Franz Schubert - seine Freunde und sein Umkreis

  • Über Franz Schuberts Leben sind viele Details überliefert - vorzugsweise von seinen Freunden - aber nur wenige wirklich bekannt. Im Gegensatz zu Mozart sind uns seine Züge ziemlich naturnah auf Gemälden und Skizzen seiner Freunde erhalten, von denen sicher jeder von uns einige kennt . Wer aber waren Schuberts Konkurrenten, Freunde, Familie, Gönner und Kollegen? Welchen Einfluss hatten die auf sein Leben? Welche Namen sind heute noch allgemein bekannt? Dieser Thread der etwas anderen Art soll jene befriedigen, die über die Vorstellungen von Aufnahmen seiner Werke hinaus, Informationen geboten haben möchte. Und es sollen auch Charaktereigenschaften Schuberts aufgezeigt werden.
    Zwar findet man alles auch in Büchern, aber die Erfahrung lehrt, daß die in der Regeln wenig gekauft und gelesen werden, aber sobald ein Thema im Klassikforum zur Sprache gebracht wird ist die Beteiligung dann meist doch vorhanden....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da kann ich mich auch gerne beteiligen, aber von Zeit zu Zeit - den "Mozarts Freunde in Wien"-Thread muss ich natürlich auch erweitern, und somit muss ich schauen wo ich Prioritäten setze. ;)
    Ich würde vorschlagen erstmal mit Franz von Schober (17. Mai 1796 Malmö, Schweden - 13. September 1882 Dresden) zu beginnen.


    Soll jetzt sein ganzes Leben abgehandelt werden, oder inwieweit Schober in Kontakt zu Schubert stand? Ich übernehme mal aus Zeitgründen erstmal Zweiteres, bei Bedarf kann es dann gerne ergänzt werden.


    Er schrieb unter anderem Gedichte, war Schauspieler, Librettist,... Ungefähr zwischen Ende 1815 bis Anfang 1816 lernt Schubert ihn durch seinen Freund Josef von Spaun kennen (diese Freundschaft bestand seit Herbst 1808 zu Zeit des Wiener Stadtkonvikts, mit einer zweijährigen Unterbrechung durch Abwesenheit Spauns, ab März 1811 dann regelmäßiger Kontakt, und durch ihn kam auch durch Vermittlung die Freundschaft zu Johann Mayrhofer zustande). Schober blieb auch bis ans Lebensende ein sehr guter Freund. Die Freunde Schuberts werden in verschiedenen "Kreisen" unterschieden, so auch der Wiener Freundeskreis um Schober, welcher angeblich quasi wie ein Alpha-Tierchen die Gruppenführung innehatte . Regelmäßige Leseabende (zweitweise mehrmals in der Woche) wurden angesetzt, wobei Schober dabei hauptsächlich die Themen bestimmte (und es zeigt auch dass er hier das Heft in die Hand nahm, da sich diese Gruppe zeitweise auflöste, als Schober in Breslau einen zeitweiligen Aufenthalt hatte). Darüber hinaus gab es natürlich die bekannten "Schubertiaden" wo dann, wie es der Namen ja schon sagt, die Musik Schuberts im Vordergrund stand. In Spauns Erinnerungen schrieb er, dass das Leben für Schubert in der Art und Weise "viel vorteilhafter gewesen sei, als wenn er in einem Kreise von Musikern und Fachgenossen" gelebt hätte. So holte er sich oftmals die Inspiration, und vor allem Textvorschläge für neue Liedvertonungen (Schober schrieb zum Beispiel die von Schubert vertonten Gedichte "An die Musik" oder "Jägers Liebeslied") Die Freundschaftsgruppe blieb aber mit der Zeit nicht bestehen, da Schober sich heimlich mit Justina von Bruchmann verlobt hatte, der Schwester eines Freundes, welcher diese Bindung nicht billigte. Anton Holzapfel sprach einmal von "Schobers zweideutiger moralischer Haltung", oder Franz von Hartmann meinte gar "den jungen Leuten ein gefährlicher Führer zu sein." Bekannt dazu ist hier auch die Darstellung in dem Film "Notturno" (welcher aus dem Dreiteiler "Mit meinen heissen Tränen" zu einer Kinofassung gemacht wurde) indem Schober ebenso diese Rolle verkörpert, unter Anderem darin gezeigt wird, wie er Schubert mit ins Rotlichtmilieu mitnimmt, wo dieser sich dann schließlich an der Syphilis ansteckt. Schließlich kam es zu einer neuen Freundschaftsgruppe, Schober blieb quasi der Anführer, aber neue Freunde kamen hinzu, wie etwa Moritz von Schwind oder Eduard von Bauernfelds. Bauernfelds schrieb darüber ausführlich in seinen Erinnerungen. Bitte um Verständnis, dass ich nicht alles hier abtippseln kann, nur ein paar wesentliche Aussagen: "Der Bund war geschlossen, die drei Freunde blieben von dem Tage an unzertrennlich. Aber auch andere gruppierten sich um uns, meist Maler und Musiker, ein lebenfrischer Kreis von Gleichstrebenden, die Freud' und Leid miteinander teilten, wie vor allem der treffliche Schober [...] , nicht selten bei bei diesem oder jenem gemeinschaftlich übernachtet.[...] Wer eben bei Kasse war, zahlte für den oder die anderen."


    Schubert hatte zweitweise auch für relativ lange Zeit (also mehrere Monate) bei einem seiner Freunde gewohnt. Wien Geschichte Wiki gibt an angeblich Bei Schober Führjahr 1816 im Haus "Zum Winter" (heute Tuchlauben 20), wobei das Schubert Handbuch für Frühjahr 1816 das Haus von Heinrich Watteroths in der Landstraßer Vorstadt (im "Erdberg") anführt. Dafür wird hier das Schober-Quartier auf Herbst 1816 - November 1816 datiert. 1822/1823 wohnt Schubert dann erneut bei Schober, im Göttweiherhof/Göttweigerhof, wird scheinbar untersch. geschrieben (heute Spiegelgasse 9, gegenüber dem Nachbau in dem einst das Sterbehaus Salieris stand) Er schrieb dort unter Anderem an der "Unvollendeten" h-moll Sinfonie. Frühjahr bis Sommer 1826 wohnt Schubert abermals, diesmal mit Moritz von Schwind, bei Schober in Währing (genaue Adresse ist mir nicht bekannt, aber er soll angeblich in der Kutschgergasse 44, damalige Gentzgasse 31, im Garten des Hauses "Zum Biersack" im Juli 1816 das Ständchen "Horch! Horch! Die Lerch' im Ätherbläu" komponiert haben) Herbst 1826, bei Schober in der Bäckerstraße, schließlich von Februar 1827 bis August 1818 in der Schober-Wohnung im Haus "Zum blauen Igel" (heute Tuchlauben 14, hier komponierte er u.a. die Winterreise und Messe in Es-Dur, 1898 abgerissen. Also bevor er dann auf Anraten seines Artzes Dr. Ernst Rinna von Sarenbach zu seinem Bruder Ferdinand in die Kettenbrückengasse zog wo er dann auch bald darauf verstarb) Es zeigt sich also ein reger Kontakt und eine häufige Wohnungsgemeinschaft mit Schober.
    Schober schrieb auch das Libretto zu Schuberts Oper "Alfonso und Estrella". Man kann also durchaus den Eindruck gewinnen, dass dieser eine zentrale Figur in Schuberts Leben war.


    unter Berücksichtigung der Quellen: Schubert-Handbuch, Bärenreiter-Metzler; Wien Geschichte Wiki;

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Schober schrieb auch das Libretto zu Schuberts Oper "Alfonso und Estrella". Man kann also durchaus den Eindruck gewinnen, dass dieser eine zentrale Figur in Schuberts Leben war.


