahme von Divertimenti Haydns gerade hört oder erworben hat, ein paar Zeilen darüber schreibt (mit HOB Verzeichnis Nr)
    So wird sich hier im Laufe der Zeit eine Art Inhaltsverzeichnis bilden. Jeder sollte pro Beitrag nur EINE CD und die darauf enthaltenen Dicertimenti vorstellen. der Thread sollte ja über einen längeren Zeitraum hin laufen und auf Neuentdeckungen neugierig machen.
    Von Zeit zu Zeit wird eine aktuelle Liste erstellt, die anzeigt, welche Divertimenti bereits im "Tamino-Pool" vorhanden sind


    Mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Einerseits beginne ich mit jener CD, die mich zu diesem Thread inspiriert hat, andrerseits mit eine Fehlerkorrektur.
    Johannes Roehl hat sich gewundert, daß sie noch immer im Katalog ist

    Wir finden hier 2 Werke, die auf der CD noch anders bezeichnet wurden, jetzt aber den Divertimenti zugezählt werden.


    Hob TT.Z1 dürfte für Zusatz stehen und somit die Gesamtzahle der Divertiment erhöhen
    Ähnliches finden wird bei Hob IV:5 welches früher als Trio für Horn, etc etc bezeichnet wurde...
    Divertimento D-Dur Hob. II:Z1 (für 4 Hörner, Violine, Viola und Baß) (Cassation)
    Divertimento Es-Dur Hob. II:21 (für 2 Violinen, 2 Violen 2 Hörner und Baß)
    Divertimento D-Dur Hob. II:22 (für 2 Hörner und Streichquartett)
    Divertimento a tre in Es Dur für Horn, Violine und Violoncello Hob. IV:5
    (Trio für Horn, Violine und Violoncello Es-Dur Hob. IV:5)


    Abgesehen von allem anderen ist die Aufnahme über alle Maßen klangschön gespielt und aufgenommen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von der relativen Obskurität der Stücke (teils auch zweifelhafter Autorschaft bzw. inzwischen anderen Komponisten zugeschrieben) abgesehen wäre eine Gesamtaufnahme "aus einer Hand" auch aufgrund der unterschiedlichen Besetzungen eher unwahrscheinlich. Ich vermute aber, dass es fast alle Werke in irgendeiner Aufnahme gibt, wenn auch vielleicht nicht leicht zu finden. Ich verstoße daher gleich mal gegen die Regel und versuche zuerst zusammenzutragen, was es überhaupt an Einspielungen der angeführten Hobokennummern gibt. (NB ich kenne keineswegs alle dieser CDs, für Empfehlungen halte ich mich dann an die Regel.)


    Hob II: Divertimenti zu vier oder mehr Stimmen (1–47)


    Manfred Huss hat mit der Haydn Sinfonietta Wien eine Anzahl Werke aus Hob.II eingespielt (auf alten Instrumenten). Sie erschienen ursprgl. bei Koch/Schwann; die Wiederauflage bei BIS behauptet "complete". Das sind allerdings keine 47 Werke, vermutlich weil viele nicht als authentisch gelten.
    Hob.II: 1,2,3,7,8,9,11,14,15,16,17, 20,21,22, 23,24, 46, G1, D22, dazu noch ein paar nicht aus Hob.II.


    Als nicht-authentisch gelten inzwischen eine große Zahl der "Feldparthien" (=Bläsermusiken). Sie liegen aber ebenfalls mehr oder minder komplett vor, dank Klöckers Consortium Classicum.




    Hob IV: Divertimenti zu drei Stimmen (1–11)
    Die wenigen authentischen Werke aus Hob. IV sind Flötentrios (1-4 für 2 Fl. und Vc.; 6-11 für Fl. Vl. Vc.), meist Bearbeitungen Sätze anderer Werke. Hob IV:5 ist ein Horntrio (mit Vl. Vc.), das oben schon erwähnt wurde.
    Sie sind alle auf CD erhältlich:




    Hob XIV: Divertimenti für Klavier mit Begleitung (1-13)


    Koopman u.a. haben Hob XIV: 3,4,7,8,9,11,12,13, C2 und F2 aufgenommen (Cover behauptet "complete", es fehlen einige Nummern, vielleicht sind das die besonders strittigen Werke). Brilliant hat auch eine CD mit einer Auswahl davon. Etliche dieser Werke laufen auch unter "Concerto" oder "Concertino" und sie könnten auch in den älteren Aufnahmen der "Klavierkonzerte" mit Alpenheim oder Häbler dabei sein.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die erste CD, die ich empfehlen möchte, kommt gleich mit einem Pferdefuß: Vermutlich sind fast alle enthaltenen Stücke gar nicht von Haydn, aber man weiß es nicht, da sie bisher wohl auch keinem anderen Autor zuverlässig zugeordnet werden konnten. Es ist aber eine sehr klangschöne, (auf modernen Instrumenten) gespielte, unterhaltsame CD. Unstrittig von Haydn ist das Notturno C-Dur Hob II:25, hier in der üblicheren Fassung mit Flöte und Oboe (anstatt zwei lire organizzate), dagegen sind:


    Hob II: Cassation F2, Flötenquartett A4, Divertissement B2


    alle strittig, da aus den dutzenden von Haydn zugeschriebenen Werken in Hob II, die in dieser Weise (Tonart + Nummer von Werken in dieser Tonart) gelistet werden, nur G1 und D22 als authentisch anerkannt worden sind.



    Hob II: F2

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In Sachen Zuschreibung von zweifelhaften Werken an Haydn vertrete ich einen ziemlich pragmatischen Standpunkt - es ist mir eigentlich ziemlich egal wer die Werke geschrieben hat.
    Das mag allerdings - insbesondere bei meiner - historisch interessierten - Person merkwürdig anmuten, aber es hat historische Hintergründe: Schon zu Haydns Lebzeiten wurden zahlreiche Werke relativ unbekannter Komponisten unter Haydns Namen veröffentlicht (besonders in Paris), was diesen sehr ärgerte. Haydn war nämlich - euphemistisch ausgedrückt - ein besonders merkantil veranlagter Mann, der nicht wollte daß andere von seinem Namen profitierten. Das will natürlich niemand, aber bei Haydn war dies besonders ausgeprägt - und es ist gut überliefert.
    Erst als Haydn schon alt war interessierte man sich für die Authenzität fragwürdiger Werke und befragte Haydn noch persönlich zu gewissen Stücken. Dieser war aber eher unwillig bis mürrisch, hatte kein Interesse, finanziell war sowieso alles gelaufen. Er behauptete, sich in vielen Fällen nicht mehr erinnern zu können, und machte oft auch falsche Angaben. Erst in neuerer Zeit kam man zu der Überzeugung, daß Haydn hier oft ABSICHTLICH falsche Angaben machte..... :baeh01:
    Mein Fazit; Wenns Haydn egal war UND die Qualität derartig ist, dass man keinen Unterschied zu Haydn siht, dann sollte man es dabei belassen - solange bis in irgendeinem Archiv (und ich glaube da fände sich noch so manches) Beweist für oder gegen die Autorenschaft Haydn auftauchen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch mein Gustostück von heute hat einen Pferdefuß: Es ist bereits gestrichen. Es muß wie Blei in den Regalen gelegen sein, denn schliesslich wurde es mit 2.99 Euro abverkauft. Dabei handelt es sich um wunderbare Musik von Haydn, nämlich 6 Divertimenti (Hier der Enstehungszeit entsprechend als Notturni bezeichnet, Klare Unterscheidungen gab es damals noch nicht) Es handelt sich aber um Werke der Gruppe II des Hobokenverzeichnisses.
    Die Stücke sind derart von Lieblichkeit gezeichnet, dass es schon fast wieder kitschig wirkt.Dieter Klöcker spielt die heute eher unübliche Originalfassung mit Orgellpositiven, die aber delikater klingt, als die heute ersatzweise verwendeten Oboe und Flöte. Wenn ich es richtig verstanden habe ist heute eine Aufführung mit dem Originalinstrument, einer sogenannten Orgelleier "Lyra organizzate" nicht mehr möglich. Wolfgang von Karajan soll sie noch gespielt haben (Wieder aus dem Gedächnis: Wolfgang der Bruder Herberts baute gewisse, nicht mehr existierende Instrumente nofalls selbst)
    Die Notturni/Divertimenti sollen um 1790 im Auftrag des Königs von Neapel. Ferdinand IV fertiggestellt worden sein, der sie allerdings schon Ende 1787/Anfang 1788 bestellte....
    Ein Ohrenschmaus für alle "Schönklang"-Begeisterten