    Das kann man wohl sagen. Es gab aber überraschend viele "zentrale Figuren" in Schuberts Leben, mehr als man gemeinhin weiß. Schuberts Leben ist besser dokumentiert als man annehmen sollte, und wenn man die Quellen geanu studiert, dann bleibt vom heute geläufigen "Schubert-Bild" nicht mehr allzuviel übrig. Irgendwie habe ich das auch vermutet, wenn man bedenkt wie viele seiner Freunde (erfolgreiche) Künstler und Adelige waren, wenn man sich die überlieferten Skizzen der Schubertianden ansieht, und wie viele vorzügliche Portraits es von Schubert gibt - gemalt von den besten Portraitisten seiner Zeit. Den geplanten Thread im Hinterkopf, entlieh ich mir von den Büchereien Wien (von denen ich derzeit einige Filialen und die Hauptbücherei unserer Flyer wegen öfter aufgesucht habe) ein mir interessant erscheinendes Schubert-Buch aus. Es ist von Otto Erich Deutsch (* 1883; † 1967) verfasst und erschien - wenn meine Quellen mich nicht belügen - erstmals 1957 bei Breitkopf und Härtel Leipzig. Interessanterweise wirkt der Schreibstil von Deutsch heute auf mich ein wenig antiquiert, kaum stark abweichend von jenem der zitierten Schubert-Freunde. Vermutlich ist das durch die intensive Auseinandersetzung mit der Materie bedingt. Der Name Otto Erich Deutsch ist - davon gehe ich aus - jedem Freund der Musik von Franz Schubert bekannt, durch das von ihm geschaffene und nach ihm benannte Deutsch-Verzeichnis.
    Das genannte Buch besteht zu 80 Prozent aus zitierten Textstellen von Schubert Freunden, was es uns erlaubt, ebenfalls zu zitieren, denn die sind ausnahmsweise schon alle über 100 Jahre tot (siebzig Jahre nach dem Tod erlischt das Copyright)
    Es ist aber nicht meine Absicht dieses Recht überzustrapazieren, denn das Buch ist derzeit noch als Nachdruck erhältlich und es wird wohl früher oder später jeder Schubert-Freund besitzen wollen.
    Wir haben hier faktisch ein Übermaß von Informationen, denn es gab schon vor Deutsch Bestrebungen eine Schubert-Biographie zu verfassen, die weitgehend lebensnah ist, Zu diesem Zwecke wurden zahlreiche Personen angeschrieben, die mit Schubert bekannt oder befreundet waren., oder ihn wenigstens erlebt haben. Alte Briefe wurden ausgegraben, manche Bekannte erinnerten sich nicht mehr genau, manche waren bereits verstorben, denn soweit ich bis jetzt sehen konnte, zog sich das Projekt bis in die späten 60er Jahre des 19. Jahrhunderts hin (vielleicht auch länger)


    Die Fülle der informationen macht es schwer den Überblick zu wahren, so werde ich lediglich einzelne "Spotlights" herauspicken und einige Aussagen aus Schuberts Freundeskreis, die uns teilweise überraschen werden, und die aus heutiger Sicht nicht zutreffen, so etwa die Bewertung seiner Orchesterwerke.


    Ich komme hier wieder auf Franz von Schober zurück, von dem eigentlich die wenigsten Informationen kommen. Ich habe lange darüber nachgedacht warum dies so sei, bis ich folgenden Brief Schobers von 19. Jänner 1869 an Eduard von Bauernfeld (1902-1890) gefunden habe:

    Zitat

    Deine so natürliche und gerechtfertigte Anforderung, Dir Schubertiana aufzuschreiben, kann ich Dir bei dem besten Willen nicht erfüllen. Ich habe es ja schon so oft für mich selber versucht, ich hätte so gerne ein Büchelchen über ihn und unser Zusammenleben geschrieben und habe es nie zusammengebracht.........
    .......gern will ich Dir, wenn wir zusammenkommen, alles mitteilen, aber schreiben kann ich es nicht.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    clck 110

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  • Ich bleibe fürs erste - der Übersicht halber- bei Schober. Vor allem aber auch weil ich etwas interessantes zur Oper "Alfonso und Estrella" gefunden habe, nämlich eine Einschätzung des Libretto, durch den Verfasser selber.
    Auszug aus einem Brief Schobers aus Dresden an Heinrich Schubert (einen Neffen von Franz Schubert) am 2. November 1876)

    Zitat

    "Von der Vereinigung mit Ihrem unsterblichen Onkel und mir, haben Sie gerade den unseligsten Moment herausgehoben, als ich in Ochsenburg die Oper Alfonso und Estrella für ihn schrieb, die mir zwar von namhaften Autoritäten Wie Friedreich Schlegel, L.Tieck und Matth. von Collin großes Lob als Gedicht eintrug, als Operntext aber ein so elendes, totgeborenes Machwerk war, daß selbst ein so großer Genius, wie Franz Schubert war, sie nicht zu beleben vermochte...



    Die obenstehende Abbildung zeigt Franz von Schober vor Schloß Torup. wo er geboren wurde. Das Gemälde stammt von Leopold Kupelwieser, einem österreichischen Maler, der ebenfalls zum Freundeskreis von Franz Schubert gehörte.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine weitere wichtige Person im Leben von Franz Schubert war der österreichische Opernsänger Johann Michael Vogl. Dieser war 1785 zusammen mit Frnz Xaver Süßmayr mit dem er das Stiftsgymnasium Kremsmünster besucht, und diesen dort kennengelernt hatte, nach Wien übersiedelt, welcher sich dann insofern als nützlich erweisen sollte, indem er durch dessen Vermittlung Hofopernsänger am Theater am Kärntnertor wurde.
    Schubert lernte Johann Michael Vogl 1817 duch Franz von Schober kennen. Vogle erkannte das Genie Schuberts und fand an seinen Liedern gefallen, trug sie des öfteren im kleineren und größeren Kreis vor , und machte sie auf diese Art bekannt.
    Das untenstehende Bild zeigt Vogl auf einer Lithographie von Kriehuber, einem der berühmtestenPortraitisten seiner Zeit. Es galt das geflügelte Wort, daß Kriehubers Bilder unbedeutenden Leute bedeutend, und bedeutende Leute noch bedeutender aussehen ließen - und das bei optimaler Wiedergabe der realen Physognomie des jeweils dargestellten. Wir werden noch Gegelgenheit haben, diese These zu überprüfen, denn dieser Thread wird sich noch oft der Kunst Kriehubers bedienen. Er gehört also gewissermaßen mit zum Set (wie man heute sagen würde)


    mfg aus Wien
    Alfred


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine weitere Figur im Leben ist Simon Sechter (1788-1867), bei dem er Nachhilfe in Sachen Kontrapunkt nehmen wollte. Indes, es kam nur zu einer einzigen Unterrichtsstunde. Schon lange vor O. E. Deutsch waren Leute bemüht eine möglichst realistische Biographie über Franz Schubertz zu verfassen, ond so wurden Freunde und Bekannte mit Anfragen konfrontiert, damit möglichst vioel Material zusammengetragen werden könne. Etliche dieser Anfrage-Briefe, vor allem aber die Antworten darauf , sind erhalten.


    Zitat

    Simon Sechter
    Wien den 21. August 1867


    Über Ihre Anfrage über mein Verhältnis zum genialen Schubert habe ich ihnen nur zu melden, daß wir einander achteten, ohne uns oft zu sehen.
    Kurze Zeit vor seiner Krankeheit kam er mit Herrn Josef Lanz, seinem ergebenen Freund, zu mir, um den Kontrapunkt und die Fuge zu studieren, weil, wie er sich ausdrückte, er einsehe, daß er hierin Nachhilfe brauche. Wie hatten nur eine einzige Lektion gehabt, als das nächste Mal Herr Lanz allein erschien. um mir zu melden. daß Franz Schubert schwer erkrankt sei und er nun den Unterricht allein nehmen wolle. Kaum waren neun Tage vorüber, als Schubert gestorben war. Soviel von diesem Verhältnisse.



    Die Abbildung von Simon Sechter ist erneut eine Lithographie von Kriehuber, der uns in diesem Thread noch des öfteren begleiten wird...


    mit freundlichen Grpßen aus Wien

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  • Ein weiterer Bekannter oder Freund Schuberts, die Quellen divergieren in diesem Punkt, war Anselm Hüttenbrenner (1794-1868). Er war selbst Komponist, aber zugleich auch Musikkritiker. WIKIPEDIA bezeichnet ihn ihn als Freund Schuberts, mit dem er "herzlich verbunden war".Dies Recherchen stammten großteils gar nicht von Deutsch, sondern von einem Musikkritiker des 19. Jahrhunderts, Ferdinand Luib (1811-1877) der regelrecht Fragebogen an alle noch lebenden Bekannten Schuberts versandte und auch um erhaltenen Briefwechsel mit Schubert bat - weil er eine Biographie über Schubert schreiben wollte - und es soweit mir bekannt, auch getan hat. Die deutsche WIKIPEDIA erwähnt Luib mit keinem Wort, lediglich die englische widmet ihm ein paar Zeilen.
    .


    Dargestellt sind hier 3 Freunde, nämlich (v.l.n.r. Johann Baptist Jenger. Anselm Hüttenbrenner, Franz Schubert)
    Jenger war im Vorstand des steirischen Musikvereins, Amateurmusiker, der mit Schubert musizierte und als Liedbegleiter von Karl von Schönstein auftrat. Schönstein war neben Vogel einer jener Sänger, die Schuberts Lieder des öfteren sangen, zudem wurde seine Stimme von Zeitgenossen als geradezu ideal bezeichnet.
    Die beiden oberen Bilder zeigen Hüttenbrenner, zuerst auf einer Lithographie von 1825. dann ein Foto im hohen Alter.


    Dieser Beitrag wird noch ergänzt.
    Alfred

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  • Das kann man wohl sagen. Es gab aber überraschend viele "zentrale Figuren" in Schuberts Leben, mehr als man gemeinhin weiß.


    Es gab viele Freunde aber natürlich gibt es hier auch Abstufungen, andernfalls müßten ja alle identische Klone sein, hätte Schubert zu allen ein exakt gleiches Verhältnis und Gefühl zu ihnen gehabt. Schober wird wohl voraussichtlich die zentralste Figur aller Freunde eingenommen haben, das kann man schon alleine von daher mutmaßen, da er bei sonst keinem anderen Freund nur annähernd so oft gewohnt hat wie bei Schober. Von dem was man bislang weiß, hatte Schubert mind. 5 Mal bei Schober gewohnt (das längste Mal immerhin eineinhalb Jahre), außerdem gab es zwar viele Freundschaften in Schuberts Leben aber dann doch nicht mehr so viele, welche wie bei Schober, nahezu durchgehend von seiner Teenagerzeit bis zu seinem Tod reichten.


    Ich erlaube mir ein paar Ergänzungen zu Hüttenbrenner. Schubert lernte ihn durch den Unterricht bei Salieri kennen, welcher Hüttenbrenner seit 1815 in Gesang und Komposition unterrichtete. (wie man aus den Schilderungen Hüttenbrenners "Erinnerungen an Schubert" welche er 1854 Franz Liszt schrieb, entnehmen kann) Immerhin schrieb Schubert im August 1817 die "Dreizehn Variationen über ein Thema des Freundes" (D 576) bei dem er das Hauptthema vom Andante aus Hüttenbrenner Streichquartett in E-Dur op. 3 heranzog, und Schubert schrieb selten Variationen über fremde Themen. Wie auch immer er ihn menschilch respektierte, aber musikalisch scheint er ihn mindestens ebenbürtig gesehen zu haben, wie eine Briefstelle vom 19. Mai 1819 vermuten läßt: "[...] Freylich kannst Du auch sagen, wie Caesar, lieber in Grätz der Erste, als in Wien der zweyte [...] Ich werde zuletzt auch nach Grätz kommen, u. mit Dir rivalisiren." Den Ersten hat er zwar nicht beim Namen genannt, es liegt aber nahe, dass er nicht sich selber, sondern Beethoven damit meinte. Ich hab ehrlich gesagt noch nie was über eine hündische Ergebenheit bei Anselm Hüttenbrenner gelesen, bist du dir sicher dass es sich um Anselm handelt, oder doch nicht um seinen Bruder Josef? Dieser ist nämlich im Dezember 1818 nach Wien gezogen, hat sich auch bald seinem Freundeskreis angeschlossen und angeblich allzu kritiklos verehrt. Anselm hat sich in Graz sehr für Schuberts Musik eingesetzt (aufgrund seiner Iniatitive wurden die Männerquartette "Das Dörfchen" D 568, "Die Nachtigall" D 724, und der "Erlkönig" D 328 aufgeführt und sich für die Ernennung zum Ehrenmitglied des Steiermärkischen Musikvereins stark gemacht) Die "Unvollendete" h-moll Sinfonie wurde schließlich auch für den Steiermärkischen Musikverein oder Hüttenbrenner komponiert (genau weiß man das nicht mehr, die Partitur wurde jedenfalls bei Hüttenbrenners Nachlass gefunden, genauso wie andere Werke wie etwa die Grazer Fantasie D 605a, von der manche ja mutmaßen Hüttenbrenner hätte hier teilweise selbst Hand angelegt)
    Tonträger mit der Musik Anselm Hüttenbrenners sind nach wie vor eine Rarität. Ein paar Eindrücke kann man über Youtube bekommen. Der Grazer Dirigent Peter Schmelzer führt hin- und wieder Werke Hüttenbrenners auf und dankenswerterweise stellt er auch Manches davon auf Youtube, wie zum Beispiel die ersten beiden Sätze der Symphonie concertante in a-moll:




    Teilweise erinnert es stilistisch eher an die Musik des Strauss-Clans, manchmal kann man auch etwas Schubert heraushören (vor allem im 2. Satz). Die ganz große Kunst ist das zwar generell nicht, aber es gibt dann doch kurze Momente die ganz stark sind und durchaus hohe Qualität aufweisen (wie etwa mittels überraschend harmonischer Verläufe oder Modulationen wie sie auch die besseren Werke Schuberts u.a. auszeichnen).


    Eine Klaviersonate in E-Dur op. 16



    Auch hier ein ähnlicher Eindruck, großteils eher an der Oberfläche schürfend, doch ein paar Stellen die dann durchaus positiv überraschen können.


    gruß

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • In aller Kürze: Es handelt sich in der Tat um JOSEF Hüttenbrenner - Die fehlerhaften Passagen habe ich korrigiert...
    Über Korrekturen und Ergänzungen bin ich sehr erfreut.
    Ich hoffe Diaß wir mit diesem Thread deinen GeschmacK getroffen haben, und Deinem Wunsch nach mehr Tiefgang entgegengekommen sind
    Es ist zu hoffen Daß er weiter Mitglieder anlockt


    mfg Alfred


    PS- dieser Beitrag dient lediglich der Information und wird in Kürze gelöscht. !!!!

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ich hoffe Diaß wir mit diesem Thread deinen GeschmacK getroffen haben, und Deinem Wunsch nach mehr Tiefgang entgegengekommen sind
    Es ist zu hoffen Daß er weiter Mitglieder anlockt


    Du kannst diese Antwort auch gleich mitlöschen wenn du sie gelesen hast, denn sie dient ebenfalls nur der Information. ;)
    Ja, auf jeden Fall treffen solche Threads meinen Geschmack. Ich weiß jedoch nicht wie ich das bewerten soll, dass im Grunde genommen nur wir Beide uns bislang daran beteiligen...bei momentan etwas über 900 Mitgliedern.
    Wenn ich mir wie so oft wieder die Themen der letzten 24 Stunden anschaue, dann dominiert hier zu mind. 90 Prozent der Gesang ("Traditionelle Operninszenierungen", "Die berühmte Stimme", "Oper der Klassik und der Romantik", "Opernforum", "Gestern in der Oper", "Kunstlied-Forum",...), momentan habe ich noch immer das Gefühl solche Threads sind zum. zum aktuellen Zeitpunkt nicht sonderlich gefragt, ob sie gewisse Neuanmeldungen anlocken (weil mit den derzeitigen Mitgliedern scheint eine Beteiligung eher fragwürdig) ist halt die Frage...ich hoffe schon, weil momentan ist das Forum eindeutig zu Gesangs/Opernlastig. Sorry, falls sowas in den internen Bereich gehört, aber ich wollte gleich direkt hier antworten da auch die Frage hier gestellt wurde...wie geschrieben, du kannst es nach lesen löschen. ;)
    Gruß.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Ja, auf jeden Fall treffen solche Threads meinen Geschmack. Ich weiß jedoch nicht wie ich das bewerten soll, dass im Grunde genommen nur wir Beide uns bislang daran beteiligen...


    Ich kann ja nur für mich sprechen: Auch wenn ich mich nicht aktiv beteiligen kann, dieser Thread gehört zu meinen Lieblingen, er macht Tamino für mich aus. (Und nicht der ständige Opern-Zoff). Also bitte weitermachen und mein Dank an Alfred und âme.
    Und auch dieser Beitrag kann dann nach hoffentlich wohlwollender Kenntnisnahme gelöscht werden.
    Und jetzt werde ich ein wenig Schubert hören. Ihr seid dran Schuld. :yes:

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Dieser Thread ist Flickwerk und wird es auch bleiben, muss es sogar bleiben. Aber vielleicht macht das sogar seinen Reiz und seine Einzigartigkeit aus. Namen die nur wenige Insider kennen werden auftauchen und wieder verschwinden, denn nicht alle Freunde und Bekannten waren Musiker. Wir schreiben hier keine Biographie, das ist längst von Berufeneren gemacht worden, sondern leuchten kurze Episoden aus, idealerweise gelegentlich auch mit Verweisen zu Schuberts Musik UND der seiner Freunde. Daraus können sich dann gelegentlich weitere Threads zu anderen Persönlichkeiten ergeben, die in der Musikszene des 19. Jahrhunderts eine gewisse Rolle spielten. Das müssen nicht unbedingt Musiker sein.


    Nach dieser behutsamen Überleitung bringe ich eine weitere Figur aus dem Leben Schuberts ins Spiel: Leopold von Sonnleithner (1797-1873), einen Gönner von Schubert, Beethoven und Grillparzer. (Wir sehen wie vernetzt das alles war) Wir müssen hier wieder aufpassen, denn auch dessen Vater Ignaz Sonnleithner (1770-1831 - geadelt 1828)) und dessen Bruder, Joseph Sonnleithner (1766-1835) waren mit Schubert und Beethoven bekannt. (Joseph Sonnleithner war einer der Mitautoren des Librettos von Beethovens Oper "Fidelio".) Zudem gab es eine familiäre Verknüpfung mit der Familie Grillparzer.


    Leopold Sonnleithner war eigentlich Jurist, aber vor allem Musikkenner, Sammler und aktives Mitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. (Sein Vater war Gründungsmitglied)


    Hier nun aber einige Gedanken Leopold Sonnleithners, wörtlich zitiert, da bereits gemeinfrei:


    Zitat

    "Bei meinem Vater dem kaiserlich-königlichem Rate Ignaz Edlen von Sonnleithner (Advokaten und kaiserlich königlichem Professer) fanden durch eine Reihe von Jahren alle 14 Tage an Freitagen musikalische Abendunterhaltungen für geladene Freunde statt, deren Anordnung und Leitung ich allein besorgte. Die vorzüglichesten hiesigen Kunstfreunde und Künstler nahmen daran teil, und fremde Künstler ließen sich gerne aufführen. Die Zahl der Zuhörer betrug stets 120 und darüber, und wir hatten Not den Zudrang abzuwehren. Bald fasste ich den Entschluß, Schuberts Lieder in diesem Kreis bekannt zu machen, daher ich selbige einigen Gesangs-Dilettanten mitteilte. Unter diesen war Herr August, Ritter von Gymnich, ein Statsbeamter, der gleich mir die Genialität des Komponisten sofort erkannte. Besonders sprach ihn "Erlkönig" an, welchen er zuerst am 1. Dezember 1820 in einer Soiree bei meinem Vater mit dem entschiedensten Beifalle vortrug"

    .
    (Es folgen nun weitere Daten, wo in selbigem Kreis Lieder von Schubert von begabten Dilettanten vorgetragen wurden) Allmählich wurde die Frage laut, warum die Lieder bislang nicht im Druck erschienen waren.


    Zitat

    "Inzwischen war ich durch einen persönlichen Freund Schuberts (Herrn Josef Hüttenbrenner) mit den Verhältnissen des Ersteren näher bekannt geworden, und hatte erfahren, daß seine pekuniäre Lage keineswegs befriedigend sei. Wir beschlossen daher, einen Verleger für seine Werke zu suchen, wozu Schubert selbst in seiner naiven Einfachheit gar nicht geeignet war. Ich trug den "Erlkönig" dem Kunsthändler Tobias Haslinger und Anton Diabelli an. Allein, beide verweigerten die Herausgabe (selbst ohne Honorar) weil sie wegen der Unbekanntheit des Komponisten und wegen der Schwierigkeit der Klavierbegleitung keinen lohnenden Erfolg erwarteten. Durch diese Zurückweisung verletzt, entschlossen wir uns, die Herausgabe auf Schuberts Rechnung selbst zu veranstalten. Ich, Hüttenbrenner und noch 2 Kunstfreunde legten die Kosten des ersten Heftes aus Eignem zusammen und liessen im Februar 1821 den "Erlkönig" stechen. Als mein Vater in einer Soirée bei uns mündlich ankündigte, daß der "Erlkönig" zu haben sei, wurden an demselben Abende bei 100 Exemplar von den Anwesenden gekauft, und die Kosten des 2. Heftes waren gedeckt"


    In Folge wurden auf diese Weise weitere Lieder veröffentlicht und der Erlös war so reichlich, daß man damit Schuberts Mietrückstände, offene Rechnungen im Kaffee- und Wirtshaus, sowie Schulden beim Schneider bezahlen konnte und Schubert zudem noch einen erklecklichen Geldbetrag auszahlen konnte.
    Sonnleithner merkt indes an, daß die Bevormundung Schuberts durch ihn und einige Freunde leider notwendig sei, da Schubert in finanziellen Dingen absolut ahnungslos war und zudem durch schlechte Einflüsse immer wieder zu unnötigen Ausgaben verleitet würde.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine weitere wichtige Person im Leben von Franz Schubert war der österreichische Opernsänger Johann Michael Vogl.


    Johann Michael Vogl soll über einen außergewöhnlichen Stimmumfang verfügt haben; in der historischen »Fidelio«-Aufführung 1814 sang er den Pizarro. Von den üblichen Sängern seiner Zeit unterschied er sich durch Belesenheit und Bildung, war auch als Regisseur tätig und schrieb Abhandlungen über Gesang.
    Als Schuberts Freunde darum warben, dass Vogl Schuberts Lied-Kompositionen singen sollte, stieß dieses Ansinnen bei dem damals 49-jährigen Vogl nicht auf Begeisterung. Erst über einige Umwege war es möglich den schwer zugänglichen Vogl anzusprechen, der zunächst meinte, nachdem ihm Schober von Schuberts Liedern vorgeschwärmt hatte, dass er die Musik bis über die Ohren satt habe, er sei mit Musik aufgefüttert worden und strebe danach sie loszuwerden, anstatt neue kennenzulernen.
    Vogl meinte, dass er schon hundertmal von jungen Genies gehört, sich aber immer getäuscht gefunden, so sei es sicher auch bei Schubert, man solle ihn in Ruhe lassen.
    Schließlich erschien dann Vogl - ein Hüne von Gestalt - doch bei Schubert, der den großen Sänger eher stammelnd, denn auf Augenhöhe begrüßte.
    Vogl ging das Kommende eher naserümpfend an. Die erste Liedprobe war Mayerhofers »Augenlied«. Schober berichtet, dass Vogl mehr summte als sang, aber danach feststellte: »Nicht übel!« Auch das folgende »Memnon« und »Ganymed« bot Vogl nur mit halber Stimme dar, wurde aber zunehmend freundlicher ....
    So soll der Beginn dieser Freundschaft etwas holprig verlaufen sein, wenn man alten Aufzeichnungen Glauben schenken darf.

  • Schließlich erschien dann Vogl - ein Hüne von Gestalt - doch bei Schubert, der den großen Sänger eher stammelnd, denn auf Augenhöhe begrüßte.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bin wieder bei Leopold von Sonnleithner (Der Vater wurde 1828 geadelt, was sich natürlich auch auf die Söhne übertrug, der österreichische Adel ist vererbbar)
    Und was er uns zu sagen hat ist IMO hochaktuell - oder zeitlos je nach Belieben: (Text gekürzt)


    Zitat

    "Über die Art, wie Schuberts Lieder vorgetragen werden sollen, bestehen heutzutage unter der großen Mehrzahl sehr sonderbare Ansichten. Die meisten glauben, das Höchste geleistet zu haben, wenn sie die Lieder in der Art auffassen, welche sie sich als die dramatische vorstellen. Dabei wird möglichst viel deklamiert, bald gelispelt, bald leidenschaftlich aufgeschrien, ritardiert, usw. - Ich kann nur sagen, daß ich mich immer fürchte, wenn es in einer Gesellschaft heißt, es werden Schubertsche Lieder gesungen; denn selbst ganz geschickte und in ihrer Weise musikalisch gebildete Damen und Herren versündigen sich gewöhnlich grausam an dem armen Schubert. Ich hörte ihn mehr als hundertmal seine Lieder begleiten und einstudieren. Vor allem hielt er immer das strengste gleiche Zeitmaß ein, außer in den wenigen Fällen, wo er ausdrücklich ein ritardando, morendo, accelerando etc. schiftlich angezeigt hatte. Ferner gestattete er nie heftigen Ausdruck im Vortrage. Der Liedersänger erzählt in der Regel nur fremde Erlebnisse und Empfindungen, er stellt nicht selbst die Person vor, deren Gefühle er schildert. Dichter, Tonsetzer und Sänger müssen das Lied lyrisch, nicht dramatisch auffassen. Insbesondere bei Schubert ist der wahre Ausdruck, die tiefste Empfindung schon in der Melodie als solcher gelegen und durch die Begleitung trefflich gehoben. Alles, was den Fluß der Melodie hemmt und die gleichmäßig fortlaufende Begleitung stört, ist daher der Absicht des Tonsetzers gerade zuwiderlaufend und hebt die musikalische Wirkung auf.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein weiterer Freund von Franz Schubert war der um acht Jahre ältere Joseph, Ritter von Spaun (1788-1865) Die beiden hatten sich im Konvikt kennengelernt und befreundet, eine Freundschaft die lebenslänglich war. Spaun war einer jener Freunde, die Schubert regelmäßig finanziell unterstützten, ihm Theater- und Opernkarten beschafften und ihn in der großen Gesellschaft bekannt machte, wobei er gelegentlich als Gastgeber bei Schubertiaden fungierte.



    Auch von ihm gibt es schriftliche Aufzeichnungen über Schubert, die interessant zu lesen sind:


    Zitat

    In Zselsits lernte Schubert den mit der herrlichsten Tenorstomme begabten Freiherrn von Schönstein kennen, der seine Lieder mit Begeisterung vortrug. Und auch in höheren Kreisen bekannt und beliebt machte. Wenn Vogl oder Schönstein, akkompagniert von Schubert, in größeren Kreisen seine Lieder vortrugen, so wurden sie mit Beifall und Dank förmlich bestürmt, aber kein Mensch dachte an den bescheidenen Meister, der die herrlichen Melodien erschuf. Er war diese Vernachlässigung so sehr gewohnt, dass sie ihn nicht im mindesten bekümmerte


    Spaun hatte einige Jahre in der Provinz, unter andem in Linz, zu tun, sodaß die Freundschft vorzugsweise durch Briefwechsel aufrechterhalten wurde. Aber es gab auch Lichtblicke:


    Zitat

    Nachdem er mir mit der Dedikation eines Liederheftes eine große Freude gemacht hatte, kam er wiederholt mit Vogl nach Linz. Die wenigen, die noch leben, werden sich erinnern, welche Genüsse uns die beiden Sänger in Linz, Steyr und St. Florian darboten. In Linz musste einmal dem Konzert ein Ende gemacht werden, da nach dem Vortrage einiger wehmütiger Lieder der gesamte Frauen- und Mädchenkreis in Tränen schwamm und auch die Männer die ihrigen kaum zurückhalten konnten.


    Bei dieser Stelle ist es IMO sehr interessant und hilfreich sich mit der Gefühlswelt um 1820/27 auseinanderzusetzen. Heute wäre sowas undenkbar, die Texte der Lieder sind für uns gelegentlich mit dem (ungerechten) Makel des Kitsches behaftet, wirken antiquiert und übertrieben. Kein Wunder in einer Zeit, wo man bemüht ist, kühl und sachlich zu agieren, in Wahrheit aber oft kalt und herzlos ist.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    "Über die Art, wie Schuberts Lieder vorgetragen werden sollen, bestehen heutzutage unter der großen Mehrzahl sehr sonderbare Ansichten. […]


    Diese Zeilen von Leopold von Sonnleithner hier wieder zitiert zu sehen ist mir eine Freude. Ich hatte sie ja auch schon einmal in einem Beitrag vom 27. September 2014 hier eingestellt (übrigens genau an dem Tag, an dem ich mich bei Tamino registriert habe – erst später fiel mir auf, dass sich die Gedichtzeile von Thomas Brasch doch gut unter meinen Beiträgen machen würde).

  • Spaun hatte einige Jahre in der Provinz, unter andem in Linz, zu tun, sodaß die Freundschft vorzugsweise durch Briefwechsel aufrechterhalten wurde.


    Da gibt es diese Epistel, das ist D 749 »Herrn Joseph Spaun, Assessor in Linz«
    Im Januar 1822 ist dieses Lied entstanden.


    Es ist ein musikalischer Beschwerdebrief Matthäus von Collins an den Cousin Josef von Spaun, der längere Zeit nichts von sich hören ließ. Hier lernt man Schuberts musikalischen Humor kennen; er hat daraus eine effektvolle opernhafte Szene gemacht mit dramatischem Rezitativ und Arie. Nach einem Allegro-furioso-Vorspiel beginnt das Stück mit den Worten:


    »Und nimmer schreibst du? Bleibest uns verloren, ein starr Verstummter, nun für ewige Zeit? Vielleicht, weil neue Freunde du erkoren?«


    Zu einem großen Stück hat es auch die Musikwelt diesem Spaun zu danken, dass wir heute so viele Schubert-Lieder haben, denn er war es, der sich bei Franz Schuberts Vater sehr dafür einsetzte, dass der Sohn nicht die Tradition der Schulmeister fortsetzen musste und sich ganz dem Komponieren widmen durfte. Spaun hatte eine Menge anerkennende Urteile über die Kompositionen seines Freundes gesammelt und diese dem lang widerstrebenden Vater präsentiert. Spaun selbst schildert den Vorgang so:


    »Nun waren die Schranken gefallen, der Vater erkannte das große Talent seines Sohnes und ließ ihn gewähren.«


    Spaun war es auch, der sich in einem Brief an Goethe dafür einsetzte, dass der Altmeister in Weimar einen Blick auf Schuberts Vertonungen wirft; wie man weiß, trug Spauns Engagement aber keine Früchte ...

  • Spaun war es auch, der sich in einem Brief an Goethe dafür einsetzte, dass der Altmeister in Weimar einen Blick auf Schuberts Vertonungen wirft; wie man weiß, trug Spauns Engagement aber keine Früchte ...


    Auch wenn sich die wenigsten getrauen, das offen auszusprechen: Goethe war unmusikalisch und ausserdem interessierten ihn vor allem Leute bei denen er im Mittelpunkt stehen konnte. Er traf mit seinen musikalischen Urteilen stets daneben.


    Als Mendelssohn das neue Wunderkind in der Mozart Nachfolge war, soll Goethe sich in der Weise geäussert haben, daß er noch nie jemandem in dem Alter hätte so perfekte Leistungen vollbringen habe sehen, wie das Kind Mendelssohn. Zelter wies Goethe darauf hin, daß er ja auch das Wunderkind Mozart habe erleben dürfen. Goethe lässt sich dadurch zu folgender Äusserung hinreissen:
    "Was dein Schüler jetzt schon leistet, mag sich zum damaligen Mozart verhalten wie die ausgebildete Sprache eines Erwachsenen zum Lallen eines Kindes!"


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zit. Alfred Schmidt: „Goethe war unmusikalisch“


    Für diese Behauptung gibt es keinen historischen Beleg. Jedenfalls kenne ich keinen, und diese These ist mir in der Literatur über Goethe noch niemals begegnet.
    Ohnehin ist es aus meiner Sicht problematisch, wenn nicht gar unzulässig, aus der Tatsache, dass jemand einen Komponisten oder eines seiner Werke ablehnt, zu schließen, dass er „unmusikalisch sei“. Wir wären es dann nämlich hier im Forum mehr oder weniger alle. Ich etwa in meiner reservierten Haltung gegenüber der Liedmusik des späten zwanzigsten Jahrhunderts, Alfred Schmidt etwa in seiner – hier dokumentierten - radikalen Ablehnung der Lieder Hugo Wolfs.


    Warum Goethe Schuberts Lieder negativ beurteilte und auf die an ihn gerichtete Liedsendung nicht reagierte, darüber gibt es mehrere Erklärungsversuche – z.B. die These, er habe mit Schuberts polyrhythmischer Kompositionsweise und der Durchkomposition nichts anzufangen gewusst und ein musikalisch-interpretatorisches Plus an seiner als autonom betrachteten Lyrik abgelehnt - , kein einziger aber hat bislang die Schlussfolgerung gezogen, es habe an Goethes „Un-Musikalität“ gelegen. Mal abgesehen davon, dass Goethe später, nach Schuberts Tod, dessen Erlkönig“ im Vortrag von Schröder Devrient dann doch positiv beurteilte ( „so vorgetragen, gestaltet sich das Ganze zu einem sichtbaren Bild“).


    Dass Goethe sehr wohl „musikalisch“ gewesen sein musste – dies im Sinne eines Verfügens über ein Sensorium für klassische Musik, gepaart mit einem adäquaten Urteilsvermögen -, lässt sich einer ganzen Reihe von historischen Quellenzeugnissen entnehmen. Höchst aufschlussreich ist diesbezüglich der Briefwechsel mit Zelter. Dieser kannte Goethe sehr genau, keinem anderen hatte dieser sich so anvertraut, wie dies bei Zelter der Fall war (sie waren bekanntlich per Du). Zelter musste also wissen, in welchen Maß Goethe „musikalisch“ war, wenn er in seinen Briefen so ausführlich und detailliert über musikalische Themen schrieb.


    In einem Brief vom 9. Juli 1827 äußerte er sich zum Beispiel ausführlich über Bach und Couperin. Darin heiß es u.a.: „Bach gilt für den größten Harmonisten und das mit Recht. (…) Bachs Urlement ist die Einsamkeit, wie Du ihn sogar erkanntest, indem Du einst sagtest: >Ich lege mich ins Bett und lasse mir von unserem Bürgermeisterorganisten in Berka Sebastiana spielen<. So ist er, er will belauscht sein.“


    Goethe antwortet darauf am 17. Juli 1827:
    „Wohl erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit an den guten Organisten von Berka; denn dort war mir zuerst, bei vollkommener Gemütsruhe und ohne äußere Zerstreuung ein Begriff von Eurem Großmeister (Seb. Bach) geworden. Ich sprach mir´s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich´s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben. So bewegte sich´s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte …“.


    Kann ein „Unmusikalischer“ so über seine Erfahrungen mit Bachs Musik sprechen?

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  • Hallo Helmut,


    mit viel weniger Wissen als Du - aber z. B.:


    Egal ob Frau oder Mann, sie/er kennt den Erlkönig nicht, weder das Gedicht noch die Vertonung. Nun wird die Vertonung gut interpretiert vorgetragen, der Text auf Tonsilben oder vokalisiert. Ich traue mir wetten, der/die Hörer/in (unterstellt einigermaßen musikalisch) erkennt/hört, der eine Teil der Musik hat steigende Erregung zum Inhalt, der andere beruhigt. (Es gibt ein Klavierkonzert von Beethoven, welches, welcher Satz ist mir Augenblick zu mühsam nach zu sehen, aber die musikalische Situation ist identisch.)


    "Herz, was willst du mehr?" Den Kern der musikalischen Botschaft gehört/erkannt, auf den Text, von wem auch immer, kann verzichtet werden. "Pfeif' auf den Text!"


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Ich werde in den nächsten Tagen einen Konzertbericht posten. Die Musik, überwiegend textbezogen, hat mich restlos begeistert, der Text war/ist für mich bedeutungslos, ich kann auf ihn verzichten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Das ist aber ein sehr subjektives Urteil und ich glaube Helmut Hofmann wird diese Aussage gar nicht gefallen.
    Auch ich stehe diesem Standpunkt eher ablehnend gegenüber, allein, er sei Dir unbenommen.
    Wenn ein Gedicht vertont wird ist das ein gewisser Einschnitt ins Werk, der Komponist fügt der Dichtung seine subjektive Lesart quasi hinzu.
    Bei diesem Vorgang gewinnt das Gedicht im Idealfall etwas dazu, aber gleichzeitig geht auch etwas verloren - und zwar immer. Die Balance zwischen
    Änderung des Gesamteindrucks und Beeinträchtigung des literarischen Kunstwerks ist schwierig. Es darf indes nie dazu führen, daß durch die Vertonung das usprüngliche Gedicht bedeutungslos oder gar zerstört wird.


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als Mendelssohn das neue Wunderkind in der Mozart Nachfolge war, soll Goethe sich in der Weise geäussert haben, daß er noch nie jemandem in dem Alter hätte so perfekte Leistungen vollbringen habe sehen, wie das Kind Mendelssohn. Zelter wies Goethe darauf hin, daß er ja auch das Wunderkind Mozart habe erleben dürfen. Goethe lässt sich dadurch zu folgender Äusserung hinreissen:
    "Was dein Schüler jetzt schon leistet, mag sich zum damaligen Mozart verhalten wie die ausgebildete Sprache eines Erwachsenen zum Lallen eines Kindes!"


    Wenn Goethe dass so gesagt haben sollte dann wäre der Vergleich unzulässig da er Äpfel mit Birnen vergleicht. Zum einen war Mozart bei seinem damaligen Konzertaufenthalt in Frankfurt 7 Jahre alt, während Mendelssohn bei seinem ersten Besuch bereits 12 Jahre alt war. Gerade in diesen Altersregionen können 5 Jahre viel ausmachen. Außerdem ist es stilistisch verzerrend... Mozart befand sich damals sogar noch in der Frühklassik, während Mendelssohn in Zeiten der Frühromantik groß wurde... mal abseits der veränderten Stilmittel, kann es auch klanglich ggf. psychologisch etwas ausmachen, der vollere, umfangreichere Klang des Hammerflügels zu Mendelssohns Zeit kann schon alleine von der Entwicklung des Instrumentes den Eindruck vom "Lallen zur ausgebildeten Sprache" hinterlassen. Ich war auch schon des öfteren versucht Mendelssohn als das größte Wunderkind der Musikgeschichte zu sehen, wohlgemerkt mit einem knappen Vorsprung. Aber einerseits ist es wie geschrieben durch die unterschiedlichen Epochen schwer zu vergleichen, andererseits ist es auf keinen Fall der vollkommen überzogene Unterschied den Goethe herauszuhören meint wenn ich jetzt mal den kompositorischen Aspekt heranziehe, weil die versprochene Zeitmaschine vom anderen Thread wird uns leider nach wie vor vorbehalten, somit leider kein rein interpretatorischer Vergleich möglich. ;)

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)


  • Was nun den ersten Besuch des zwölfjährigen Mendelssohn (hier als Porträt von Carl Begas) in Weimar beim alternden Goethe und dessen vorgebliche Unmusikalität anbelangt, bin ich auszugsweise auf eine kleine musikwissenschaftliche Arbeit im Netz gestoßen. Die fasst recht gut zusammen, was man sich sonst aus verschiedenen Quellen zusammensuchen muss:


    Hier der Text!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • der Komponist fügt der Dichtung seine subjektive Lesart quasi hinzu.


    Das macht jeder Leser ungewollt auch.

    Änderung des Gesanteindrucks und Beeinträchtigung des literarischen Kunstwerks ist schwierig. Es darf indes nie dazu führen, daß durch die Vertonung das usprüngliche Gedich bedeutungslos oder gar zerstört wird.


    Das Gedicht wird selbstverständlich nicht bedeutungslos, geschweige denn zerstört (für den Leser ändert sich ja nichts), aber für das Verständnis der Vertonung ist es nicht unbedingt erforderlich, übrigens: "Musik drückt das aus/vermittelt das , wozu Worte nicht imstande sind".


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich möchte diesen Thread nicht stören und von seinem Thema wegführen. Er ist – und Alfred ist zu danken für seine diesbezügliche Initiative – dafür viel zu bedeutsam, denn für Schubert war der Freundeskreis mehr als nur Geselligkeit, er war von konstitutiver Bedeutung für seine Existenz als Künstler und Mensch.
    Aber die These von zweiterbass:
    „Das Gedicht wird selbstverständlich nicht bedeutungslos, geschweige denn zerstört (für den Leser ändert sich ja nichts), aber für das Verständnis der Vertonung ist es nicht unbedingt erforderlich,“ …
    fordert mich zum Widerspruch geradezu heraus, gerade weil es hier um Schubert geht.


    Lieber zweiterbass,
    Du kennst mit Sicherheit die Transkription des „Erlkönigs“ von Franz Liszt. Aber tu mir den Gefallen, und hör sie Dir noch einmal in der – übrigens sehr gelungenen – Interpretation durch Evgeny Kissin an.
    Du wirst die hochinteressante und vielsagende Erfahrung machen, dass Du den Text von Goethe mithörst. Du kannst gar nicht anders. Wenn man die Ballade kennt, erklingt der Text in der Musik sozusagen automatisch mit.
    Und der Grund ist in der spezifischen Eigenart von Schuberts Liedmusik zu finden. Thrasybulos Georgiades hat sie auf treffende Weise mit den Worten charakterisiert: „Schuberts Gesang ist das musikalische Erklingen von Sprache, ist Sprache als Musik.“
    Ich halte Deine These, man könne die Musik dieser Schubert-Ballade verstehen und in ihrer Aussage erfassen, ohne den Text zu kennen, für nicht haltbar.
    Wenn Du sagst:
    „der eine Teil der Musik hat steigende Erregung zum Inhalt, der andere beruhigt. (…) "Herz, was willst du mehr?" Den Kern der musikalischen Botschaft gehört/erkannt, auf den Text, von wem auch immer, kann verzichtet werden. "Pfeif' auf den Text!"“….
    dann hast Du – bitte nimm´s mir nicht übel – nicht hinreichend bedacht, dass die Aussage der Ballade ja doch weit über diesen Dualismus von „Erregung“ und „Beruhigung“ hinausgeht. Und das hört man – den Text mitdenkend – bei Liszt auch auf hoch beeindruckende Weise immer wieder. Etwa wenn er die Stelle „Du liebes Kind, komm geh mit mir“ in eine wunderschöne Kantilene in hoher Diskantlage umsetzt und dann geradezu klanglich brutal das Klavier bei nachfolgenden Worten „Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht“ mit bedrohlich bohrenden Tonrepetitionen aufbrausen lässt. Ohne den Text mizuhören und zu -denken, versteht man nicht, was sich hier liedmusikalisch ereignet.


  • Lieber Helmut,

    in Details stimme ich Dir z. T. gerne zu.


    Die Liszt-Transkription kannte ich nicht, da ich mit Liszt nicht zurechtkomme; ich habe sie mir nun angehört – es bleibt eine Transkription, welche das Original vergeblich zu erreichen sucht. Die werbenden/beruhigenden Worte (aus anderer Interessenlage) des Erlkönigs entpuppen sich nur später als nicht mehr beruhigend.

    „Schuberts Gesang ist das musikalische Erklingen von Sprache“ – nein, Schuberts Vertonung hat auch zum Inhalt, was das Gedicht mit der Sprache nicht ausdrücken kann… sie hat also mehr/vertiefenden Inhalt gegenüber dem Gedicht.


    Mein provokanter Beitrag richtet sich insbesondere gegen die Meinung, in der Vertonung hat der/das Text/ Gedicht Vorrang vor der Musik zu haben. Warum es wohl Zelters Gedichtvertonungen nicht in unsere Zeit hinüber geschafft haben? Es ist für Dichter schwer zu ertragen (dagegen sträuben sie sich), dass Musik die umfassenderen Ausdrucksmöglichkeiten hat gegenüber der/den Sprache/Gedichten. (Ich meine, das hat sich auch in der Besprechung der „Winterreise“ erwiesen.)


    In Deinem Beitrag Nr. 20 zitierst Du aus einem Goethe-Brief vom 17.07.1827 – bist du Dir sicher, dass er bestimmt Musik meinte – er schrieb, „dass er weder Ohren noch…braucht “; ging es ihm nicht um ein allgemeines Harmoniegefühl, so wie in „ …Gottes Busen…kurz vor der Weltschöpfung“?


    Also in Details habe ich mich nicht verloren, mir ging es um eine allgemeine Feststellung der besseren Ausdrucksmöglichkeiten von Musik.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zit. zweiterbass: "...mir ging es um eine allgemeine Feststellung der besseren Ausdrucksmöglichkeiten von Musik."

    Reichlich spät habe ich erst begriffen, worauf Du mit Deinen Beiträgen letzten Endes hinaus wolltest, lieber zweiterbass. Meine Einwendungen hätte ich mir sparen können, denn Dein Anliegen war natürlich berechtigt. Liedmusik interpretiert den lyrischen Text und vermag mit ihren Mitteln in Ausschöpfung von dessen evokativem Potential Dinge zu sagen, die das lyrische Wort nicht explizit machen kann. Das ist auch bei Schubert der Fall, und es war wahrscheinlich einer der Gründe, warum Goethe sich nicht mit dessen Liedern auf seine Gedichte anfreunden konnte.
    Das will ich jetzt nicht weiter ausführen, denn es gehört - obwohl es um Schubert geht - nicht direkt in diesen verdienstvollen Thread.
    Ich habe mich aber, wenn ich mir diese persönliche Bemerkung erlauben darf, sehr gefreut, mit Dir wieder einmal ins Gespräch zu kommen.

  • Oh, ich finde, dioer Thread verläuft sehr schön. er ist ja ich sehr frei definiert und angelegt Und es schreiben ja auch Schuberts Freunde über seine Musik. Her noch einmal Joseph, Ritter von Spaun:


    Zitat

    "Schubert fand in Wien nicht die Anerkennung, die er verdiente. Der große Haufe (sicc) blieb und bleibt teilnahmslos.
    An den schönen Liedern ist daran nicht die Schuld, das Publikum, das für den "Rigoletto" schwärmt und die "Iphigenie" langweilig findet, kann nicht für Schubert sein.
    SEine Lieder passen auch nicht für den Konzertsaal, für die Produktionen. Der Zuhörer muß auch Sinn für das Gedicht haben und mit ihm vereint das schöne Lied genießen; mit einem Wort: das Publikum muß eine anderes sein, als dasjenige, welches die Theater und Konzertsäle füllt."


    Wie wir sehen, hat sich Spaun auch schon damals über das Zusammenspiel von Dichtung und Komposition Gedanken gemacht, und - soweit ich das richtig verstanden habe, ist seine damalige Position gar nicht weit von der heutigen unsrigen entfernt.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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