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt eine rare, aber sehr empfehlenswerte CD, auf der eine nachgebaute Lira organizzata zu hören ist (s.u., sie enthält aber nur je ein Konzert (Hob. VIIh:1) und Notturno (II:32), daneben II:27 in der Flöte/Oboe-Version und zwei Werke mit Baryton (Hob.X:3 und 12), aber das Orgelpositiv bei Klöcker kommt diesem Orgelleier-Klang jedenfalls näher als die (vermutlich von Haydn selbst oder jedenfalls aus seinem Umfeld stammende) Alternativfassung mit Flöte und Oboe solo. Huss hat meiner Erinnerung nach die Alternativfassungen aufgenommen und die gibt es auch in einer HIP-Aufnahme mit Archibudelli (Sony) und sicher auch noch in einigen weiteren, ebenso wie die Lyra-Konzerte, da es attraktive Stücke sind und im Repertoire der Flötisten bzw. Oboisten willkommen.

    Die Klöcker-CD (eine Übernahme einer EMI-Einspielung von 1974) gäbe es vielleicht am second-hand-Markt. Aus meiner Sicht eine sehr lohnende CD.



    Die Notturni sind vergleichsweise bescheidene, aber reife Werke, daher mit den frühen Divertimenti der 1760er nicht unbedingt vergleichbar, jedenfalls sehr empfehlenswert und weit mehr als Kuriositäten, obwohl sie dank des eigenartigen Klangbilds (das bei der Flöte/Oboe-Fassung weitgehen verloren geht) auch als solche gelten können.

    Struck by the sounds before the sun,
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    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Heute habe ich mir diese Doppel-CD angehört. Sie enthält 8 Notturni und 6 Scherzandi. An sich recht hübsch und sauber gespielt, so ist es doch Unterhaltungsmusik, die man so "nebenbei " hört. Da beide CDs sehr üppig bespielt sind (und das bei einem Gesamtpreis von 9.99 Euro) ist die Gesamtspieldauer an die 2einhalb Stunden, da wird man dann doch ein wenig gelangweilt. Alles eine Dosierungsfrage....
    Das gleiche Programm auf Edisonwalzen aufgezeichnet, würde bei einem Modell neuerer Bauart ca 40 Walzen benötigen......

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Joseph HAYDN: Sechs Divertimenti Hob IV 6-11


    Der Thread wurde heute von mir restauriert - auf den neuesten Standgebracht und die ex-amazon-Links durch solche unseres Werbepartners jpc ersetzt.

    Leider sind einige CDs bereits gestrichen - es werden neue kommen - oder vielleicht - in seltenen Fällen - wieder

    Auch die heute kurz vorgestellte CD ist nicht mehr lieferbar- was ich vor der 'hörsitzung nicht gewusst habe. Sie wurde in den letztn Jahren angeschafft- und hat einige Zeit auf ihr "Ersthören" gewartet. Na ja

    Immerhin fand ich im Booklet einge interessanten Informationen über die Werke an sich. Sie wurden im Auftrag eines englischen Verlegers erstellt, wobei Haydn - ein gewiefter Geschäftsmann (milde ausgedrückt) - einige Sätze einfach aus seinen Opern entlehnte in der Richtigen Einschätzung, daß man die in England nicht kennt und deshalb einer einträglichen Zweitverwertung nichts im Wege stünde.Eines der Werke, ursprünglich spielte hier ein Baryton mit, wurde umgeschrieben und das Baryton ersetz. Generell wurden für diese Aufnahme Adaptionen der Divertimenti verwendet, die vermutlich in England vorgenommen wurden. Es wurde an Stelle der Violine eine Flöte eingesetzt, was den Wohlklang durchaus förderte und dem Musikgeschmach der englischen "Musikkenner" entsprach....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !